BT-Drucksache 17/3884

Angemessene Altersversorgung für Professorinnen und Professoren neuen Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst und weitere Beschäftigte universitärer und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen in Ostdeutschland

Vom 23. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3884
17. Wahlperiode 23. 11. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch,
Diana Golze, Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers,
Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Dr. Rosemarie Hein, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Katja Kipping, Harald Koch, Katrin Kunert, Ralph Lenkert, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Kornelia Möller, Petra Pau, Jens Petermann, Dr. Ilja Seifert,
Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Dr. Kirsten Tackmann,
Frank Tempel, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Angemessene Altersversorgung für Professorinnen und Professoren neuen
Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst und weitere Beschäftigte
universitärer und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen in Ostdeutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Professorinnen und Professoren neuen Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffent-
lichen Dienst, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sowie Beschäftigte
anderer wissenschaftlicher universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen
in den ostdeutschen Bundesländern mit DDR-Biografie sind gegenüber ihren
Berufs- und Alterskolleginnen und -kollegen in den alten Bundesländern be-
nachteiligt. Die Benachteiligung zeigt sich auch im Vergleich zu jenen, die nach
1990 mit westdeutscher Biografie in den neuen Bundesländern tätig waren und
dort in den Ruhestand gingen.

Nach der Herstellung der Einheit wurden 12 Prozent der zuvor in Forschung und
Lehre der DDR tätigen Akademikerinnen und Akademiker nach einer Evaluie-
rung ihrer wissenschaftlichen Qualifikation sowie ihrer politischen und persön-
lichen Eignung an universitären und außeruniversitären wissenschaftlichen Ein-
richtungen weiterbeschäftigt. Sie trugen wesentlich zum Aufbau der Wissen-
schaftslandschaft in Ostdeutschland bei. Eine angemessene Altersversorgung
wird ihnen allerdings vorenthalten: Für die Zeit bis 1990 wird vielfach nur eine
durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Rente ermittelt. Für die Zeit ab
1990 wirkt sich die verspätete Verbeamtung bzw. eine verspätete Aufnahme in

die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) negativ aus.

Ähnlich ergeht es auch denjenigen, die – zuvor im wissenschaftlichen Mittelbau
tätig – nach 1990 neu berufen oder eingesetzt wurden. Deren DDR-Erwerbs-
biografie wird die spätere Altersversorgung mindern. Die aus den alten Bundes-
ländern stammenden Kolleginnen und Kollegen an der gleichen Einrichtung er-
halten bzw. erwarten viel höhere Ruhestandsbezüge.

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Bei gleichen bzw. ähnlichen Lebensleistungen sind unübersehbare Unterschiede
in der Altersversorgung zu verzeichnen, die den sozialen Frieden stören und zu
beseitigen sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

spätestens bis zum 30. Juni 2011 eine gesetzliche Regelung vorzulegen, die

1. den beamteten Professorinnen und Professoren neuen Rechts sowie den wei-
teren beamteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Lehre und
Forschung mit DDR-Erwerbsbiografie eine ab Oktober 1990 geltende Alters-
versorgung über das Beamtenversorgungsgesetz zuerkennt. Damit wird ihre
Dienstzeit nach Herstellung der staatlichen Einheit vollständig in ihre Alters-
versorgung einbezogen;

2. Professorinnen und Professoren neuen Rechts sowie weitere Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler an universitären und außeruniversitären Ein-
richtungen, die ihren Dienst nach 1990 fortgesetzt haben, aber nicht zu Be-
amten ernannt wurden, nachträglich mit Wirkung ab Oktober 1990 in die
Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) aufnimmt, um ihnen
damit entsprechende Ansprüche für die Berechnung der Altersrente zu ge-
währen. Die Kosten für die Nachversicherung übernimmt der Bund;

3. die Vordienstzeit bis 1990 als Beschäftigungszeit sowohl für die Beamten-
versorgung als auch für die Versorgung von Bund und Ländern anerkennt;

4. die Kosten, zumindest teilweise, einem aus Bundes- und Landesmitteln finan-
zierten System besonderer Art zuordnet.

Diese Bestimmungen gelten als Bundesrecht, insoweit die Betroffenen in Ein-
richtungen des Bundes tätig waren bzw. sind. Die Bundesregierung soll die
neuen Bundesländer über dieses Gesetz informieren und sie auffordern, ähnliche
Regelungen für Landesbeamtinnen und -beamte sowie Landesangestellte zu
treffen.

Berlin, den 23. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Schließung der Zusatzversorgungssysteme der DDR und die darauffolgende
Überführung der Versorgungsansprüche allein in die gesetzliche Rentenversiche-
rung der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Beitragsbemessungsgrenze führ-
ten zu beträchtlichen Kürzungen der Ansprüche nach dem Anspruchs- und An-
wartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) vom 25. Juli 1991. Davon waren auch
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betroffen, die vor 1990 häufig ein
Einkommen hatten, das weit über dem Durchschnitt in der DDR lag.

Namhafte Verfassungsrechtler sprachen sich für eine Regelung aus, die den Leis-
tungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entsprochen hätte. Das
Bundesverfassungsgericht entschied jedoch am 28. April 1999: „Es ist verfas-
sungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die in der DDR bestehenden Zusatz-
und Sonderversorgungssysteme geschlossen und die darin erworbenen Ansprü-
che und Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung überführt wer-

den.“ Das Bundesverfassungsgericht anerkannte aber im Urteil, dass diese
Systementscheidung „sich für viele Angehörige der Versorgungssysteme nach-

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teilig aus[wirkt] […] und hohe Arbeitsverdienste kappt“. Allerdings sagte es
auch, dass das bei den Betroffenen „nicht zu einer unverhältnismäßigen Belas-
tung“ geführt hätte (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, Az. 1 BvL 32/95,
1 BvR 2105/95).

Eine bessere, ebenfalls verfassungsmäßige Lösung zu finden, die in Ost und
West zu gleicher Altersversorgung bei gleicher Lebensleistung führt, ist möglich
und würde die Lebensleistung gerechter widerspiegeln.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betraf außerdem die zurück-
liegende Zeit, nicht jedoch die durch eine Tätigkeit seit Oktober 1990 erworbe-
nen neuen Ansprüche.

Die Verbeamtung erfolgte schrittweise von 1992 bis 1996. Die Aufnahme in die
VBL war erst ab 1. Januar 1997 möglich. Damit werden die Leistungen nach dem
Beamtenversorgungsrecht oder den Bestimmungen der VBL erst ab diesen Zeit-
punkten gewährt bzw. berechnet. Hinzu kommt, dass für die Aufnahme in beide
Versorgungssysteme fünf Jahre Mindestzeit vor Ruhestandsbeginn zurückgelegt
werden müssen. Nicht wenige der Akademikerinnen und Akademiker konnten
infolge dieser Stichtagsregel wegen ihres Lebensalters nicht mehr in die Alters-
versorgungen aufgenommen werden und dadurch auch keine Ansprüche erwer-
ben. Die meisten als leitende Professorinnen und Professoren sowie leitende
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übernommenen Akademikerinnen
und Akademiker waren zwischen 50 und 60 Jahre alt.

Diejenigen, die bis zum 1. Dezember 1996 noch nicht das 60. Lebensjahr über-
schritten hatten, wurden in die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
aufgenommen. Für Ältere bestanden diesbezüglich keine Möglichkeiten.

Professorinnen und Professoren, Ärztinnen und Ärzte, Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler, die im Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis Ende 2005 aus dem
Berufsleben ausschieden, erhalten im Ruhestand eine Art Einheitsrente von nun-
mehr etwa 1 600 bis 1 700 Euro brutto. Dies ist ein Betrag, der in keiner Weise
individuelle Leistungen berücksichtigt bzw. lebensstandardsichernd für das Alter
ist. Er liegt für etliche Betroffene bei lediglich 30 bis 35 Prozent der letzten
Arbeitseinkommen. Etwa 60 Prozent sind es im Vergleich mit den Altersbezügen
derjenigen Berufskolleginnen und -kollegen in den neuen Bundesländern, die
nach 2005 in den Ruhestand gegangen sind und bei denen die Verbeamtung bzw.
Versorgung von Bund und Ländern umfassender greift. Nur 40 Prozent ergeben
sich im Vergleich mit den Altersbezügen der Berufskolleginnen und -kollegen in
den alten Bundesländern. Die Bundesregierung hat außerdem nicht von der bis
zum 31. Dezember 2009 bestandenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 73
des Bundesbesoldungsgesetzes die Altersversorgung für die Wissenschaftlerin-
nen und Wissenschaftler, die ihre Tätigkeit nach 1990 fortgesetzt haben, neu zu
regeln.

Folglich besteht dringender Handlungsbedarf.

Die vorgeschlagenen Veränderungen wären ein Ausgleich im Sinne einer Härte-
falllösung. Sie entsprächen dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

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