BT-Drucksache 17/8606

Bundesmittel zur Finanzierung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 1:1 an Kommunen weiterreichen

Vom 8. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8606
17. Wahlperiode 08. 02. 2012

Antrag
der Abgeordneten Katrin Kunert, Sabine Zimmermann, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald,
Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Heidrun
Dittrich, Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Diana Golze, Dr. Barbara Höll,
Katja Kipping, Jutta Krellmann, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Jens
Petermann, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kathrin
Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Kathrin
Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Bundesmittel zur Finanzierung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs-
minderung 1:1 an Kommunen weiterreichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, dass der Bund die Kosten der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bis zum Jahr 2014 schritt-
weise vollständig übernimmt. Dadurch sollen die Kommunen bei den Sozial-
ausgaben insgesamt entlastet werden.

Mit dem Ende Oktober 2011 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz
zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen wird nur die erste Stufe der Ent-
lastung der Kommunen bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsmin-
derung geregelt. Der Bund wird für das Jahr 2012 anstelle von 16 Prozent nun-
mehr 45 Prozent der Kosten tragen. In einem weiteren Gesetz soll die Über-
nahme der Kosten für 2013 (75 Prozent) und ab 2014 (100 Prozent) geregelt
werden.

Eine tatsächliche Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Grundsiche-
rung im Alter und bei Erwerbsminderung wird aber nur dann erreicht, wenn die
Mittel vollständig an die Kommunen gehen und ihnen die laufenden Nettokos-
ten erstattet werden.

In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die schritt-
weise Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsmin-
derung ein Beitrag des Bundes zur Stärkung der Kommunalfinanzen sein soll
(Bundestagsdrucksache 17/7141, S. 6, Spalte 1, Absatz 3) und eine nachhaltige

Stabilisierung der Kommunalfinanzen sowie eine Verringerung des strukturel-
len Defizits angestrebt werden (ebd., S. 6, Spalte 1, Absatz 5). Schließlich wird
auf die Verantwortung der Länder verwiesen, die ihnen zufließenden Erstat-
tungsbeträge auf die Sozialhilfeträger in ihrem Land (also die Kommunen) auf-
zuteilen und an diese weiterzuleiten (ebd., S. 7, Spalte 2, Absatz 3).

Drucksache 17/8606 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bei der Berechnung der Höhe des Bundesanteils an den Kosten der Grundsiche-
rung im Alter und bei Erwerbsminderung werden nicht die laufenden Nettoaus-
gaben der Kommunen, sondern die Nettoausgaben des Vorvorjahres zugrunde
gelegt. Die Kosten in diesem Bereich sind jedoch seit Jahren in der Tendenz
steigend. Laut Gesetzesbegründung geht auch die Bundesregierung aufgrund
der demographischen Entwicklung von einem weiteren Anstieg der Ausgaben
aus. Der Berechnungsmodus steht in direktem Widerspruch zum gesetzgebe-
rischen Ziel. Bei den zu erwartenden steigenden Kosten kann die Bundesbetei-
ligung rein mathematisch niemals den gesetzlich vorgesehenen Anteil er-
reichen. Selbst bei 100-prozentiger Kostenübernahme durch den Bund müssten
die Kommunen noch Geld zuschießen, da in realen Beträgen die 45, 75 oder
100 Prozent des Vorvorjahres bei kontinuierlich steigender Kostenentwicklung
immer niedriger als die aktuellen 45, 75 oder 100 Prozent sind.

Das Gesetz sieht entgegen der Vereinbarung des Vermittlungsausschusses und
der Gesetzesbegründung nur eine Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten für
die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf 45 Prozent für das
Jahr 2012 vor. Die geplanten weiteren Entlastungsstufen, nämlich 75 Prozent ab
2013 und 100 Prozent ab 2014, sind nicht geregelt. Auch wenn die erhöhte Bun-
desbeteiligung ab 2013 zu einem Fall von Bundesauftragsverwaltung im Sinne
des Artikels 85 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) führt (vgl. Antwort der
Bundesregierung vom 11. August 2011 auf die Schriftliche Frage 53 des Abge-
ordneten Dr. Axel Troost auf Bundestagsdrucksache 17/6790), ist eine Regelung
der Bundesbeteiligung ab 2013 und ab 2014 jetzt geboten. Die Kommunen brau-
chen Rechts- und Planungssicherheit.

Bereits jetzt gibt es nach Aussagen des Deutschen Städtetages Signale aus eini-
gen Ländern, dass sie die Mittel nicht in vollem Umfang an ihre Kommunen
weitergeben werden. Zum Teil sollen auch die Mittel für die Finanzausgleichs-
masse innerhalb des Landes mit Verweis auf die erhöhte Bundesbeteiligung ge-
kürzt werden. Die Länder haben sich mit der Zustimmung zum Gesetz zur Stär-
kung der Finanzkraft der Kommunen und dessen Gesetzesbegründung zu einer
tatsächlichen Entlastung der Kommunen bekannt. Kürzungen oder die Nicht-
weiterleitung von entsprechenden Bundesmitteln stehen im Widerspruch zu
diesem Bekenntnis.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

a) den Finanzierungsmodus für die Kosten der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung dahingehend ändert, dass die Abrechnung
und Erstattung der Kosten auf der Basis der laufenden Nettokosten erfol-
gen, und

b) die notwendigen rechtlichen Grundlagen für eine Kostenübernahme des
Bundes in Höhe von 75 Prozent ab 2013 und in Höhe von 100 Prozent ab
2014 schafft;

2. insbesondere im Rahmen der Aufsicht nach Artikel 84 Absatz 3 GG dafür
Sorge zu tragen, dass die Länder die Mittel für die Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung vollständig an ihre Kommunen geben, und

3. dem Deutschen Bundestag ab dem Jahr 2012 jährlich darüber Bericht zu er-
statten, inwieweit die beabsichtigte Entlastung der Kommunen tatsächlich
eingetreten ist. Gegenstand des Berichts soll jeweils das ganze Kalenderjahr
sein.

Berlin, den 8. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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