BT-Drucksache 17/3882

Regelung der Ansprüche und Anwartschaften auf Alterssicherung für Angehörige der Deutschen Reichsbahn der DDR

Vom 23. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3882
17. Wahlperiode 23. 11. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch,
Diana Golze, Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers,
Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Dr. Rosemarie Hein, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Katja Kipping, Harald Koch, Katrin Kunert, Ralph Lenkert, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Kornelia Möller, Petra Pau, Jens Petermann, Dr. Ilja Seifert,
Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Dr. Kirsten Tackmann,
Frank Tempel, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Regelung der Ansprüche und Anwartschaften auf Alterssicherung für
Angehörige der Deutschen Reichsbahn der DDR

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Für die Angehörigen der Deutschen Reichsbahn (DR) aus der DDR wurde mit
dem Prozess der deutschen Einheit die historisch begründete besondere Alters-
sicherung, die nach der Einstellung in Zeiten der sowjetischen Besatzungszone
im Jahre 1956 in der DDR wieder auflebte, durch das Renten-Überleitungsgesetz
(RÜG) nicht mehr weiter gewährt. Die Deutsche Reichsbahn (Sondervermögen
der Bundesrepublik Deutschland) entzog sich damit den Verpflichtungen, die ihr
durch den Einigungsvertrag übertragenen Verbindlichkeiten einschließlich derer
aus dem Rahmenkollektivvertrag der Deutschen Reichsbahn zu realisieren.

Nach dem Auslaufen der Übergangsbestimmungen (nach Artikel 2 RÜG) im De-
zember 1991 bzw. 1996 erfolgte eine Berechnung der Altersbezüge für Angehö-
rige der DR ausschließlich als Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB VI). Auch die Zeit nach der Zusammenführung beider deutscher Bahnen
mit dem Eisenbahnneuordnungsgesetz 1993 wurde nicht genutzt, um eine den
ursprünglichen Zusagen entsprechende Altersversorgung zu schaffen. Es folgte
eine gravierende Ungleichbehandlung, denn den ehemals bei der Deutschen
Bundesbahn Beschäftigten wurde rechtmäßig Besitzschutz eingeräumt, den ehe-
mals bei der Deutschen Reichsbahn Beschäftigten aber blieben die rechtmäßig
erworbenen Ansprüche weiterhin versagt. Das ist ungerecht und unhaltbar.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bis zum 30. Juni 2011 eine Regelung vorzulegen, die

1. Zusagen aus der Altersversorgung der Deutschen Reichsbahn für anspruchs-
berechtigte Angehörige der Deutschen Reichsbahn aus der DDR einlöst und
in Berlin (West) tätig gewesene Reichsbahnerinnen und Reichsbahner einbe-
zieht,

Drucksache 17/3882 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. die Finanzierung dem Bund als Rechtsnachfolger der Deutschen Reichsbahn
überträgt.

Berlin, den 23. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 ordnet in Anlage II Kapitel VIII
Sachgebiet H Abschnitt III Nummer 2 die Anwendung der §§ 11 bis 15 der
Eisenbahnerverordnung in Verbindung mit der Versorgungsordnung der Deut-
schen Reichsbahn (vom 20. April 1960 zuletzt geändert durch den 53. Nachtrag
vom 26. April 1989) bis zum 31. Dezember 1991 an und fordert in Sachgebiet F
Abschnitt III Nummer 1 Anschlussregelungen für die Zeit danach. Diese Rege-
lungen stehen im Wesentlichen nach wie vor aus.

Obwohl das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde zur Klärung der Pro-
blematik der Angehörigen der Deutschen Reichsbahn nicht annahm, bestätigte
es die Auffassung, dass die Formulierung des Einigungsvertrages, dass „noch
nicht geschlossene Versorgungssysteme bis 31. Dezember 1991 zu schließen
sind“, nicht bedeutet, dass „die in diesem Versorgungssystem erworbenen An-
sprüche und Anwartschaften […] zum Erlöschen gebracht werden“ (Urteil vom
28. April 1999, Az. 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95).

Die Ansprüche aus der Altersversorgung sind durch den Rahmenkollektivver-
trag der Deutschen Reichsbahn begründet und im Einigungsvertrag eindeutig
für die Überführung benannt – daher eigentumsgeschützt (vgl. auch Urteil des
BVerfG vom 28. April 1999, Az. 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95). Sie wurden
gemäß dem Einigungsvertrag zwar in das Bundesrecht „aufgenommen“, und
zwar über den Angestellten-Tarifvertrag der Deutschen Reichsbahn (AnTV-DR
vom 1. Juli 1991), in dem der Wille der Tarifparteien ausgedrückt wurde, die
Altersversorgung später zu regeln. Dies verstanden die Reichsbahnbeschäftig-
ten berechtigt als eine Garantie, dass sie die Altersversorgung auch weiterhin
erhalten. Doch dies unterblieb bisher.

Angehörige der Deutschen Reichsbahn haben in der Regel für die Alterssiche-
rung drei Titel erworben:

– Sozialversicherungsrente (SV),

– Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) oder Zusatzversorgung (heute
Anwartschafts- und Anspruchsüberführungsgesetz – AAÜG, Anlage 1),

– Altersversorgung der Deutschen Reichsbahn (AV DR) – Versorgungsteil.

Bis heute nicht überführt sind Teile der Zusatzversorgungen und die Altersver-
sorgung der DR.

Zwar konnten durch Artikel 2 des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli
2001 (BGBl. I S. 1939) schwerwiegende rentenrechtliche Benachteiligungen
behoben werden. Ein Teil der Reichsbahnerinnen und Reichsbahner wurde in
eine Minimalregelung bei der Deutschen Bahn AG mit einbezogen. Aber von
der Versorgungsbenachteiligung sind noch ca. 70 000 bis 80 000 Berechtigte
mit einem durchschnittlichen monatlichen Anspruch von 110 Euro betroffen.
Das führt bei vielen zu einer schwierigen sozialen Lage.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3882

Lokführer, die sich zum Beispiel auf die Altersversorgung der Deutschen
Reichsbahn verlassen und keine FZR abgeschlossen hatten, bekommen nun
nach 40 Arbeitsjahren maximal eine Rente in Höhe von 850 Euro netto. Im Ver-
gleich dazu erhalten Lokführer der ehemaligen Deutschen Bundesbahn eine be-
trächtlich höhere Rente und allein schon eine Betriebsrente von bis zu 400
Euro.

In die Rentenversicherung können die Anteile der Altersversorgung ordnungs-
politisch nicht eingeordnet werden; das bestätigte auch das Bundesverfassungs-
gericht. Die AV DR ist aber auch eher als eine betriebliche Leistung anzusehen.
Da nach Artikel 26 Absatz 1 und 2 des Einigungsvertrages die Vermögens-
rechte und Verbindlichkeiten auf den Bund übergingen, ist auch die Gewährung
der Leistungen nach der Altersversorgung der DR dort einzuordnen. Auch eine
Realisierung in Form einer Abfindung ist denkbar.

Einzubeziehen in eine Regelung sind Berlinerinnen und Berliner auch aus dem
Westteil der Stadt, die Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn der DDR waren.
Dies ist darin begründet, dass die Betriebsrechte für den Eisenbahnverkehr in
Berlin (West) der Deutschen Reichsbahn oblagen.

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