Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.05.2014, Az. VI ZR 187/13

6. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5428

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) ÄRZTE HAFTUNG MEDIZINRECHT

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Gegenstand

Arzt- und Krankenhaushaftung bei Geburtsschäden: Bindungswirkung eines Grund- und Teilurteils; Bejahung eines abgrenzbaren Teils des Gesundheitsschadens bei Mitverursachung der Gesundheitsverletzung


Leitsatz

1. Zur Bindungswirkung eines Grund- und Teilurteils.

2. Zur Bejahung eines abgrenzbaren Teils des Gesundheitsschadens bei Mitverursachung der Gesundheitsverletzung.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 28. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer der Beklagten zu 3 und 4.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit seiner Geburt im Krankenhaus [X.] Die Mutter des [X.] wurde während der Schwangerschaft vom Beklagten zu 1, der Belegarzt in dem Krankenhaus war, frauenärztlich und geburtshilflich bis zur Entbindung betreut. Der Beklagte zu 3 ist der Träger des Krankenhauses. Die Beklagte zu 2 begleitete als freie Hebamme die Geburt. Die Beklagte zu 4 versorgte den Kläger als Krankenschwester nach der Geburt in der Kinderstation des Krankenhauses.

2

Bei der Mutter des [X.] setzten am 13. Oktober 1984 gegen 20 Uhr Geburtswehen ein. Sie wurde danach in das Krankenhaus [X.] aufgenommen. Der Kläger kam am 14. Oktober 1984 um 10.16 Uhr zur Welt. Zwei Stunden später brachte ihn die Beklagte zu 2 auf die Kinderstation und übergab ihn der Beklagten zu 4. Am 16. Oktober 1984 veranlasste ein zu Rate gezogener Kinderarzt die Verlegung des [X.] in die Kinderklinik des Krankenhauses K. Dort lautete die Gesamtdiagnose auf ein Postasphyxie-Syndrom mit Subarachnoidalblutung und ZNS-Anfällen. Bei der Entwicklung des [X.] wurden in den folgenden Jahren schwerste körperliche und geistige Behinderungen sichtbar.

3

Der Kläger nimmt die Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich weiterer materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Zunächst hat das [X.] durch Urteil vom 20. November 1995 den Anspruch des [X.] "auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens aus der Geburt am 14.10.1984" gegen die Beklagten zu 1 bis 4 als Gesamtschuldner dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das [X.] hat mit Urteil vom 18. März 2004 die Berufungen der Beklagten gegen das "als Grundurteil bezeichnete Grund- und Teilendurteil" des [X.]s "mit folgender Klarstellung" zurückgewiesen:

"1. Die Klageanträge Ziffern 1 bis 3 sind dem Grunde nach gerechtfertigt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger anlässlich und aufgrund der Behandlung durch die Beklagten nach seiner Geburt am 14.10.1984 bis zum 16.10.1984 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden."

4

Der erkennende Senat hat die Beschwerden der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil zurückgewiesen.

5

Im nachfolgenden Betragsverfahren hat das [X.] den Anträgen des [X.] weitgehend stattgegeben. Es hat die Beklagten verurteilt, über die bereits bezahlten Beträge von insgesamt 220.000 € hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 100.000 €, materiellen Schadensersatz von 666.156,34 €, eine Mehrbedarfsrente von monatlich 2.193,19 € und eine Erwerbsschadensrente von monatlich 1.032,73 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufungen der Beklagten hat das [X.] das Urteil des [X.]s abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner nur verurteilt, an den Kläger über den bereits bezahlten Betrag hinaus weitere 52.603,13 € sowie eine Rente von vierteljährlich 2.127,54 € nebst Zinsen zu zahlen. In Bezug auf die Beklagten zu 3 und 4 hat es festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 220.000 € erledigt ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehenden Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht - beschränkt auf die Frage der Abgrenzung der Schadensanteile - zugelassenen Revision verlangt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

A.

6

Die Revision ist uneingeschränkt zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

7

Zwar hat das [X.]erufungsgericht die Revision sowohl im Tenor als auch in den Gründen des angefochtenen Urteils nur beschränkt hinsichtlich der Frage der Abgrenzbarkeit der [X.] zugelassen. Damit hat es die Zulassung aber in unzulässiger Weise auf eine bestimmte Rechtsfrage beschränkt (vgl. Senatsurteile vom 13. Juli 2004 - [X.], [X.], 1267, 1268; vom 28. März 2006 - [X.], [X.], 944 Rn. 9, jeweils mwN; [X.], Urteil vom 19. April 2013 - [X.], NJW 2013, 1948 Rn. 9). Die Zulassung kann auch nicht in eine [X.]eschränkung der Revision auf den [X.] als einen selbständig anfechtbaren Teil des Streitgegenstandes umgedeutet werden (vgl. dazu Senatsurteil vom 13. Juli 2004 - [X.], aaO). Denn das angefochtene Urteil ist im [X.]etragsverfahren ergangen; ihm ist bereits ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO vorausgegangen. Die Frage der Abgrenzbarkeit der [X.] kann im [X.]etragsverfahren nicht von der Schadenshöhe getrennt werden.

8

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des [X.] zum Einwand des Mitverschuldens, auf die sich die Revisionserwiderungen der [X.]eklagten zu 2 bis 4 berufen. Danach kann die Revisionszulassung zwar wirksam auf den [X.] beschränkt werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass das [X.]erufungsgericht befugt gewesen wäre, zunächst ein Grundurteil zu erlassen und die Frage des Mitverschuldens dem [X.]etragsverfahren vorzubehalten (vgl. [X.], Urteile vom 18. April 1997 - [X.], [X.]Z 135, 235, 237; vom 19. April 2013 - [X.], aaO Rn. 11, jeweils mwN). Innerhalb des [X.] ist eine entsprechende [X.]eschränkung der Revisionszulassung nicht zulässig.

9

Da die Revision mithin unbeschränkt zugelassen ist, ist die von dem Kläger vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegenstandslos (vgl. [X.], Urteil vom 19. April 2013 - [X.], aaO Rn. 12 mwN).

[X.].

Die Revision ist nicht begründet.

[X.]

Das [X.]erufungsgericht hat ausgeführt, entgegen der Auffassung des [X.] führe die [X.]indungswirkung des [X.]erufungsurteils vom 18. März 2004 zu einer Schadensersatzpflicht der [X.]eklagten nur für einen Teil der geltend gemachten Schäden. In diesem Urteil sei mit [X.]indungswirkung für alle denkbaren Ansprüche des [X.] festgestellt, dass die [X.]eklagten nur für diejenigen Gesundheitsschäden schadensersatzpflichtig seien, die nach der Geburt des [X.] am 14. Oktober 1984 bis zum 16. Oktober 1984 entstanden seien, und die im Urteil als "fortschreitender Schaden" bzw. als "[X.] verschlimmerter [X.]" bezeichnet seien. Das Gericht habe die Möglichkeit einer hypoxischen Schädigung des [X.] vor der Geburt und damit im Zusammenhang stehende Versäumnisse der [X.]eklagten zu 1 und 2 sowie [X.]ehandlungsfehler im Zusammenhang mit dem [X.] ausgeschlossen. Es habe nur [X.]ehandlungs- bzw. Organisationsfehler im [X.]raum nach der Geburt bezüglich aller vier [X.]eklagten bejaht, durch die eine Stabilisierung des [X.] verursachten Gesundheitsschadens versäumt worden sei.

Nach den bindenden Feststellungen des Urteils vom 18. März 2004 sei bei dem Kläger in den Minuten vor der Geburt ohne eine Pflichtwidrigkeit der [X.]eklagten eine Hirnblutung und damit ein Gesundheitsschaden eingetreten, der sich bis zur Verlegung am 16. Oktober 1984 in die Kinderklinik des [X.] weiter habe ausbreiten können. Es habe sich um einen einheitlichen, kontinuierlichen biologischen Vorgang gehandelt, der sich auf eine immer größer werdende Zahl von Gehirnzellen oder Gehirnarealen ausgedehnt habe. Der entstandene Gesundheitsschaden bestehe somit aus einem schicksalhaft eingetretenen Anteil und einem weiteren, von den [X.]eklagten gemeinsam zu verantwortenden Anteil.

Aufgrund der Angaben der Sachverständigen Prof. Dr. Ro. und Prof. Dr. [X.]. hätten die [X.]eklagten nachgewiesen, dass der größte Teil des Schadens nicht in dem [X.]raum entstanden sei, für den diese schadensersatzpflichtig seien. Zwar sei eine exakte Festlegung auf eine bestimmte Prozentzahl nicht möglich, wohl aber die Festlegung auf einen maximalen Anteil der Schädigung durch die [X.]eklagten. Diese hätten jedenfalls den Nachweis erbracht, dass der Gesundheitsschaden zu mindestens 80 % bereits vorhanden gewesen sei, bevor sich die haftungsbegründenden Fehler der [X.]eklagten ausgewirkt hätten. Die geltend gemachten Ansprüche des [X.] seien somit, soweit sie nicht gänzlich ausschieden, nur mit einer Quote von 20 % begründet.

Unter [X.]erücksichtigung aller Umstände und des eingeschränkten Haftungsanteils der [X.]eklagten sei ein Schmerzensgeld von insgesamt 70.000 € angemessen, weil der Kläger auch ohne den Haftungsanteil der [X.]eklagten an schwersten [X.]ehinderungen gelitten hätte. Der Schadensberechnung hinsichtlich des personellen und sachlichen Mehraufwands sei die Quote von 20 % zugrunde zu legen. Hinsichtlich des Erwerbsausfallschadens und der Kosten der [X.] stehe dem Kläger allerdings kein Schadensersatzanspruch zu, weil er auch ohne die Vertiefung des Schadens ein Pflegefall geworden und nicht für den Arbeitsprozess in [X.]etracht gekommen wäre.

I[X.]

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Das [X.]erufungsgericht hat den Umfang der [X.]indungswirkung des Urteils des [X.] vom 18. März 2004 zutreffend erfasst.

a) Die [X.]indungswirkung dieses Urteils (künftig: Grund- und Teilurteil) ergibt sich aus § 318 ZPO (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1965 - [X.], [X.], 1173, 1174; [X.], Urteil vom 14. Juli 2011 - [X.], NJW 2011, 3242 Rn. 16 mwN). Ihr Umfang richtet sich danach, worüber das Gericht wirklich entschieden hat. Dies ist durch Auslegung von Urteilsformel und Entscheidungsgründen zu ermitteln (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2012 - [X.], NJW 2013, 1163 Rn. 9; [X.], Urteile vom 13. Oktober 2000 - [X.], NJW 2001, 78, 79; vom 14. Juni 2002 - [X.], NJW 2002, 3478, 3479; vom 14. Juli 2011 - [X.], aaO Rn. 17, jeweils mwN; [X.]eschluss vom 21. Februar 1994 - [X.], NJW 1994, 1222 f.). Eine [X.]indung an Tatbestand und Entscheidungsgründe tritt insoweit ein, als sie den festgestellten Anspruch kennzeichnen, mithin dessen Inhalt bestimmen ([X.], Urteil vom 14. Juni 2002 - [X.], aaO; Musielak/Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 304 Rn. 11; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 304 Rn. 69). Das Zwischenurteil über den Grund (§ 304 ZPO) hat für das [X.]etragsverfahren [X.]indungswirkung, soweit es den [X.] bejaht hat und dessen Höhe durch den anerkannten Klagegrund gerechtfertigt ist (vgl. [X.], Urteil vom 24. September 2009 - [X.], [X.], 2075 Rn. 19; [X.], 5. Aufl., § 304 Rn. 15). Es legt fest, auf welcher Grundlage das [X.]etragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände bereits - für die Parteien bindend - abschließend im Grundverfahren geklärt sind (vgl. [X.], Urteile vom 17. Oktober 1985 - [X.]/84, [X.], 319, 320; vom 20. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2007, 138 Rn. 17; vom 30. Oktober 2009 - [X.], [X.], 1320 Rn. 9 mwN).

b) Die Auslegung des dem angefochtenen Urteil des [X.]erufungsgerichts zugrundeliegenden Grund- und [X.] (vgl. § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO), welches im Tenor keinen ausdrücklichen Vorbehalt enthält, ist vom Revisionsgericht selbständig vorzunehmen (vgl. [X.], Urteile vom 30. September 1968 - [X.], [X.], 1380, 1382; vom 14. April 1987 - [X.], NJW-RR 1987, 1196, 1197; vom 11. Juli 2001 - [X.], NJW-RR 2002, 136). Sie führt zu dem Ergebnis, dass dem Urteil nicht eine [X.]indungswirkung dahingehend zu entnehmen ist, dass die [X.]eklagten als Gesamtschuldner für die Gesundheitsverletzung des [X.] in vollem Umfang haften. In dem Urteil ist mit [X.]indungswirkung nur festgestellt, dass die [X.]eklagten als Gesamtschuldner für die Gesundheitsschäden haften, welche auf [X.]en [X.] der [X.]eklagten beruhen, die für die Gesundheitsverletzung des [X.] mitursächlich geworden sind.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision steht einer solchen Auslegung der einleitende Satz im Tenor des Grund- und [X.] nicht entgegen. Danach hat das [X.] die [X.]erufungen der [X.]eklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. November 1995, das den Anspruch des [X.] "auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens aus der Geburt am 14.10.1984" gegen die [X.]eklagten zu 1 bis 4 als Gesamtschuldner dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat, "mit folgender Klarstellung" zurückgewiesen. Nachfolgend hat es den Tenor des landgerichtlichen Urteils neu gefasst. Dies war erforderlich, weil das [X.] auch den Feststellungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hatte, obgleich dies bei einem unbezifferten Feststellungsantrag nicht zulässig ist, und es sich in Wirklichkeit um ein Grund- und Teilurteil handelte (vgl. [X.], Urteile vom 27. Januar 2000 - [X.], [X.], 1572; vom 4. Oktober 2000 - [X.], NJW 2001, 155 mwN). Mehr ergibt sich aus dem einleitenden Satz nicht.

bb) In Nr. [X.] 1 des Tenors des Grund- und [X.] hat das [X.] die damaligen Zahlungsanträge des [X.] - wie zuvor das [X.] - zwar ohne Einschränkung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und damit zugleich die Kausalität der Versäumnisse der [X.]eklagten für die Gesundheitsverletzung des [X.] festgestellt, weil die haftungsbegründende Kausalität zum [X.] gehört. Daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig, dass das [X.]erufungsgericht eine Haftung der [X.]eklagten für die Gesundheitsverletzung in vollem Umfang angenommen hat. Nach allgemeinem Schadensrecht steht nämlich eine Mitursächlichkeit, und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der [X.] grundsätzlich haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 27. Juni 2000 - [X.], [X.], 1282, 1283; vom 20. November 2001 - [X.], [X.], 200, 201; vom 5. April 2005 - [X.], [X.], 942; vom 19. April 2005 - [X.], [X.], 945, 946; vom 16. März 2010 - [X.], [X.], 627 Rn. 12; Senatsbeschluss vom 13. November 2007 - [X.], juris). Mithin lässt sich aus Nr. [X.] 1 des Tenors keine [X.]indungswirkung hinsichtlich des gesamten Gesundheitsschadens ableiten.

cc) Aus Nr. [X.] 2 des Tenors, auf die sich das [X.]erufungsgericht bei seiner Auslegung des Grund- und [X.] maßgeblich gestützt hat, ergibt sich vielmehr, dass diesem nur eine eingeschränkte [X.]indungswirkung zukommt. Das [X.] hat nämlich festgestellt, dass die [X.]eklagten als Gesamtschuldner "verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger anlässlich und aufgrund der [X.]ehandlung durch die [X.]eklagten nach seiner Geburt am 14.10.1984 bis zum 16.10.1984 entstanden sind und noch entstehen werden". Es ist damit bezüglich der [X.]eklagten zu 1 und 2 hinter dem Feststellungsantrag des [X.] zurückgeblieben, der hinsichtlich dieser [X.]eklagten beantragt hatte festzustellen, dass sie verpflichtet sind, sämtliche Schäden zu ersetzen, "die dem Kläger anlässlich und aufgrund der [X.]ehandlung …. vor, während und nach seiner Geburt" entstanden sind und noch entstehen werden. Der Feststellungsantrag hinsichtlich der [X.]eklagten zu 3 und 4 hatte sich ohnehin nur auf die [X.]ehandlung "im [X.]raum vom 14. bis zum 16.10.1984 nach seiner Geburt am 14.10.1984" bezogen.

Auch die Aufnahme der Wörter "anlässlich und" spricht nicht dafür, dass der [X.] nicht nur die nach der Geburt entstandenen Gesundheitsschäden erfassen sollte. [X.]ei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger hinsichtlich aller [X.]eklagten schon in seinem Feststellungsantrag die Wörter "anlässlich und aufgrund der [bzw. seiner] [X.]ehandlung" aufgenommen hat, also auch in den Antrag hinsichtlich der [X.]eklagten zu 3 und 4, der sich nur auf den [X.]raum nach der Geburt bezog. Im Grund- und Teilurteil ist mithin nur die vom Kläger vorgegebene Fassung übernommen worden. Im Hinblick darauf ist von maßgeblicher [X.]edeutung, dass das [X.] dem Feststellungsantrag abweichend vom Antrag des [X.] bezüglich der [X.]eklagten zu 1 und 2 nur hinsichtlich der [X.]ehandlung nach seiner Geburt entsprochen hat. Dies entspricht den Entscheidungsgründen des Grund- und [X.], in denen das [X.] die Haftung der [X.]eklagten nur auf Versäumnisse gestützt hat, die sich erst nach der Geburt ereignet oder - im Fall des [X.]eklagten zu 3 - ausgewirkt haben und die die Gesundheitsverletzung nicht allein verursacht, sondern nur vertieft haben. Eine [X.]eschränkung des [X.] auf den "Vertiefungsschaden" kommt auch darin zum Ausdruck, dass in den Entscheidungsgründen des Grund- und [X.] wiederholt von den [X.]eklagten als Urhebern des "gesamten nachgeburtlich vertieften Schadens" oder des "[X.] verschlimmerten [X.]s" die Rede ist. Auch dies zeigt, dass als [X.] nur Versäumnisse der [X.]eklagten in der [X.] nach der Geburt angenommen wurden, die für die Gesundheitsverletzung des [X.] mitursächlich geworden sind. Dadurch wird der festgestellte Anspruch gekennzeichnet und mithin dessen Inhalt bestimmt. Infolgedessen ist auch nur insoweit eine [X.]indungswirkung eingetreten.

Hinsichtlich des Umfangs einer sich aus der [X.] der Gesundheitsverletzung ergebenden Haftung liegt eine [X.]indungswirkung nicht vor. Denn bei vernünftigem Verständnis des Grundurteils ist ihm mit Rücksicht auf den bisherigen Prozessverlauf zu entnehmen, dass der Prüfung im [X.]etragsverfahren vorbehalten bleiben sollte, in welchem Umfang die [X.]eklagten wegen ihrer Versäumnisse haften (vgl. [X.], Urteil vom 31. Januar 1990 - [X.], [X.]Z 110, 196, 204). Im Grund- und Teilurteil finden sich dazu keine Ausführungen. Das [X.] hat vielmehr zum Feststellungsanspruch eine Teilabweisung nicht als veranlasst gesehen, weil für Fehler im nachgeburtlichen [X.]abschnitt eine [X.] ausreiche und über die Höhe des materiellen und immateriellen Schadens "nicht zu befinden" war.

2. Auch die Ausführungen des [X.]erufungsgerichts zum Umfang der Haftung halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das [X.]erufungsgericht hat die Haftung der [X.]eklagten rechtsfehlerfrei auf einen Haftungsanteil von 20 % begrenzt.

a) Auch wenn eine Mitursächlichkeit der [X.] haftungsrechtlich grundsätzlich in vollem Umfang gleichsteht (vgl. oben unter [X.]), ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, wenn feststeht, dass der [X.]ehandlungsfehler nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat, also eine sogenannte abgrenzbare Teilkausalität vorliegt (vgl. Senatsurteile vom 1. Oktober 1996 - [X.], [X.], 362, 363; vom 8. Februar 2000 - [X.], [X.], 1107, 1108; vom 5. April 2005 - [X.], [X.], 942; Senatsbeschluss vom 13. November 2007 - [X.], juris). Erforderlich ist, dass sich der [X.] des [X.]ehandlungsfehlers einwandfrei von dem anderen [X.] - etwa einer Vorschädigung des Patienten - abgrenzen und damit der Haftungsanteil des Arztes bestimmen lässt ([X.], [X.], 1289, 1296). Andernfalls verbleibt es bei der Einstandspflicht für den gesamten Schaden, auch wenn dieser durch andere, schicksalhafte Umstände wesentlich mitverursacht worden ist (vgl. [X.], [X.] 2005, 273, 275; Geiß/[X.], [X.], 7. Aufl., [X.] Rn. 217).

b) Einen solchen abgrenzbaren Teil des Schadens hat das [X.]erufungsgericht im Streitfall nach dem dafür erforderlichen [X.]eweismaß des § 286 ZPO (vgl. [X.], aaO) festgestellt.

Nach Überzeugung des [X.]erufungsgerichts haben die [X.]eklagten den Nachweis erbracht, dass der größte Teil des Gesundheitsschadens nicht in dem [X.]raum entstanden ist, für den sie nach dem Urteil vom 18. März 2004 schadensersatzpflichtig sind, sondern zu diesem [X.]punkt bereits vorhanden war. Nach den bindenden Feststellungen des Grund- und [X.] ist beim Kläger in den Minuten vor der Geburt ohne eine Pflichtwidrigkeit der [X.]eklagten eine Hirnblutung und damit eine Gesundheitsverletzung eingetreten, die sich bis zur Verlegung am 16. Oktober 1984 in die Kinderklinik des [X.] weiter ausgebreitet hat. Der - durch das nicht pflichtwidrige [X.] - verursachte traumatische Schaden ist bereits [X.] irreparabel eingetreten, so dass es auch bei seiner frühzeitigen Feststellung bei der nachgeburtlichen [X.]etreuung und [X.]ehandlung nur noch um die [X.]e Stabilisierung des Zustands des [X.] ging. Den durch das Ereignis in den Minuten vor der Geburt verursachten schicksalhaft eingetretenen Schadensanteil hat das [X.]erufungsgericht aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Ro. und Prof. Dr. [X.]. mit mindestens 80 % angenommen und demgemäß den Haftungsanteil der [X.]eklagten auf maximal 20 % beschränkt.

Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. [X.] ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den [X.]eweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - [X.], [X.], 454 Rn. 13; vom 10. Juli 2012 - [X.], [X.]Z 194, 26 Rn. 28; vom 11. Dezember 2012 - [X.], [X.], 321 Rn. 16, jeweils mwN).

c) Nach diesen Grundsätzen ist die Feststellung eines bereits vor den nachgeburtlichen [X.] der [X.]eklagten eingetretenen abgrenzbaren Teils des Gesundheitsschadens revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Keinen Erfolg hat die Revision zunächst, soweit ihr Vortrag auf etwaige [X.]ehandlungsfehler während der Geburt abstellt, weil dem [X.]erufungsgericht aufgrund der [X.]indungswirkung des Grund- und [X.] neue Feststellungen zu [X.]ehandlungsfehlern der [X.]eklagten verwehrt sind.

Auch soweit die Revision auf Vorbehalte der medizinischen Sachverständigen gegen die Festlegung prozentualer [X.] verweist, steht das der Überzeugungsbildung des [X.]erufungsgerichts nicht entgegen. Die Würdigung des [X.]erufungsgerichts hat in der auf den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Ro. und Prof. Dr. [X.]. beruhenden Feststellung, dass der [X.] zum [X.]punkt der Abnabelung im Wesentlichen abgeschlossen war, eine hinreichende Grundlage. Das [X.]erufungsgericht hat unter [X.]erücksichtigung der sachverständigen Ausführungen zu Lasten der [X.]eklagten für diese eine [X.] von maximal 20 % angenommen. Es hat dabei berücksichtigt, dass der Sachverständige Prof. Dr. [X.]. erklärt hat, die von ihm genannten Zahlen, wonach der [X.] zum [X.]punkt der Abnabelung bereits zu 80 bis 90 % abgeschlossen gewesen sei, seien medizinisch nicht fundiert. Das [X.]erufungsgericht konnte sich auf weitere vom Sachverständigen genannte konkrete Anhaltspunkte zur "medizinischen Unterscheidung der [X.]" stützen. Dieser hat ausgeführt, der Kläger wäre auch bei Annahme einer unverzüglichen Verlegung nach der Geburt in die Kinderklinik auf jeden Fall ein Pflegefall gewesen und für den Arbeitsprozess nicht in Frage gekommen. Der Kläger wäre nicht in der Lage gewesen, ein selbständiges Leben zu führen, vielleicht wären die Lähmungserscheinungen geringfügiger ausgeprägt gewesen und auch die Fähigkeit zur Artikulation. Die mentale [X.]ehinderung hätte in jedem Fall auch bestanden. Wenn das [X.]erufungsgericht unter diesen Umständen in tatrichterlicher Würdigung zur Überzeugung gelangt ist, der [X.] sei zum [X.]punkt der Abnabelung bereits zu 80 % abgeschlossen gewesen, ist dies nicht zu beanstanden und reicht für die Annahme eines abgrenzbaren Teils des Gesundheitsschadens aus.

Die Revision rügt erfolglos, das [X.]erufungsgericht habe einen Widerspruch in den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. [X.]. außer [X.]etracht gelassen. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, während Kinder mit Krampfanfällen im Rahmen einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie sich in etwa 50 % der Fälle normal entwickelten, liege der Wert bei Neugeborenen mit Krampfanfällen im Rahmen einer primären Subarachnoidalblutung bei mindestens 90 %. Diese statistischen Prozentsätze stehen jedoch nicht in Widerspruch zu der Annahme des Sachverständigen, dass unter den konkreten Umständen des Streitfalls, in dem der Eintritt schwerster körperlicher und geistiger [X.]ehinderungen feststeht, der [X.] zum [X.]punkt der Abnabelung bereits zu 80 bis 90 % abgeschlossen gewesen sei.

Die weiteren Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und als nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren [X.]egründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

3. Konkrete Einwände gegen die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes im Übrigen hat die Revision nicht vorgebracht.

[X.]                          Pauge

             [X.]                      von [X.]

Meta

VI ZR 187/13

20.05.2014

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 28. März 2013, Az: 24 U 671/11

§ 286 ZPO, § 301 Abs 1 S 2 ZPO, § 304 ZPO, § 318 ZPO, § 280 Abs 1 BGB, § 421 BGB, § 611 BGB, § 823 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.05.2014, Az. VI ZR 187/13 (REWIS RS 2014, 5428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5428

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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