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Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie auf ein faires Verfahren
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 30. November 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
I. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob der [X.] geborene und zuletzt bei der [X.] beschäftigte Kläger ab dem 1.4.2015 vom beklagten Rentenversicherungsträger eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung beanspruchen kann. Die Beklagte lehnte den im Juli 2015 gestellten Rentenantrag ab (Bescheid vom 26.8.2015, Widerspruchsbescheid vom 30.11.2015). Eine Klage hiergegen nahm der Kläger Anfang 2016 zurück und stellte einen weiteren Rentenantrag. Die Beklagte hat auch den erneuten Antrag abschlägig beschieden, weil eine Minderung des Leistungsvermögens in rentenberechtigendem Umfang nicht vorliege (Bescheid vom 22.1.2016, Widerspruchsbescheid vom 8.7.2016). Das [X.] hat ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten anfertigen lassen und darauf gestützt die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2.5.2017).
Im Berufungsverfahren sind weitere Sachverständigengutachten eingeholt worden. Zuletzt ist die [X.] nach einer Untersuchung des [X.] am [X.] zu der Einschätzung gelangt, dass dessen quantitative Leistungsfähigkeit - anders als bei den vorangegangenen gutachtlichen Untersuchungen - mittlerweile auf unter drei Stunden täglich gesunken sei. Daraufhin hat die Beklagte ein Vergleichsangebot zur Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1.4.2022 unterbreitet. Der Kläger hat jedoch auf einer Rentenzahlung ab 2015 bestanden. Das Berufungsgericht hat sodann zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung von der Beklagten einen aktuellen Versicherungsverlauf angefordert. Dieser ist am 21.11.2022 bei Gericht eingegangen und am 23.11.2022 den Prozessbevollmächtigten des [X.] übersandt worden. Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen sowie die Klage gegen zwischenzeitlich ergangene, nach § 96 [X.]G verfahrensgegenständlich gewordene weitere Bescheide abgewiesen (Urteil vom 30.11.2022). Zwar sei der Kläger nach dem überzeugenden Gutachten von [X.] ab dem [X.] voll erwerbsgemindert. Zu diesem [X.]punkt erfülle er aber nicht mehr die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] hat der Kläger beim B[X.] Beschwerde eingelegt. Er rügt einen Verfahrensmangel.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 [X.]G zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), so müssen zur Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]albsatz 2 [X.]G kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger macht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.]G, Art 103 Abs 1 GG) geltend. Das L[X.] habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, indem es auf das Fehlen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung ab dem 1.4.2022 abgestellt habe. Dieser Gesichtspunkt sei in der mündlichen Verhandlung am 30.11.2022 erstmals erörtert worden. Das sei für ihn völlig unvorhersehbar gewesen und habe dem Rechtsstreit eine [X.] gegeben, mit der er nicht habe rechnen müssen.
Mit diesem Vorbringen sind Umstände, aus denen sich - ihr Vorliegen unterstellt - eine unzulässige Überraschungsentscheidung ergibt, nicht schlüssig aufgezeigt. Zwar lässt der Vortrag erkennen, dass der Kläger selbst vom weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens nach seiner Ablehnung des von der Beklagten unterbreiteten Vergleichsangebots überrascht war. Eine Überraschungsentscheidung, die den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt, setzt jedoch mehr als das Erwarten einer anderen Entscheidung des Gerichts, ein subjektives "Überrascht sein", voraus. Das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung des Gerichts überrascht werden, die auf Tatsachen, Beweisergebnissen oder Rechtsauffassungen beruht, zu denen sie sich vor Erlass der Entscheidung nicht äußern konnten (vgl zB [X.]
Der Kläger sieht eine Gehörsverletzung vielmehr hauptsächlich darin begründet, dass er wegen der kurzfristig eingetretenen Entwicklung keine Möglichkeit gehabt habe, in der mündlichen Verhandlung adäquat zur Frage der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen Stellung zu nehmen (vgl zu diesem Gesichtspunkt B[X.] Beschluss vom [X.] LW 1/21 B - juris Rd[X.] 24 mwN; B[X.] Beschluss vom 9.11.2022 - B 5 R 17/22 B - juris Rd[X.] 20). Insoweit lässt die Beschwerdebegründung jedoch nicht erkennen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um sich durch Ausschöpfung der vom Prozessrecht eröffneten Möglichkeiten ausreichend Gehör vor Gericht zu verschaffen (vgl zu diesem Erfordernis bei der Rüge einer Gehörsverletzung zB [X.]
Entsprechendes gilt, soweit der Kläger aufgrund der vom L[X.] unterlassenen Vertagung des Rechtsstreits auch seinen Anspruch auf ein faires Verfahren (vgl Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG, Art 6 Abs 1 Satz 1 EMRK) verletzt sieht. Aus dem Vortrag des [X.] ergibt sich nicht, dass das L[X.] die ihm gegenüber in der konkreten Situation gebotene Rücksichtnahme außer [X.] gelassen hätte (vgl dazu [X.]
Den weiteren Vortrag der Ehefrau des [X.], die sich unter Berufung auf eine Vollmacht im Schreiben vom 30.3.2023 zur Sache geäußert hat, darf der Senat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen (vgl § 73 Abs 4 [X.]G).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 [X.]albsatz 2 [X.]G).
Meta
17.04.2023
Beschluss
Sachgebiet: R
vorgehend SG Cottbus, 2. Mai 2017, Az: S 5 R 363/16, Gerichtsbescheid
§ 62 SGG, § 106 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 227 Abs 1 ZPO, Art 6 Abs 1 S 1 MRK, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG
Zitiervorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.04.2023, Az. B 5 R 3/23 B (REWIS RS 2023, 3173)
Papierfundstellen: REWIS RS 2023, 3173
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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