BT-Drucksache 17/3885

Angemessene Altersversorgung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes der DDR, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben

Vom 23. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3885
17. Wahlperiode 23. 11. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch,
Diana Golze, Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers,
Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Dr. Rosemarie Hein, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Katja Kipping, Harald Koch, Katrin Kunert, Ralph Lenkert, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Kornelia Möller, Petra Pau, Jens Petermann, Dr. Ilja Seifert,
Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Dr. Kirsten Tackmann,
Frank Tempel, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Angemessene Altersversorgung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes
der DDR, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die mit der deutschen Einheit geschaffenen Regelungen zur Übernahme für
Weiterbeschäftigte im öffentlichen Dienst in die beamtenrechtlichen Regelungen
der Bundesrepublik Deutschland nach dem Beamtenversorgungsgesetz bzw. in
die Zusatzversorgung des Bundes und der Länder (VBL) behandeln gleiche Be-
rufsgruppen in Ost und West ungleich und manifestieren ungerechtfertigter
Weise soziale Einschnitte wegen der Herkunft auf lange Zeit.

So folgt aus den Übergangsregelungen, zu denen die Bundesregierung nach
§ 107a des Beamtenversorgungsgesetzes ermächtigt war, für die nach 1990 ver-
beamteten Beschäftigten zwar eine schrittweise Erhöhung der Bezüge, aber die
Art und Weise der Ermittlung des Ruhestandsgehalts führt zu ungerechtfertigten
Schlechterstellungen von Beschäftigten vergleichbarer Dienstposten bei glei-
cher Tätigkeit in Ost und West. Ursache dafür ist, dass sich die Altersversorgung
für die Weiterbeschäftigten aus einer Rentenzahlung für DDR-Zeiten und einer
Pensionszahlung für Zeiten ab dem 3. Oktober 1990 zusammensetzt. Da für die
Pensionsermittlung nur die Zeiten der Beschäftigung in der Bundesrepublik
Deutschland als ruhestandsfähig bewertet werden, ergibt sich meist nur ein Min-
destruhestandsgehalt. Die Altersversorgung der Betroffenen darf darüber hinaus
eine Höchstgrenze nicht übersteigen, die für beide oben genannten Bezüge zu-
sammen festgelegt ist. Zudem wurde ein Teil der Betroffenen nicht sofort nach

der Weiterbeschäftigung 1990 in die Beamtenversorgung aufgenommen.

Die Aufnahme der nichtverbeamteten Beschäftigten in die VBL erfolgte erst ab
1. Januar 1997. Damit werden Leistungen der Zusatzversorgung des Bundes und
der Länder für diese Weiterbeschäftigten erst ab diesem Zeitpunkt berechnet.

Die Benachteiligung der Weiterbeschäftigten Ost des öffentlichen Dienstes ge-
genüber ihren Altersgefährtinnen und -gefährten West wirkt demoralisierend zu-

Drucksache 17/3885 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mal damit erhebliche finanzielle Einbußen verbunden sind. Insbesondere da-
durch, dass der Anteil im Altersbezug, der aus DDR-Zeiten resultiert, allein ein
Betrag aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist, da Teile der Anwartschaften
und Ansprüche aus einem Zusatzversorgungssystem mit der bisherigen Art und
Weise der Überführung durch das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungs-
gesetz (AAÜG) liquidiert wurden.

Da für Pensionsleistungen und Leistungen der VBL eine Mindestzeit von fünf
Jahren Beschäftigung noch vor Rentenbeginn zurückgelegt werden muss, stehen
nicht wenige Betroffene, die um das Jahr 2000 in den Ruhestand gingen, trotz
Verbeamtung oder VBL ohne zusätzliche Versorgung da, obwohl sie zu bundes-
deutschen Zeiten über zehn Jahre im öffentlichen Dienst weiterbeschäftigt waren.
Dies ist eine besondere Diskriminierung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bis spätestens 30. Juni 2011 eine gesetzliche Regelung vorzulegen, die folgende
Vorgaben umsetzt:

1. Die Altersversorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz ist mit lücken-
loser Wirkung seit Beginn der Beschäftigung im öffentlichen Dienst zuzuge-
stehen.

Für die Betroffenen, bei denen die Verbeamtung erst später erfolgte, eine
Tätigkeit aber unmittelbar nach dem 2. Oktober 1990 fortgesetzt wurde, sind
die Beschäftigungszeiten insgesamt als Dienstzeit für die Altersversorgung
anzurechnen.

In den Fällen, in denen eine Verbeamtung nur wegen fehlender Wartezeiten
vor absehbarem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst unterblieb, müssen
ebenfalls solche Versorgungsansprüche zugestanden werden, als seien diese
Personen bereits seit 1990 verbeamtet gewesen.

2. Für die Weiterbeschäftigten, die in die VBL aufgenommen wurden, ist eine
lückenlose Versorgung seit 3. Oktober 1990 zu gewährleisten.

3. Ansprüche wegen zu geringer Dienstzeiten sind weder bei der Beamtenver-
sorgung noch bei der VBL zu versagen, wenn bei einer Betrachtung auch der
gleichgelagerten Beschäftigung in der DDR Wartezeiten oder andere zeitliche
Begrenzungen erreicht werden.

4. Die Ansprüche aus DDR-Zeiten sind ohne Liquidierung von Teilen der Zu-
satzversorgungsansprüche zu gewähren. Beim Mix der Ansprüche aus ver-
schiedenen Altersversorgungen ist nur insoweit eine Höchstgrenze zu regeln,
als ansonsten vergleichbare Ansprüche West überschritten würden.

5. Bei Versorgungssystemen, die unter die Zuständigkeit der Länder fallen, in-
formiert die Bundesregierung diese und fordert sie auf, ähnliche Regelungen
für Landesbedienstete zu treffen.

6. Erforderliche Finanzmittel werden dem jeweiligen Versorgungsträger aus
dem zu schaffenden Versorgungssystem „sui generis“, das aus Bundes- und
Landeshaushaltsmitteln finanziert wird, erstattet. Gegebenenfalls ist eine
Nachversicherung über den jeweiligen Arbeitgeber auf Bundes-, Landes-
oder Kommunalebene einzufordern.

Berlin, den 23. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3885

Begründung

Die nach 1990 im öffentlichen Dienst weiterbeschäftigten Ostdeutschen sind
durch vielfältige Evaluierungs- und Umstrukturierungsprozesse gegangen und
nun mit der Situation konfrontiert, dass nicht nur die Bestands- und Zugangs-
ruheständlerinnen und -ruheständler vom Versorgungsunrecht bei der Überlei-
tung der Ansprüche und Anwartschaften aus DDR-Zeiten betroffen sind, son-
dern auch sie selbst.

Für ruhestandsnahe Jahrgänge kommen noch Übergangsprobleme hinzu, da es
verzögerte Zeitpunkte der Einbeziehung in die neuen Systeme gab oder Anwart-
schaftszeiten nicht mehr erreicht werden konnten. Die Ungleichbehandlung
gleicher Berufsgruppen in Ost und West für die Altersbezüge ist vorprogram-
miert.

Diese unsoziale, ungerechte und demotivierende Situation ist schnellstens zu be-
heben.

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