BT-Drucksache 17/3879

Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwilligen Beiträge aus DDR-Zeiten

Vom 23. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3879
17. Wahlperiode 23. 11. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch,
Diana Golze, Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers,
Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Dr. Rosemarie Hein, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Katja Kipping, Harald Koch, Katrin Kunert, Ralph Lenkert, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Kornelia Möller, Petra Pau, Jens Petermann, Dr. Ilja Seifert,
Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Dr. Kirsten Tackmann,
Frank Tempel, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwilligen Beiträge aus DDR-Zeiten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Für Versicherte, die in der DDR für Zeiten der Unterbrechung ihrer Erwerbs-
tätigkeit freiwillige Beiträge zur Sozialversicherung von 3 bis 12 Mark der DDR
gezahlt bzw. eine Anwartschaftsgebühr entrichtet haben, entstand mit der über-
wiegenden Nichtanerkennung dieses DDR-typischen und mit bundesdeutschen
Verhältnissen nicht vergleichbaren Sachverhalts eine Überführungslücke im
Rentenrecht, die sozial ungerecht ist und finanziell schwierige Lebenslagen im
Ruhestand hervorbringt. Hier besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bis spätestens zum 30. Juni 2011 eine gesetzliche Regelung vorzulegen, die
Zeiten, in denen Versicherte in der DDR freiwillige Beiträge gezahlt oder eine
Anwartschaftsgebühr entrichtet haben, durchgängig und in der entsprechenden
Höhe als rentenrechtlich wirksam über die Änderung des § 248 in Verbindung
mit Anlage 11 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) anerkennt.

Berlin, den 23. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Begründung

Anders als in der Bundesrepublik Deutschland wurden in der DDR Renten nicht
vorrangig nach der Höhe der Beiträge, sondern vor allem nach der Zahl der Ver-
sicherungsjahre gestaffelt gezahlt. Rentenanwartschaften konnten in Jahren

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ohne Erwerbstätigkeit (zum Beispiel wegen längerer Kindererziehung – drei
Jahre waren generell versichert –, weil noch nicht ausreichend Kindereinrich-
tungen zur Verfügung standen oder weil die Karriere des Ehepartners bzw. der
- partnerin unterstützt werden sollte oder ältere Familienangehörige betreut
wurden) durch freiwillige Beiträge erworben werden. Das konnte über geringe
Beiträge in Höhe von 3 bis 12 Mark der DDR oder eine sogenannte Anwart-
schaftsgebühr erfolgen.

Diese Beiträge wurden bei der Rentenüberleitung für die Zeit vom 1. Februar
1947 bis zum 31. Dezember 1961 anerkannt, für die Folgejahre fielen sie bei
der Berechnung ersatzlos weg. Zur Begründung wird auf die Verordnung über
die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten der DDR vom 29. De-
zember 1961, die am 1. Januar 1962 in Kraft trat, verwiesen (GBl. II Nr. 83
S. 533). Speziell wird die in § 14 für ein Einkommen ab 75 Mark festgelegte
Pflichtversicherung von 15 Mark herangezogen. Nicht beachtet werden dabei
aber § 27 und die Anlage 1 der Verordnung, in denen die Berechnung und Zah-
lung unter anderem der Altersrente von den Regelungen dieser Verordnung
ausgenommen werden.

Weiterhin wird angeführt, dass derart niedrige Beiträge nach 1961 (mit Anstieg
der Durchschnittslöhne) nur geringste Ansprüche im Centbereich bei der Rente
erbringen würden.

Tatsächlich schlägt die rentenrechtliche Bewertung kaum zu Buche, aber die
Nichtanerkennung verwehrt einem Teil der Rentnerinnen und Rentner bei-
spielsweise den Anspruch auf die Anwendung der Regelung zur Gewährung
von „Mindestentgeltpunkte[n] bei geringem Arbeitsentgelt“ (§ 262 SGB VI).
Für diese Anwendung werden mindestens 35 Jahre rentenrechtliche Zeiten vor-
ausgesetzt.

Der praktizierte ersatzlose Wegfall freiwillig versicherter Jahre minimiert die
ohnehin niedrigen Rentenansprüche der hiervon Betroffenen, insbesondere von
Frauen, die dann auf die Alterseinkünfte des Mannes oder – wenn alleinstehend –
auf das Grundsicherungsamt verwiesen werden. Das wird als Entwertung von
Biografien empfunden. Die Betroffenen können diese Umstände nicht mehr
korrigieren. Das ist eine Verletzung des Vertrauensschutzes, die gesetzgebe-
risch korrigiert werden muss.

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