Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 27.05.2020, Az. 1 BvR 273/16

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2020, 2858

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Wegfall des Rechtsschutzinteresses hinsichtlich der Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke an elektronischen Leseplätzen nach gesetzlicher Regelung dieser Frage durch das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen die Zugänglichmachung eines urheberrechtlich geschützten Werks an elektronischen Leseplätzen. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung ihrer im Verfassungsbeschwerdeverfahren rügefähigen Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 14 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG geltend.

2

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls seit Inkrafttreten des [X.] an die aktuellen Erfordernisse der [X.] (Urheberrechts-[X.]s-Gesetz - [X.]) vom 1. September 2017 ([X.]) unzulässig.

3

1. Soweit die Beschwerdeführerin das Urteil des [X.] insoweit beanstandet, als es eine Annexvervielfältigung sowie die Ermöglichung von [X.] gestattet, ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, weil nach nunmehr geltendem Gesetzesrecht ein auf vollständige Unterlassung gerichtetes Begehren der Beschwerdeführerin selbst im Falle einer Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen keinen Erfolg mehr haben kann (vgl. dazu [X.] 90, 22 <25 f.>; 119, 292 <302>).

4

§ 60e Abs. 1 und 4 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9. September 1965 ([X.]), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. November 2018 ([X.]), enthält seit seinem Inkrafttreten ausdrückliche Regelungen, die Bibliotheken das Recht der Annexvervielfältigung und der Ermöglichung von [X.] einräumen. Ein Rechtsschutzbedürfnis an der verfassungs-gerichtlichen Klärung der Frage, ob der [X.] in verfassungsrechtlich zulässiger Weise davon ausgehen durfte, dass das Handeln der Beklagten von den zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidungen noch in [X.] befindlichen Regelungen in § 52a Abs. 3 [X.] a.F. (analog) und § 52b [X.] a.F. gedeckt war, besteht damit nicht mehr.

5

Das Rechtsschutzbedürfnis an der verfassungsgerichtlichen Klärung besteht auch nicht ausnahmsweise fort (vgl. [X.] 119, 309 <317 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. Juli 2016 - 1 BvR 2534/14 -, Rn. 10 m.w.[X.]). Insbesondere fehlt es an fortdauernden Beeinträchtigungen, die die Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]G rechtfertigten. Die Beschwerdeführerin hat ihre Ver-fassungsbeschwerde auch nicht auf die Neuregelung umgestellt; insbesondere legt sie nicht dar, dass sich die aufgeworfenen Fragen in deren Rahmen identisch stellen.

6

2. Im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der in § 90 Abs. 2 [X.]G zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen (vgl. [X.] 68, 368 <389>; 74, 102 <113>; 104, 65 <70>; 107, 395 <414>; 112, 50 <60>). Die Beschwerdeführerin hat im fachgerichtlichen Verfahren nicht konkret und substantiiert zu rechtswidrigen Vervielfältigungen von Bibliotheksnutzern und einer Teilnehmer- oder Störerhaftung der Beklagten vorgetragen. Damit hat sie nicht alles ihr Zumutbare getan, um eine Entscheidung des [X.] zu ihren Gunsten herbeizuführen und die geltend gemachte Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG zu verhindern. Anders als von der Beschwerdeführerin vorgetragen, überschreitet die Anforderung, bereits im fachgerichtlichen Verfahren, das nach ihren eigenen Angaben als Musterverfahren geführt wurde, zu mehreren möglichen Grundlagen eines Unterlassungsanspruchs vorzutragen, nicht die mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG zu ziehenden Grenzen.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 273/16

27.05.2020

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 10. Dezember 2015, Az: I ZR 69/11, Beschluss

Art 2 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 BVerfGG, § 52a Abs 3 UrhG, § 52b UrhG, § 60e Abs 1 UrhG, § 60e Abs 4 UrhG, UrhWissG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 27.05.2020, Az. 1 BvR 273/16 (REWIS RS 2020, 2858)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2858


Verfahrensgang

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Az. 1 BvR 273/16

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 273/16, 27.05.2020.


Az. I ZR 69/11

Bundesgerichtshof, I ZR 69/11, 10.12.2015.

Bundesgerichtshof, I ZR 69/11, 16.04.2015.

Bundesgerichtshof, I ZR 69/11, 20.09.2012.

Bundesgerichtshof, I ZR 69/11, 19.10.2011.


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