Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.04.2014, Az. 27 W (pat) 572/13

27. Senat | REWIS RS 2014, 6080

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "ICH DENK AN MICH! (Wort-Bild-Marke)" – sloganartige Wortfolge – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung Nr. 30 2013 035 062.6

hat der der 27. Senat ([X.])  des  [X.]  am 29. April 2014 durch [X.] [X.], [X.] [X.] und  [X.] k.A. Schmid

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 5. Juni 2013 für die Waren

3

[X.]. 3: Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege

4

[X.]. 14:  Armbanduhren, Halsketten (Schmuck), [X.], echte und unechte Schmuckwaren, Krawattennadeln, Manschettenknöpfe, Ohrringe, Ringe (Schmuck)

5

[X.]. 16: Fotografien; Schreibwaren; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen [X.]assen enthalten ist; Folien, Taschen und Beutel aus Kunststoff für Verpackungszwecke

6

[X.]. 18: Brieftaschen, Dokumentenkoffer, Geldbörsen, Handkoffer, Kulturbeutel, Kulturtaschen, Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen [X.]assen enthalten sind

7

[X.]. 25: Anzüge, Bekleidung aus Lederimitat, Bekleidungsstücke, Damenkleider, Gürtel (Bekleidung), Halbstiefel (Stiefeletten), Halstücher, Handschuhe (Bekleidung), Hemdblusen, Hemden, Hosen, Jacken, Kopfbedeckungen, Krawatten, Lederbekleidung, Mäntel, Oberbeklei-dungsstücke, Pullover, Röcke, Schals, Schuhe (Halbschuhe), Schuhwaren, Socken, Stiefel, Strümpfe, T-Shirts, Westen

8

[X.]. 35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten, Einzelhandelsdienstleistungen für Armbanduhren, Halsketten (Schmuck), [X.], Schmuckwaren, Krawattennadeln, Manschettenknöpfe, Ohrringe, Ringe (Schmuck), Brieftaschen; Dokumentenkoffer; Geldbörsen; Handkoffer; Kulturbeutel, Kulturtaschen, Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen [X.]assen enthalten sind, Anzüge, Bekleidung aus Lederimitat, Bekleidungsstücke, Damenkleider, Gürtel (Bekleidung), Halbstiefel (Stiefeletten), Halstücher, Handschuhe (Bekleidung), Hemdblusen, Hemden, Hosen, Jacken, Kopfbedeckungen, Krawatten, Lederbekleidung, Mäntel, Oberbekleidungsstücke, Pullover, Röcke, Schals, Schuhe (Halbschuhe), Schuhwaren, Socken, Stiefel, Strümpfe, T-Shirts, Westen

9

[X.]. 40: Änderung von Bekleidungsstücken; Behandlung von Textilien

[X.]. 41: Durchführung von Live-Veranstaltungen; Organisation von Modeschauen zu Unterhaltungszwecken; Party-Planung; Veranstaltung von [X.]; Produktion von Shows; Videofilmproduktion

zur Eintragung in das beim [X.] geführte Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für [X.]asse 25 des [X.] hat die Anmeldung nach Beanstandung durch [X.]uss vom 16. Oktober 2013 in vollem Umfang zurückgewiesen, weil das angemeldete Zeichen jeglicher Unterscheidungskraft entbehre. Der Begriffs-gehalt des angemeldeten Zeichens erschöpfe sich in einer allgemeinen Werbeaussage. Sie halte die angesprochenen Kunden an, als Ausdruck gesunden Eigeninteresses auch an sich zu denken und sich selbst zu verwöhnen. Die von der Anmeldung beanspruchten Waren seien geeignet, in dieser Weise beworben zu werden, da sie das Anliegen, sich selbst etwas Gutes zu tun und sich selbst zu verwöhnen, fördern könnten. Auch die beanspruchten Diensteistungen dienten dazu, den Kunden in seinem Bemühen, seine Wünsche zu erfüllen, zu unterstützen.

Auch die grafische Gestaltung der Marke, die sich auf einfache Gestaltungselemente beschränke, begründe nicht die Schutzfähigkeit der Marke.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Dem angemeldeten Zeichen könne das zur Überwindung des [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Angaben, die sonst als Werbeaussagen oder Aufforderungen zum Kauf verwendet würden, könnten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Bezug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen, insbesondere wenn die Zeichen eine gewisse Originalität und Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Denkprozess auslösen.

Die angemeldete Wortfolge sei prägnant, einfach gehalten und eingängig. Sie sei in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen mehrdeutig und rege zum Nachdenken an, indem sie eine positive wie auch eine negative Deutung zulasse. Das Zeichen kokettiere mit der Eitelkeit des Kunden und halte ihm einen Spiegel vor. Darin liege eine ironische Überspitzung und eine bewusste Provokation. Um nicht abgeschreckt zu werden, müsse der Kunde erkennen, dass die Aussage nicht ganz [X.] gemeint sei. Der von der Markenstelle angenommene Bedeutungsgehalt stehe bei der angemeldeten Marke nicht im Vordergrund, sondern werde dem Publikum in eher vager und unterschwelliger Form nahegebracht.

Die Anmelderin beantragt,

den angegriffenen [X.]uss der Markenstelle für [X.]asse 25 vom 16. Oktober 2013 aufzuheben.

II.

Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, s. § 69 [X.]. Die Anmelderin hat von einem entsprechenden Antrag abgesehen. Anhaltspunkte für die Sachdienlichkeit einer mündlichen Verhandlung bestehen nicht.

Die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen. Die Markenstelle für [X.]asse 25 hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

Werbeslogans oder sonstige nach Art eines Spruchs gebildete Wortfolgen unterliegen denselben Schutzvoraussetzungen wie andere Wortmarken. Diese hat die Markenstelle im angefochtenen [X.]uss zutreffend erläutert, so dass insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug genommen werden kann.

Die angemeldete [X.] bildet eine aus [X.] Wörtern der Umgangssprache bestehende, sloganartige Wortfolge, die sich ungeachtet der Berücksichtigung der grafischen Gestaltung des Zeichens in einer allgemeinen Werbeaussage erschöpft.

Der beanspruchte Wortgehalt nimmt durch Verwendung der [X.] die Perspektive des angesprochenen Lesers ein und lässt ihn feststellen, dass er sein Augenmerk auf sich selbst richte, mit anderen Worten seinen eigenen Belangen und Bedürfnissen Rechnung tragen könne und solle. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen wirkt die Aussage unmittelbar als Benennung eines Vorzugs des betroffenen Produkts: der bloße Erwerb oder die Verwendung des Produkts kann der Verwirklichung der eigenen Bedürfnisse des Verbrauchers dienen.

nur an [X.]“ keine Selbstbezichtigung als Egoist oder eine andere – ohne analysierende Betrachtung erkennbare – zusätzliche negative Bedeutungsebene zu entnehmen. Die Annahme der Anmelderin, wonach dem Zeichen provokanter oder ironisch überspitzter Bedeutungsgehalt innewohne, geht daher ins Leere.

Auch die sprachliche Fassung der Äußerung entspricht werbeüblichen Ausdrucksmitteln. Die Verwendung der [X.] (z.B. „dafür gehe ich meilenweit“ – [X.] oder aus der Rechtsprechung „[X.]“ u. „[X.]“, s. [X.], 949 bzw. [X.], [X.]. v. 5. Juli 2012 – 30 W (pat) 92/10) wie auch das nachgestellte Ausrufezeichen ([X.], [X.]. v. 4. März 2009 – 29 W (pat) 64/08 – Rn. 26 – hey!), das der Aussage Nachdruck verleiht, können dazu dienen, Verbraucher auf [X.] zu erreichen und ihr Interesse zu binden.

Das Zeichen bedient sich damit in nahe liegender sprachlicher Ausdrucksweise einer etablierten Werbebotschaft, die die dem [X.] insbesondere von Genuss- und Luxusartikeln ohnehin immanente Verfolgung des eigenen Wohls explizit    herausstellt, wodurch sie dem Verbraucher potentielle – gegebenenfalls unbewusste – Bedürfnisse vor Augen führt und ihn ihrer Berechtigung versichert, vgl. die bekannten Slogans „weil ich es [X.] wert bin“ oder „man gönnt sich ja sonst nichts“ (andere Fälle etwa: „[X.] gibt Ihnen das gute Gefühl“; „Unendlich genießen“ – [X.]; „Befriedige Deine Lust!“ – [X.]). Diese Werbepraxis wird auf die Erkenntnis zurückzuführen sein, dass Selbstwertschätzung und -verwirklichung als in hoch entwickelten Gesellschaften stark ausgeprägte menschliche Bedürfnisse erheblichen Einfluss auf das [X.]verhalten haben (vgl. [X.]oss, Werbung, 2. Aufl., [X.]). Dem tragen insbesondere sog. Lifestyle-Produkte Rechnung, die darauf abzielen, das Lebensgefühl der anvisierten Zielgruppe aufzunehmen und in geeignete Ausdrucksformen zu übertragen.

Bereits die Markenstelle hat zutreffend auf den plausiblen inneren Zusammenhang zwischen der angemeldeten Werbeaussage und den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die geeignet sind, dem persönlichen Genuß oder der Selbstentfaltung zu dienen, hingewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann hie-rauf Bezug genommen werden.

Der Wortgehalt des Zeichens beschränkt sich damit in sprachlich und konzeptionell geläufiger Weise darauf, dem Publikum ein Kaufmotiv in Erinnerung zu rufen, und dient damit als konventionelle Werbemitteilung lediglich der Verkaufsförderung, deren Zweck sogar deutlicher hervortritt als in anderen anerkannten Fällen einer allgemeinen Werbeaussage, etwa eines als Zuruf, Ausrufs oder einer Grußformel verständlichen Begriffs (vgl. [X.], 640 Rn. 13 – hey!).

Ein zusätzlicher, insbesondere origineller Gehalt, aus dem sich die Eignung des Zeichens als Herkunftshinweis ergeben könnte (vgl. [X.] a.a.[X.], Rn. 12 – [X.]), kommt dem Begriff nicht zu. Die festgestellte Benutzung vergleichbarer sloganartiger Wortfolge in der Werbung ist nicht nur ein gewichtiges Indiz dafür, dass sich die angemeldete Marke als Werbeaussage eignet und vom Publikum in diesem Sinn aufgefasst wird, sondern auch dafür, dass ein Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit des in nahe liegender Form gebildeten Zeichens besteht (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Mai 2011, 26 W (pat) 524/10 – [X.]). Ob sich eine Verwendung des angemeldeten [X.] als solches in der Werbung nachweisen lässt, ist unerheblich ([X.] a.a.[X.], Rn. 46 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; [X.] GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!).

Auch die grafische Ausgestaltung des Zeichens führt nicht zur Überwindung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Eine charakteristische, zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignete gestalterische Ausführung ist nicht gegeben (vgl. [X.] GRUR 2000, 502, 503 – [X.]; [X.], 376 Rn. 18 – [X.]). Die Schreibweise in einer konventionellen Schriftart und die mehrzeilige Anordnung des Slogans sind Mittel, die ausschließlich als gefällige bzw. zur Erreichung von Aufmerksamkeit geeignete Darstellung wahrgenommen werden.

Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass, s. § 83 Abs. 2 [X.]. [X.] beruht insbesondere auf der Anwendung von Grundsätzen, die der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] entsprechen.

Meta

27 W (pat) 572/13

29.04.2014

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.04.2014, Az. 27 W (pat) 572/13 (REWIS RS 2014, 6080)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6080

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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