Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.12.2019, Az. 27 W (pat) 558/17

27. Senat | REWIS RS 2019, 20

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SHOE4YOU (Wort-Bild-Marke)" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 025 372.6

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 27. Dezember 2019 durch die Richterin [X.] und [X.] und Paetzold

beschlossen:

Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 25, vom 24. April 2017 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das [X.], Markenstelle für Klasse 25, hat nach Beanstandung mit Bescheid vom 23. November 2017 mit Beschluss vom 24. April 2017 die Eintragung des am 27. August 2016 angemeldeten farbigen (blau, weiß, rot) Wort- / Bildzeichens

Abbildung

2

für die nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 18. September 2019 im Beschwerdeverfahren noch weiter beanspruchten, verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen der

3

Klasse 18: Geldbörsen, Brieftaschen, Regenschirme, Gepäckanhänger;

4

Klasse 35: Werbung, Betriebs- und Geschäftsführung, Geschäftsführung für Läden, Unternehmensverwaltung; Produktvorführungen und -präsentationen; Versand und Verteilung von Werbe-, Marketing und verkaufsfördernden Materialien; Verwaltung eines Rabattprogramms, durch das Teilnehmer durch die Verwendung einer Rabatt-Mitgliedskarte Rabatt auf Waren und Dienstleistungen erhalten können;

5

Klasse 42: Gestaltung und Aktualisierung von Homepages und Websites;

6

nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft und nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] als freihaltebedürftige Angabe zurückgewiesen.

7

Zur Begründung der Zurückweisung der noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen ist ausgeführt, das angemeldete Wort / Bildzeichen sei nicht geeignet, die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Darüber hinaus bestehe das Zeichen ausschließlich aus einer Angabe, die zur Bezeichnung der Art und Beschaffenheit der beanspruchten Waren dienen könne. Mit dem Verständnis [X.]e für dich“ verbinde es bestimmte Waren lediglich mit einem Zielgruppenhinweis. Es stelle daher lediglich eine freihaltungsbedürftige Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar.

8

Das angemeldete Wort / Bildzeichen „[X.] 4 [X.]“ bestehe aus einer Kombination allgemeinverständlicher Begriffe. Die Bezeichnungen „[X.]“ ([X.] Schuh) und „[X.]“ ([X.] Du, Sie, ihr, dich dir, euch) gehörten dabei zum Grundwortschatz der [X.]. Die Zahl „4“ sei als Synonym für das [X.] Wort „for“ (für) aufgrund der überaus häufigen Verwendung vor allem in der Werbung allgemein bekannt und gebräuchlich. Sie stelle nur eine andere, insoweit modernisierte und werbewirksame Schreibweise des englischsprachigen Wortes „for“ dar; wie das [X.] bereits im Jahr 1995 festgestellt habe (Beschluss vom 6. März 1995 – 30 W (pat) 234/934 – 4 [X.]). Die angemeldete Wort / Zahlkombination „[X.] 4 [X.]“ in der Bedeutung [X.](e) für dich“ oder [X.] für Sie“ sei eine werbeübliche und auch ohne weiteres verständliche Sachaussage, bei der ein schutzfähiger [X.] nicht zu erkennen sei. Die Kombination der [X.]n Wörter „[X.]“ (Schuhe und alles was damit in unmittelbaren Zusammenhang stehe) „für dich bzw. euch“ sei eine beschreibende Angabe, für die auch ein Freihaltungsbedürfnis gegeben sei.

9

Die Kombination dieser Wörter sei dem gesamten Publikum ohne weiteres verständlich. Sie weise lediglich auf das angebotene Sortiment hin, also auf Schuhwaren nebst üblichem Zubehör dar. Dabei entspreche es mittlerweile gängiger Praxis, dass neben Schuhen passend im Set auch Schirme, Gepäckanhänger, Geldbörsen und sonstige Accessoires angeboten und verkauft würden. Hierbei würden im gleichen Design aufeinander abgestimmt ein komplettes Outfit (vom Schuh über Kleinlederwaren zu Schirmen und Taschen) angeboten. Dabei bleibe der verständliche Sortimentshinweis auch bei den angemeldeten Dienstleistungen, wie „Werbung, Geschäftsführung, Produktvorführung, Marketing“ usw. nebst Internetauftritt als zugehörige Annexdienstleistungen im Vordergrund bestehen.

Das angesprochene Publikum werde die angemeldete Bezeichnung „[X.] 4 [X.]“ als durchaus übliche Wort / Zahlkombination in ihrer Gesamtheit als einen Hinweis hinsichtlich des Sortiments der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sehen und nicht als unterscheidungskräftigen Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen auffassen. Es handle sich auch nicht um eine vom üblichen Sprachgebrauch abweichende und in ihrer Wortbildung oder Wortstruktur ungewöhnliche Gesamtbezeichnung, sodass kein Anlass bestehe, darin einen individualisierenden betrieblichen Herkunftshinweis zu sehen.

Dabei spiele es keine Rolle, ob diese Aussage bereits schon einmal im [X.] Raum monopolisiert sei. Auch eventuelle größere Marktanteile oder Umsätze und auch die Größe des Filialnetzes seien hierbei ohne Belang. Entscheidend sei, wie der durchschnittlich verständige inländische Verbraucher das Zeichen auffasse. So könne ein als Marke eingesetzter Begriff auch bewusst weit gefasst sein, um ein möglichst breites Feld abzudecken. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten [X.] führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Ein potentieller Käufer werde mühelos den Hinweis „[X.] 4 [X.]“ in Bezug auf das Sortiment der darunter angebotenen Waren verstehen. Diese Beurteilung als Sortiments und Verwendungsangabe treffe auf sämtliche angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu, da einer Marke für Waren und Dienstleistungen auch wegen des thematischen Bezugs, indem sie nur deren möglichen Inhalt oder Zweck beschreibe, die Unterscheidungskraft fehlen könne.

Auch die grafische Ausführung könne die Schutzfähigkeit hier nicht begründen. Die bildliche Gestaltung der angemeldeten Bezeichnung Abbildung

Den in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen ohne weiteres verständlichen als Inhaltsbezeichnung über das angebotene Sortiment und als Bestimmungsangabe verständlichen beschreibenden Gehalt des angemeldeten Zeichens werde das angesprochene Publikum auch in der konkreten grafischen Darstellung ohne besondere Überlegungen und ohne weitere gedankliche Zwischenschritte erfassen und daher nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen. Die grafische Ausgestaltung ändere daran nichts.

Zudem sei das Publikum daran gewöhnt, in der Werbung ständig mit neuen Wortkombinationen konfrontiert zu werden, die ihm in einprägsamer Weise sachbezogene Informationen übermitteln sollen. Dies gelte dabei auch für einfache grafische Darstellungen oder Ausschmückungen. Derartige Angaben über die Art, Inhalt oder die Zielgruppe der Waren sei im Interesse der Mitbewerber von der Eintragung als Marke ausgeschlossen, denn auch anderen Mitbewerbern müsse es unbenommen bleiben, ihrerseits ihre Produkte in dieser oder ähnlicher Form zu bezeichnen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Auch vergleichbare Voreintragungen änderten hieran nichts. Dass Eintragungen identischer oder vergleichbarer [X.] Marken oder auch Unionsmarke keinerlei verbindliche Bedeutung im Inland für die Prüfung nachträglich angemeldeter Marken entfalteten, sei in Rechtsprechung und Literatur nahezu unumstritten. Den aufgeführten Voreintragungen, die teilweise als Wort / Bildzeichen wegen der besonderen Grafik markenrechtlichen Schutz erlangt hätten, stünden jedoch auch zahlreiche Wortmarken gegenüber, die vergleichbar aufgebaut seien wie die hier vorliegende und auch eine inhaltliche Nähe aufwiesen, die aber ebenfalls als nicht schutzfähig beurteilt worden seien.

Gegen diesen Beschluss vom 24. April 2017, der ihren Verfahrensbevollmächtigten am 27. April 2017 zugestellt worden ist, wendet sich die Beschwerdeführerin unter Zahlung der Beschwerdegebühr mit ihrer Beschwerde vom 19. Mai 2017, eingegangen beim [X.] am selben Tag.

Dazu führt sie aus, für die nach Einschränkung noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei das Amt an Rechtsprechung und Eintragungspraxis gebunden, weil es sich exakt um eine bereits eingetragene [X.] handle, in deren Schutzbereich die jetzige Anmeldung falle. Zur Anmeldung des verfahrensgegenständlichen Zeichens sei es gekommen, weil die Anmelderin das Deutschlandgeschäft der Inhaberin der [X.] übernommen und dabei ausdrücklich das Recht erhalten habe, eine nationale Markenanmeldung selbst vorzunehmen.

Selbst wenn nicht von einer Bindungswirkung des Amtes an die Rechtsprechung bzw. Eintragungspraxis ausgegangen werden sollte, so könne bei der Beurteilung des angemeldeten Zeichens nicht unbeachtet bleiben, dass bereits durch die Rechtsprechung des [X.]s mit der Erstreckung des Schutzbereichs auf den Hoheitsbereich der [X.] eine fast 20-jährige Monopolisierung eingetreten sei, die diese Bezeichnung für die Nutzung durch die Allgemeinheit entziehe.

Es gehe deshalb nicht darum, dass sich die Beschwerdeführerin auf „Gleichheit im Unrecht" berufe, weil für andere in der Vergangenheit ähnliche Marken eingetragen worden seien, sondern es vielmehr darauf abzustellen, dass das angemeldete Zeichen sich innerhalb des exakten Schutzumfangs einer prioritätsälteren Marke bewege. Insoweit bestehe für dieses Zeichen kein Freihaltebedürfnis, weil die Möglichkeit der Zeichennutzung durch den Schutzumfang der prioritätsälteren Marken bereits auf null reduziert sei.

Das gilt umso mehr, weil der Schutzbereich noch durch die weiteren Markenanmeldungen bzw. -eintragungen, etwa der [X.]: 649166 Abbildung

Die Beschwerdeführerin beantragt nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses mit Schriftsatz vom 18. September 2019 wörtlich,

den Beschluss aufzuheben und die angemeldete Marke vollständig im Register einzutragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss des [X.]s vom 24. April 2017, die Schriftsätze der Beschwerdeführerin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in der Sache Erfolg (§ 66 [X.]).

Bei dieser Entscheidung ist der [X.] allerdings nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, durch die von ihr angeführten Voreintragungen gebunden. Diese entfalten in rechtlicher Hinsicht keine Bindungswirkung. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2008 – C-243/07 P, [X.] 2008, 163 Rn. 39 – Terranus; [X.], Beschluss vom 26. Januar 2010 – 24 W (pat) 142/05, [X.], 425 – [X.]). Im Übrigen geben selbst identische Voreintragungen keinen Anspruch auf eine Eintragung ([X.], Beschluss vom 17. August 2011 – [X.], [X.], 276 Rn. 18 – [X.].[X.]).

Entgegen der Auffassung des [X.]s kann dem angemeldeten Zeichen Abbildung

1.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

a)

Unterscheidungskraft nach dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 – [X.]/08, [X.], 228 Rn. 33 - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2017 – [X.], [X.], 301 Rn. [X.] Marke; [X.], Beschluss vom 31. Mai 2016 – [X.], [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], Beschluss vom 19. Februar 2014 – [X.], [X.], 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], Beschluss vom 22. November 2012 – [X.], [X.], 731 Rn. 11 -–[X.]; [X.], Beschluss vom 4. April 2012 – [X.], [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]; jeweils m.w.[X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.], Urteil vom 8. Mai 2008 – [X.]/06 P, [X.], 608 Rn. 66 – [X.]; [X.], Urteil vom 15. September 2005 – [X.]/03 P, [X.], 229 Rn. 27 – Bio-ID; [X.], Beschluss vom 6. November 2013 – [X.], [X.], 565 Rn. 12 – smartbook; [X.] a.a.[X.] Rn. 9 – [X.], jeweils m.w.[X.]).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] der fraglichen Waren oder Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen (vgl. [X.] a.a.[X.] Rn. 11 – [X.]; [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2013 – [X.], [X.], 376 Rn. 11 – [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 10 – [X.]; [X.], Beschluss vom 10. Juli 2014 – [X.], [X.], 173 Rn. 15 - for you; jeweils m.w.[X.]). Es kann deshalb auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage nicht von vornherein die Eignung als Herkunftshinweis abgesprochen werden (s.a. [X.], Beschluss vom 22. Januar 2009 – [X.], [X.], 949 Rn. 12 – My World).

Weil die Angesprochenen eine Marke so wahrnehmen, wie sie ihnen entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen, kann ein Bedeutungsgehalt, der erst in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt wird, die Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nicht tragen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2011 – [X.], [X.], 270 Rn. 12 –[X.] economy; [X.] a.a.[X.] Rn. 10 – [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 24 – smartbook; [X.] a.a.[X.] Rn. 50 – [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 18 – [X.]).

Wenn einem Wortzeichen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen weder ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet noch ein enger beschreibender Bezug festgestellt werden kann und es sich auch nicht um gebräuchliche Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache handelt, die von den Angesprochenen stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt ([X.], Beschluss vom 10. Juli 2014 – [X.], [X.], 872 Rn. 21 – [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 12 – [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 13 – [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 9 – [X.]).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.], Urteil vom 12. Juli 2012 – [X.]/11, [X.]. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.] a.a.[X.] Rn. 36 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Urteil vom 21. Oktober 2004 – [X.]/02 P, [X.], 1027 Rn. 33 und 34 – [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; [X.] a.a.[X.] Rn. 14 – [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 14 – smartbook). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt ([X.], Beschluss vom 22. Januar 2009 – [X.], [X.], 949 Rn. 10 - My World; [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2008 – [X.], [X.], 778 Rn. 11 – [X.]; [X.], Beschluss vom 1. Juli 2010 – [X.], [X.], 935 Rn. 8 – [X.]). Mangelnde Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge regelmäßig lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art anzunehmen. Indizien für die Eignung, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Wortfolge können einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2011 – [X.], [X.], 270 Rn. 11 – [X.] economy).

b)

Den sich daraus ergebenden markenrechtlich gebotenen Anforderungen an die Unterscheidungskraft wird die angemeldete Bezeichnung Abbildung

Maßgeblich ist die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. Auftraggebers entsprechender Werbe- und Marketingdienstleistungen, weil die Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen hier noch beansprucht wird, zum einen für das allgemeine Publikum bestimmt sind und zudem von jedem Dritten beauftragt und in Anspruch genommen werden können.

Die Bezeichnung Abbildung

Dem [X.] kann zwar in der Einschätzung gefolgt werden, dass der Wortbestandteil der angemeldete Wort- / Zahlkombination „[X.] 4 [X.]“ in der Bedeutung [X.](e) für dich“ oder [X.] für Sie“ für bestimmte Waren (also z.B. Schuhe jeder Art) keine hinreichende markenrechtliche Unterscheidungskraft besitzen dürfte, weil es sich dabei um eine allgemeinverständliche, rein sachbezogene Aussage handeln kann, mit der Schuhe in werbeüblicher Weise dem potentiellen Käufer als kaufwürdig angepriesen werden können. Hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen „Geldbörsen, Brieftaschen, Regenschirme, Gepäckanhänger“ ist jedoch ein Bezug zu [X.]en“ nicht ersichtlich. Sie dürften nicht notwendigerweise dieselben Herstellungs-, Vertriebs- oder Verkaufswege haben. Entgegen der Annahme des [X.]s ist auch nicht erkennbar, dass „Geldbörsen, Brieftaschen, Regenschirme, Gepäckanhänger“ als Accessoires zu Schuhen oder mit ihnen als Gesamtkombinationen angeboten werden. Vielmehr sind „Geldbörsen, Brieftaschen und Gepäckanhänger“ vornehmlich Accessoires zu Taschen, Koffern oder Reisegepäck. Sie werden daher auch gemeinsam mit diesen in Geschäften oder Kaufhausabteilungen für Reisegepäck angeboten. So verhält es sich auch mit Regenschirmen, die eher gemeinsam mit Regenbekleidung oder Reisegepäck angeboten werden. Auch wenn Schuhe sowie Geldbörsen, Brieftaschen und Gepäckanhänger aus dem gleichen Material (Leder oder Stoff) gefertigt sein können, werden sie nicht von den gleichen Herstellern gefertigt und angeboten. Vielmehr werden Geldbörsen, Brieftaschen und Gepäckanhänger gerade auch von Herstellern von Taschen, Koffern oder Reisegepäck angefertigt und vertrieben.

Sofern die Bezeichnung Abbildung

Die inhaltlichen Zuschreibungen, die das Publikum nach Auffassung des [X.] von Schuhen auf unter deren Bezeichnung angebotene Werbe- und Websitedienstleistungen übertragen könnte, begründen allenfalls einen entfernten beschreibenden Anklang der angegriffenen Marke bzw. eine Anpreisung durch deren Begriffsinhalt. Insofern wäre es aber lediglich ein sprechendes Zeichen, das nicht nur einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auch auf die gekennzeichnete Dienstleistung geben könnte. Der Eintragung eines solchen Zeichens steht aber nicht das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft entgegen ([X.], Beschluss vom 18. März 1999 – [X.], [X.], 988, 990 – [X.]). Vielmehr steht es den Fällen gleich, in denen nicht beschreibende Zeichen als Werbemittel etwa in Form von Werbeslogans, Qualitätshinweisen oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, auf die sich die Marke bezieht. Wenn das angesprochene Publikum das Zeichen (auch) als Herkunftshinweis für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrnimmt, kann die Unterscheidungskraft nicht deshalb verneint werden, weil es gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 – [X.]/08, [X.], 228 [X.]. 45 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2017 – [X.], [X.], 301 Rn. 18 – [X.]; [X.], Beschluss vom 31. März 2010 – [X.], [X.]Z 185, 152 Rn. 15 – Marlene-Dietrich-Bildnis II).

Fehlt der Wortfolge „[X.]” für die noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen aber eine thematische Beschränkung und deshalb ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt, kann für die Bezeichnung insoweit nicht jegliche Unterscheidungskraft verneint werden.

c)

Jedenfalls in ihrer Gesamtheit, insbesondere unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter Merkmale in farbiger Gestaltung, ist dem beanspruchten Wort- / Bildzeichen Abbildung

Selbst wenn die Wortelemente als solches nicht unterscheidungskräftig sein sollten, so können bildliche oder grafische Ausgestaltungen des [X.] bzw. weitere separate Bildelemente die Schutzunfähigkeit überwinden, wenn die bildliche Ausgestaltung aufgrund ihrer charakteristischen Merkmale zu einem Gesamteindruck des kombinierten Wort- / Bildzeichens führt, in dem die angesprochenen Kreise einen Herkunftshinweis erblicken (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 15. September 2005 – [X.]/03 P, [X.], 229 – Bio-ID; [X.], Beschluss vom 21. Februar 2008 – [X.], [X.], 710 Rn. 20 – [X.], jeweils m.w.[X.]). Um in dieser Weise schutzbegründend wirken zu können, müssen die betreffenden Bildbestandteile ein hinreichendes Gewicht innerhalb des [X.] aufweisen, da sie andernfalls nicht zu einer Wahrnehmung des Kombinationszeichens durch die Angesprochenen als Unterscheidungszeichen führen. An einem eigenständig schutzbegründenden „bildlichen Überschuss“ fehlt es dann, wenn die grafischen Elemente hinter dem schutzunfähigen Wortbestandteil dergestalt zurücktreten, dass ausschließlich letzterer das [X.] prägt (vgl. u.a. [X.], a.a.[X.], Rn. 28 – [X.]). An den erforderlichen „Überschuss“ sind im Rahmen der Prüfung des [X.] umso strengere Anforderungen zu stellen, je deutlicher der schutzunfähige, beschreibende Charakter des [X.] selbst hervortritt (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 2. April 2009 – [X.] –, [X.], 954 Rn. 17 – [X.]). Einer nicht unterscheidungskräftige Wortelemente enthaltenden Bildmarke kommt demnach als Gesamtheit nur dann Unterscheidungskraft zu, wenn die graphischen Elemente charakteristische Merkmale aufweisen, in denen die Angesprochenen einen Herkunftshinweis sehen (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 21. Juni 1990 – [X.] –, [X.], 136, 137 – [X.] Man).

Die konkrete Gestaltung mit der konkreten Farbgebung des angemeldeten Zeichens Abbildung

2.

Das angemeldete Wort- / Bildzeichen ist damit auch nicht freihaltungsbedürftig im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 2013 – [X.], [X.], 565 Rn. 28 – smartbook, m.w.[X.]).

Dass dies für die noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht der Fall ist, wurde bereits oben festgestellt.

Auch ein künftiges Freihaltebedürfnis ist nicht erkennbar. Für die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es insoweit der Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise, anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen zu erwarten ist (vgl. [X.], Urteil vom [X.] – [X.]/97 und 109/97, [X.], 723 Rn. 31 u. 37 – [X.]; [X.], Urteil vom 12. Februar 2004 – [X.]/99, [X.], 674 Rn. 56 – Postkantoor; [X.], Beschluss vom 9. Dezember 2009 – [X.]/08, [X.], 534 Rn. 53 – [X.]; [X.], Beschluss vom 9. November 2016 – [X.], [X.], 186 Rn. 43 – [X.]; [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2002 – [X.], [X.], 343, 344 – Buchstabe „Z“).

Belege für eine beschreibende Verwendung der Wortfolge „[X.]“ durch Dritte hat das [X.] für die noch beanspruchten Waren (Geldbörsen, Brieftaschen, Regenschirme, Gepäckanhänger) und Werbe- und Websitedienstleistungen nicht ermittelt. Zudem ist auch die konkrete Gestaltung nicht freihaltungsbedürftig.

Aus diesen Gründen war der zurückweisende Beschluss [X.]s, Markenstelle für Klasse 25, vom 24. April 2017 für die in der Beschwerde noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufzuheben.

3.

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass.

Meta

27 W (pat) 558/17

27.12.2019

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.12.2019, Az. 27 W (pat) 558/17 (REWIS RS 2019, 20)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 20

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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