BT-Drucksache 15/4538

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien

Vom 16. Dezember 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4538
15. Wahlperiode 16. 12. 2004

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Olaf Scholz, Hermann Bachmaier, Sabine Bätzing, Doris
Barnett, Ute Berg, Klaus Brandner, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Dr. Michael
Bürsch, Sebastian Edathy, Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim),
Kerstin Griese, Hans-Joachim Hacker, Christel Humme, Anette Kramme, Ernst
Kranz, Nicolette Kressl, Volker Kröning, Ute Kumpf, Christine Lambrecht,
Christine Lehder, DirkManzewski, CarenMarks, Marlene Rupprecht (Tuchenbach),
Anton Schaaf, Axel Schäfer (Bochum), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Erika Simm,
Christoph Strässer, Rita Streb-Hesse, Joachim Stünker, Andreas Weigel, Jürgen
Wieczorek (Böhlen), Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Jutta
Dümpe-Krüger, Markus Kurth, Jerzy Montag, Claudia Roth (Augsburg), Silke
Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele, Josef Philip Winkler, Katrin
Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer
Antidiskriminierungsrichtlinien

A. Problem und Ziel
Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminie-
rungen ist ein Menschenrecht, das in Deutschland insbesondere in Artikel 3 des
Grundgesetzes festgeschrieben ist. Im Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger
zum Staat binden die verfassungsrechtlichen Gleichheitssätze bereits alle Be-
reiche staatlichen Handelns.
Die EU-Richtlinien
– 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleich-

behandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen
Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22),

– 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allge-
meinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäf-
tigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16) und

– 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September
2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirk-
lichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum
beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG
Nr. L 269 S. 15)

Drucksache 15/4538 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

verpflichten dazu, diesen Schutz im Bereich Beschäftigung und Beruf hinsicht-
lich der Merkmale Rasse, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung,
Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht auch einfachgesetzlich
insbesondere für das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten um-
zusetzen. Hinsichtlich der Merkmale „Rasse“ und „ethnische Herkunft“ ist dies
ebenfalls insbesondere im zivil- und sozialrechtlichen Bereich erforderlich.
Die Richtlinien geben in ihrem jeweiligen Geltungsbereich Definitionen für die
unterschiedlichen Arten von Diskriminierung vor und verpflichten u. a. zu
wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen bei Verstößen
gegen das Gleichbehandlungsgebot sowie zu Beweiserleichterungen für die Be-
troffenen. Der Schutz vor Diskriminierung soll sich dabei nicht allein auf Rege-
lungen des Rechtsschutzes der Betroffenen beziehen. Um den Schutz bei der
Anwendung effektiv zu gewährleisten, schreiben alle Richtlinien ergänzend
vor, dass Verbände das Recht erhalten sollen, sich zur Unterstützung der Be-
troffenen an den Verfahren zu beteiligen. Ferner muss nach den Richtlinien
2000/43/EG und 2002/73/EG eine Stelle bezeichnet werden, deren Aufgabe
darin besteht, die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller
Personen ohne Diskriminierung zu fördern.

B. Lösung
Die drei EU-Antidiskriminierungsrichtlinien werden durch ein einheitliches
Gesetz für alle Diskriminierungsmerkmale umgesetzt. Dadurch wird ein in sich
stimmiger Schutz vor Diskriminierungen verwirklicht.
Hauptbestandteil des Umsetzungsgesetzes ist das in Artikel 1 enthaltene Anti-
diskriminierungsgesetz. Abschnitt 1 enthält das Ziel, Benachteiligungen aus
Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuel-
len Identität zu verhindern oder zu beseitigen, ferner werden der Anwendungs-
bereich (Arbeitsleben, Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, Bildung, zivil-
rechtlicher Teil) sowie die Begriffsbestimmungen der unmittelbaren und
mittelbaren Diskriminierung, der Belästigung und sexuellen Belästigung ent-
sprechend den Vorgaben der Richtlinien festgelegt.
Abschnitt 2 enthält die arbeitsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Be-
schäftigten mit einem ausdrücklichen Benachteiligungsverbot sowie seinen
Ausnahmeregelungen, ferner werden dort die Maßnahmen und Pflichten des
Arbeitgebers sowie die Rechte der Beschäftigten beschrieben, die u. a. aus dem
Beschäftigtenschutzgesetz herrühren. Kernstück sind die Regelungen zu Ent-
schädigung und Schadensersatz, die die Vorgaben der EU-Richtlinien mit dem
deutschen Schadensersatzrecht verknüpfen.
Abschnitt 3 enthält die Regelungen zum Schutz vor Benachteiligung im
Zivilrechtsverkehr. Entsprechend den Vorgaben der Antirassismus-Richtlinie
2000/43/EG und in Erwartung der Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu
und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen [noch nicht erlassen,
Vorschlag vom 5. November 2003 – KOM(2003) 657 endgültig – Fassung vom
6. Oktober 2004] werden spezifische zivilrechtliche Benachteiligungsverbote
verankert. Über das Gemeinschaftsrecht hinausgehend werden auch die Merk-
male Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und
Geschlecht in den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz einbezogen, weil
ansonsten wesentliche Bereiche des rechtlichen Lebens aus dem Benachteili-
gungsschutz ausgeklammert blieben.
Der Rechtsschutz der Betroffenen wird nachhaltig verbessert (Abschnitt 4). Sie
erhalten neben der aus § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB bzw. § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3
des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bereits bekannten Beweiserleichterung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4538

zukünftig die Möglichkeit, sich durch Antidiskriminierungsverbände unter-
stützen zu lassen. Im Arbeitsrecht können der Betriebsrat und die im Betrieb
vertretene Gewerkschaft in besonderen Fallkonstellationen das Arbeitsgericht
anrufen.
Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wird der Anti-
diskriminierungsstelle des Bundes zukommen, die nach den Bestimmungen des
Abschnitts 6 beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend eingerichtet wird. Sie wird neben den Beauftragten des Deutschen Bun-
destages oder der Bundesregierung, die ebenfalls gegen Diskriminierungen be-
stimmter Personengruppen vorgehen, unabhängig die Betroffenen informieren
und beraten, ggf. Beratung durch andere Stellen vermitteln und eine gütliche
Beilegung zwischen den Beteiligten anstreben. Zusätzlich hat sie die Aufgabe,
wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen, dem Deutschen Bundestag
regelmäßig Berichte über Diskriminierungen vorzulegen und Empfehlungen zu
ihrer Beseitigung und Vermeidung abzugeben. Sie wird ferner präventiv arbei-
ten. Der Stelle wird ein beratender Beirat beigeordnet.
Artikel 2 enthält ein eigenständiges Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und
Soldaten vor Diskriminierungen.
Artikel 3 enthält Folgeänderungen bestehender Gesetze, darunter des Arbeits-
gerichtsgesetzes, des Betriebsverfassungsgesetzes, von SGB I, SGB III, SGB IV,
SGB IX und des Soldatengesetzes.

C. Alternativen
Keine

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine
2. Vollzugsaufwand
Die Errichtung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes verursacht Mehr-
ausgaben zu Lasten des Bundeshaushalts. Die Antidiskriminierungsstelle des
Bundes leistet umfassende Beratungsarbeit, führt Öffentlichkeitsarbeit und wis-
senschaftliche Untersuchungen durch und erarbeitet Berichte und Empfehlun-
gen. Die durch ihre Errichtung und Aufgabenwahrnehmung entstehenden Kos-
ten werden auf jährlich ca. 5,6 Mio. Euro geschätzt.
Über die bereits zu Artikel 1 angesetzten Kosten für die Errichtung der Anti-
diskriminierungsstelle des Bundes (die auch im Rahmen des Artikels 2 eine
Zuständigkeit erhalten wird) hinaus sind keine weiteren, durch Artikel 2 verur-
sachten Mehrausgaben zu Lasten des Bundeshaushalts zu erwarten.

E. Sonstige Kosten
Für Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, können aus
der Anwendung der Vorschriften zusätzliche Kosten nur entstehen, wenn sie im
Geschäftsverkehr unzulässige Unterscheidungen wegen der vom Gesetz ge-
nannten Merkmale vornehmen.
Sowohl Unternehmen als auch öffentliche Dienststellen können schadens-
ersatzpflichtig werden, wenn sie Beschäftigte oder Bewerberinnen und Bewer-
ber diskriminieren. Welche Kosten in solchen Fällen entstehen können, lässt
sich nicht quantifizieren.

Drucksache 15/4538 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anbietern von Gütern und Dienstleistungen können zusätzliche Dokumenta-
tionskosten in unwesentlicher Höhe entstehen. Gleiches gilt für die Kosten, die
privatrechtlichen Versicherungsunternehmen wegen der gesteigerten Anforde-
rungen an die Erstellung und Unterhaltung von Statistiken entstehen können.
Auch auf Grund der §§ 12 und 13 des Artikels 2 kann der Dienstherr entschädi-
gungs- oder schadensersatzpflichtig werden, wenn ihm Benachteiligungen zu
Lasten der in § 6 genannten Personen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben
zuzurechnen sind. Welche Kosten in solchen Fällen entstehen können, lässt sich
jedoch derzeit nicht quantifizieren.

F. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung
Die arbeits-, sozial- und zivilrechtlichen Regelungen werden geschlechtsspezi-
fisch unterschiedliche Wirkungen zeigen, da sich bereits die Ausgangssituation
der von Diskriminierung Betroffenen geschlechtsspezifisch unterschiedlich
darstellt. Es muss davon ausgegangen werden, dass Frauen bei allen Diskrimi-
nierungsmerkmalen in besonderem Maße von unmittelbaren, insbesondere aber
von mittelbaren Benachteiligungen betroffen sind. Daher ist es wichtig sicher-
zustellen, dass Frauen auch von den neuen gesetzlichen Schutzmöglichkeiten
Gebrauch machen.
Das neue Recht stellt entsprechend dem Konzept der EU-Richtlinien individu-
alrechtliche Ansprüche (vor allem Schadensersatzansprüche) für von Diskrimi-
nierung Betroffene in den Mittelpunkt seines Schutzansatzes. Bei einer solch
individuellen Rechtsverfolgung sind allerdings geschlechtsspezifisch unter-
schiedliche Auswirkungen zu erwarten, da Frauen erfahrungsgemäß ihre
Rechte in geringerem Umfang einklagen als Männer. Sie bedürfen daher einer
besonderen Ermutigung, sich gegen Diskriminierungen zur Wehr zu setzen.
Hierfür sind als flankierende Maßnahmen vorgesehen:
– die Unterstützung durch Verbände bei der Rechtsdurchsetzung,
– die Unterstützung durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die

im Antidiskriminierungsbereich tätigen Beauftragten der Bundesregierung
in Kooperation mit anderen Stellen auf Bundes-, Landes- und kommunaler
Ebene sowie mit Nichtregierungsorganisationen,

– gezielte Öffentlichkeitsarbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit
Beratung von Arbeitgebern, wie sie z. B. den innerbetrieblichen Schutz vor
(sexuellen) Belästigungen, die insbesondere Frauen treffen, verbessern und
transparent machen können.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4538

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer
Antidiskriminierungsrichtlinien

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1

Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung
(Antidiskriminierungsgesetz – ADG)

Abs c h n i t t 1
Allgemeiner Teil

§ 1
Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der
Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Ge-
schlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behin-
derung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern
oder zu beseitigen.

§ 2
Anwendungsbereich

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund
sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug
auf:
1. die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und

Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselb-
ständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhän-
gig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie
für den beruflichen Aufstieg;

2. die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließ-
lich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbe-
sondere in individual- und kollektivrechtlichen Verein-
barungen und Maßnahmen bei der Durchführung und
Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie
beim beruflichen Aufstieg;

3. den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Be-
rufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Be-
rufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der
Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung;

4. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftig-
ten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereini-
gung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe
angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der
Leistungen solcher Vereinigungen;

5. den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit
und der Gesundheitsdienste;

6. die sozialen Vergünstigungen;
7. die Bildung;
8. den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und

Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung
stehen, einschließlich von Wohnraum.
(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten

§ 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder
Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz
nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vor-
schriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen
dienen.

§ 3
Begriffsbestimmungen

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn
eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine we-
niger günstige Behandlung als eine andere Person in einer
vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren
würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines in
§ 1 genannten Grundes liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1
bis 4 auch dann vor, wenn die unterschiedliche Behandlung
wegen eines Merkmals erfolgt, das mit einem in § 1 genann-
ten Grund in Zusammenhang steht, insbesondere im Fall ei-
ner ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwan-
gerschaft oder Mutterschaft.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem
Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfah-
ren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegen-
über anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen
können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien
oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich
gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses
Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn un-
erwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genann-
ten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder be-
wirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt
wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, An-
feindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidi-
gungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in
Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes,
sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte se-
xuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell
bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuel-
len Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares An-
bringen von pornographischen Darstellungen gehören, die
in Absatz 3 beschriebenen Folgen bezweckt oder bewirkt.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus
einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine
solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4
insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Ver-
halten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäf-
tigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt
oder benachteiligen kann.

§ 4
Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe
Bei einer unterschiedlichen Behandlung wegen mehrerer

der in § 1 genannten Gründe muss sich die Zulässigkeit der
unterschiedlichen Behandlung auf jeden einzelnen Grund
beziehen. Eine nach den §§ 8 bis 10 und 21 zulässige unter-

Drucksache 15/4538 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

schiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten
Gründe rechtfertigt allein keine unterschiedliche Behand-
lung aus einem anderen in § 1 genannten Grund.

§ 5
Positive Maßnahmen

Ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 sowie in § 21 benann-
ten Gründe ist eine unterschiedliche Behandlung auch zu-
lässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen
bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes
verhindert oder ausgeglichen werden sollen.

Ab s c h n i t t 2
Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung

Unterabschnitt 1
Verbot der Benachteiligung

§ 6
Persönlicher Anwendungsbereich

(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
2. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten;
3. Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbststän-

digkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen
sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäf-
tigten und die ihnen Gleichgestellten.

Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Be-
werber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Perso-
nen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.

(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im
Sinne dieses Abschnitts sind natürliche und juristische Per-
sonen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Perso-
nen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden Beschäftigte einem
Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser
als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in
Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten
tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder
Zwischenmeister.

§ 7
Benachteiligungsverbot

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genann-
ten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die
Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines
in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur an-
nimmt.

(2) Bestimmungen in individual- oder kollektivrechtli-
chen Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot
des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitge-
ber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher
Pflichten.

§ 8
Zulässige unterschiedliche Behandlung
wegen beruflicher Anforderungen

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen
1. des Geschlechts ist zulässig, wenn das Geschlecht wegen

der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingun-

gen ihrer Ausübung eine unverzichtbare Voraussetzung
für die Tätigkeit ist;

2. eines sonstigen in § 1 genannten Grundes ist zulässig,
wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden
Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine
wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung
darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforde-
rung angemessen ist.
(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für

gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1
genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass
wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutz-
vorschriften gelten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für eine unterschied-
liche Behandlung wegen eines Merkmals, das im Zusam-
menhang mit einem in § 1 genannten Grund steht.

§ 9
Zulässige unterschiedliche Behandlung
wegen der Religion oder Weltanschauung

(1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behand-
lung wegen der Religion oder Weltanschauung bei der Be-
schäftigung durch Religionsgesellschaften und Vereinigun-
gen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltan-
schauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine
bestimmte Religion oder Weltanschauung angesichts des
Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgesellschaft
oder Weltanschauungsvereinigung nach der Art der be-
stimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer
Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfer-
tigte berufliche Anforderung darstellt.

(2) Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der
Religion oder Weltanschauung berührt nicht die nach ande-
ren Rechtsvorschriften bestehende Berechtigung der in Ab-
satz 1 genannten Religionsgesellschaften oder Weltanschau-
ungsvereinigungen, von ihren Beschäftigten ein loyales und
aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstver-
ständnisses verlangen zu können.

§ 10
Zulässige unterschiedliche Behandlung

wegen des Alters
Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung

wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und ange-
messen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die
Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und
erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen
können insbesondere Folgendes einschließen:
1. die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang

zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie
besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen,
einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Be-
endigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die beruf-
liche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäf-
tigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern
oder ihren Schutz sicherzustellen;

2. die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter,
die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang
zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäfti-
gung verbundene Vorteile;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4538

3. die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung
auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen
eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der
Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit
vor dem Eintritt in den Ruhestand;

4. die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen
Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für
die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder
von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festset-
zung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser
Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von
Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien
im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathemati-
sche Berechnungen.

Unterabschnitt 2
Organisationspflichten des Arbeitgebers

§ 11
Ausschreibung

Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen § 7
Abs. 1 ausgeschrieben werden.

§ 12
Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen
Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen
eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz
umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. Der Arbeitgeber
soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen
der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässig-
keit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hin-
wirken, dass diese unterbleiben.

(2) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungs-
verbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzel-
fall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnah-
men zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmah-
nung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.

(3) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit
durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Ar-
beitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und
angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten
zu ergreifen.

(4) Dieses Gesetz und § 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes
sowie Informationen über die für die Behandlung von Be-
schwerden nach § 13 zuständigen Stellen sind im Betrieb
oder in der Dienststelle bekannt zu machen. Die Bekannt-
machung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigne-
ter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienst-
stelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik
erfolgen.

Unterabschnitt 3
Rechte der Beschäftigten

§ 13
Beschwerderecht

(1) Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei einer zu-
ständigen Stelle des Betriebs, des Unternehmens oder der
Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammen-

hang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber,
von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten we-
gen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen.
Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder
dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen.

(2) Die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben
unberührt.

§ 14
Leistungsverweigerungsrecht

Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich unge-
eignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Benachteili-
gung im Einzelfall wegen eines in § 1 genannten Grundes,
sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit
ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu
ihrem Schutz erforderlich ist. § 273 des Bürgerlichen Ge-
setzbuchs bleibt unberührt.

§ 15
Entschädigung und Schadensersatz

(1) Verstößt der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungs-
verbot des § 7 Abs. 1, so kann der oder die Beschäftigte
zum Ausgleich des Schadens, der nicht Vermögensschaden
ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

(2) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrecht-
licherVereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflich-
tet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(3) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb
einer Frist von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht
werden. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder
eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung
und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem
Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benach-
teiligung Kenntnis erlangt.

(4) Verstößt der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungs-
verbot des § 7 Abs. 1, so ist er verpflichtet, den hierdurch
entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der
Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Im
Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich
aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(5) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteili-
gungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf
Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsaus-
bildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es
sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechts-
grund.

§ 16
Entschädigung durch den Arbeitgeber

bei Benachteiligung durch Dritte
Der Arbeitgeber ist auch zur Zahlung einer Entschädi-

gung nach § 15 verpflichtet, wenn die Benachteiligung we-
gen eines in § 1 genannten Grundes
1. durch Beschäftigte, die im Namen des Arbeitgebers ge-

genüber anderen Beschäftigten Weisungen erteilen dür-
fen, in Ausübung dieser Befugnisse erfolgt, oder

2. durch sonstige Beschäftigte oder Dritte erfolgt und der
Arbeitgeber seine Verpflichtung aus § 12 Abs. 1 bis 3
schuldhaft verletzt hat.

Drucksache 15/4538 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

§ 17
Maßregelungsverbot

(1) Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen der In-
anspruchnahme von Rechten nach diesem Abschnitt oder
wegen der Weigerung, eine gegen diesen Abschnitt versto-
ßende Anweisung auszuführen, benachteiligen. Gleiches
gilt für Personen, die den Beschäftigten hierbei unterstützen
oder als Zeuginnen oder Zeugen aussagen.

(2) Die Zurückweisung oder Duldung benachteiligender
Verhaltensweisen durch betroffene Beschäftigte darf nicht
als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen werden,
die diese Beschäftigten berührt. Absatz 1 Satz 2 gilt entspre-
chend.

(3) § 23 gilt entsprechend.

Unterabschnitt 4
Ergänzende Vorschriften

§ 18
Soziale Verantwortung der Beteiligten

(1) Tarifvertragsparteien, Arbeitgeber, Beschäftigte und
deren Vertretungen sind aufgefordert, im Rahmen ihrer Auf-
gaben und Handlungsmöglichkeiten an der Verwirklichung
des in § 1 genannten Ziels mitzuwirken.

(2) Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschrif-
ten aus diesem Abschnitt kann der Betriebsrat oder eine im
Betrieb vertretene Gewerkschaft unter der Voraussetzung
des § 23 Abs. 3 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes die
dort genannten Rechte gerichtlich geltend machen; § 23
Abs. 3 Satz 2 bis 5 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt ent-
sprechend.

§ 19
Mitgliedschaft in Vereinigungen

(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entspre-
chend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer
1. Vereinigung der Arbeitgeber oder Beschäftigten,
2. Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufs-

gruppe angehören oder die eine überragende Machtstel-
lung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich inne-
haben, wenn ein grundlegendes Interesse am Erwerb der
Mitgliedschaft besteht,

sowie deren jeweiligen Zusammenschlüssen.
(2) Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Be-

nachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein
Anspruch auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung in den in Ab-
satz 1 genannten Vereinigungen.

Ab s c h n i t t 3
Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr

§ 20
Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot

(1) Eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten
Grundes bei der Begründung, Durchführung und Beendi-
gung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichba-
ren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande
kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen
der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine
nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren
Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kom-
men oder

2. eineprivatrechtlicheVersicherungzumGegenstandhaben,
ist unzulässig.

(2) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus auch bei
der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger
zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1
Nr. 5 bis 8 unzulässig.

(3) Für Benachteiligungen Beschäftigter gelten die Be-
stimmungen des Abschnitts 2. Für andere zivilrechtliche
Sachverhalte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 gelten die
Bestimmungen des Abschnitts 2 entsprechend.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine An-
wendung auf familien- und erbrechtliche Schuldverhält-
nisse.

(5) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine An-
wendung auf zivilrechtliche Schuldverhältnisse, bei denen
ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien
oder ihrer Angehörigen begründet wird. Bei Mietverhältnis-
sen kann dies insbesondere der Fall sein, wenn die Parteien
oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grund-
stück nutzen.

§ 21
Zulässige unterschiedliche Behandlung

Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht
gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen
der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung,
des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein
sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall
sein, wenn die unterschiedliche Behandlung
1. der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schä-

den oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient;
2. dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der

persönlichen Sicherheit Rechnung trägt;
3. besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der

Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt;
4. an die Religion oderWeltanschauung einesMenschen an-

knüpft und im Hinblick auf die Ausübung der Religions-
oder Weltanschauungsfreiheit oder auf das Selbstbestim-
mungsrecht der Religionsgemeinschaften sowie der Ver-
einigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer
Weltanschauung zur Aufgabe machen, gerechtfertigt ist;

5. bei privatrechtlichen Versicherungsverträgen darin be-
steht, dass ein in Satz 1 genannter Grund ein bestimmen-
der Faktor bei einer auf relevanten und genauen versi-
cherungsmathematischen und statistischen Daten beru-
henden Risikobewertung ist. Kosten, die im Zusammen-
hang mit Schwangerschaft und Entbindung entstehen,
dürfen nicht geschlechtsspezifisch in Ansatz gebracht
werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/4538

§ 22
Ansprüche

(1) Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das
Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche
die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind wei-
tere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unter-
lassung klagen.

(2) Im Fall einer Vertragsverweigerung kann der Benach-
teiligte den Abschluss eines Vertrages nur verlangen, wenn
dieser ohne Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot er-
folgt wäre. Die Leistung muss hinreichend bestimmt sein;
die Gegenleistung ist im Zweifel nach § 315 Abs. 3 und
§ 316 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu ermitteln.

(3) Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbotes ist
der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstande-
nen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Benach-
teiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. We-
gen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann
der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld
verlangen.

(4) Ansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unbe-
rührt.

(5) Auf eine Vereinbarung, die von dem Benachteili-
gungsverbot abweicht, kann sich der Benachteiligende nicht
berufen.

Ab s c h n i t t 4
Rechtsschutz

§ 23
Beweislast

Wenn im Streitfall die eine Partei Tatsachen glaubhaft
macht, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genann-
ten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Be-
weislast dafür, dass andere als in § 1 genannte, sachliche
Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder
die unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genann-
ten Grundes nach Maßgabe dieses Gesetzes zulässig ist.

§ 24
Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände
(1) Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusam-

menschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorü-
bergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Inte-
ressen von benachteiligten Personen oder Personengruppen
nach Maßgabe von § 1 wahrnehmen. Die Befugnisse nach
den Absätzen 2 bis 4 stehen ihnen zu, wenn sie mindestens
75 Mitglieder haben oder einen Zusammenschluss aus min-
destens sieben Verbänden bilden.

(2) Antidiskriminierungsverbände sind befugt, im Rah-
men ihres Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren, in de-
nen eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, mit
Ausnahme von Strafverfahren als Bevollmächtigte und Bei-
stände Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten. Die
Vorschriften der Verfahrensordnungen, nach denen Bevoll-
mächtigten und Beiständen weiterer Vortrag untersagt wer-
den kann, bleiben unberührt.

(3) Antidiskriminierungsverbänden ist im Rahmen ihres
Satzungszwecks die Besorgung von Rechtsangelegenheiten
Benachteiligter gestattet.

(4) Benachteiligte können eine auf Schadensersatz oder
Entschädigung in Geld gerichtete Forderung wegen eines
Verstoßes gegen ein Benachteiligungsverbot nach diesem
Gesetz abtreten. Antidiskriminierungsverbände sind im
Rahmen ihres Satzungszwecks zur außergerichtlichen und
gerichtlichen Einziehung von an sie nach Satz 1 abgetrete-
nen Forderungen befugt.

(5) Besondere Klagerechte und Vertretungsbefugnisse
von Verbänden zu Gunsten von behinderten Menschen blei-
ben unberührt.

Ab s c h n i t t 5
Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche

Dienstverhältnisse
§ 25

Sonderregelung für öffentlich-rechtliche
Dienstverhältnisse

Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten unter Berück-
sichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend
für
1. Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Ge-

meinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der
Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffent-
lichen Rechts,

2. Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder.
Ab s c h n i t t 6

Antidiskriminierungsstelle
§ 26

Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(1) Beim Bundesministerium für Familie, Senioren,

Frauen und Jugend wird unbeschadet der Zuständigkeit der
Beauftragten des Deutschen Bundestages oder der Bundes-
regierung die Stelle des Bundes zum Schutz vor Benachtei-
ligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes (Antidiskri-
minierungsstelle des Bundes) errichtet.

(2) Der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist die für
die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personal- und
Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. Sie ist im Einzel-
plan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend in einem eigenen Kapitel auszuweisen.

§ 27
Rechtsstellung der Leitung

der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(1) Der Bundespräsident ernennt auf Vorschlag der Bun-

desregierung eine Person zur Leitung der Antidiskriminie-
rungsstelle des Bundes. Sie steht nach Maßgabe dieses Ge-
setzes in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum
Bund. Sie ist in Ausübung ihres Amtes unabhängig und nur
dem Gesetz unterworfen.

(2) Das Amtsverhältnis beginnt mit der Aushändigung
der Urkunde über die Ernennung durch den Bundespräsi-
denten. Bei der Amtsübernahme ist vor dem für Familie,

Drucksache 15/4538 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Senioren, Frauen und Jugend zuständigen Mitglied der Bun-
desregierung der in Artikel 56 des Grundgesetzes vorgese-
hene Eid zu leisten.

(3) Das Amtsverhältnis endet außer durch Tod
1. mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages,
2. durchAblauf derAmtszeitmit Erreichen derAltersgrenze

nach § 41 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes,
3. mit der Entlassung.
Der Bundespräsident entlässt die Leitung der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes auf deren Verlangen oder auf
Vorschlag der Bundesregierung, wenn Gründe vorliegen,
die bei einer Richterin oder einem Richter auf Lebenszeit
die Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen. Im Falle der
Beendigung des Amtsverhältnisses erhält die Leitung der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine vom Bundes-
präsidenten vollzogene Urkunde. Die Entlassung wird mit
der Aushändigung der Urkunde wirksam.

(4) Das Rechtsverhältnis der Leitung der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes gegenüber dem Bund wird durch
Vertrag mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend geregelt. Der Vertrag bedarf der Zustim-
mung der Bundesregierung.

(5) Wird eine Bundesbeamtin oder ein Bundesbeamter
zur Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes be-
stellt, scheidet er oder sie mit Beginn des Amtsverhältnis-
ses aus dem bisherigen Amt aus. Für die Dauer des Amts-
verhältnisses ruhen die aus dem Beamtenverhältnis be-
gründeten Rechte und Pflichten mit Ausnahme der Pflicht
zur Amtsverschwiegenheit und des Verbots der Annahme
von Belohnungen oder Geschenken. Bei unfallverletzten
Beamtinnen oder Beamten bleiben die gesetzlichen An-
sprüche auf das Heilverfahren und einen Unfallausgleich
unberührt.

§ 28
Aufgaben

(1) Wer der Ansicht ist, wegen eines in § 1 genannten
Grundes benachteiligt worden zu sein, kann sich an die An-
tidiskriminierungsstelle des Bundes wenden.

(2) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unter-
stützt Personen, die sich nach Absatz 1 an sie wenden, bei
der Durchsetzung ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteili-
gungen. Hierzu kann sie insbesondere
1. über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen

Vorgehens im Rahmen gesetzlicher Regelungen zum
Schutz vor Benachteiligungen informieren,

2. Beratung durch andere Stellen vermitteln,
3. Eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten anstre-

ben.
Soweit andere Stellen des Bundes, insbesondere die Beauf-
tragten des Deutschen Bundestages oder der Bundesregie-
rung, oder Stellen der Länder oder Kommunen entspre-
chend tätig sind, leitet die Antidiskriminierungsstelle des
Bundes die Anliegen der in Absatz 1 genannten Personen
unverzüglich an diese weiter.

(3) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nimmt
folgende Aufgaben wahr, soweit nicht die Tätigkeitsberei-

che der Beauftragten der Bundesregierung oder des Deut-
schen Bundestages berührt sind:
1. Öffentlichkeitsarbeit,
2. Maßnahmen zur Verhinderung von Benachteiligungen

aus den in § 1 genannten Gründen,
3. DurchführungwissenschaftlicherUntersuchungen zudie-

sen Benachteiligungen.
(4) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die

Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bun-
destages legen gemeinsam dem Deutschen Bundestag alle
vier Jahre Berichte über Benachteiligungen aus den in § 1
genannten Gründen vor und geben Empfehlungen zur
Beseitigung und Vermeidung dieser Benachteiligungen. Sie
können gemeinsam wissenschaftliche Untersuchungen zu
Benachteiligungen durchführen.

(5) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die
Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bun-
destages sollen bei Benachteiligungen aus mehreren der in
§ 1 genannten Gründe zusammenarbeiten.

§ 29
Befugnisse

(1) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann in
Fällen des § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Beteiligte um Stellung-
nahmen ersuchen, soweit die Person, die sich nach § 28
Abs. 1 an sie gewandt hat, hierzu ihr Einverständnis erklärt.

(2) Alle Bundesbehörden und sonstigen öffentlichen
Stellen im Bereich des Bundes sind verpflichtet, die Anti-
diskriminierungsstelle des Bundes bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben zu unterstützen, insbesondere die erforderlichen
Auskünfte zu erteilen und Akteneinsicht zu gewähren. Die
Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten blei-
ben unberührt.

§ 30
Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen

und anderen Einrichtungen
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll bei ihrer

Tätigkeit Nichtregierungsorganisationen sowie Einrichtun-
gen, die auf europäischer, Bundes-, Landes- oder regionaler
Ebene zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in
§ 1 genannten Grundes tätig sind, in geeigneter Form einbe-
ziehen.

§ 31
Beirat

(1) Zur Förderung des Dialogs mit gesellschaftlichen
Gruppen und Organisationen, die sich den Schutz vor Be-
nachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes
zum Ziel gesetzt haben, wird der Antidiskriminierungs-
stelle des Bundes ein Beirat beigeordnet. Der Beirat berät
die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei der Vorlage
von Berichten und Empfehlungen an den Deutschen Bun-
destag nach § 28 Abs. 4 und kann hierzu sowie zu wis-
senschaftlichen Untersuchungen nach § 28 Abs. 3 Nr. 3
eigene Vorschläge unterbreiten.

(2) Das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend beruft im Einvernehmen mit der Leitung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/4538

der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie den ent-
sprechend tätigen Beauftragten der Bundesregierung oder
des Deutschen Bundestages die Mitglieder dieses Beirats
und für jedes Mitglied eine Stellvertretung. In den Beirat
sollen Vertreterinnen und Vertreter gesellschaftlicher Grup-
pen und Organisationen sowie Expertinnen und Experten in
Benachteiligungsfragen berufen werden. Die Gesamtzahl
der Mitglieder des Beirats soll 16 Personen nicht über-
schreiten. Der Beirat soll zu gleichen Teilen mit Frauen und
Männern besetzt sein.

(3) Der Beirat gibt sich eine Geschäftsordnung, die der
Zustimmung des Bundesministeriums für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend bedarf.

(4) Die Mitglieder des Beirats üben die Tätigkeit nach
diesem Gesetz ehrenamtlich aus. Sie haben Anspruch auf
Aufwandsentschädigung sowie Reisekostenvergütung, Ta-
gegelder und Übernachtungsgelder. Näheres regelt die Ge-
schäftsordnung.

Ab s c h n i t t 7
Schlussvorschriften

§ 32
Unabdingbarkeit

Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zuun-
gunsten der geschützten Personen abgewichen werden.

§ 33
Schlussbestimmung

Soweit in diesem Gesetz nicht Abweichendes bestimmt
ist, gelten die allgemeinen Bestimmungen.

§ 34
Übergangsbestimmungen

(1) Bei Benachteiligungen nach den §§ 611a, 611b
und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder sexuel-
len Belästigungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz
[vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1412)] ist das vor
dem … (einsetzen: Datum des Inkrafttretens dieses Geset-
zes) maßgebliche Recht anzuwenden.

(2) Bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft sind die §§ 20 bis 22 nicht
auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem … (ein-
setzen: Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes) begründet
worden sind. Satz 1 gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse,
die vor dem … (einsetzen: Datum des Inkrafttretens dieses
Gesetzes) begründet worden sind und nach diesem Zeit-
punkt fortbestehen.

(3) Bei Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Al-
ters oder der sexuellen Identität sind die §§ 20 bis 22 nicht
auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem… (einset-
zen: Erster Tag des vierten auf die Verkündung dieses Ge-
setzes folgenden Kalendermonats) begründet worden sind.
Satz 1 gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse, die vor dem
… (einsetzen: Erster Tag des vierten auf die Verkündung
dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats) begründet wor-
den sind und nach diesem Zeitpunkt fortbestehen.

Artikel 2
Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten

vor Diskriminierungen
(Soldatinnen- und Soldaten-

Antidiskriminierungsgesetz – SADG)
Abs c h n i t t 1
Allgemeiner Teil

§ 1
Ziel des Gesetzes

(1) Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Grün-
den der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, der
Weltanschauung oder der sexuellen Identität für den Dienst
als Soldatin oder Soldat zu verhindern oder zu beseitigen.

(2) Ziel des Gesetzes ist es auch, Soldatinnen und Solda-
ten vor Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in
Form von Belästigung und sexueller Belästigung im Dienst-
betrieb zu schützen.

(3) Alle Soldatinnen und Soldaten, insbesondere solche
mit Vorgesetzten- und Führungsaufgaben, sind in ihrem
Aufgabenbereich aufgefordert, an der Verwirklichung dieser
Ziele mitzuwirken. Dies gilt auch für den Dienstherrn, für
Personen und Gremien, die Beteiligungsrechte nach dem
Soldatenbeteiligungsgesetz wahrnehmen, und für Gleich-
stellungsbeauftragte und deren Stellvertreterinnen.

§ 2
Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz findet Anwendung auf
1. Maßnahmen bei der Begründung, Ausgestaltung und Be-

endigung eines Dienstverhältnisses und beim beruflichen
Aufstieg sowie auf den Dienstbetrieb; hierzu zählen ins-
besondere Auswahlkriterien und Einstellungsbedingun-
gen sowie die Ausgestaltung des Dienstes;

2. den Zugang zu allen Formen und Ebenen der soldatischen
Ausbildung, Fort- undWeiterbildung und beruflicher För-
derungsmaßnahmen einschließlich der praktischen Be-
rufserfahrung;

3. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einem Berufsver-
band oder in einer sonstigen InteressenvertretungvonSol-
datinnen und Soldaten, einschließlich der Inanspruch-
nahme der Leistungen solcher Organisationen.
(2) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder

Gebote der Gleichbehandlungwird durch dieses Gesetz nicht
berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften,
die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

§ 3
Begriffsbestimmungen

(1) Eine unmittelbareBenachteiligung liegt vor, wenn eine
Personwegen eines in § 1Abs. 1 genanntenGrundes einewe-
niger günstige Behandlung als eine andere Person in einer
vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren
würde. Eine unmittelbareBenachteiligungwegen eines in § 1
Abs. 1 genannten Grundes liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1
bis 3 auch dann vor, wenn die unterschiedliche Behandlung
wegen eines Merkmals erfolgt, das mit einem in § 1 Abs. 1
genannten Grund in Zusammenhang steht.

Drucksache 15/4538 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem
Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfah-
ren Personen wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes
in besonderer Weise gegenüber anderen Personen benach-
teiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften,
Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel
sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung
dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3)EineBelästigungalsFormderBenachteiligung liegtvor,
wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1
Abs. 1 oder 2 genannten Grund in Zusammenhang stehen, be-
zwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden
Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchte-
rungen,Anfeindungen,Erniedrigungen,Entwürdigungenoder
Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung als Form der Benachteili-
gung liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes
Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen
und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körper-
liche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie
unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von porno-
graphischen Darstellungen gehören, die in Absatz 3 be-
schriebenen Folgen bezweckt oder bewirkt.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus
einem in § 1 Abs. 1 genannten Grund gilt als Benachteili-
gung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1
Nr. 1 bis 3 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu
einem Verhalten bestimmt, das eine der in § 6 genannten
Personen wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes be-
nachteiligt oder benachteiligen kann.

§ 4
Unterschiedliche Behandlung
wegen mehrerer Gründe

(1) Bei einer unterschiedlichen Behandlung wegen meh-
rerer in § 1 Abs. 1 genannter Gründe muss sich die Zuläs-
sigkeit der unterschiedlichen Behandlung auf jeden einzel-
nen Grund beziehen.

(2) Eine nach § 8 zulässige unterschiedliche Behandlung
wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes rechtfertigt
allein keine unterschiedliche Behandlung aus einem ande-
ren in § 1 Abs. 1 genannten Grund.

§ 5
Positive Maßnahmen

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung
auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene
Maßnahmen tatsächliche Nachteile wegen eines in § 1
Abs. 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen
werden sollen.

Ab s c h n i t t 2
Schutz vor Benachteiligung

Unterabschnitt 1
Verbot der Benachteiligung

§ 6
Persönlicher Anwendungsbereich

Dieses Gesetz dient dem Schutz von
1. Soldatinnen und Soldaten,

2. Personen, die zu einer Einberufung zumWehrdienst nach
Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes heranstehen oder die
sich um die Begründung eines Wehrdienstverhältnisses
auf Grund freiwilliger Verpflichtung bewerben.

§ 7
Benachteiligungsverbot

(1) Die in § 6 genannten Personen dürfen nicht wegen
eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes benachteiligt
werden. Dies gilt auch, wenn die Soldatin oder der Soldat,
die oder der die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines
in § 1 Abs. 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung
nur annimmt.

(2) Jede Belästigung, sexuelle Belästigung und Anwei-
sung zu einer solchen Handlungsweise ist eine Verletzung
dienstlicher Pflichten und Soldatinnen und Soldaten unter-
sagt.

§ 8
Zulässige unterschiedliche Behandlung
wegen beruflicher Anforderungen

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1
Abs. 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund
wegen der Art der dienstlichen Tätigkeit oder der Bedingun-
gen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende be-
rufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmä-
ßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Dies gilt auch für eine unterschiedliche Behandlung
wegen eines Merkmals, das in Zusammenhang mit einem in
§ 1 Abs. 1 genannten Grund steht.

Unterabschnitt 2
Organisationspflichten des Dienstherrn

§ 9
Personalwerbung; Dienstpostenbekanntgabe

Anzeigen der Personalwerbung sowie Dienstposten für
Soldatinnen und Soldaten dürfen nicht unter Verstoß gegen
§ 7 Abs. 1 bekannt gegeben werden.

§ 10
Maßnahmen und Pflichten des Dienstherrn

(1) Der Dienstherr ist verpflichtet, die erforderlichen
Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen
eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes und zum Schutz
vor den in § 1 Abs. 2 genannten Handlungen zu treffen.
Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.

(2) Der Dienstherr soll in geeigneter Art und Weise, ins-
besondere im Rahmen der Fortbildung, auf die Unzulässig-
keit solcher Benachteiligungen und Handlungen hinweisen
und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben.

(3) Bei Verstößen gegen die Verbote des § 7 hat der
Dienstherr die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und
angemessenen dienstrechtlichen Maßnahmen zur Unterbin-
dung der Benachteiligung zu ergreifen.

(4) Werden in § 6 genannte Personen bei der Ausübung
ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 benachteiligt, so hat
der Dienstherr die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/4538

und angemessenen Maßnahmen zu ihrem Schutz zu er-
greifen.

(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes sowie Abschnitt 6
des Antidiskriminierungsgesetzes sind in den Dienststellen
und Truppenteilen der Streitkräfte bekannt zu machen. Die
Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an
geeigneter Stelle oder durch den Einsatz der in den Dienst-
stellen und Truppenteilen üblichen Informations- und Kom-
munikationstechnik erfolgen.

Unterabschnitt 3
Rechte der in § 6 genannten Personen

§ 11
Beschwerderecht

(1) Soldatinnen und Soldaten, die sich von Dienststellen
der Bundeswehr, von Vorgesetzten oder von Kameradinnen
oder Kameraden wegen eines in § 1 Abs. 1 oder 2 genann-
ten Grundes benachteiligt fühlen, können sich beschweren.
Das Nähere regelt die Wehrbeschwerdeordnung.

(2) Die in § 6 Nr. 2 genannten Personen können sich
wegen einer in § 1 Abs. 1 oder 2 genannten Benachteiligung
bei der für ihre Einberufung oder Bewerbung zuständigen
Stelle der Bundeswehr beschweren. Diese hat die Be-
schwerde zu prüfen und das Ergebnis der beschwerdefüh-
renden Person mitzuteilen.

§ 12
Entschädigung und Schadensersatz

(1) Verstößt der Dienstherr gegen das Benachteiligungs-
verbot des § 7 zum Nachteil einer in § 6 genannten Person,
so kann diese zum Ausgleich des Schadens, der nicht Ver-
mögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in
Geld verlangen.

(2) Ein Anspruch nach Absatz 1 muss innerhalb einer
Frist von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht wer-
den. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines
beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung, in
den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeit-
punkt, in dem die in § 6 genannte Person von der Benachtei-
ligung Kenntnis erlangt.

(3) Verstößt der Dienstherr gegen das Benachteiligungs-
verbot des § 7, so ist er verpflichtet, den hierdurch entstan-
denen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der
Dienstherr die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Im
Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Dienstherrn, die sich
aus sonstigen allgemeinen Rechtsvorschriften ergeben,
unberührt.

(4) Ein Verstoß des Dienstherrn gegen das Benachteili-
gungsverbot des § 7 begründet keinen Anspruch auf Be-
gründung eines Dienstverhältnisses, auf eine Maßnahme der
Ausbildung oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein
solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

§ 13
Entschädigung durch den Dienstherrn

bei Benachteiligung durch Dritte
Der Dienstherr ist auch zur Zahlung einer Entschädigung

nach § 12 verpflichtet, wenn die Benachteiligung wegen
eines in § 1 Abs. 1 oder 2 genannten Grundes

1. durch Personen, die im Auftrag des Dienstherrn gegen-
über Soldatinnen und Soldaten Weisungen erteilen dür-
fen, in Ausübung dieser Befugnisse erfolgt oder

2. durch Dritte erfolgt und der Dienstherr seine Verpflich-
tung aus § 10 Abs. 1 bis 4 schuldhaft verletzt hat.

§ 14
Maßregelungsverbot

(1) Der Dienstherr darf eine in § 6 genannte Person nicht
wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach diesem Ab-
schnitt oder wegen der Weigerung, eine gegen diesen Ab-
schnitt verstoßende Weisung auszuführen, benachteiligen.
Gleiches gilt für Personen, die eine in § 6 genannte Person
hierbei unterstützen oder als Zeuginnen oder Zeugen aussa-
gen.

(2) Die Zurückweisung oder Duldung benachteiligender
Verhaltensweisen durch betroffene, in § 6 genannte Perso-
nen darf nicht als Grundlage für eine Entscheidung herange-
zogen werden, die diese Personen berührt. Absatz 1 Satz 2
gilt entsprechend.

(3) § 16 gilt entsprechend.
§ 15

Mitgliedschaft in Vereinigungen
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entspre-

chend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in
1. einem Berufsverband der Soldatinnen und Soldaten,
2. einer sonstigen Interessenvertretung von Soldatinnen und

Soldaten, insbesondere wenn deren Mitglieder einer
bestimmten Verwendungsgruppe angehören, wenn ein
grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft
besteht,

sowie deren jeweiligen Zusammenschlüssen.
(2) Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Be-

nachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein
Anspruch auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung in den in Ab-
satz 1 genannten Vereinigungen.

Ab s c h n i t t 3
Rechtsschutz

§ 16
Beweislast

Wenn im Streitfall die eine Partei Tatsachen glaubhaft
macht, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 Abs. 1
genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei
die Beweislast dafür, dass andere als in § 1 Abs. 1 genannte,
sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfer-
tigen oder die unterschiedliche Behandlung wegen eines in
§ 1 Abs. 1 genannten Grundes nach Maßgabe dieses Geset-
zes zulässig ist.

§ 17
Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände
(1) Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusam-

menschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorü-
bergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Inte-
ressen der in § 6 genannten Personen im Rahmen einer

Drucksache 15/4538 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Benachteiligung nach § 1 Abs. 1 oder 2 wahrnehmen. Die
Befugnisse nach den Absätzen 2 bis 4 stehen ihnen zu,
wenn sie mindestens 75 Mitglieder haben oder einen Zu-
sammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden.

(2) Antidiskriminierungsverbände sind befugt, im Rah-
men ihres Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren, in
denen eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, mit
Ausnahme von Strafverfahren als Bevollmächtigte und
Beistände der in § 6 genannten Personen in der Verhandlung
aufzutreten. Die Vorschriften der Verfahrensordnungen,
nach denen Bevollmächtigten und Beiständen weiterer Vor-
trag untersagt werden kann, bleiben unberührt.

(3) Antidiskriminierungsverbänden ist im Rahmen ihres
Satzungszwecks die Besorgung von Rechtsangelegenheiten
der in § 6 genannten Personen gestattet.

(4) In § 6 genannte Personen können eine auf Schadens-
ersatz oder Entschädigung in Geld gerichtete Forderung we-
gen eines Verstoßes gegen ein Benachteiligungsverbot nach
§ 7 abtreten. Antidiskriminierungsverbände sind im Rah-
men ihres Satzungszwecks zur außergerichtlichen und ge-
richtlichen Einziehung von an sie nach Satz 1 abgetretenen
Forderungen befugt.

(5) Besondere Klagerechte und Vertretungsbefugnisse
von Verbänden zu Gunsten von behinderten Menschen blei-
ben unberührt.

Ab s c h n i t t 4
Ergänzende Vorschriften

§ 18
Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Abschnitt 6 des Antidiskriminierungsgesetzes über die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes findet im Rahmen
dieses Gesetzes Anwendung.

§ 19
Unabdingbarkeit

Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zu Un-
gunsten der Soldatinnen und Soldaten abgewichen werden.

§ 20
Übergangsvorschrift

Erfolgen Benachteiligungen in Form sexueller Belästi-
gungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz vom 24. Juni
1994 (BGBl. I S. 1406, 1412) vor dem … (einsetzen:
Datum des Inkrafttretens des Gesetzes), ist das zu diesem
Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

Artikel 3
Änderungen in anderen Gesetzen

(1) Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, 1036),
zuletzt geändert durch Artikel 5 Nr. 1 des Gesetzes vom
18. Mai 2004 (BGBl. I S. 74), wird wie folgt geändert:
1. § 11 wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
„Zulässig ist auch eine Vertretung durch Vertreter der
in § 24 des Antidiskriminierungsgesetzes bezeichne-

ten Verbände bei der Geltendmachung eines Rechts
wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungs-
verbot nach § 7Abs. 1 desAntidiskriminierungsgeset-
zes, wenn diese Personen kraft Satzung oder Voll-
macht zur Vertretung befugt sind.“

b) InAbsatz 3Satz 2wird dieAngabe „Satz 2 bis 5“ durch
die Angabe „Satz 2 bis 6“ ersetzt.

2. § 61b wird wie folgt gefasst:
㤠61b

Klage wegen Benachteiligung
Eine Klage auf Entschädigung nach den §§ 15 und 16

des Antidiskriminierungsgesetzes muss innerhalb von
drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend
gemacht worden ist, erhoben werden.“
(2) Artikel 2 des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsge-

setzes vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1308), das zuletzt
durch Artikel 9 des Gesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I
S. 1406) geändert worden ist, wird aufgehoben.

(3) § 75 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001
(BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch … vom … (BGBl. I
S. …) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

„(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wa-
chen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grund-
sätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbe-
sondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Grün-
den ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer
Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität,
ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ih-
res Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betäti-
gung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder
ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“

(4) § 67 Abs. 1 Satz 1 des Bundespersonalvertretungsge-
setzes vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693), das zuletzt
durch … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt
gefasst:
„Dienststelle und Personalvertretung haben darüber zu
wachen, dass alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht
und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede
Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse
oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung
oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion
oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer
politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Ein-
stellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen
Identität unterbleibt.“

(5) § 8 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl. I
S. 675), das zuletzt durch … vom … (BGBl. I S. …) geän-
dert worden ist, wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Bewerber sind durch Stellenausschreibung zu
ermitteln. Ihre Auslese ist nach Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Ab-
stammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung,
Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen,
Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzuneh-
men. Dem stehen gesetzliche Maßnahmen zur Förderung
von Beamtinnen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleich-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/4538

stellung im Erwerbsleben, insbesondere Quotenregelungen
mit Einzelfallprüfungen, sowie gesetzliche Maßnahmen zur
Förderung schwerbehinderter Menschen nicht entgegen.“

(6) § 27 Abs. 1 des Sprecherausschussgesetzes vom
20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2312), das zuletzt durch …
vom … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt
gefasst:

„(1) Arbeitgeber und Sprecherausschuss haben darüber
zu wachen, dass alle leitenden Angestellten des Betriebs
nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt
werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Perso-
nen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen
Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer
Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Be-
hinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaft-
lichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Ge-
schlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“

(7) Das Erste Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil –
(Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I
S. 3015), zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht werden nach der Angabe

„§ 33a Altersabhängige Rechte und Pflichten“
folgende Angaben eingefügt:
㤠33b Lebenspartnerschaften
„§ 33c Benachteiligungsverbot“.

2. Nach § 33b wird folgender § 33c eingefügt:
㤠33c

Benachteiligungsverbot
Bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte darf

niemand aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen
Herkunft oder einer Behinderung benachteiligt werden.
Ansprüche können nur insoweit geltend gemacht oder
hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt
durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Ge-
setzbuches im Einzelnen bestimmt sind.“
(8) § 36 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch

– Arbeitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März
1997, BGBl. I S. 594, 595), das zuletzt durch … (BGBl. I
S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In Satz 1 werden die Wörter „oder ähnlicher Merkmale“

gestrichen.
2. Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Die Agentur für Arbeit darf Einschränkungen, die der
Arbeitgeber für eine Vermittlung aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder
Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen
Identität des Ausbildungssuchenden und Arbeitssuchen-
den vornimmt, nur berücksichtigen, soweit sie nach dem
Antidiskriminierungsgesetz zulässig sind.“

3. In Satz 3 wird das Wort „Religionsgemeinschaft“ gestri-
chen.
(9) Das Vierte Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame

Vorschriften für die Sozialversicherung – (Artikel 1 des Ge-
setzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845), zuletzt
geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 19 im

Ersten Titel folgende Angabe eingefügt:

„§ 19a Benachteiligungsverbot“.
2. In § 1 Abs. 2 wird die Angabe „§§ 18f und 18g“ durch

die Angabe „§§ 18f, 18g und 19a“ ersetzt.
3. Im Zweiten Abschnitt Erster Titel wird nach § 19 folgen-

der § 19a angefügt:
㤠19a

Benachteiligungsverbot
Bei der Inanspruchnahme von Leistungen, die den

Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsbe-
ratung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbil-
dung, der Umschulung einschließlich der praktischen
Berufserfahrung betreffen, darf niemand aus Gründen
der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des
Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer
Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität
benachteiligt werden. Ansprüche können nur insoweit
geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren
Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der
besonderen Teile dieses Gesetzbuches im Einzelnen
bestimmt sind.“
(10) In § 36 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch

– Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (Ar-
tikel 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046,
1047), das zuletzt durch … vom… (BGBl. I S. …) geändert
worden ist, werden nach den Wörtern „den Arbeitsschutz,“
die Wörter „den Schutz vor Diskriminierungen in Beschäfti-
gung und Beruf,“ eingefügt.

(11) Das Bundesgleichstellungsgesetz vom 30. Novem-
ber 2001(BGBl. I S. 3234), wird wie folgt geändert:
1. § 5 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird aufgehoben.
b) Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.

2. In § 19 Abs. 1 Satz 1 werden die Wörter „des Beschäf-
tigtenschutzgesetzes“ durch die Wörter „des Gesetzes
zum Schutz vor Diskriminierung im Hinblick auf den
Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts
und sexueller Belästigung“ ersetzt.
(12) § 3 Abs. 1 des Soldatengesetzes in der Fassung der

Bekanntmachung vom 14. Februar 2001 (BGBl. I S. 232,
478), das zuletzt durch … vom … (BGBl. I S. …) geändert
worden ist, wird wie folgt gefasst:

„(1) Der Soldat ist nach Eignung, Befähigung und Leis-
tung ohne Rücksicht auf Geschlecht, sexuelle Identität, Ab-
stammung, Rasse, Glauben, Weltanschauung, religiöse oder
politische Anschauungen, Heimat, ethnische oder sonstige
Herkunft zu ernennen und zu verwenden.“

(13) In § 73 Abs. 6 des Sozialgerichtsgesetzes in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 23. September 1975
(BGBl. I S. 2535), das zuletzt durch … geändert worden ist,
werden nach Satz 4 folgende Sätze angefügt:
„§ 157 Abs. 1 der Zivilprozessordnung gilt auch nicht für
Mitglieder und Angestellte der in § 24 Abs. 1 des Anti-
diskriminierungsgesetzes genannten Vereinigungen, die im
Rahmen des Satzungszwecks der Vereinigung als Bevoll-
mächtigte von Beteiligten tätig werden. Den in Satz 5 ge-
nannten Vereinigungen ist im Rahmen ihres Satzungs-

Drucksache 15/4538 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

zwecks die Besorgung von Rechtsangelegenheiten Beteilig-
ter gestattet.“

(14) Die §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs vom … (BGBl. I S. …), das zuletzt durch das
Gesetz vom … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, werden
aufgehoben.

(15) Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz
vom … (BGBl. I S. …) wird wie folgt geändert:
1. § 4 Abs. 7 wird aufgehoben.
2. § 5 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Bei Verstößen der Dienststellen gegen die Be-
nachteiligungsverbote bei Begründung eines Dienstver-
hältnisses und beim beruflichen Aufstieg finden die
§§ 12 und 13 des Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskri-
minierungsgesetzes Anwendung.“

3. § 19 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Die Gleichstellungsbeauftragte hat den Vollzug dieses
Gesetzes in der Dienststelle zu fördern und zu unterstüt-
zen; dies gilt auch für das Soldatinnen- und Solda-
ten-Antidiskriminierungsgesetz in Bezug auf das Verbot
von Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in
Form von Belästigungen und sexuellen Belästigungen.“

Artikel 4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am … in Kraft. Gleichzeitig tritt das
Beschäftigtenschutzgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl. I
S. 1406, 1412) außer Kraft.

Berlin, den 16. Dezember 2004

Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/4538

Begründung

Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Reformbedürfnis
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll der Schutz vor
Diskriminierungen im Sinne des Artikels 3 des Grundgeset-
zes verbessert werden. Er setzt die Vorgaben folgender
EU-Richtlinien um:
– Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur

Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne
Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft,

– Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November
2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung
und Beruf und der

– Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der
Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung
des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern
und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung,
zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie
in Bezug auf die Arbeitsbedingungen.

Er berücksichtigt darüber hinaus die kurz vor der Verab-
schiedung stehende Richtlinie des Rates zur Verwirklichung
des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und
Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gü-
tern und Dienstleistungen [noch nicht erlassen, Vorschlag
von 5. November 2003 – KOM(2003) 657 endgültig – Fas-
sung vom 6. Oktober 2004].

Internationale Bemühungen
Der Gesetzentwurf steht im Zusammenhang mit der interna-
tionalen Weiterentwicklung des Schutzes aller Menschen
vor Diskriminierung:
Die Grundüberzeugung, dass alle Menschen in ihrer Würde,
ihrem Wert und ihrem Rang gleich sind, hat seit der Aufklä-
rung und den bürgerlichen Revolutionen in England, den
USA und Frankreich zunehmend Eingang in das Recht ge-
funden.
Rassismus und Diskriminierungen wegen der Rasse waren
die ersten Formen der Diskriminierung, mit denen sich die
internationale Gemeinschaft befasste. Es ging zunächst um
das Verbot der Sklaverei und die Umsetzung dieses Ver-
botes, später um den Umgang mit der Bevölkerung in den
Kolonien durch die Kolonialerwaltungen. Die Erfahrungen
mit dem Ende des Kolonialismus sowie mit dem Holocaust
führten 1948 zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung
der Vereinten Nationen (VN), in der auch Diskriminierun-
gen wegen der Rasse ausdrücklich geächtet wurden.
In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts beeinflusste vor al-
lem die Bürgerrechtsbewegung in den USA, die die Rassen-
diskriminierung im Alltag der Amerikaner afrikanischer
Abstammung in das politische Bewusstsein brachte, das
VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Ras-
sendiskriminierung von 1966.

Das zweite große Antidiskriminierungsthema ist das Ge-
schlecht, insbesondere die Benachteiligung von Frauen. Die
Ausgrenzung von Frauen aus dem Arbeitsmarkt wurde nach
dem Zweiten Weltkrieg zum Problem, als sie für die zurück-
kehrenden Männer die Arbeitsplätze frei machen mussten,
die sie während des Krieges ausgefüllt hatten. Thematisiert
seit dem Internationalen Jahr der Frau 1975 und der ersten
Frauenweltkonferenz in Mexiko führte dieser Diskriminie-
rungsbereich 1979 zum VN-Übereinkommen zur Beseiti-
gung jeder Form von Diskriminierung der Frau.
In den letzten Jahrzehnten befasst sich die internationale
Gemeinschaft insbesondere mit der globalen Migration und
den Wanderarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern, ferner
mit der demographischen Entwicklung, die in den Industrie-
ländern zu einer Benachteiligung älterer Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer führt, und mit der Benachteiligung von
Menschen mit Behinderungen sowie von HIV-Infizierten.
Seit der Menschenrechtsweltkonferenz 1993 in Wien setzt
sich der Menschenrechtsansatz in der internationalen Dis-
kussion zur Bekämpfung von Diskriminierungen zuneh-
mend durch: Es wird von den Werten, Prinzipien und Instru-
menten der Menschenrechtserklärung her argumentiert und
gehandelt, im Mittelpunkt steht die Anerkennung der glei-
chen Würde und des gleichen Wertes der Menschen, die auf
der Basis der Menschenrechtserklärung durchzusetzen ist.
Andere europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien
oder die Niederlande haben seit einigen Jahren zivil- und
strafrechtliche Antidiskriminierungsgesetze, die jeweils auf
die besonderen nationalen Rechtstraditionen Rücksicht neh-
men. In diesem Sinne ergänzt Deutschland sein Zivilrecht.
Die Vorgaben der EU
Auch innerhalb der Europäischen Union spielen die Men-
schenrechte in den EU-Institutionen und im Gemeinschafts-
recht eine zunehmend wichtigere Rolle. Dazu gehörte die
Etablierung eines gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts-
verständnisses durch den Europäischen Gerichtshof, das im
Menschenrechtskatalog der europäischen Verfassung seinen
Niederschlag gefunden hat. Die heute anstehende Integra-
tion Europas macht verstärkt Menschenrechte und damit
auch den Gleichheitssatz zum normativ wichtigen Teil einer
europäischen Sozialordnung.
Nach Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union be-
ruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der Frei-
heit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und
Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit. Sie hat die
Grundrechte, wie sie in der europäischen Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewähr-
leistet sind, zu achten. Die Gleichheit vor dem Gesetz und
der Schutz aller Menschen vor Diskriminierung ist ein
solches allgemeines Menschenrecht. Der Europäische
Gerichtshof hat dem Gleichbehandlungsgrundsatz höchste
normative Dignität verliehen, indem er ihn zu den Grund-
prinzipien des Gemeinschaftsrechts erklärt hat.
Diskriminierungen können die Verwirklichung der im
EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere

Drucksache 15/4538 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und ei-
nes hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Le-
bensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen
und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Frei-
zügigkeit.
In Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages wird daher der Rat
der Europäischen Union ermächtigt, im Rahmen der auf die
Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten Vorkehrungen
zu treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Ge-
schlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion
oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters
oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.
Auf der Grundlage von Artikel 13 bzw. Artikel 141 EGV
hat der Rat zwei Richtlinien beschlossen:
– die Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur An-

wendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Un-
terschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (im
Folgenden: Antirassismusrichtlinie),

– die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur
Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirk-
lichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Be-
ruf (im Folgenden: Rahmenrichtlinie Beschäftigung).

Kurz vor Verabschiedung steht die Richtlinie zur Anwen-
dung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen
und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit
Gütern und Dienstleistungen (im Folgenden: Gleichbehand-
lungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Ar-
beitswelt (noch nicht erlassen, Entwurf vom 6. Oktober
2004)).
Auf Grundlage des Artikels 141 EGV ist die die Richtlinie
2002/73/EG vom 23. September 2002 zur Änderung der
Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und
Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Be-
rufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug
auf die Arbeitsbedingungen (im Folgenden: Gender-Richt-
linie) beschlossen worden.
Die Antirassismusrichtlinie, die Rahmenrichtlinie Beschäf-
tigung und die Gender-Richtlinie beziehen sich im Rahmen
der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf
das Arbeitsleben, die Antirassismusrichtlinie im genannten
Rahmen außerdem auf die Bereiche Soziales, Bildung und
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienst-
leistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, ein-
schließlich von Wohnraum. Die Gleichbehandlungsricht-
linie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt
(noch nicht erlassen, Vorschlag vom 5. November 2003 –
KOM(2003) 657 endgültig – Fassung vom 6. Oktober 2004)
regelt ebenfalls Fragen des Zugangs zu Gütern und Dienst-
leistungen sowie die Anwendung des Gleichbehandlungs-
grundsatzes im Privatversicherungsrecht.
Die Gleichbehandlungsrichtlinien entstanden vor dem Hin-
tergrund der Erfahrung von Ausgrenzung von Menschen auf
Grund bestimmter Merkmale oder Zuschreibungen inner-
halb der Europäischen Union. Sie beschränken sich nicht
auf einen Rechtsschutz gegenüber Diskriminierungen durch
den Staat, sondern sie verpflichten die Mitgliedstaaten im
Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständig-

keiten auch zu einem Rechtsschutz vor Diskriminierungen
durch Private, insbesondere durch Arbeitgeber.
Rechtlicher Schutz vor Diskriminierung zielt nicht auf den
Schutz besonderer Gruppen, sondern auf den Schutz jedes
und jeder Einzelnen vor Benachteiligungen, die an Eigen-
schaften oder Lebensformen anknüpfen. Die in den Richtli-
nien genannten Merkmale werden von jedem Menschen in
der einen oder anderen Form verwirklicht, denn alle Men-
schen sind beispielsweise Träger eines Geschlechts, einer
Ethnie, eines bestimmten Lebensalters, einer bestimmten
sexuellen Identität. Dabei sind nicht alle in gleichem Maße
von Diskriminierungen betroffen.
Die Richtlinien sollen die gesellschaftliche Wirklichkeit in
den Mitgliedstaaten verändern, d. h. sie sollen Diskriminie-
rungen nicht nur verbieten, sondern wirksam beseitigen.
Auch deshalb enthalten die Richtlinien neben materi-
ell-rechtlichen und prozessualen Vorgaben zusätzlich
Vorschriften zum sozialen Dialog, zur Unterstützung durch
Verbände und zur Benennung von Unterstützungseinrich-
tungen.

Reformbedürfnis in Deutschland
Die rechtliche Situation
Die deutsche Politik der Gleichbehandlung ordnet sich in
diesen supranationalen Kontext ein. Es gibt eine Reihe von
Diskriminierungsverboten in völkerrechtlichen Überein-
kommen, die von der Bundesrepublik Deutschland ratifi-
ziert wurden:
– das Internationale Übereinkommen (der VN) zur Besei-

tigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom
7. März 1966,

– der Internationale Pakt über bürgerliche und politische
Rechte vom 19. Dezember 1966,

– der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966,

– das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979,

– das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom
20. November 1989,

– die europäische Konvention zum Schutz der Menschen-
rechte und der Grundfreiheiten vom 3. September 1953,

– das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler
Minderheiten vom 1. Februar 1995.

Aus dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung
jeder Form von Rassendiskriminierung, das die Bundesre-
publik Deutschland 1969 ratifiziert hat, ergibt sich die Ver-
pflichtung zu einer umfassenden Gesetzgebung mit einem
Verbot der Rassendiskriminierung in der Privatwirtschaft.
Der nach diesem Übereinkommen eingerichtete Ausschuss
hat Deutschland zuletzt in seiner Stellungnahme vom
20. März 1997 empfohlen, den Erlass eines umfassenden
Antidiskriminierungsgesetzes zu prüfen. Er hat dabei seine
Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass eine umfassende
Gesetzgebung mit einem Verbot der Rassendiskriminierung
in der Privatwirtschaft entsprechend den Vorgaben des
Übereinkommens in Deutschland fehle.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/4538

Durch die 1985 erfolgte Ratifizierung des Übereinkommens
zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
(CEDAW) vom 18. Dezember 1979 hat sich die Bundesre-
publik Deutschland verpflichtet, durch geeignete gesetzge-
berische und sonstige Maßnahmen jede Diskriminierung der
Frau zu verbieten. Deutschland ist als Vertragsstaat des Ab-
kommens darüber hinaus verpflichtet, durch geeignete Maß-
nahmen zu gewährleisten, dass Frauen die Menschenrechte
und Grundfreiheiten gleichberechtigt mit Männern ausüben
können. Die staatliche Verpflichtung zur Beseitigung jeder
Form von Diskriminierung besteht u. a. für den Bereich des
bürgerlichen Rechts sowie für das Arbeits- und Wirtschafts-
leben.
Im Rahmen des Europarats hat der Wiener Gipfel der
Staats- und Regierungschefs im Oktober 1993 einen Ak-
tionsplan zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass,
Antisemitismus und Intoleranz verabschiedet.
Die Bundesrepublik Deutschland hat zudem als Mitglied
der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eine Vielzahl
von ILO-Übereinkommen ratifiziert, die insbesondere Dis-
kriminierungen in Beschäftigung und Beruf verbieten und
gleiches Entgelt gebieten.
Nach Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ist eine Un-
gleichbehandlung auf Grund des Geschlechts, der Abstam-
mung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft,
des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauungen
sowie einer Behinderung verboten. Das verfassungsrecht-
liche Benachteiligungsverbot wegen einer Behinderung
wurde 1994 im Rahmen der Verfassungsreform eingefügt.
Die Verfassungsnorm des Artikels 3 Abs. 3 GG stellt primär
ein Abwehrrecht der Grundrechtsträger gegenüber dem
Staat dar, entfaltet aber auch – vor allem über die General-
klauseln und andere auslegungsbedürftige Begriffe der ein-
zelnen Rechtsgebiete – eine mittelbare Drittwirkung für den
Privatrechtsverkehr.
Das Privatrecht regelt vor allem die Rechtsbeziehungen
zwischen den Bürgerinnen und Bürgern selbst, insbesondere
im Vertragsrecht. Zivilgesellschaften sind auf das vor allem
durch Verträge in freier Selbstbestimmung gesetzte private
Recht angewiesen. Bei den hiermit verbundenen Unter-
scheidungen, die auf unterschiedlichsten Gründen beruhen,
kann es sich allerdings teilweise auch um sozial verwerfli-
che Diskriminierungen handeln. Zu dem durch Artikel 3 des
Grundgesetzes dokumentierten Grundkonsens der Bundes-
republik Deutschland gehört es, dass bestimmte Unterschei-
dungen auch im Bereich des Privatrechts, für den Artikel 3
GG nicht unmittelbar gilt, als unerwünscht gelten können.
Schon das geltende deutsche Recht verpflichtet vor allem
im Bereich der Daseinsvorsorge auch Private zum Vertrags-
schluss oder legt ihnen (zum Beispiel im Arbeitsrecht, im
Mietrecht oder im Verbraucherrecht) Beschränkungen zum
Schutz der strukturell schwächeren Partei auf. Zur Bekämp-
fung von anderen Diskriminierungen, also von sozial uner-
wünschten Ungleichbehandlungen, stellte das Zivilrecht
bislang allerdings vor allem die Generalklauseln des Bür-
gerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Verfügung.
In anderen Bereichen sind auf einfachgesetzlicher Ebene
Antidiskriminierungsvorschriften in Deutschland kontinu-
ierlich ausgebaut worden:

– Diskriminierungen wegen des Geschlechts werden seit
1980 (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) arbeits-
rechtlich untersagt und sanktioniert.

– Im Bereich des öffentlichen Dienstes haben die Grund-
sätze des Artikels 3 Abs. 3 GG sowohl im Beamten-
rechtsrahmengesetz als auch im Bundesbeamtengesetz
ihren Niederschlag gefunden.

– Das Beschäftigtenschutzgesetz verbietet sexuelle Beläs-
tigungen in der Privatwirtschaft wie auch im öffentlichen
Dienst.

– Im Bundespersonalvertretungsgesetz wie auch im
Betriebsverfassungsgesetz sind entsprechende Über-
wachungspflichten für Dienstherren/Arbeitgeber sowie
für den Personal-/Betriebsrat verankert.

– Das neue Bundesgleichstellungsgesetz, das am 5. De-
zember 2001 in Kraft getreten ist, enthält vielfältige
Fördermaßnahmen, um gegen Diskriminierungen wegen
des Geschlechts innerhalb der Bundesverwaltung vorzu-
gehen.

– Am 23. Dezember 2000 trat die Änderung von Artikel
12a Abs. 4 Satz 2 GG in Kraft, die Frauen den Zugang in
alle Bereiche der Streitkräfte ermöglicht.

– § 554a BGB sieht seit dem Jahr 2001 die Barrierefreiheit
im Mietrecht vor.

– Im Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und
Teilhabe behinderter Menschen – wurden 2001 neben
einem allgemeinen Diskriminierungsverbot auch weit-
reichende positive Maßnahmen festgeschrieben, mit
denen die Beschäftigungssituation schwerbehinderter
Menschen verbessert werden soll.

– Mit dem am 1. Mai 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur
Gleichstellung behinderter Menschen wurden Gleich-
stellung und Barrierefreiheit im öffentlichen Recht ver-
ankert. Neben anderen Bereichen wurden Regelungen
zur Barrierefreiheit für den öffentlichen Personenverkehr
und für Gaststätten getroffen. Der Durchsetzung des Be-
nachteiligungsverbotes für Träger öffentlicher Gewalt
sowie der Regelungen zur Barrierefreiheit dient ein für
anerkannte Verbände vorgesehenes Verbandsklagerecht.

– In diesem Zusammenhang wurde auch das Gaststätten-
gesetz um eine Verpflichtung zur Herstellung von Barri-
erefreiheit unter anderem bei Neuanlagen ergänzt.

– Der Beseitigung einer rechtlichen Diskriminierung im
Bereich der Arbeit dient das Gesetz zur Verbesserung
der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten,
das 2002 in Kraft trat.

Zur Unterstützung der von Diskriminierung Betroffenen hat
die Bundesregierung Beauftragte eingesetzt, darunter
– den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange

behinderter Menschen,
– die Beauftragte der Bundesregierung für Migration,

Flüchtlinge und Integration,
– den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedler-

fragen und nationale Minderheiten in Deutschland.
Einen umfassenden arbeitsrechtlichen Schutz vor Diskrimi-
nierungen, wie er von den Richtlinien mit wirksamen, ver-
hältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen vorge-

Drucksache 15/4538 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

schrieben wird, gibt es in Deutschland noch nicht hinsicht-
lich sämtlicher in den Richtlinien geregelter Diskriminie-
rungsmerkmale. Am weitesten fortgeschritten ist dieser
arbeitsrechtliche Rechtsschutz bei Diskriminierungen we-
gen des Geschlechts, der 1980 durch das Arbeitsrechtliche
EG-Anpassungsgesetz eingeführt und seitdem kontinuier-
lich verbessert wurde, und bei Benachteiligungen wegen
einer Behinderung (§ 81 SGB IX). Das Bundesgleich-
stellungsgesetz verbietet Diskriminierungen wegen des
Geschlechts für den Bereich der Bundesbehörden, in den
Bundesländern gibt es ähnliche Gesetze für den öffentlichen
Dienst.
In Deutschland fällt auf, dass der vorhandene Rechtsschutz
in der Praxis von den Betroffenen bisher wenig genutzt
wird. Nahe liegend wäre hier zunächst die Vermutung, dass
es tatsächlich nur zu wenigen Diskriminierungen kommt.
Gerade bei der Belästigung und der sexuellen Belästigung
trifft dies aber nicht zu. Diese Einschätzung bestätigt den
Ansatz der EU-Richtlinien, nicht nur das Recht zu verbes-
sern, sondern auch die faktische Rechtsdurchsetzung in den
Blick zu nehmen. Für die mangelnde Rechtsnutzung durch
die Betroffenen in Deutschland gibt es verschiedene Erklä-
rungen:
– In Deutschland gibt es bisher keine Kultur der Antidis-

kriminierung, wie sie z. B. für Menschen in angelsächsi-
schen Ländern zum Alltag gehört. Für die Betroffenen in
diesen Ländern ist es daher selbstverständlicher, Diskri-
minierungen offen zu legen und sich dagegen zur Wehr
zu setzen.

– In Deutschland sind hingegen die rechtlichen Möglich-
keiten, gegen Diskriminierungen vorzugehen, wie auch
die hierzu ergangene Rechtsprechung wenig bekannt1).
Soweit Arbeitsrecht auf Richterrecht beruht, hat es einen
geringeren öffentlichen Bekanntheitsgrad.

– Artikel 3 GG entfaltet im Bereich der privaten Erwerbs-
wirtschaft, etwa im Zivilrecht bei der Versorgung mit
Gütern und Dienstleistungen (z. B. im Mietvertrags-
recht), nur mittelbare Drittwirkung.

– Manche Bestimmungen sind hinsichtlich ihres Ausma-
ßes und ihrer Rechtsfolgen umstritten, so dass Betrof-
fene das Risiko eines Verfahrens scheuen bzw. ihnen ab-
geraten wird.

– Es werden Beweisschwierigkeiten antizipiert, weil die
wahren Beweggründe für ungleiche Behandlungen sel-
ten offen gelegt werden2).

– Stereotype, Vorurteile und Stigmatisierungen sind zu-
meist tradiert und daher vielen Menschen nicht bewusst.
Diskriminierendes Verhalten wird in solchen Fällen
nicht als solches erkannt, erfolgt also unbeabsichtigt.

– Die Abhängigkeit zwischen Beschäftigten und Arbeitge-
benden führt zu Angst vor Arbeitsplatzverlust bzw. vor
anderen Nachteilen am Arbeitsplatz2).

– Es gibt bei vielen Diskriminierungsopfern Bildungs-
barrieren, sie kennen sich nicht mit den rechtlichen und
prozessualen Möglichkeiten aus.

– Hinzu kommen ökonomische Barrieren, weil gerade
Menschen, die auf Grund von Rasse, einer Behinderung
oder wegen des Alters diskriminiert werden, und auch
Frauen oft über weniger Geld verfügen. Vielen ist nicht
bekannt, dass sie gegebenenfalls einen Anspruch auf
Prozesskostenhilfe haben.

– Weitere Barrieren sind Scham (z. B. bei sexueller Beläs-
tigung), Angst vor erneuter Stigmatisierung und man-
gelndes Vertrauen in institutionelles Handeln (oft bei
Flüchtlingen auf Grund ihrer Erfahrungen im Herkunfts-
land).

Nur unzureichenden Schutz bietet das geltende Recht z. B.
vor Belästigungen am Arbeitsplatz. Die deutsche Rechts-
ordnung enthält kein ausdrückliches Verbot der Belästigung
wegen eines der relevanten Merkmale in der Arbeitswelt,
lediglich für die Sonderform der sexuellen Belästigung am
Arbeitsplatz besteht mit dem Beschäftigtenschutzgesetz
eine gesetzliche Regelung. Gegen andere belästigende Ver-
haltensweisen am Arbeitsplatz bestehen zwar Rechtsschutz-
möglichkeiten gegen die Täter sowie gegen die Arbeitgeber,
das Verhalten kann auch strafrechtlich relevant sein, doch es
gibt Probleme bei der praktischen Durchsetzung von Unter-
lassungs- und Schadensersatzansprüchen, so dass der vor-
handene Rechtsschutz häufig in der Praxis nicht greift.
Die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hat gezeigt,
dass der bisherige Rechtsschutz vor Diskriminierungen zwi-
schen Privaten nicht ausreicht. Der Ansatz der EU-Richt-
linien, Diskriminierungen auch durch Private in den Blick
zu nehmen, greift diese Probleme auf und verpflichtet die
Mitgliedstaaten, ihre Rechtsordnungen entsprechend aus-
zugestalten.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll dieser Rechts-
schutz entsprechend den Vorgaben der Richtlinien für alle
Rechtsbereiche geregelt werden.
Die soziale Lage bestimmter Gruppen in Deutschland
Durch die EU-Gleichbehandlungsrichtlinien werden be-
stimmte Personengruppen als besonders schutzbedürftig
definiert und in den Katalog der geschützten Merkmale auf-
genommen. Auch in Deutschland gibt es Hinweise dafür,
dass diese Bevölkerungsgruppen schlechtere Chancen ha-
ben als andere. So zeigen bestimmte Bevölkerungsgruppen
eine deutlich geringere Bildungs- und Ausbildungsbetei-
ligung, was in der Folge zu einem insgesamt schlechteren
sozialen und wirtschaftlichen Status führt. Die vorhandenen
Daten zeigen deutliche merkmalsbezogene Unterschiede in
Bezug auf die Integration in den Arbeitsmarkt, Erwerbs-
losigkeit und Beschäftigungsfelder. Insbesondere Frauen,
Menschen mit Migrationshintergrund, behinderte und ältere
Menschen sind schlechter in die Arbeitswelt eingebunden.
Viele Menschen vereinen mehrere dieser Merkmale auf sich
und erleben dadurch häufiger Ausgrenzung, wirtschaftliche
Einbußen und andere materielle und immaterielle Nachteile.
Deutlich wird dies u. a.
– im ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundes-

regierung (2001), aber auch

1) Vgl. z. B. Eurobarometer 57.0 von 2002: 29 Prozent der Deutschen
aus den neuen Bundesländern kennen ihre Rechte nicht.

2) Vgl. Pflüger, Almut/Baer, Susanne: Das Beschäftigtenschutzgesetz
in der Praxis, www.bmfsfj.de.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/4538

– im Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut
und sozialer Ausgrenzung 2003-2005 und

– im Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplan
der Bundesrepublik Deutschland 2003.

Die Randständigkeit von Deutschen mit Migrationshinter-
grund wie auch von Ausländern und Ausländerinnen ist
u. a.
– im Sechsten Familienbericht der Bundesregierung

(2000),
– in der Untersuchung des früheren Bundesministeriums

für Arbeit und Sozialordnung zur Situation der ausländi-
schen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in
der Bundesrepublik Deutschland (2002) sowie

– in den Berichten der Beauftragten der Bundesregierung
für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage
der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland

dokumentiert, wobei es im Alltag häufig eine Überschnei-
dung hinsichtlich der Merkmale ethnische Herkunft und
Religion gibt. Die veröffentlichten Daten zeigen auch, dass
das Geschlecht zusätzlich das Risiko beeinflusst, in eine so-
zial ungünstige Position zu gelangen. So ist die soziale Lage
von Frauen mit Migrationshintergrund im Schnitt prekärer
als diejenige von Männern mit Migrationshintergrund.
Seit Mitte der 90er Jahre geht auch die Ausbildungsbeteili-
gung zugewanderter Jugendlicher kontinuierlich zurück,
2000 lag ihr Anteil in den alten Bundesländern bei 7,1 Pro-
zent – bei einem Anteil an der gleichaltrigen Wohnbevölke-
rung von ca. 12 Prozent. Fast die Hälfte aller Jugendlichen
ohne deutsche Staatsangehörigkeit hat keine abgeschlossene
Ausbildung, bei den deutschen Jugendlichen sind dies nur
15 Prozent.
Untersuchungen belegen, dass Belästigungen bei ausländi-
schen Beschäftigten besonders häufig vorkommen. Bei ent-
sprechenden innerbetrieblichen Beschwerden wird regel-
mäßig von rassistischen Übergriffen und Belästigungen
berichtet.
Vorurteilsstudien zeigen, dass in Deutschland die Akzeptanz
gegenüber Migrantinnen und Migranten gering ist, insbe-
sondere gegenüber Zuwanderern aus Drittstaaten. Die Bun-
desregierung hat deshalb zahlreiche Maßnahmen gegen
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus
und Gewalt ergriffen. Diese sind in ihrem Bericht vom
8. Mai 2002 über ihre aktuellen und geplanten Maßnahmen
und Aktivitäten dargestellt.
Auch das Diskriminierungsmerkmal Alter, das sich auf je-
des Lebensalter bezieht und nicht nur auf ältere Menschen,
führt besonders häufig zu Benachteiligungen, gerade wenn
es zusammen mit anderen diskriminierungsrelevanten
Merkmalen auftritt. So ist z. B. die Armut bei älteren
Migrantinnen häufig, aber auch bei älteren Frauen mit
Behinderung.
Die Daten des Statistischen Bundesamtes in „Leben und Ar-
beiten in Deutschland“ (2003) zeigen, dass Menschen über
55 und unter 20 Jahren überdurchschnittlich häufig in atypi-
schen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Berufsanfänger
und Berufsanfängerinnen sind immer häufiger gezwungen,
zeitlich begrenzte Arbeitsverträge abzuschließen.

Der Dritte Bericht des Bundesministeriums für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend zur Lage der älteren Generation
(2001) weist aus, dass die Erwerbsbeteiligung der über
55-Jährigen drastisch zurückgeht. Frauen sind davon stärker
betroffen, bei ihnen fällt die Erwerbsbeteiligung zwischen
55 und 64 Jahren von 61,1 Prozent auf 11,3 Prozent, bei
Männern gleichen Alters von 82,1 Prozent auf 27 Prozent.
Die Situation für Menschen mit Behinderung wird u. a. im
Bericht der Bundesregierung nach § 160 SGB IX über die
Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen dar-
gestellt. Untersuchungen zeigen zudem, dass Menschen mit
Behinderung überdurchschnittlich häufig arbeitslos sind:
Die Arbeitslosenquote behinderter Frauen betrug 1999
15 Prozent, die behinderter Männer 16,7 Prozent. Die
Erwerbslosenquote der Menschen in der Altersgruppe von
55 bis 60 Jahren liegt für behinderte Menschen sogar bei
23,7 Prozent gegenüber 19 Prozent bei Nichtbehinderten.
Diskriminierungen behinderter Frauen und Männer sind
auch aus dem Dienstleistungsbereich bekannt: In Gaststät-
ten sind Menschen mit Behinderungen häufig nicht gern ge-
sehen und werden abgewiesen, weil sie sich anders verhal-
ten, artikulieren oder essen.
Empirische Untersuchungen zeigen häufige Belästigungen
und ein hohes Ausmaß sexueller Übergriffe bei Menschen
mit Behinderung. Das Bundesministerium für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend weist in seiner Broschüre „Ein-
mischen – Mitmischen“ (2003) darauf hin, dass Frauen und
Mädchen mit Behinderung ein besonderes Risiko tragen,
Opfer von sexueller Belästigung sowie Gewalt zu werden,
sie sind davon doppelt so häufig betroffen wie nicht behin-
derte Frauen.
Hinsichtlich des Diskriminierungsmerkmals sexuelle Iden-
tität ist davon auszugehen, dass viele Homosexuelle ihre
sexuelle Identität am Arbeitsplatz verheimlichen, weil sie
Diskriminierungen durch Kollegen und Kolleginnen und
Vorgesetzte befürchten. 79 Prozent der Frauen und 69 Pro-
zent der in einer Untersuchung befragten Männer haben es
im Laufe ihrer beruflichen Biographie schon einmal für not-
wendig befunden, ihre Homosexualität am Arbeitsplatz
gänzlich zu verschweigen. Nur knapp 4 Prozent konnten
immer offen mit ihrer Homosexualität umgehen.
Das meiste – auch repräsentative – Datenmaterial liegt zur
unterschiedlichen Situation von Frauen und Männern am
Arbeitsplatz vor. Aus der Fülle der Berichte und Veröffent-
lichungen insbesondere des Bundesministeriums für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend zu diesem Thema sollen
an dieser Stelle beispielhaft
– der Bericht der Bundesregierung zur Berufs- und Ein-

kommenssituation von Frauen und Männern (2002),
– die Bilanz 2003 der Vereinbarung zwischen der Bundes-

regierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirt-
schaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen
und Männern in der Privatwirtschaft,

– die Publikation „Frauen in Deutschland“ (2002)
genannt werden. Ein erster Gleichstellungsbericht der Bun-
desregierung ist in Vorbereitung.
Die Berichte und Untersuchungen der Bundesregierung zei-
gen, dass das Geschlecht bei allen sonstigen Merkmalen
verstärkend hinzukommt: Geringere Chancen auf dem Ar-

Drucksache 15/4538 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

beitsmarkt und die höchsten Risiken, benachteiligt zu wer-
den, haben Frauen mit Migrationshintergrund, Frauen mit
Behinderung und ältere Frauen. Ganz offensichtlich wirken
alle Merkmale geschlechtsspezifisch.
Aus dieser Zusammenstellung folgt: Es ist auch für
Deutschland wichtig und richtig, alle Merkmale der
EU-Gleichbehandlungsrichtlinien in ein Antidiskriminie-
rungsgesetz aufzunehmen. Auch die Hereinnahme von Be-
lästigungen und sexuellen Belästigungen in den Schutz-
bereich des Gesetzes ist sinnvoll, da, wie aufgezeigt,
bestimmte Personengruppen häufiger unter Belästigungen
und sexuellen Übergriffen leiden.
Wegen der hohen Erwartungen an das Gesetz muss aber
gleichzeitig darauf hingewiesen werden, dass die oben be-
schriebene soziale Lage nicht allein mit gesetzlichen Be-
nachteiligungsverboten verbessert werden kann, denn die
Gründe und Zusammenhänge, die zu ihr führen, sind viel-
schichtig. Die besorgniserregenden sozialen Daten beruhen
nicht zwangsläufig auf einer Vielzahl individueller Diskri-
minierungen, wie sie nach diesem Gesetz aufgegriffen wer-
den können. Sie machen aber deutlich, dass auch in
Deutschland diese Personengruppen des besonderen Schut-
zes bedürfen. Ein Antidiskriminierungsgesetz kann nur ein
Baustein einer umfassenden Integrationspolitik sein, die an
den vielfältigen Ursachen der Ausgrenzung bestimmter
Gruppen ansetzt.
II. Überblick über die Neuregelungen
Das Gesetz umfasst folgende Neuregelungen:
Artikel 1 Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung (Anti-

diskriminierungsgesetz – ADG)
Artikel 2 Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und Solda-

ten vor Diskriminierungen (Soldatinnen- und
Soldaten-Antidiskriminierungsgesetz – SADG)

Artikel 3 Änderungen in anderen Gesetzen
Artikel 4 Inkrafttreten, Außerkrafttreten.
Zu Artikel 1 (Gesetz zum Schutz vor Diskriminie-

rung – Antidiskriminierungsgesetz –
ADG)

Artikel 1 enthält das Antidiskriminierungsgesetz. Dieses ist
der Hauptbestandteil des Umsetzungsgesetzes und in sieben
Abschnitte gegliedert.
Zu Abschnitt 1 (Allgemeiner Teil)
In seinem Allgemeinen Teil enthält das Gesetz Bestimmun-
gen, die für alle betroffenen Rechtsgebiete gleichermaßen
gelten: Darunter das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen
der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Ge-
schlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behin-
derung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern
oder zu beseitigen, den sachlichen Anwendungsbereich
nach Maßgabe der im ADG enthaltenen Bestimmungen
(Arbeitsleben, Sozialschutz, soziale Vergünstigungen,
Bildung und der zivilrechtliche Bereich) sowie die Be-
griffsbestimmungen der unmittelbaren und mittelbaren Be-
nachteiligung, der Belästigung und sexuellen Belästigung.
Vervollständigt wird der Abschnitt durch Regelungen zu

unterschiedlichen Behandlung wegen mehrerer Gründe, den
so genannten Mehrfachdiskriminierungen, sowie zu Un-
gleichbehandlungen zur Verhinderung und Beseitigung
bestehender Nachteile, den so genannten positiven Maß-
nahmen.
Zu Abschnitt 2 (Schutz der Beschäftigten vor Benachteili-

gung)
Um Benachteiligungen in Beschäftigung und Beruf wirk-
samer als bisher begegnen zu können, werden durch Ab-
schnitt 2 Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten vor
Benachteiligung geschaffen, die Rechtsunsicherheiten besei-
tigen und die Grundlage für ein tolerantes und benach-
teiligungsfreies Miteinander in der Arbeitswelt schaffen.
Dabei erhebt das Gesetz nicht den Anspruch, eine faktische
Gleichstellung aller Personen oder Personengruppen zu
erreichen.Hierzu reichen gesetzlicheRegelungen allein nicht
aus. Zur wirksamen und dauerhaften Überwindung von Be-
nachteiligungen bedarf es einer nachhaltigen Änderung der
Einstellungund insbesondere desVerhaltens jedesEinzelnen.
Ein benachteiligungsfreies Arbeitsumfeld liegt im Interesse
aller Beteiligten. Ein positives Arbeitsklima und eine be-
nachteiligungsfreie Beziehung zwischen Arbeitgeber und
Beschäftigten haben direkte Auswirkungen auf Motivation
und Gesundheit der Beschäftigten. Damit steigen Arbeits-
qualität und Produktivität. Das bewusste Eintreten für eine
benachteiligungsfreie Beschäftigungswelt ist damit auch
eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft, die sich z. B. in
entsprechenden Betriebsvereinbarungen oder speziellen
Förderprogrammen ausdrückt.
Da der arbeitsrechtliche Geltungsbereich in allen drei Richt-
linien identisch ausgestaltet ist, werden auch alle in den drei
Richtlinien genannten Merkmale in einheitlichen arbeits-
rechtlichen Vorschriften zur Verhinderung von Benachtei-
ligungen zusammengefasst. So wird der arbeitsrechtliche
Zusammenhang gewahrt und die Anwendung für die Praxis
erleichtert.
Inhaltlich wird das bewährte Benachteiligungsverbot wegen
des Geschlechts aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch im We-
sentlichen übernommen und auf alle Diskriminierungs-
merkmale ausgeweitet.
Die §§ 6 bis 10 enthalten die Bestimmung des persönlichen
Anwendungsbereichs, das zentrale Benachteiligungsverbot
in Beschäftigung und Beruf und zulässige unterschiedliche
Behandlungen.
Die §§ 11 und 12 beschreiben die Pflicht zu diskriminie-
rungsfreier Arbeitsplatzausschreibung sowie die Organisa-
tionspflichten der Arbeitgeber, die die erforderlichen Maß-
nahmen im Einzelfall sowie vorbeugende Maßnahmen um-
fassen.
Die §§ 13 bis 17 enthalten die Rechte der Beschäftigten und
die Rechtsfolgen bei einem erfolgten Verstoß gegen das Be-
nachteiligungsverbot. Auf öffentlich-rechtliche Elemente,
wie z. B. Bußgelder oder eine behördliche Aufsicht, wird
dabei verzichtet.
§ 18 enthält einen gesetzlichen Appell an alle beteiligten
Parteien, an der Verwirklichung einer benachteiligungs-
freien Beschäftigungswelt mitzuwirken, sowie das Recht
des Betriebsrates und der im Betrieb vertretenen Gewerk-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/4538

schaft, in besonderen Fallkonstellationen das Arbeitsgericht
anzurufen.
§ 19 enthält ergänzende Vorschriften wie die entsprechende
Geltung des Gesetzes für die Mitgliedschaft in Organisatio-
nen der Arbeitgeber und Beschäftigten.
Der Gesetzentwurf setzt damit den arbeitsrechtlichen Gel-
tungsbereich der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und
2002/73/EG um und erfüllt das in der Koalitionsvereinba-
rung vom 16. Oktober 2002 verabredete Ziel, zur Moderni-
sierung der Arbeitswelt eine sinnvolle und anwenderfreund-
liche Lösung für die betriebliche Praxis umzusetzen.

Zu Abschnitt 3 (Schutz vor Benachteiligung im Zivil-
rechtsverkehr)

Das in § 20 geregelte zivilrechtliche Benachteiligungsver-
bot bezieht sich auf sämtliche in § 1 genannten Gründe und
geht damit über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
hinaus. Europarechtlich geboten ist ein Diskriminierungs-
schutz insoweit wegen der Rasse und der ethnischen Her-
kunft und – in Kürze – wegen des Geschlechts. Zu den
Merkmalen Religion und Weltanschauung, Alter, Behinde-
rung und sexuelle Identität bestehen keine gemeinschafts-
rechtlichen Vorgaben.
Eine Beschränkung im allgemeinen Zivilrecht allein auf Be-
nachteiligungen auf Grund der ethnischen Herkunft oder der
Rasse wäre problematisch, weil damit Benachteiligungen,
die Menschen auf Grund ihres Geschlechts, ihrer Religion
oder Weltanschauung, ihres Alters, ihrer sexuellen Identität
oder auf Grund einer Behinderung erfahren, ungeregelt blie-
ben.
Deshalb wird das Benachteiligungsverbot breiter angelegt.
Dabei ist erforderlich, dass in den wesentlichen Bereichen
des alltäglichen Rechtslebens Regelungen für alle Diskrimi-
nierungsmerkmale geschaffen werden.
Für Menschen mit Behinderung wird damit zudem der be-
reits in der 14. Wahlperiode begonnene Ausbau des Benach-
teiligungsschutzes (siehe insbesondere das Sozialgesetz-
buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen –
SGB IX und das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen
mit Behinderungen) weiterentwickelt.
Bei der Ausgestaltung eines zivilrechtlichen Benachteili-
gungsschutzes für alle nach diesem Gesetz erfassten Merk-
male war allerdings sicherzustellen, dass das für das Privat-
recht prägende Institut der Vertragsfreiheit in angemessener
Weise berücksichtigt wird. Dies ist in zweifacher Weise er-
folgt.
Zum einen beschränkt § 20 Abs. 1 das zivilrechtliche Be-
nachteiligungsverbot auf solche Geschäfte, die typischer-
weise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedin-
gungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen
(Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person
nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige
Bedeutung hat, sowie auf privatrechtliche Versicherungen.
Lediglich eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus nach
§ 20 Abs. 2 auch bei der Begründung, Durchführung und
Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse
unzulässig.

Ausgenommen bleiben ferner das Familien- und das Erb-
recht sowie Schuldverhältnisse, die einen besonders engen
Bezug zur Privatsphäre haben.
Zum anderen ist für die Merkmale Geschlecht, Lebensalter,
Behinderung, sexuelle Orientierung, Religion und Weltan-
schauung nach § 21 eine unterschiedliche Behandlung aus
sachlichen Gründen zulässig. Das ist erforderlich, weil es
eine Vielzahl wünschenswerter oder zumindest objektiv er-
forderlicher Differenzierungen nach den genannten Merk-
malen gibt, die vom Benachteiligungsverbot nicht in Frage
gestellt werden sollen.
Durch dieses Vorgehen bringt der Entwurf den Schutz vor
Benachteiligung mit der Vertragsfreiheit in ein ausgewoge-
nes Verhältnis.
Benachteiligte erhalten nach § 22 bei einem Verstoß gegen
das Benachteiligungsverbot einen Unterlassungsanspruch
und gegebenenfalls einen Anspruch auf Abschluss des ver-
weigerten Vertrages sowie – wie im Arbeitsrecht – Ansprü-
che auf Entschädigung und Schadensersatz.
Zu Abschnitt 4 (Rechtsschutz)
Die Betroffenen erhalten neben der aus § 611a Abs. 1 Satz 3
BGB bzw. § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX bereits bekann-
ten Beweiserleichterung zukünftig die Möglichkeit, sich
durch Antidiskriminierungsverbände unterstützen zu lassen.
Die Verbände können unter bestimmten Voraussetzungen
die Rechtsangelegenheiten der Benachteiligten besorgen
und in gerichtlichen Verfahren (mit Ausnahme von Straf-
verfahren) als Bevollmächtigte oder Beistände auftreten.
Benachteiligte können auch ihre Schadensersatz- bzw. Ent-
schädigungsforderungen zum Zwecke der Einziehung an
einen Antidiskriminierungsverband abtreten, so dass dieser
die abgetretene Forderung einfordern kann.
Zu Abschnitt 5 (Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche

Dienstverhältnisse)
Abschnitt 5 enthält Sonderregelungen für öffentlich-rechtli-
che Dienstverhältnisse.
Zu Abschnitt 6 (Antidiskriminierungsstelle)
Abschnitt 6 regelt die Einrichtung der Antidiskriminie-
rungsstelle des Bundes beim Bundesministerium für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie wird neben den Be-
auftragten des Deutschen Bundestages oder der Bundes-
regierung, die ebenfalls gegen Diskriminierungen bestimm-
ter Personengruppen vorgehen, errichtet.
Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst den Geltungsbereich aller
vier EU-Gleichbehandlungsrichtlinien. Dies ist erforderlich,
weil sich die Beratung auf die deutsche Rechtslage beziehen
wird, die gemäß Artikel 1 ebenfalls alle Diskriminierungs-
merkmale umfasst.
Mit der Schaffung einer neuen Antidiskriminierungsstelle
des Bundes, deren Leitung im Hinblick auf ihre Aufgaben
unabhängig und weisungsfrei ist, soll der Beseitigung und
Verhinderung von Diskriminierungen Nachdruck verliehen
und den Betroffenen eine wichtige Hilfestellung in Form
einer zentralen Anlaufstelle gegeben werden. Zugleich
werden damit die Vorgaben aus Artikel 13 der Richtlinie

Drucksache 15/4538 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2000/43/EG und aus Artikel 8a der Richtlinie 76/207/
EWG3) umgesetzt.
Zu den Kernaufgaben dieser Stelle gehört ihre Unterstüt-
zungsfunktion für von Diskriminierungen betroffene Perso-
nen. Diese erhalten durch die Antidiskriminierungsstelle des
Bundes ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Klä-
rung ihrer Situation und zu den Möglichkeiten des rechtli-
chen Vorgehens. Des Weiteren hat die Stelle Schlichtungs-
möglichkeiten, indem sie eine gütliche Beilegung von Dis-
kriminierungsfällen zwischen den Beteiligten anstreben
kann. Zur Erfüllung dieser Aufgaben kann die Stelle unter
bestimmten Voraussetzungen die Beteiligten um Stellung-
nahmen ersuchen und hat gegenüber Bundesbehörden ein
Auskunftsrecht.
Weitere Kernaufgaben der Stelle sind:
– Maßnahmen zur Prävention von Diskriminierungen,
– die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen,
– vierjährige Berichtspflichten gegenüber dem Deutschen

Bundestag und der Bundesregierung,
– Abgabe von Empfehlungen zur Beseitigung und Verhin-

derung von Diskriminierungen an den Deutschen Bun-
destag und die Bundesregierung,

– Öffentlichkeitsarbeit.
Um der bewährten und erfolgreichen Arbeit bislang schon
beratend und unterstützend tätig werdender Stelle des Bun-
des, der Länder oder Kommunen Rechnung zu tragen, ist
die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gehalten, ent-
sprechende Anliegen von Betroffenen an solche Stellen wei-
terzuleiten. Hierdurch sollen gewachsene Strukturen erhal-
ten bleiben und Parallelstrukturen vermieden werden.
Ferner soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit
Nichtregierungsorganisationen und regionalen Beratungs-
stellen kooperieren, um so eine ortsnahe Unterstützung zu
ermöglichen. Damit wird den Vorgaben aus Artikel 12 der
Richtlinie 2000/43/EG und aus Artikel 8c der Richtlinie
2000/78/EG entsprochen.
Zur Förderung des Dialogs mit gesellschaftlichen Gruppen
und Organisationen, insbesondere des sozialen Dialogs der
Tarifpartner, wird der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
ein Beirat beigeordnet. In diesen Beirat sollen Vertreterinnen
und Vertreter entsprechender Gruppen und Organisationen
berufen werden. Der Beirat soll die Antidiskriminierungs-
stelle bei der Vergabe von wissenschaftlichen Untersuchun-
gen sowie bei den Empfehlungen an den Deutschen Bundes-
tag und die Bundesregierung beraten. Die Stelle ihrerseits hat
über den Beirat die Möglichkeit, verstärkt in die Zivilgesell-
schaft hineinzuwirken.
Zu Abschnitt 7 (Schlussvorschriften)
Der siebte Abschnitt enthält Schlussbestimmungen zur Un-
abdingbarkeit, zur Geltung der allgemeinen Bestimmungen
sowie die Übergangsbestimmungen.

Zu Artikel 2 (Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskri-
minierungsgesetz – SADG)

Artikel 2 setzt für den Bereich der Soldatinnen und Soldaten
die Vorgaben folgender EU-Richtlinien um:
Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur An-
wendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unter-
schied der Rasse oder der ethnischen Herkunft,
Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000
zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Ver-
wirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und
Beruf.
Keiner Umsetzung für Soldatinnen und Soldaten mehr be-
durfte die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 23. September 2002 zur Ände-
rung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirkli-
chung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern
und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur
Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in
Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Dieser Richtlinie wird
bereits durch das Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstel-
lung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Solda-
tinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz –
SDGleiG) Rechnung getragen.
Wegen der Aufhebung des Beschäftigtenschutzgesetzes, das
auch für Soldatinnen und Soldaten galt, war es notwendig,
den Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Benachteili-
gungen auf Grund des Geschlechts in Form von Belästigung
und sexueller Belästigung im Dienstbetrieb in das Soldatin-
nen- und Soldaten-Antidiskriminierungsgesetz aufzuneh-
men.
Die Bundesregierung hat von der in Artikel 3 Abs. 4 der
Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten eingeräumten
Möglichkeit Gebrauch gemacht, „diese Richtlinie hinsicht-
lich von Diskriminierungen wegen einer Behinderung und
des Alters nicht für die Streitkräfte“ der Bundeswehr umzu-
setzen. Die Bundesregierung begründet dies mit dem über-
ragenden Erfordernis der Einsatzbereitschaft und Schlag-
kraft der Streitkräfte. Der militärische Dienst der Soldatin-
nen und Soldaten, der letztlich die äußere Sicherheit und die
Existenz des staatlichen Gemeinwesens gewährleistet, ist
nicht ohne weiteres mit sonstigen staatlichen Tätigkeiten im
öffentlichen Dienst vergleichbar. Im Rahmen der staatlichen
Daseinsvorsorge kommt der Einsatzbereitschaft und allseiti-
gen Verwendbarkeit der Soldatinnen und Soldaten ein be-
sonderer Stellenwert zu. Dieser gewichtige militärische
Grund, der staatspolitisch fundiert ist, rechtfertigt es, für die
Streitkräfte von der Auflage abzusehen, Personen einstellen
oder weiterbeschäftigen zu müssen, die hinsichtlich ihrer
körperlichen oder geistigen Fähigkeiten oder aus Alters-
gründen nicht in der Lage sind, den jeweiligen Anforderun-
gen an sämtliche, ihnen zu stellenden militärischen Aufga-
ben zu erfüllen. Angesichts der im Rahmen der Transforma-
tion der Bundeswehr vorzunehmenden Reduzierung auch
des militärischen Personals nimmt die Bundesregierung die
oben genannten Ausnahmen für die gesamten Streitkräfte in
Anspruch.
Gegenstand des Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskrimi-
nierungsgesetzes sind ausschließlich die Rechtsverhältnisse
der den Streitkräften der Bundeswehr angehörenden Solda-
tinnen und Soldaten und von Personen, die – sei es nach

3) Im Folgenden werden sämtliche Vorschriften der Richtlinie 76/207/
EWG in der seit Inkrafttreten der Richtlinie 2002/73/EG geltenden
Fassung zitiert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 25 – Drucksache 15/4538

Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes, sei es auf Grund freiwil-
liger Verpflichtung – vor der Begründung eines soldatischen
Dienstverhältnisses stehen und in diesem Zusammenhang
mit Soldatinnen oder Soldaten sowie mit militärischen
Dienststellen in Berührung kommen. Das Soldatinnen- und
Soldaten-Antidiskriminierungsgesetz betrifft daher eine An-
gelegenheit der Verteidigung und ist somit nach Artikel 73
Nr. 1 des Grundgesetzes Gegenstand der ausschließlichen
Gesetzgebung des Bundes.
Zu Artikel 3
Artikel 3 enthält Änderungen bestehender Gesetze.
Im Arbeitsgerichtsgesetz wird mit dem neuen Satz 6 des
§ 11 Abs. 1 die Kongruenz der Vorschriften über die Vertre-
tung vor den Arbeitsgerichten mit der neuen Regelung in
Artikel 1 § 24 hergestellt. Soweit den dort näher bezeichne-
ten Verbänden die Besorgung fremder Rechtsangelegenhei-
ten erlaubt ist, sind sie zur Prozessvertretung vor den Ar-
beitsgerichten zugelassen.
Die in § 61b Abs. 1 ArbGG vorgesehene Frist von drei Mo-
naten zur Erhebung einer Klage auf Entschädigung wird
beibehalten. Der Verweis auf § 611a BGB wird ersetzt
durch einen Verweis auf Artikel 1 §§ 15 und 16. Die Klage-
frist ist damit in allen Fällen einer Klage auf Entschädigung
einzuhalten.
Die bisherigen Absätze 2 und 3 des § 61b ArbGG betreffen
Verfahrensregelungen, die sich aus der Unterscheidung von
bestqualifizierten und anderen Stellenbewerbern ergeben.
Durch die Aufgabe dieser Unterscheidung in der neuen Ent-
schädigungsregelung des § 15 Antidiskriminierungsgesetz
werden auch die dazugehörigen Verfahrensvorschriften ent-
behrlich.
Mit der Aufhebung des Artikels 2 des Gesetzes über die
Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeits-
platz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebs-
übergang (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) wird
dem Umstand Rechnung getragen, dass die Vorschrift mit
der Aufhebung der entsprechenden Vorschriften im BGB
gegenstandslos geworden ist. Die Verpflichtung des Arbeit-
gebers, die gesetzlichen Vorschriften den Beschäftigten be-
kannt zu machen, wird nunmehr für alle Richtlinien einheit-
lich in Artikel 1 § 12 Abs. 4 umgesetzt.
In § 75 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes werden die
aufgestellten Grundsätze für die Behandlung der im Betrieb
tätigen Personen an die Terminologie des Artikels 1 § 1 da-
durch angepasst, dass die Insbesondere-Aufzählung der un-
zulässigen Differenzierungsmerkmale durch die Einfügung
der Benachteiligungsverbote aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft, Weltanschauung, Behinde-
rung und des Alters, die bisher in § 75 Abs. 1 BetrVG nicht
ausdrücklich genannt waren, ergänzt wird.
In vergleichbarer Weise werden die in § 67 des Bundes-
personalvertretungsgesetzes enthaltenen Grundsätze für die
Behandlung der Beschäftigten dem Antidiskriminierungs-
gesetz angepasst.
§ 8 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes wird in der
Weise neu gefasst, dass die Merkmale, welche bei der Aus-
lese von Bewerberinnen und Bewerbern nach einer Stellen-
ausschreibung nicht berücksichtigt werden dürfen, um die

Merkmale ethnische Herkunft, Behinderung, Weltanschau-
ung und sexuelle Identität erweitert werden. Dabei wird
durch die Änderung des § 8 Abs. 1 Satz 3 klargestellt, dass
gesetzliche Maßnahmen zur Förderung schwerbehinderter
Menschen von der Ergänzung des Berücksichtigungsverbots
des Satzes 2 um das Merkmal der Behinderung unberührt
bleiben.
Die in § 27 Abs. 1 des Sprecherausschussgesetzes (SprAuG)
aufgestellten Grundsätze für die Behandlung der leitenden
Angestellten des Betriebs werden an die Terminologie des
Artikels 1 § 1 angepasst.
Im Ersten Buch Sozialgesetzbuch wird in Umsetzung der
Richtlinie 2000/43/EG durch Einfügung des neuen § 33c
das Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse und we-
gen der ethnischen Herkunft im Bereich des Sozialgesetz-
buches nominiert und auch die Benachteiligung wegen einer
Behinderung einbezogen. Unter die sozialen Rechte fallen
die in den Büchern des Sozialgesetzbuches vorgesehenen
Dienst-, Sach- und Geldleistungen (§ 11 SGB I), insbeson-
dere auch die Aufklärung, Auskunft und Beratung im Sinne
des Sozialgesetzbuches (§§ 13 bis 15 SGB I). Daraus entste-
hen keine neuen sozialen Rechte; diese sind allein in den
einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches festgelegt.
Durch die Änderung von § 36 Abs. 2 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch wird die Umsetzung der Richtlinien durch
Abschnitt 2 des Artikels 1 dieses Gesetzes für die Grund-
sätze der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit
nachvollzogen, soweit das Dritte Buch Sozialgesetzbuch
nicht in Bezug auf einzelne Benachteiligungsgründe bereits
ein höheres Schutzniveau gewährleistet.
Soweit der Bereich der Berufsberatung betroffen ist, wird
durch den neuen § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch
das Benachteiligungsverbot für die betroffenen Leistungs-
träger festgeschrieben.
Mit der Änderung in § 36 Satz 3 des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch wird klargestellt, dass nun auch die
Regelungen des Antidiskriminierungsgesetzes (Artikel 1
Abschnitt 2) im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben und
über § 138 Abs. 4 SGB IX auch in Werkstätten für behin-
derte Menschen entsprechende Anwendung finden.
Das Bundesgleichstellungsgesetz wird an den Wegfall des
Beschäftigtenschutzgesetzes angepasst.
In § 3 Abs. 1 des Soldatengesetzes werden die Merkmale,
welche bei Entscheidungen über Ernennungen und Verwen-
dungen der Soldatinnen und Soldaten nicht berücksichtigt
werden dürfen, um die Merkmale sexuelle Identität, Welt-
anschauung und ethnische Herkunft erweitert.
Durch die Änderung in § 73 Abs. 6 des Sozialgerichtsgeset-
zes wird dem neu geschaffenen Vertretungsrecht von Mit-
gliedern und Beschäftigten der Antidiskriminierungsver-
bände im Sinne von Artikel 1 § 24 Abs. 1 Rechnung getra-
gen.
Durch die umfassende Neuregelung im Antidiskriminie-
rungsgesetz werden die §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs, die bisher den Schutz vor Be-
nachteiligung wegen des Geschlechts regeln, entbehrlich
und deshalb aufgehoben.

Drucksache 15/4538 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Änderung des Soldatinnen- und Soldaten-Gleichstel-
lungsgesetz trägt der Aufhebung des § 611a BGB und des
Beschäftigtenschutzgesetzes Rechnung.

Zu Artikel 4
Artikel 4 regelt das Inkrafttreten dieses Umsetzungsgesetzes
und das Außerkrafttreten des Beschäftigtenschutzgesetzes.

III. Gesetzgebungskompetenz
Die Abschnitte 1 bis 4 des Artikels 1 stützen sich mit Aus-
nahme des § 2 Abs. 2 des Artikels 1 auf die Gesetzgebungs-
kompetenz des Bundes nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 (Ar-
beitsrecht einschließlich des Arbeitsschutzes) des Grundge-
setzes und auf die nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grund-
gesetzes (bürgerliches Recht, das gerichtliche Verfahren und
die Rechtsberatung). Die Befugnis des Bundes zur Rege-
lung von § 2 Abs. 2 des Artikels 1 stützt sich auf Artikel 74
Abs. 1 Nr. 7 des Grundgesetzes (öffentliche Fürsorge).
Die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung
gemäß Artikel 72 Abs. 2 GG ist insbesondere zur Wahrung
der Rechts- und Wirtschaftseinheit gegeben. Der ange-
strebte effektive Schutz vor Diskriminierungen in Beschäf-
tigung und Beruf sowie im Zivilrecht kann nämlich nur
durch eine bundeseinheitliche Regelung erreicht werden.
Eine unterschiedliche rechtliche Behandlung derselben Le-
benssachverhalte würde Umgehungsmöglichkeiten eröffnen
und außerdem erhebliche Rechtsunsicherheiten und damit
unzumutbare Behinderungen für den länderübergreifenden
Rechtsverkehr erzeugen. Dies liegt für den Absatz von
Gütern und Dienstleistungen auf der Hand, gilt in gleicher
Weise aber für Beschäftigung und Beruf, insbesondere bei
steigender Mobilität der Bevölkerung. Die durch eine diver-
gierende Rechtslage ausgelösten Unsicherheiten würden die
Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepu-
blik Deutschland ernsthaft bedrohen.
Unbeschadet dessen erwartet der Verkehr zumindest im
Kernbereich des privaten Zivil- und Wirtschaftsrechts, dass
bundesweit dieselben Regelungen gelten.
Bezüglich der in Abschnitt 5 vorgenommenen Einbezie-
hung der Beamtinnen und Beamten des Bundes in den An-
wendungsbereich des Gesetzes macht der Bund von seiner
ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz aus Artikel 73
Nr. 8 des Grundgesetzes Gebrauch.
Die Einbeziehung der Landesbeamtinnen und -beamten in
den Anwendungsbereich des Gesetzes gründet auf der Rah-
mengesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 75
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Grundgesetzes.
Die bundesgesetzlichen Regelungen sind zur Wahrung der
Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse nach Artikel
72 Abs. 2 des Grundgesetzes erforderlich, da die Gefahr
besteht, dass eine Gesetzesvielfalt auf Länderebene oder
Untätigkeit des Landesgesetzgebers zu einer Rechtszersplit-
terung bzw. Nichtumsetzung der EU-Gleichbehandlungs-
richtlinien führt. Die Bestimmungen über den Schutz der im
öffentlichen Dienst Beschäftigten vor Diskriminierung we-
gen der in § 1 des Artikels 1 genannten Merkmale bilden
eine wesentliche Grundlage für die Funktionsfähigkeit des
öffentlichen Dienstes. Dies gilt vor allem auch wegen der
notwendigen Gewährleistung wachsender Mobilitätserfor-

dernisse zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den
Ländern.
Soweit das Gesetz für diese Beschäftigtengruppe in Einzel-
heiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen ent-
hält, sind diese im Sinne des Artikels 75 Abs. 2 des Grund-
gesetzes ausnahmsweise gerechtfertigt. Sie sind zur Umset-
zung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien unerlässlich und
der einzig mögliche Weg.
Die Bestimmungen über den Schutz der im öffentlichen
Dienst Beschäftigten vor Diskriminierung stellen bezogen
auf die vom Beamtenrechtsrahmengesetz erfasste und durch
Rahmenvorschriften geordnete Materie des öffentlichen
Dienstes der Länder sowohl quantitativ wie auch qualitativ
Ausnahmefälle dar.
Abgesehen von den festgeschriebenen einheitlichen Stan-
dards verbleiben den Ländern breite Regelungsfelder zur
selbstständigen Ausgestaltung. Die Länder können weiter-
gehende und detailliertere Regelungen schaffen, um berufli-
che Benachteiligungen der Beamtinnen und Beamten wegen
der genannten Merkmale zu vermeiden. Die Vollregelungen
des Bundes dominieren das Sachgebiet nicht, so dass in
qualitativer Hinsicht ein Ausnahmefall vorliegt (vgl. Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli
2004 – 2 BvF 2/02).
Die für die Beamtinnen und Beamten geltenden in Einzel-
heiten gehenden und unmittelbar geltenden Regelungen
stellen auch in qualitativer Hinsicht einen Ausnahmefall dar.
Die Vorschriften lassen nach ihrer inhaltlichen Bedeutung
eine weitere prägende Ausfüllung durch den Landesgesetz-
geber zu. Ohne sie könnte das Gesetz verständlicherweise
nicht erlassen werden; sie sind schlechthin unerlässlich, da
die umzusetzenden EU-Gleichbehandlungsrichtlinien nicht
nach Beschäftigtengruppen differenzieren und Arbeitneh-
mer und Beamte gleich behandeln.
Die bundeseinheitliche Geltung dieser europarechtlichen
Vorgaben für den Landesgesetzgeber ist zur Schaffung eines
allgemeinen Handlungsrahmens für die öffentliche Verwal-
tung, der im gesamten Bundesgebiet im Wesentlichen der
Gleiche sein muss, unerlässlich. Für den Arbeitnehmer-
bereich findet das Gesetz unmittelbar Anwendung. Deshalb
ist ein gleichzeitiges Inkrafttreten auch für den Beamten-
bereich notwendig. Dadurch ist sichergestellt, dass bei der
Umsetzung der EU-Vorgaben auch ein wirkungs- und zeit-
gleicher Diskriminierungsschutz für den öffentlichen Dienst
insgesamt eintritt.
Hinsichtlich des Bereichs der sexuellen Belästigung gilt für
alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Bund, Län-
dern und Gemeinden das Beschäftigtenschutzgesetz vom
24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406). Diese Schutzregelung wird
durch Artikel 4 aufgehoben. Für den Bereich der sexuellen
Belästigung hätte dies bei einem Aufgehen des bisherigen
Beschäftigtenschutzgesetzes in dem allgemeinen Antidis-
kriminierungsgesetz zur Folge, dass die Beamtinnen und
Beamten nicht mehr erfasst wären. Insoweit beinhaltet die
Neuregelung keine grundlegende Umgestaltung der bisheri-
gen Rechtslage für diesen Bereich, sondern erweitert den
gesetzlichen Diskriminierungsschutz nur um die anderen in
§ 1 des Artikels 1 aufgeführten Merkmale.
Die Befugnis des Bundes zur Errichtung der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes nach Abschnitt 6 des Entwurfs

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/4538

ergibt sich aus Artikel 87 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes.
Ihre Aufgabe besteht in der Förderung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung aller Personen insbesondere in den durch
die Abschnitte 1 bis 4 dieses Entwurfs geregelten zur kon-
kurrierenden Gesetzgebung gehörigen Bereichen. Zudem
erfolgt die Errichtung der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes auf Grund des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 7 des Grund-
gesetzes in Wahrnehmung der öffentlichen Fürsorge, die zur
Wahrung der Rechtseinheit eine bundesgesetzliche Rege-
lung erforderlich macht.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Artikel 2
(Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskriminierungsgesetz –
SADG) folgt aus Artikel 73 Nr. 1 GG.

IV. Gesetzesfolgen und Gleichstellungswirkung
Die vorgesehenen Regelungen haben – entsprechend der ge-
schlechtsspezifisch unterschiedlichen Ausgangssituation –
auch geschlechtsspezifisch unterschiedliche Wirkungen. Es
kann davon ausgegangen werden, dass Frauen in besonde-
rem Maße von Benachteiligungen betroffen sind, nicht nur
beim Diskriminierungsmerkmal Geschlecht, sondern auch
bei den übrigen Diskriminierungsmerkmalen. Es muss des-
halb sichergestellt werden, dass die angestrebten Wirkungen
des Gesetzes die Lebensbereiche von Frauen mit umfassen
und dass Frauen von den neuen gesetzlichen Schutzmög-
lichkeiten auch Gebrauch machen können.
Neben den individuellen Schutzwirkungen zugunsten der
von Diskriminierung Betroffenen wird mit dem Gesetz vor
allem eine Signalwirkung im Hinblick auf alle Diskriminie-
rungsmerkmale angestrebt. Das Gesetz ist Ausdruck des po-
litischen Willens, eine Kultur der Vielfalt und gegen Diskri-
minierung in Deutschland zu schaffen. Dazu gehört, für die
Problematik der unbeabsichtigten, aber auch der strukturel-
len Diskriminierung zu sensibilisieren.
Damit diese Signalwirkung eintritt, sind flankierende Maß-
nahmen erforderlich.
Hierbei spielen die vorgesehene Errichtung einer Antidiskri-
minierungsstelle des Bundes sowie ihres Beirates eine be-
sondere Rolle. Sie sollen öffentlichkeitswirksam aufklären
und – z. B. Betriebe – beraten.
Die zweite beabsichtigte Wirkung des Gesetzes ist, eventu-
elle Zugangsbarrieren zu überwinden. Auch hierzu sind
flankierende Maßnahmen erforderlich. Zugangsbarrieren
können liegen in:
– der Unkenntnis der neuen Rechte,
– fehlenden oder nicht geeigneten Ansprechstellen im Be-

trieb,
– fehlender Transparenz im Betrieb zum Umgang mit Be-

schwerden,
– fehlender Unterstützung im Betrieb,
– Angst vor Nachteilen am Arbeitsplatz,
– Scham, insbesondere bei sexueller Belästigung,
– Sprachschwierigkeiten u. Ä.
In besonderem Maße können sich solche Zugangsbarrieren
im Falle einer Mehrfachdiskriminierung auswirken.

Gerade bei Frauen, die doch am ehesten von Diskriminie-
rungen, insbesondere in Form der (sexuellen) Belästigung,
betroffen sind, werden häufig solche Zugangsbarrieren zur
gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen beobachtet.
Ein Grund könnte darin liegen, dass sich Frauen weniger als
Männer mit den ihnen zustehenden rechtlichen Möglichkei-
ten identifizieren, weil diese oftmals nicht ihren Strategien
der Konfliktlösung entsprechen.
Ähnliches gilt für Menschen mit Migrationshintergrund, die
einer fremden Rechtsordnung gegenüberstehen, aber auch
für Menschen mit Behinderungen, die häufig noch mit wei-
teren Zugangsbarrieren konfrontiert sind.
Auch hier sind daher flankierende Maßnahmen notwendig.
Das Gesetz sieht solche vor
– in der Unterstützung durch Verbände bei der Rechts-

durchsetzung und
– in der Unterstützung durch die Antidiskriminierungs-

stelle des Bundes.
Wichtig wird ferner sein, die Auswirkungen des Gesetzes
geschlechtsspezifisch zu evaluieren. Hierbei werden insbe-
sondere die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
vorzulegenden Berichte hilfreich sein. Sie werden u. a. be-
kannt gewordene Diskriminierungsfälle, ihre Behandlung
sowie die Erfahrungen mit der Geltendmachung der neuen
Rechte betreffen. Diese Berichte sollen – wie auch die wis-
senschaftlichen Untersuchungen der Antidiskriminierungs-
stelle – wertvolle Hinweise darüber geben, ob der mit dem
Gesetz eingeschlagene Weg erfolgreich ist und sich auch
gleichstellungspolitisch positiv auswirkt.

Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Antidiskriminierungsgesetz)
Zu Abschnitt 1 (Allgemeiner Teil)
Zu § 1 (Ziel des Gesetzes)
Das Gesetz hat die Zielsetzung, Benachteiligungen wegen
der in § 1 genannten Gründe in seinem in § 2 Abs. 1 näher
bestimmten Anwendungsbereich zu verhindern oder zu
beseitigen. Es setzt damit die Richtlinien 2000/43/EG,
2000/78/EG und 2002/73/EG um, die – in ihrem jeweiligen
spezifischen Anwendungsbereich – gegen Benachteiligun-
gen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Her-
kunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität
schützen. Einen Schutz gegen Benachteiligung wegen ande-
rer Gründe regelt dieses Gesetz nicht. Soweit sich aus ande-
ren Vorschriften oder insbesondere aus arbeitsrechtlichen
Grundsätzen weitere Benachteiligungsverbote oder Gleich-
behandlungsgebote ergeben, finden diese nach § 2 Abs. 3
neben den Vorschriften dieses Gesetzes weiterhin Anwen-
dung.
Rechtlicher Schutz vor Benachteiligung zielt nicht auf den
Schutz besonderer Gruppen, sondern auf den Schutz vor Be-
nachteiligungen, die an die in den Richtlinien genannten
Merkmale anknüpfen. Diese Merkmale werden von jedem
Menschen in der einen oder anderen Form verwirklicht,
denn alle Menschen weisen eine bestimmte ethnische Her-
kunft auf, haben ein bestimmtes Lebensalter und eine sexu-

Drucksache 15/4538 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

elle Orientierung. Nicht alle Menschen aber sind in gleicher
Weise von Benachteiligungen betroffen.
Der Gesetzentwurf spricht im Folgenden von „Benachteili-
gung“ und nicht von „Diskriminierung“, um deutlich zu ma-
chen, dass nicht jede unterschiedliche Behandlung, die mit
der Zufügung eines Nachteils verbunden ist, diskriminieren-
den Charakter hat. Unter „Diskriminierung“ nämlich wird
schon im allgemeinen Sprachgebrauch nur die rechtwidrige,
sozial verwerfliche Ungleichbehandlung verstanden. Es gibt
indessen auch Fälle der zulässigen unterschiedlichen Be-
handlung; dies zeigen die §§ 5, 8 bis 10 und 21.
Die in § 1 erwähnten Merkmale entstammen Artikel 13
EG-Vertrag, der durch den Amsterdamer Vertrag mit Wir-
kung zum 1. Mai 1999 in das primäre Gemeinschaftsrecht
eingefügt worden ist. Die Bedeutung der aufgezählten
Merkmale erschließt sich weithin ohne besondere Erläute-
rung. Ergänzend ist anzumerken:
Das Merkmal „Rasse“ bzw. „ethnische Herkunft“ ist von
der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG vorgegeben. Diese
auch in Artikel 13 EG-Vertrag erwähnten Begriffe sind
EG-rechtlich in einem umfassenden Sinne zu verstehen,
denn sie sollen einen möglichst lückenlosen Schutz vor eth-
nisch motivierter Benachteiligung gewährleisten.
Die Verwendung des Begriffs der „Rasse“ ist nicht unprob-
lematisch und bereits bei der Erarbeitung der Antirassis-
musrichtlinie 2000/43/EG intensiv diskutiert worden (zur
Auslegung des Begriffs siehe Göksu, Rassendiskriminie-
rung beim Vertragsabschluss als Persönlichkeitsverletzung,
Freiburg/CH 2003, S. 8 ff.). Die Mitgliedstaaten und die
Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben letzt-
lich hieran festgehalten, weil „Rasse“ den sprachlichen An-
knüpfungspunkt zu dem Begriff des „Rassismus“ bildet und
die hiermit verbundene Signalwirkung – nämlich die konse-
quente Bekämpfung rassistischer Tendenzen – genutzt wer-
den soll.
Zugleich entspricht die Wortwahl dem Wortlaut des Arti-
kels 13 EG-Vertrag, dessen Ausfüllung die Antirassismus-
richtlinie 2000/43/EG dient, sowie dem Wortlaut des Arti-
kels 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes. In Übereinstim-
mung mit Erwägungsgrund 6 der Antirassismusrichtlinie
2000/43/EG sind allerdings Theorien zurückzuweisen, mit
denen versucht wird, die Existenz verschiedener mensch-
licher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs
„Rasse“ in der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG bedeu-
tet keinesfalls eine Akzeptanz solcher Vorstellungen. Zur
Klarstellung wurde daher – auch in Anlehnung an den
Wortlaut des Artikels 13 des EG-Vertrags – die Formulie-
rung „aus Gründen der Rasse“ und nicht die in Artikel 3
Abs. 3 GG verwandte Wendung „wegen seiner Rasse“
gewählt. Sie soll deutlich machen, dass nicht das Gesetz
das Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“
voraussetzt, sondern dass derjenige, der sich rassistisch
verhält, eben dies annimmt.
Auch das Merkmal der „ethnischen Herkunft“ ist in einem
weiten Sinne zu verstehen. Es ist EG-rechtlich auszulegen
und umfasst auch Kriterien, wie sie das Internationale Über-
einkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskri-
minierung (CERD) vom 7. März 1966 (BGBl. 1969 II
S. 961) nennt: Benachteiligungen auf Grund der Rasse, der
Hautfarbe, der Abstammung, des nationalen Ursprungs oder

des Volkstums (im Sinne des ethnischen Ursprungs). Dies
gilt auch dann, wenn scheinbar auf die Staatsangehörigkeit
oder Religion abgestellt wird, in der Sache aber die ethni-
sche Zugehörigkeit gemeint ist.
Der Begriff der „Behinderung“ entspricht den gesetzlichen
Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozial-
gesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Men-
schen – (SGB IX) und in § 3 des Gesetzes zur Gleichstel-
lung behinderter Menschen (BGG): Nach den insoweit
übereinstimmenden Vorschriften sind Menschen behindert,
„wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger
als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zu-
stand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ Mit diesem sozialrechtlich
entwickelten Begriff werden sich die meisten Sachverhalte
der ungerechtfertigen Benachteiligung Behinderter auch im
Anwendungsbereich dieses Gesetzes erfassen lassen.
Der Begriff der „sexuellen Identität“ entspricht der bereits
zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG in § 75 Betriebs-
verfassungsgesetz erfolgten Wortwahl. Erfasst werden ho-
mosexuelle Männer und Frauen ebenso wie bisexuelle,
transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen.
Der Begriff „Alter“ meint Lebensalter, schützt also gegen
ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlungen, die an das
konkrete Lebensalter anknüpfen. Es geht also nicht aus-
schließlich um den Schutz älterer Menschen vor Benachtei-
ligung, wenngleich dies ein Schwerpunkt des Anwendungs-
bereichs sein wird.
Zu § 2 (Anwendungsbereich)
Zu Absatz 1
Absatz 1 bestimmt – in Verbindung mit den Vorschriften der
Abschnitte 2 bis 5 – den sachlichen Anwendungsbereich des
Gesetzes. Dem liegt folgende Regelungstechnik zu Grunde:
die Nummern 1 bis 4 entsprechen weithin Artikel 3 Abs. 1
Buchstabe a bis d der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG
und 76/207/EWG; zur Klarstellung wird in Nummer 2 in
Hinweis auf individual- und kollektivrechtliche Verein-
barungen hinzugefügt. Die Nummern 5 bis 8 entsprechen
wortgleich Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe e bis h der Anti-
rassismusrichtlinie 2000/43/EG. Eine gesonderte Wieder-
gabe von Artikel 2 Buchstabe a der Gleichbehandlungs-
richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt
[noch nicht erlassen, Vorschlag vom 5. November 2003 –
KOM(2003) 657 endgültig – Fassung vom 6. Oktober
2004] war entbehrlich, weil dieser von Nummer 8 erfasst
wird.
Nummer 1 nennt den Zugang zu unselbstständiger und
selbstständiger Erwerbstätigkeit unabhängig von Tätigkeits-
feld und beruflicher Position, sowie den beruflichen Auf-
stieg und betont, wegen der besonderen Bedeutung, Aus-
wahlkriterien und Einstellungsbedingungen.
Nach Nummer 2 unterfallen dem Gesetz alle Beschäf-
tigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeits-
entgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere Verein-
barungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Be-
endigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie für den
beruflichen Aufstieg. Mit erfasst werden damit auch die
nachwirkenden Folgen eines beendeten Beschäftigungsver-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/4538

hältnisses. Die Aufzählung im zweiten Halbsatz dient der
Konkretisierung, sie ist nicht abschließend und umfasst
z. B. auch Weisungen oder sonstige Anordnungen wie Ver-
setzung oder Umsetzung durch den Arbeitgeber.
Der Begriff der Vereinbarung ist weit zu verstehen. Er er-
fasst z. B. vertragliche Regelungen zwischen Arbeitgeber
und Beschäftigten ebenso wie Vereinbarungen mit Arbeit-
nehmervertretungen sowie Tarifverträge und vergleichbare
kollektive Regelungen.
Nummer 3 betrifft den Zugang zu allen Formen und allen
Ebenen der Berufsberatung, Berufsbildung einschließlich
Umschulung etc.
Nummer 4 betrifft die Mitgliedschaft und Mitwirkung in be-
rufsbezogenen Vereinigungen auf Beschäftigten- und Ar-
beitgeberseite. Die Richtlinien wollen umfassend der Be-
nachteiligung in Beschäftigung und Beruf entgegenwirken.
Um dieses Ziel zu erreichen, kommt der Möglichkeit der
ungehinderten Mitwirkung in entsprechenden Berufsver-
bänden und ähnlichen Vereinigungen erhebliche Bedeutung
zu.
Im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 werden
meist die Bestimmungen des Abschnitts 2 Anwendung fin-
den, weil es in der Regel um Benachteiligungen Beschäftig-
ter im Sinne des § 6 gehen wird. Es sind aber auch Sachver-
halte denkbar, die nicht unter den persönlichen Anwen-
dungsbereich des § 6 fallen, aber eine diesen Sachverhalten
vergleichbare Interessenlage aufweisen. § 20 Abs. 3 Satz 2
ordnet für diese zivilrechtlichen Sachverhalte deshalb die
entsprechende Anwendung der Bestimmungen des Ab-
schnitts 2 an (siehe auch die Begründung zu § 20 Abs. 3).
Die Nummern 5 bis 7 beruhen auf der Umsetzung der Anti-
rassismusrichtlinie 2000/43/EG, die – anders als die Rah-
menrichtlinie 2000/78/EG und die geänderte Gender-Richt-
linie 76/207/EWG – nicht nur für Beschäftigung und Beruf
gilt, sondern auch für den Sozialschutz, die sozialen Ver-
günstigungen, die Bildung sowie den Zugang zu und die
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der
Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von
Wohnraum. Die meisten dieser Sachverhalte werden öffent-
lich-rechtlichen Regelungen unterliegen, denn beim Sozial-
schutz sowie den sozialen Vergünstigungen und auch bei der
Bildung wird es sich überwiegend um staatliche Leistungen
handeln. Es ist aber auch denkbar, dass einschlägige Leis-
tungen auf privatrechtlicher Grundlage erbracht werden,
etwa im Rahmen eines privaten Arztvertrages oder Bil-
dungsleistungen privater Anbieter. Einschlägig ist dann das
zivilrechtliche Benachteiligungsverbot aus Gründen der
Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft nach § 20 Abs. 2.
Auch im Anwendungsbereich von Nummer 8 sind öffent-
lich-rechtliche Sachverhalte denkbar. Meist wird es hierbei
aber um privatrechtlich zu beurteilende Schuldverhältnisse
gehen, denn der Zugang zu und die Versorgung mit Gütern
und Dienstleistungen erfolgt in marktwirtschaftlich organi-
sierten Gesellschaften überwiegend auf der Grundlage von
privatrechtlichen Verträgen. Die Formulierung entspricht
dem Sprachgebrauch des EG-Vertrags und den dort garan-
tierten Freiheiten, insbesondere dem freien Waren- und
Dienstleistungsverkehr (Artikel 23 ff., 49 ff. EG-Vertrag)
Mit Dienstleistungen sind also nicht nur Dienst- und Werk-
verträge (§§ 611, 631 BGB) gemeint. Erfasst sind damit

auch Geschäftsbesorgungsverträge, Mietverträge und Fi-
nanzdienstleistungen, also auch Kredit- und Versicherungs-
verträge, Leasingverträge etc.
Eingeschränkt wird der Anwendungsbereich (wie in Ar-
tikel 3 Abs. 1 Buchstabe h der Antirassismusrichtlinie
2000/43/EG) durch das Erfordernis, dass die Güter und
Dienstleistungen sowie Wohnraum „der Öffentlichkeit zur
Verfügung stehen“ müssen. Die Formulierung des Gesetzes
(„die öffentlich zum Vertragsschluss angeboten werden“)
passt diese Vorgabe dem deutschen Privatrecht an: Die
Norm erfasst den praktisch häufigen Fall, in dem das öffent-
liche Angebot eine Aufforderung des Schuldners an mögli-
che Interessenten enthält, ihrerseits einen bindenden Antrag
abzugeben (invitatio ad offerendum). Denkbar ist aber auch,
dass der Anbietende sich selbst bereits nach § 145 BGB
bindet und dieser öffentlich erklärte Antrag nur noch der
Annahme bedarf.
Praktisch geschieht das Angebot zum Vertragsschluss durch
Anzeigen in Tageszeitungen, Schaufensterauslagen, Veröf-
fentlichungen im Internet oder auf vergleichbare Weise. Es
kommt nicht darauf an, wie groß die angesprochene Öffent-
lichkeit ist, sondern nur darauf, dass die Erklärung über die
Privatsphäre des Anbietenden hinaus gelangt.
Zu Absatz 2
Die Regelung trägt den Anforderungen der Richtlinien
2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG im Bereich des
Sozialschutzes Rechnung; hierfür gelten, soweit es um Leis-
tungen nach dem Sozialgesetzbuch geht, ausschließlich die
Regelungen in § 33c SGB I und § 19a SGB IV.
Zu Absatz 3
Absatz 3 stellt klar, dass dieses Gesetz lediglich der Umset-
zung der drei Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und
2002/73/EG dient und keine vollständige und abschließende
Regelung des Schutzes vor Benachteiligung darstellt. Be-
nachteiligungsverbote oder Gleichbehandlungsgebote, die
auf anderen Rechtsvorschriften beruhen, bleiben unberührt
(z. B. § 4 TzBfG). Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche
Schutzvorschriften bestimmter Personengruppen, wie z. B.
die Mutterschutzvorschriften.
Zu § 3 (Begriffsbestimmungen)
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Abs. 2 bis 4 der Richtlinien
2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG um. Die Be-
griffsbestimmungen sind weitgehend wörtlich aus den
Richtlinien übernommen. Nur vereinzelt sind zur Klarstel-
lung Ergänzungen erfolgt.
Zu Absatz 1
Absatz 1 Satz 1 definiert die unmittelbare Benachteiligung.
Sie liegt vor, wenn eine Person eine weniger günstige Be-
handlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleich-
baren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Dies bezieht sich gleichermaßen auf alle in § 1 genannten
Gründe einer unterschiedlichen Behandlung. Eine Benach-
teiligung kann auch in einem Unterlassen liegen. Der Nach-
teil besteht in einer Zurücksetzung. Die Zurücksetzung
muss wegen eines der in § 1 erwähnten Merkmale erfolgt
sein. Die benachteiligende Maßnahme muss also durch

Drucksache 15/4538 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

eines (oder mehrere) dieser Merkmale motiviert sein bzw.
der Benachteiligende muss bei seiner Handlung hieran an-
knüpfen.
Die unmittelbare Benachteiligung muss entweder noch an-
dauern bzw. bereits abgeschlossen sein; oder aber es muss
eine hinreichend konkrete Gefahr bestehen, dass eine solche
Benachteiligung eintritt („erfährt, erfahren hat oder erfahren
würde“). Eine nur abstrakte Gefahr löst noch keine Ansprü-
che aus. Es bedarf einer Wiederholungsgefahr – bei bereits
erfolgter Benachteiligung – oder einer ernsthaften Erstbege-
hungsgefahr (siehe Palandt-Bassenge, BGB-Kommentar,
63. Auflage 2004, § 1004 Rn. 32).
Satz 2 berücksichtigt die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes (EuGH Rs. C-177/88 vom 8. November
1990 – Dekker) und stellt für den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4
geregelten Anwendungsbereich (Beschäftigung und Beruf)
klar, dass eine unmittelbare Benachteiligung auch vorliegt,
wenn die Unterscheidung wegen eines Merkmals erfolgt,
das mit einem in § 1 genannten Grund in untrennbarem
Zusammenhang steht. Der Europäische Gerichtshof hat in
der Rechtssache Dekker klargestellt, dass dies für die Situa-
tion von Schwangerschaft und Mutterschaft einer Frau gilt.
Damit setzt die Vorschrift Artikel 2 Abs. 7 der Richtlinie
76/207/EWG um.
Zu Absatz 2
Absatz 2 definiert die mittelbare Benachteiligung. Sie liegt
vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Maß-
nahmen, Kriterien oder Verfahren Personen oder Personen-
gruppen, bei denen eines der in § 1 genannten Merkmale
vorliegt, in besonderer Weise gegenüber anderen Personen
oder Personengruppen benachteiligen, bei denen die in § 1
genannten Merkmale nicht vorliegen (Bildung von Ver-
gleichsgruppen). Dieser sehr weite Anwendungsbereich be-
darf einer Einschränkung, für die der Anspruchsteller darle-
gungs- und beweispflichtig ist: Eine mittelbare Benachteili-
gung liegt nicht vor, wenn ein sachlicher Grund die Un-
gleichbehandlung rechtfertigt und die eingesetzten Mittel
erforderlich und angemessen sind.
Bereits bei der Feststellung, ob tatbestandlich eine mittel-
bare Benachteiligung vorliegt, ist das Vorliegen sachlich
rechtfertigender Gründe zu prüfen. Auf die weiteren spezi-
ellen Rechtfertigungsgründe, die das Gesetz in den §§ 5, 8
bis 10 sowie § 21 vorsieht, kommt es dann regelmäßig nicht
mehr an. Wie bei der unmittelbaren Benachteiligung genügt
eine abstrakte Gefährdungslage nicht: Der Benachteiligte
muss von der mittelbaren Benachteiligung konkret betroffen
sein bzw. es muss eine hinreichend konkrete Gefahr beste-
hen, dass ihm im Vergleich zu Angehörigen anderer Perso-
nengruppen ein besonderer Nachteil droht.
Zu Absatz 3
Die Vorschrift definiert den Begriff der Belästigung, die
eine Benachteiligung darstellt. Wesentlich ist die Verletzung
der Würde der Person durch unerwünschte Verhaltenswei-
sen; insbesondere durch das Schaffen eines von Einschüch-
terungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen
und Beleidigungen gekennzeichneten Umfeldes. Die uner-
wünschte Verhaltensweise muss geeignet sein, die Würde
der betreffenden Person zu verletzen. Damit scheiden ge-

ringfügige Eingriffe aus. Das Verhalten muss aber anderer-
seits auch nicht die Qualität einer Verletzung der Menschen-
würde im Sinne des Artikels 1 GG erreichen. Ist eine Verlet-
zung der Würde vom Handelnden bezweckt, kommt es nicht
darauf an, ob diese Verletzung tatsächlich eintritt. Eine Be-
lästigung ist aber auch dann gegeben, wenn ein Verhalten
die Würde des Betroffenen verletzt, ohne dass dies vorsätz-
lich geschieht. Auch bei einmalig bleibenden Handlungen
bleibt der Betroffene nicht schutzlos.
Die Unerwünschtheit der Verhaltensweise muss nicht be-
reits vorher ausdrücklich gegenüber den Belästigenden zum
Ausdruck gebracht worden sein. Vielmehr ist es ausrei-
chend, dass die Handelnden aus der Sicht eines objektiven
Beobachters davon ausgehen können, dass ihr Verhalten un-
ter den gegebenen Umständen von den Betroffenen nicht er-
wünscht ist oder auch nicht akzeptiert wird. Belästigendes
Verhalten kann sowohl verbaler als auch nonverbaler Art
sein. Hierunter können z. B. Verleumdungen, Beleidigungen
und abwertende Äußerungen, Anfeindungen, Drohungen
und körperliche Übergriffe fallen, die im Zusammenhang
mit einem der in § 1 genannten Gründe stehen.
Im Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachtei-
ligungsverbots (§§ 20 ff.) wird es eines Rückgriffs auf Ab-
satz 3 selten bedürfen: Wer im Rahmen eines Vertrags eine
Person wegen der in § 1 genannten Merkmale belästigt,
lässt die nach § 241 Abs. 2 BGB gebotene Rücksichtnahme
auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen
Partei außer Acht und verletzt damit seine vertraglichen
Pflichten. Dies gilt nach § 311 Abs. 2 BGB auch bereits in
der vorvertraglichen Phase, also bei der Aufnahme von
Vertragsverhandlungen, der Anbahnung eines Vertrags oder
bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten.
Daneben können Handlungen, die das Persönlichkeitsrecht,
die Gesundheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verlet-
zen, Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche aus-
lösen (siehe auch § 15 Abs. 4 Satz 3 und § 22 Abs. 4). In
Betracht kommen insbesondere § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2
BGB. Auch können entsprechende Handlungen strafrecht-
liche Konsequenzen nach sich ziehen.

Zu Absatz 4
Die Definition der eine Benachteiligung darstellenden sexu-
ellen Belästigung baut auf der Struktur der Belästigungsde-
finition in Absatz 3 auf. Gegenüber der Formulierung in § 2
Abs. 2 Beschäftigtenschutzgesetzes ist an die Stelle der Be-
schreibung als eines „vorsätzlichen“ und „erkennbar abge-
lehnten“ Verhaltens entsprechend der Änderung in Artikel 2
Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG die Formulierung „uner-
wünscht“ getreten. Das unerwünschte Verhalten muss zu-
sätzlich sexuell bestimmt sein. Die beispielhafte Aufzäh-
lung möglicher sexuell bestimmter Verhaltensweisen erfasst
typische Fälle und entspricht weitgehend den in § 2
Abs. 2 Satz 2 des Beschäftigtenschutzgesetzes aufgezählten
unerwünschten Verhaltensweisen wie sexuelle Handlungen
und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmten körper-
lichen Berührungen. Darüber hinaus zählen wie bisher erst
recht sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach
strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind, zu
den erfassten Verhaltensweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/4538

Zu Absatz 5
Die Regelung dient der Umsetzung von Artikel 2 Abs. 4 der
Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG,
nach der auch eine Anweisung zu einer Benachteiligung
eine Benachteiligung darstellt. Die Weisung muss vorsätz-
lich erfolgen. Es ist hingegen nicht erforderlich, dass der
Anweisende sich der Verbotswidrigkeit der Handlung
bewusst ist, denn das gesetzliche Benachteiligungsverbot
erfasst alle Benachteiligungen, ohne dass ein Verschulden
erforderlich ist. Für das Vorliegen einer Anweisung kommt
es nicht darauf an, ob die angewiesene Person die Benach-
teiligung tatsächlich ausführt. Im Bereich des allgemeinen
Zivilrechts sind die in Absatz 5 geregelten Sachverhalte
regelmäßig über die zivilrechtlichen Zurechnungsnormen
zu erfassen (§§ 31, 278, 831 BGB).

Zu § 4 (Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer
Gründe)

Die Vorschrift stellt klar, dass jede Ungleichbehandlung für
sich auf ihre Rechtfertigung hin zu prüfen ist. Ist eine un-
terschiedliche Behandlung möglicherweise im Hinblick auf
einen der in § 1 genannten Gründe gerechtfertigt, liegt
darin nicht zugleich die Rechtfertigung einer Benachtei-
ligung wegen eines anderen in § 1 genannten – ebenfalls
vorliegenden – Grundes. Die Regelung berücksichtigt den
Umstand, dass bestimmte Personengruppen typischerweise
der Gefahr der Benachteiligung aus mehreren nach § 1
unzulässigen Gründen ausgesetzt sind.

Zu § 5 (Positive Maßnahmen)
Mit der Regelung werden Artikel 5 der Richtlinie 2000/43/
EG, Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG und Arti-
kel 2 Abs. 8 der Richtlinie 76/207/EWG über positive
Maßnahmen umgesetzt.
Die Vorschrift erklärt eine Ungleichbehandlung über die in
den §§ 8 bis 10 sowie § 21 genannten Fällen hinaus für zu-
lässig, wenn dadurch bestehende Nachteile tatsächlicher
oder struktureller Art wegen eines in § 1 genannten Grundes
verhindert oder ausgeglichen werden sollen. Zulässig sind
gezielte Maßnahmen zur Förderung bisher benachteiligter
Gruppen nicht nur durch den Gesetzgeber (wie etwa im Ge-
setz zur Gleichstellung behinderter Menschen und im Ge-
setz zur Gleichstellung von Frauen und Männern), sondern
auch durch Arbeitgeber, Tarifvertrags- und Betriebspartner
sowie seitens der Parteien eines privatrechtlichen Vertrags.
Die Vorschrift lässt Maßnahmen zur Behebung bestehender
Nachteile ebenso zu wie präventive Maßnahmen zur Ver-
meidung künftiger Nachteile. Die Maßnahmen müssen nach
objektivem Maßstab geeignet und angemessen sein und be-
dürfen im konkreten Fall der Abwägung mit Rechtspositio-
nen der von ihnen negativ Betroffenen. Das schließt nach
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes einen
absoluten Vorrang der zu fördernden Gruppe aus (EuGH
Rs. C-450/93 vom 17. Oktober 1995 – Kalanke).
Im Übrigen werden aus sonstigen Gründen erlaubte Bevor-
zugungen durch die Vorschrift nicht berührt. Die Richtlinie
2000/73/EG nennt als Beispiel etwa die Gewährung eines
Vaterschaftsurlaubs.

Zu Abschnitt 2 (Schutz der Beschäftigten vor Benachteili-
gung)

Zu Unterabschnitt 1 (Verbot der Benachteiligung)
Zu § 6 (Persönlicher Anwendungsbereich)
Zu Absatz 1
Absatz 1 regelt den persönlichen Geltungsbereich des Ge-
setzes in Bezug auf den Schutz vor Benachteiligungen in
Beschäftigungsverhältnissen. Der erfasste Personenkreis
wird in Satz 1 im Einzelnen aufgezählt und mit dem Begriff
des Beschäftigten überschrieben. Erfasst werden alle Be-
schäftigten in der Privatwirtschaft und im öffentlichen
Dienst. Für Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und
Richter gelten die Sonderregelungen des § 25.
Für freie Dienstverhältnisse sowie sonstige Beschäftigungs-
verhältnisse gelten gesonderte Regelungen.
Für Menschen, denen auf Grund des SGB IX eine arbeit-
nehmerähnliche Stellung zukommt, insbesondere die in
Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten und
Rehabilitanden, finden sind die Regelungen dieses Gesetzes
entsprechende Anwendung.
Satz 2 stellt ausdrücklich klar, dass der Geltungsbereich des
Gesetzes auch Bewerber und Bewerberinnen um ein Be-
schäftigungsverhältnis und solche Personen umfasst, deren
Beschäftigungsverhältnis bereits beendet ist, bei denen aber
noch nachwirkende Folgen wie z. B. bei der betrieblichen
Altersvorsorge eintreten können.
Zu Absatz 2
Als Arbeitgeber werden in diesem Gesetz die natürlichen
oder juristischen Personen bezeichnet, die Personen nach
Absatz 1 beschäftigen. Absatz 2 Satz 2 berücksichtigt die
Situation von Beschäftigten, die zur Arbeitsleistung an
einen anderen Arbeitgeber überlassen werden, indem der
entleihende Arbeitgeber neben dem die Beschäftigten über-
lassenden Arbeitgeber auch als Arbeitgeber im Sinne dieses
Gesetzes gilt. Satz 3 betrifft die Besonderheiten des Heim-
arbeitsverhältnisses.
Zu § 7 (Benachteiligungsverbot)
Die Regelung enthält das zentrale Verbot der Benachteili-
gung in Beschäftigung und Beruf.
Zu Absatz 1
Die Vorschrift spricht ein generelles Verbot der Benachteili-
gung von Beschäftigten wegen eines in § 1 genannten Grun-
des aus. Das Benachteiligungsverbot richtet sich neben dem
Arbeitgeber auch gegen Arbeitskollegen und Dritte, wie
z. B. Kunden des Arbeitgebers. Es erfasst die in § 1 genann-
ten Gründe. Dabei ist zu beachten, dass sich die Zielsetzung
benachteiligenden Verhaltens nicht immer eindeutig aus
dem Verhalten – insbesondere Äußerungen – ergibt. Wer
z. B. Menschen auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit be-
nachteiligen möchte, unterscheidet häufig in Wirklichkeit
nach deren ethnischer Herkunft. Das Abstellen auf die
Staatsangehörigkeit ist oft nur Vorwand, tatsächlich will der
Täter oder die Täterin auf die ethnische Herkunft abstellen.
Absatz 1 zweiter Halbsatz bestimmt, dass das Benachteili-
gungsverbot auch dann gilt, wenn die benachteiligende Per-

Drucksache 15/4538 – 32 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

son das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes nur an-
nimmt; ob der Grund tatsächlich in der Person des oder der
Beschäftigten vorliegt, ist nicht entscheidend. Er berücksich-
tigt damit den Umstand, dass Menschen oft bestimmte
Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben wer-
den, z. B. allein auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbildes.
Zu Absatz 2
Absatz 2 setzt Artikel 14 der Richtlinie 2000/43/EG, Arti-
kel 16 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 3 Abs. 2 der
Richtlinie 76/207/EWG um, wonach ein Verstoß gegen das
Benachteiligungsverbot die Nichtigkeit der entsprechenden
Klausel in Individual- oder Kollektivverträgen zur Folge
hat. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage. Die Vor-
schrift hat deklaratorischen Charakter und soll die primäre
Sanktionierung derartiger Rechtsverstöße deutlich machen.
Sonstige Unwirksamkeits- oder Nichtigkeitsgründe werden
durch die Vorschrift nicht berührt.
Zu Absatz 3
Absatz 3 verdeutlicht, dass eine Benachteiligung bei Be-
gründung, Durchführung und nach Beendigung eines Be-
schäftigungsverhältnisses eine Verletzung vertraglicher
Pflichten darstellt. Dies gilt gleichermaßen für benachteili-
gende Handlungen des Arbeitgebers wie auch eines Be-
schäftigten. Da nach § 33 dieses Gesetzes die Vorschriften
des allgemeinen Schuldrechts des BGB gelten, sind damit
die Regelungen des vertraglichen Leistungsstörungsrechts
anwendbar. Daran knüpft auch § 12 Abs. 3 an, der mögliche
Maßnahmen des Arbeitgebers beschreibt.
Zu § 8 (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen be-

ruflicher Anforderungen)
Zu Absatz 1
Die Regelung setzt Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinien
2000/43/EG und 2000/78/EG und Artikel 2 Abs. 6 der
Richtlinie 76/207/EWG um. Sie stellt klar, unter welchen
allgemeinen Voraussetzungen berufliche Anforderungen
eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können.
Der Hauptanwendungsbereich wird bei Fällen der unmittel-
baren Benachteiligung liegen. Bei der mittelbaren Benach-
teiligung zählt die Rechtfertigung durch einen sachlichen
Grund bereits zu den tatbestandlichen Voraussetzungen; bei
einer Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt eine
Rechtfertigung regelmäßig nicht in Betracht.
Nummer 1 regelt die berufliche Anforderung wegen des Ge-
schlechts. Nummer 2 enthält die berufliche Anforderung be-
züglich aller übrigen in § 1 genannten Gründe. Diese Unter-
scheidung wurde notwendig, weil bei der Umsetzung der
Richtlinien bereits bestehende Vorschriften nicht ver-
schlechtert werden dürfen. Nummer 1 entspricht der bisher
in § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltenen Regelung. Danach
ist eine geschlechtsbezogene Benachteiligung nur zulässig,
wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tä-
tigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine unver-
zichtbare Voraussetzung ist. Dies ist z. B. bei einem Manne-
quin der Fall.
Entsprechend den Vorgaben der Richtlinien 2000/43/EG
und 2000/78/EG stellt Nummer 2 für die Zulässigkeit einer

unterschiedlichen Behandlung wegen eines anderen in § 1
genannten Grundes auf die wesentliche und entscheidende
berufliche Anforderung ab. Eine Ungleichbehandlung kann
also nicht durch Erwägungen der bloßen Zweckmäßigkeit
zulässig werden. Vielmehr muss die an den Beschäftigten
gestellte Anforderung erforderlich sein und dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit zwischen beruflichem Zweck und
Schutz vor Benachteiligung standhalten. Eine zulässige un-
terschiedliche Behandlung kann beispielsweise vorliegen,
wenn bei Organisationen der in Deutschland anerkannten
nationalen Minderheiten und der anerkannten Regional-
oder Minderheitensprachen Personen bevorzugt eingestellt
werden, die der jeweiligen Gruppe angehören.
Zu Absatz 2
Absatz 2 greift den Grundsatz der Entgeltgleichheit bezüg-
lich des Geschlechts in § 612 Abs. 3 BGB auf. Dieser
Grundsatz wird nunmehr durch § 7 über das Merkmal Ge-
schlecht hinaus auch auf alle in § 1 genannten Merkmale er-
streckt und stellt künftig in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 2
und § 8 Abs. 2 die neue Grundlage für Ansprüche auf glei-
ches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit dar.
Zu Absatz 3
Absatz 3 greift den Gedanken des § 3 Abs. 1 Satz 2 auf und
bezieht in die Regelungen der Absätze 1 und 2 folgerichtig
auch die Fälle einer unterschiedlichen Behandlung ein, die
wegen eines Merkmals erfolgt, das mit einem unzulässigen
Unterscheidungsgrund nach § 1 in untrennbarem Zusam-
menhang steht.
Zu § 9 (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der

Religion oder Weltanschauung)
Die Vorschrift setzt Artikel 4 der Richtlinie 2000/78/EG um.
Zu Absatz 1
Grundsätzlich darf wegen der Religionszugehörigkeit nach
den §§ 1 und 7 Abs. 1 keine unterschiedliche Behandlung
der Beschäftigten erfolgen. Die Richtlinie 2000/78/EG er-
möglicht es aber den Mitgliedstaaten, bereits geltende
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten beizubehalten, wo-
nach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder
Weltanschauung keine Benachteiligung darstellt, wenn die
Religion oder Weltanschauung einer Person nach der Art
der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung angesichts
des Ethos der Organisation eine wesentliche und gerechtfer-
tigte berufliche Anforderung darstellt. Von dieser Möglich-
keit wird mit dieser Vorschrift Gebrauch gemacht. Nach
deutschem Verfassungsrecht (Artikel 140 GG in Verbindung
mit Artikel 136 ff. Weimarer Reichsverfassung) steht den
Kirchen und sonstigen Religionsgesellschaften und Welt-
anschauungsgemeinschaften nicht nur hinsichtlich ihrer
körperschaftlichen Organisation und ihrer Ämter, sondern
auch den der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Ein-
richtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform das Recht
zu, über Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten
selbstständig zu entscheiden. Nach geltender Rechtspre-
chung steht der Kirche die Regelungs- und Verwaltungs-
befugnis nach Artikel 137 Abs. 3 WRV nicht nur hinsicht-
lich ihrer körperschaftlichen Organisation und ihrer Ämter
zu, sondern auch hinsichtlich ihrer „Vereinigungen, die sich

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33 – Drucksache 15/4538

nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des reli-
giösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum
Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür ist aber, dass der
Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines sol-
chen Zieles gerichtet ist. Das gilt ohne weiteres für organi-
satorisch oder institutionell mit Kirchen verbundene Verei-
nigungen wie kirchliche Orden, deren Daseinszweck eine
Intensivierung der gesamtkirchlichen Aufgaben enthält. Es
gilt aber auch für andere selbständige oder unselbständige
Vereinigungen, wenn und soweit ihr Zweck die Pflege oder
Förderung eines religiösen Bekenntnisses oder die Verkün-
dung des Glaubens ihrer Mitglieder ist. Maßstab für das
Vorliegen dieser Voraussetzungen kann das Ausmaß der in-
stitutionellen Verbindung mit einer Religionsgemeinschaft
oder die Art der mit der Vereinigung verfolgten Ziele sein“
(BVerfGE 24, 236 (246 f.) sowie BVerfGE 46,73 (85 ff.)
und BVerfGE 70, 138 bis 173). Dieses Recht umfasst
grundsätzlich auch die Berechtigung, die Religion oder
Weltanschauung als berufliche Anforderung für die bei
ihnen Beschäftigten zu bestimmen. Der Gesetzestext stellt
aber in Übereinstimmung mit der Richtlinie klar, dass es
sich um eine in Bezug auf die Tätigkeit gerechtfertigte An-
forderung handeln muss.
Zu Absatz 2
Die Regelung ergänzt Absatz 1 hinsichtlich der Frage, wel-
che Verhaltensanforderungen eine Religions- oder Weltan-
schauungsgemeinschaft an ihre Mitarbeiter stellen darf. Da-
nach können die Organisationen ein loyales und aufrichtiges
Verhalten von den für sie arbeitenden Personen verlangen.
Es obliegt den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaf-
ten selbst, dementsprechend verbindliche innere Regelun-
gen zu schaffen. Die Frage, welche arbeitsrechtlichen Fol-
gen ein Verstoß gegen derartige Verhaltenspflichten haben
kann, beurteilen unter Berücksichtigung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit die Arbeitsgerichte.
Im Übrigen gelten für berufliche Anforderungen auch bei
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften die allge-
meinen Regeln des § 8. Zu beachten ist in diesem Zusam-
menhang auch die Regelung über mehrfache Benachteili-
gungen in § 4.
Zu § 10 (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des

Alters)
Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen eine
unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig ist.
Im Hinblick auf die ungünstige Situation älterer Beschäftig-
ter auf dem Arbeitsmarkt und die sich abzeichnende demo-
grafische Entwicklung kommt dem Schutz Älterer im Be-
schäftigungsverhältnis besondere Bedeutung zu. So soll
etwa bei gleicher Qualifikation nicht automatisch jüngeren
der Vorzug vor älteren Bewerbern gegeben werden.
Das Merkmal Alter zeichnet sich gegenüber allen anderen
in § 1 genannten Gründen durch eine besondere Struktur
aus. Alle Beschäftigten können während ihres Berufslebens
einmal ein „kritisches“ Alter durchlaufen. Dies kann z. B.
sowohl der Zugang zum Beruf nach der Ausbildung für
20-jährige als auch die Verdrängung aus dem Arbeitsmarkt
für 55-jährige Beschäftigte sein. In einem Berufszweig kann
die höhere „Belastbarkeit“ jüngerer Beschäftigter im Vor-

dergrund stehen, in anderen Berufszweigen die höhere
Lebens- und Berufserfahrung. Hier bestehen so komplexe
Zusammenhänge, dass eine allgemein gültige Lösung durch
den Gesetzgeber nicht möglich ist. Die Vorschrift be-
schränkt sich daher auf die Umsetzung der in den Richt-
linien vorgegebenen allgemeinen Grundsätze und bleibt
damit flexibel handhabbar.
Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des
Alters über die allgemeine Regelung in § 8 hinaus auch zu-
lässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein le-
gitimes Ziel gerechtfertigt ist; das angewandte Mittel muss
angemessen und erforderlich sein. Diese Generalklausel gilt
sowohl für einzelvertragliche als auch kollektivvertragliche
Regelungen. Die Legitimität eines Zieles ist unter Berück-
sichtigung der fachlich-beruflichen Zusammenhänge aus
Sicht des Arbeitgebers oder der Tarifvertragsparteien zu be-
urteilen. Dies können auch Ziele sein, die über die Situation
eines einzelnen Unternehmens oder einer Branche hinaus-
gehen und von allgemeinem Interesse sind, wie etwa Be-
schäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung.

Zu Nummer 1
Als legitimes Ziel bezeichnet Nummer 1 die Förderung der
beruflichen Eingliederung sowie den Schutz von jugendli-
chen und älteren Beschäftigten und von Personen mit Für-
sorgepflichten. Diese Ziele erlauben die Festlegung beson-
derer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und
besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, ein-
schließlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Zu Nummer 2
Nummer 2 nennt als mögliche zulässige Maßnahme die
Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter oder die
Berufserfahrung für den Zugang zur Beschäftigung oder be-
stimmter mit der Beschäftigung verbundener Vorteile. Letz-
teres betrifft insbesondere Entgeltregelungen. Hinsichtlich
des Entgelts dürfte etwa eine Anknüpfung an die Berufser-
fahrung eher zu rechtfertigen sein als an das bloße Lebens-
alter.

Zu Nummer 3
Nummer 3 lässt die Festlegung eines Höchstalters für die
Einstellung zu. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass
bei älteren Beschäftigten, deren Rentenalter bereits abseh-
bar ist, einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz
auch eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer
einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen muss.

Zu Nummer 4
Nummer 4 stellt klar, dass die Festsetzung von Altersgren-
zen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit
– insbesondere der betrieblichen Altersversorgung – regel-
mäßig keine Benachteiligung wegen des Alters darstellt.
Zulässig sind auch unterschiedliche Altersgrenzen für
bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten.
Die Festsetzung von Altersgrenzen darf aber nicht zu einer
Benachteiligung wegen des Geschlechts oder wegen eines
anderen in § 1 genannten Grundes führen (vgl. die Ausfüh-
rungen zu § 4).

Drucksache 15/4538 – 34 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zu Unterabschnitt 2 (Organisationspflichten des Arbeit-
gebers)

Zu § 11 (Ausschreibung)
Die Vorschrift bezweckt, dass schon bei der Ausschreibung
einer Stelle eine mögliche Benachteiligung bestimmter
Gruppen von Bewerbern unterbleibt und verbietet daher
jede benachteiligende Form der Stellenausschreibung. Die
Regelung ist gegenüber dem vergleichbaren § 611b BGB
und § 7 Abs. 1 TzBfG sprachlich gestrafft worden durch
den Verzicht auf die Formulierung „weder öffentlich noch
innerhalb des Betriebs“. Eine inhaltliche Änderung ist damit
nicht verbunden. Es wird jede Ausschreibung einer Stelle
für den in § 6 Abs. 1 genannten Kreis von Beschäftigten
von der Regelung erfasst, insbesondere auch für den Be-
reich der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Schon bis-
lang ist nach der ständigen Rechtsprechung ein Verstoß
gegen den § 611b BGB ein Grund, der die Beweiserleich-
terung nach § 611a BGB auslöst.
Zu § 12 (Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers)
Zu Absatz 1
Um unerwünschten Benachteiligungen im Beruf entgegen-
zuwirken, ist es Erfolg versprechender, deren Eintritt durch
präventive Maßnahmen zu vermeiden, als erst nach deren
Eintritt den Benachteiligten auf Ausgleichsansprüche zu
verweisen. Die Vorschrift begründet daher im Rahmen einer
Generalklausel die Verpflichtung des Arbeitgebers, kon-
krete geeignete Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten
vor Benachteiligungen durch Arbeitskollegen oder Dritte,
wie etwa Kunden, zu treffen. Was „erforderlich“ ist, ist nach
objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, nicht nach der
subjektiven Einschätzung auf Arbeitgeber- oder Arbeitneh-
merseite. Welche Maßnahmen geboten sind, kann je nach
der Größe des Betriebes unterschiedlich zu beurteilen sein.
Die Verpflichtung kann immer nur so weit gehen, wie der
Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich zur Pflichterfüllung in
diesem Bereich in der Lage ist. Die Sätze 1 und 2 sind an
§ 2 Abs. 1 des Beschäftigtenschutzgesetzes angelehnt. Zu
denken ist sowohl an organisatorische Maßnahmen als auch
an eine Aufklärung über die Problematik der Benachteili-
gung. Satz 3 macht deutlich, dass dabei insbesondere der
beruflichen Aus- und Fortbildung erhebliche Bedeutung zu-
kommt.
Zu Absatz 2
Absatz 2 verpflichtet in Anlehnung an § 4 Abs. 1 Beschäf-
tigtenschutzgesetz den Arbeitgeber, geeignete Maßnahmen
zu ergreifen, wenn ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte
Opfer einer Benachteiligung durch andere Beschäftigte ge-
worden ist. Die gegenüber Beschäftigten möglichen arbeits-
rechtlichen Maßnahmen sind dabei nicht abschließend auf-
gezählt.
Zu Absatz 3
Absatz 3 verpflichtet den Arbeitgeber geeignete Maßnah-
men zu ergreifen, wenn ein Beschäftigter oder eine Beschäf-
tigte in Ausübung seiner oder ihrer Tätigkeit von Dritten be-
nachteiligt wird (z. B. ein Auslieferungsfahrer wird von
Kunden wegen seiner ethnischen Herkunft schikaniert). Ge-
rade in Kundenbeziehungen ist die Form einer angemesse-

nen Reaktion anhand der konkreten Umstände des Einzel-
falls zu bestimmen.
Zu Absatz 4
Die Regelung setzt Artikel 10 der Richtlinie 2000/43/EG,
Artikel 12 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 8 der
Richtlinie 76/207/EWG um. Der Arbeitgeber ist – wie
schon nach dem Beschäftigtenschutzgesetz – verpflichtet,
die gesetzlichen Vorschriften einschließlich der maßgebli-
chen Klagefrist in § 61b ArbGG bekannt zu machen. Um
Betroffenen die Wahrnehmung ihrer Rechte zu erleichtern,
ist weiter vorgesehen, dass zugleich auch über die vorhan-
denen, für die Behandlung von Beschwerden nach § 13
Abs. 1 zuständigen Stellen, zu informieren ist.
Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung
an geeigneter Stelle oder entsprechend der neueren Ent-
wicklung auch unter Einsatz der in dem Betrieb oder der
Dienststelle üblichen Informations- und Kommunika-
tionstechnik, wie z. B. das Intranet, erfolgen. Erforderlich
ist, dass der Adressatenkreis von der Bekanntmachung
Kenntnis erlangen kann.
Zu Unterabschnitt 3 (Rechte der Beschäftigten)
Zu § 13 (Beschwerderecht)
Zu Absatz 1
Die Regelung sieht das Recht der Beschäftigten vor, sich
wegen einer eingetretenen Benachteiligung bei einer zustän-
digen Stelle des Betriebs oder bei der Arbeitnehmervertre-
tung zu beschweren. Die Vorschrift enthält keine Neuerung;
entsprechende Beschwerdemöglichkeiten bestehen bereits
nach geltendem Recht. Da die Beschwerde aber sowohl
Grundlage für Maßnahmen des Arbeitgebers als auch für
weitere Ansprüche des oder der Beschäftigten sein kann, ist
die Vorschrift entsprechend § 3 Beschäftigtenschutzgesetz
aufgenommen worden.
Der Begriff der zuständigen Stelle ist umfassend zu verste-
hen. Dies kann beispielsweise ein Vorgesetzter, eine Gleich-
stellungsbeauftragte oder eine betriebliche Beschwerde-
stelle sein.
Satz 2 stellt klar, dass die Beschwerde inhaltlich zu prüfen
und dem Beschwerdeführer oder der Beschwerdeführerin
das Ergebnis der Prüfung mitzuteilen ist. Insbesondere
wenn infolge der Beschwerde keine konkreten Maßnahmen
ergriffen werden, ist es für die Betroffenen wichtig, die
Gründe dafür zu erfahren.
Die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens ist keine
Anspruchsvoraussetzung.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift stellt klar, dass Rechte der Arbeitnehmerver-
tretungen, wie z. B. nach § 85 BetrVG, unberührt bleiben.
Zu § 14 (Leistungsverweigerungsrecht)
Die Vorschrift ist § 4 Beschäftigtenschutzgesetz nachgebil-
det und berechtigt den Beschäftigten oder die Beschäftigte,
die Tätigkeit ohne Verlust des Entgeltanspruchs einzustel-
len, wenn der Arbeitgeber bzw. Dienstvorgesetzte keine
ausreichenden Maßnahmen zur Unterbindung der Benach-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 35 – Drucksache 15/4538

teiligung ergreift. Der Wortlaut stellt klar, dass ein Leis-
tungsverweigerungsrecht nur dann besteht, wenn eine ein-
zelfallbezogene Benachteiligung dazu Anlass gibt. Das
kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitgeber auf
eine Beschwerde nicht ausreichend reagiert oder bei einer
Benachteiligung durch den Arbeitgeber oder Dienstvorge-
setzten selbst. Nicht erfasst sind dagegen etwaige Benach-
teiligungen infolge von Tarifverträgen oder sonstigen kol-
lektivrechtlichen Vereinbarungen, die generellen Charakter
haben und nicht auf den Einzelfall ausgerichtet sind. Die
Verletzung der allgemeinen Verpflichtung zu Schutzmaß-
nahmen nach § 12 Abs. 2 allein genügt nicht. Das Leis-
tungsverweigerungsrecht besteht nur, soweit es zum Schutz
des oder der betroffenen Beschäftigten erforderlich ist. Im
Wesentlichen ist hier an Belästigungen und sexuelle Belästi-
gungen zu denken. Das Zurückbehaltungsrecht des § 273
BGB bleibt unberührt. Die Vorschriften verfolgen unter-
schiedliche Ziele. § 273 BGB soll einen Zwang zur Erfül-
lung einer Verbindlichkeit ausüben, während § 14 dem
Schutz der Beschäftigten vor weiteren Benachteiligungen
dient.
Zu § 15 (Entschädigung und Schadensersatz)
Die Vorschrift setzt Artikel 15 der Richtlinie 2000/43/EG,
Artikel 17 der Richtlinie 2000/78/EG und die Artikel 6 und
8d der Richtlinie 76/207/EWG um. Die Regelung sieht als
zentrale Rechtsfolge einer Verletzung des Benachteiligungs-
verbotes einen Anspruch auf Entschädigung des Betroffe-
nen vor. Gegenüber § 611a BGB wird klarer zwischen dem
Ersatz materieller und immaterieller Schäden unterschie-
den.
Zu Absatz 1
Der Anspruch auf Entschädigung erfüllt die Forderungen
der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes nach einer wirksamen und verschuldensunab-
hängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benach-
teiligungsverbotes durch den Arbeitgeber. Der aus § 611a
BGB bekannte Grundgedanke wird hier auf alle Tatbestände
einer Benachteiligung übertragen. Es wird klargestellt, dass
die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden
gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten
Benachteiligung aus den in § 1 genannten Gründen vorlie-
gen. § 15 Abs. 1 ist damit gegenüber § 253 BGB die spezi-
ellere Norm.
Die Höhe der Entschädigung muss angemessen sein. Dies
entspricht der bewährten Regelung des Schmerzensgeldes
in § 253 BGB. Damit bleibt dem Gericht der notwendige
Beurteilungsspielraum erhalten, um die Besonderheiten je-
des einzelnen Falles zu berücksichtigen. In diesem Zusam-
menhang stellt die ständige Rechtsprechung des Europäi-
schen Gerichtshofes die Anforderung, dass zur Gewährleis-
tung eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes
eine Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich ab-
schreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben
und auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum
erlittenen Schaden stehen muss (EuGH RS C-180/95 vom
22. April 1997 – Draehmpaehl, DB 1997, 983 ff.). So wird
etwa eine erhöhte Entschädigung geboten sein, wenn ein
Beschäftigter aus mehreren Gründen unzulässig benachtei-
ligt oder belästigt wird.

Da es hier um den Ausgleich immaterieller Schäden geht,
stellt das Monatseinkommen, auf das § 611a BGB abstellt,
keine sachgerechte Bemessungsgröße dar. Auch die für die
Praxis schwierige Unterscheidung von bestqualifizierten
Bewerbern und nichtbestqualifizierten Bewerbern wird da-
durch entbehrlich. Im Fall einer Belästigung oder sexuellen
Belästigung ergibt eine derartige Unterscheidung auch kei-
nen Sinn. Zentrale Bedeutung hat demgegenüber die Art
und Schwere des Verstoßes.
Zu Absatz 2
Erfolgen Benachteiligungen im Betrieb oder in der Dienst-
stelle durch die Anwendung kollektivrechtlicher Vereinba-
rungen, trifft den Arbeitgeber eine Entschädigungspflicht
nur, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Wenn
Arbeitgeber und Arbeitnehmer einem tarifschließenden Ver-
band angehören, wirken die Bestimmungen eines Tarif-
vertrages als Rechtsnormen auf das Arbeitsverhältnis ein.
Dieser Gedanke trifft ebenso für Betriebs- bzw. Dienstver-
einbarungen zu, die – gegebenenfalls über den Spruch der
Einigungsstelle – unmittelbare Bindungswirkung entfalten.
Die Richtlinien übertragen den Sozialpartnern bei der Um-
setzung der Richtlinien eigenständige Verantwortung. Die
vermutete „höhere Richtigkeitsgewähr“ rechtfertigt es, die
Rechtsfolgen benachteiligender kollektiver Regelungen an-
ders auszugestalten als bei Maßnahmen, für die der Arbeit-
geber allein verantwortlich ist. Diese Grundsätze greifen
auch dann, wenn – mangels Tarifbindung – die Geltung von
Tarifverträgen im Arbeitsvertrag vereinbart ist, ferner wenn
ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist. Eine
Haftung der vertragsschließenden Tarifvertragsparteien
bzw. Betriebsparteien fordert das europäische Recht nicht
und wird auch durch dieses Gesetz nicht begründet. Eine
Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn
er bei der Anwendung des Kollektivrechts zumindest grob
fahrlässig gehandelt hat. Benachteiligende kollektive Re-
gelungen sind nach § 7 Abs. 2 unwirksam. Im Übrigen
verbleibt es über § 15 Abs. 4 Satz 3 für die Bereiche des
Kollektivvertragsrechts bei den von der Rechtsprechung aus
allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleiteten Folgen von
Verstößen gegen höherrangiges Recht.
Zu Absatz 3
Die Regelung schreibt eine Frist von sechs Monaten zur
Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs fest. Ange-
sichts der in § 23 geregelten Beweislastverteilung soll dem
Arbeitgeber nicht zugemutet werden, Dokumentationen
über Einstellungsverfahren etc. bis zum Ablauf der allge-
meinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu
müssen. Im Interesse einer einfachen und klaren Regelung
entfällt eine eventuelle Verkürzung der Frist durch Tarifver-
trag, wie sie § 611a Abs. 4 BGB enthält. Derartige tarifliche
Fristverkürzungen sind einem Bewerber vielfach nicht be-
kannt; ebenso die Tarifbindung des möglichen Vertragspart-
ners. Diese praktische Schwierigkeit wird mit der Neurege-
lung beseitigt. In Fällen fortgesetzter Benachteiligungen
oder Belästigungen kann es schwierig sein, den Fristbeginn
zu bestimmen. Eine abstrakte Regelung lässt sich wegen der
Vielzahl möglicher Fallgestaltungen nicht aufstellen. Die
Rechtsprechung zu der ähnlich gelagerten Problematik von
Dauertatbeständen und tariflichen Ausschlussfristen bietet
dafür differenzierte Anwendungshilfen.

Drucksache 15/4538 – 36 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der oder die
Benachteiligte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
Im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs
ist das der Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnung durch den
Arbeitgeber.
Zu Absatz 4
In den Sätzen 1 und 2 wird die Formulierung von § 280
Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB übernommen. Damit wird klarge-
stellt, dass der materielle Schadensersatzanspruch – anders
als bei der Entschädigung – nur entsteht, wenn der Arbeitge-
ber die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Damit gelten ins-
besondere die Vorschriften der §§ 276 bis 278 BGB. Satz 3
stellt klar, dass sich aus sonstigen allgemeinen Rechtsvor-
schriften ergebende Ansprüche gegen einen benachteiligen-
den Arbeitgeber unberührt bleiben. In Betracht kommen
insbesondere Ansprüche auf Unterlassung nach § 1004
BGB oder auf Ersatz des materiellen Schadens nach den
§§ 252, 823 BGB.
Zu Absatz 5
Absatz 5 greift die bestehende Regelung des § 611a Abs. 2
und 5 BGB auf. Einen Anspruch auf Begründung eines Be-
schäftigungsverhältnisses oder auf einen beruflichen Auf-
stieg gewährt diese Vorschrift nicht. Rechtsansprüche auf
einen beruflichen Aufstieg, die sich aus anderen Gründen
ergeben, etwa ein tariflicher Bewährungsaufstieg, bleiben
unberührt.
Zu § 16 (Entschädigung durch den Arbeitgeber bei Benach-

teiligung durch Dritte)
Die Vorschrift berücksichtigt die Verantwortlichkeit des Ar-
beitgebers für ein benachteiligungsfreies Beschäftigungs-
umfeld zu sorgen.
Zu Nummer 1
Werden Benachteiligungen im Betrieb oder in der Dienst-
stelle von Vorgesetzten begangen, hat der Arbeitgeber mit
der Rechtsfolge einer Entschädigungspflicht ohne Rück-
sicht auf ein eigenes Verschulden einzustehen. Das ent-
spricht zum einen dem Grundgedanken des § 278 BGB,
aber auch den Anforderungen der Rechtsprechung des Eu-
ropäischen Gerichtshofes an eine wirksame und verschul-
densunabhängige Sanktion. Benachteiligungen durch wei-
sungsbefugte Beschäftigte sind dem Arbeitgeber aber nur
zuzurechnen, wenn diese Person in Ausübung der ihr zuste-
henden Weisungsbefugnisse gehandelt hat.
Zu Nummer 2
Werden Benachteiligungen im Betrieb oder in der Dienst-
stelle von Arbeitskollegen oder sonstigen Dritten, etwa
Kunden begangen – dies werden überwiegend Fälle der Be-
lästigung oder sexuellen Belästigung sein –, trifft den Ar-
beitgeber eine Entschädigungspflicht nur, wenn er seine
Verpflichtung zum Ergreifen geeigneter Schutzmaßnahmen
nach § 12 wenigstens fahrlässig verletzt hat.
Die Verweisung auf § 15 stellt klar, dass die allgemeinen
Grundsätze zur Berechnung des Entschädigungsanspruchs
und zur Geltendmachung dieses Anspruchs auch hier An-
wendung finden.

Zu § 17 (Maßregelungsverbot)
Zu Absatz 1
Die Regelung setzt Artikel 9 der Richtlinie 2000/43/EG,
Artikel 11 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 7 der
Richtlinie 76/207/EWG um. Die Vorschrift entspricht dem
bereits in § 612a BGB und § 5 TzBfG enthaltenen Grund-
satz, dass Beschäftigte wegen der Inanspruchnahme ihrer
Rechte aus diesem Gesetz nicht benachteiligt werden dür-
fen. Dieser Schutz wird nach Vorgabe der Richtlinien auch
auf Personen, die Beschäftigte unterstützen sowie auf
Zeugen ausgedehnt. Die Ausführung einer Anweisung, die
andere Beschäftigte benachteiligen würde, wäre nach § 7
Abs. 1 ebenso rechtswidrig wie die Erteilung der Anwei-
sung selbst. Satz 1 stellt ausdrücklich klar, dass die Weige-
rung, eine derartige Weisung auszuführen, vom Arbeitgeber
nicht mit Sanktionen belegt werden darf.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift stellt klar, dass der Arbeitgeber keine Folgen
daraus ableiten darf, ob der oder die Benachteiligte die Be-
nachteiligung geduldet oder zurückgewiesen hat. Gleiches
gilt gegenüber Personen, die Beschäftigte unterstützen oder
als Zeugen aussagen.
Zu Absatz 3
Die Regelung der Beweislastverteilung findet auch im Fall
eines Verstoßes des Arbeitgebers gegen das Maßregelungs-
verbot des § 17 Anwendung.
Zu § 18 (Soziale Verantwortung der Beteiligten)
Zu Absatz 1
Absatz 1 setzt Artikel 11 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG,
Artikel 2 Abs. 5 und Artikel 13 Abs. 2 der Richtlinie
2000/78/EG und Artikel 8b Abs. 2 und 3 der Richtlinie
76/207/EWG um. Er enthält eine Aufforderung an die Tarif-
vertragsparteien, Arbeitgeber, Beschäftigten und deren Ver-
tretungen, ihren Beitrag zur Verwirklichung des Ziels zu
leisten. Das Gesetz kann etwa Anlass dafür sein, Personal-
prozesse in Unternehmen und Betrieben unter dem Ge-
sichtspunkt des Benachteiligungsschutzes zu überprüfen
und gegebenenfalls neu zu definieren oder Verhaltenskodi-
zes zu vereinbaren.
Zu Absatz 2
Zur Betonung ihrer Verantwortlichkeit wird den Betriebs-
räten und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften die
Möglichkeit eröffnet, unter der Voraussetzung des § 23
Abs. 3 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes die dort ge-
nannten Rechte gerichtlich geltend zu machen.
Liegt ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschrif-
ten des zweiten Abschnitts vor, können Betriebsräte oder im
Betrieb vertretene Gewerkschaften eine erforderliche Hand-
lung, Duldung oder Unterlassung des Arbeitgebers verlan-
gen, um Benachteiligungen wirksam zu unterbinden. Ein
solcher Verstoß kann beispielsweise darin liegen, dass der
Arbeitgeber die zum Schutz seiner Beschäftigten objektiv
gebotenen Maßnahmen unterlässt oder selbst in grober
Weise gegen das Benachteiligungsverbot verstößt. Hinsicht-
lich der Zuwiderhandlung des Arbeitgebers gegen eine

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 37 – Drucksache 15/4538

rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verweist die
Regelung auf die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 bis 5 des
Betriebsverfassungsgesetzes. Die für die Anwendung des
Betriebsverfassungsgesetzes geltende Schwelle von fünf
Arbeitnehmern gilt hier nicht.
Zu § 19 (Mitgliedschaft in Vereinigungen)
Die Vorschrift setzt Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe d der
Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG
um.
Zu Absatz 1
Für die Mitgliedschaft und Mitwirkung in Berufsorganisa-
tionen gelten die Regelungen über die Benachteiligungsver-
bote und deren Rechtsfolgen entsprechend wie im Beschäf-
tigungsverhältnis.
Zu Absatz 2
Da Berufsvereinigungen eine monopolartige Stellung bei
der Wahrnehmung beruflicher Interessen haben, kann – in
Abweichung von § 15 Abs. 5 – eine Benachteiligung regel-
mäßig nur in der Weise behoben werden, dass den Benach-
teiligten ein Anspruch auf Aufnahme bzw. auf Inanspruch-
nahme der satzungsmäßigen Leistungen zugebilligt wird,
soweit die übrigen vereinsrechtlichen und satzungsmäßigen
Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Zu Abschnitt 3 (Schutz vor Diskriminierungen im Zivil-

rechtsverkehr)
Das allgemeine Privatrecht regelt vor allem die Rechts-
beziehungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, ins-
besondere im Vertragsrecht. Die Privatautonomie genießt
einen hohen von der Verfassung geschützten Rang. Ohne
das Prinzip der Vertragsfreiheit sind moderne Gesellschaf-
ten nicht denkbar. Zivilgesellschaften sind also auf das vor
allem durch Verträge in freier Selbstbestimmung gesetzte
private Recht angewiesen.
Die privatrechtlicheHandlungsfreiheit gilt aber nicht schran-
kenlos. Zu dem durch Artikel 3 des Grundgesetzes dokumen-
tierten Grundkonsens der Bundesrepublik Deutschland ge-
hört es, dass bestimmte Unterscheidungen auch im Bereich
des Privatrechts, für den Artikel 3 GG nicht unmittelbar gilt,
als unerwünscht gelten können. Schon die geltende Rechts-
ordnung verpflichtet vor allem im Bereich der Daseinsvor-
sorge auch Private zum Vertragsschluss oder legt ihnen (zum
Beispiel im Arbeitsrecht, imMietrecht oder im Verbraucher-
recht) Beschränkungen zum Schutz der strukturell schwä-
cheren Partei auf. Zur Bekämpfung von Diskriminierungen,
also von sozial unerwünschten Ungleichbehandlungen, stellt
das Zivilrecht darüber hinaus vor allem die Generalklauseln
des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Verfügung: Zu
nennen sind hier § 138 BGB (Sittenwidriges Rechtsgeschäft)
und § 242BGB (Leistung nach Treu undGlauben), aber auch
das Recht der unerlaubtenHandlung (§§ 823, 826 BGB). Das
geltende Recht vermag aber nicht auf alle Fälle sozial nicht
erwünschter Unterscheidungen angemessen zu reagieren.
Wenn der Gesetzgeber Privatpersonen ein Benachteili-
gungsverbot im Hinblick auf die in Artikel 3 Abs. 3 GG ent-
haltenen Merkmale auferlegt (Geschlecht, Abstammung,
Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben, religiöse oder

politische Anschauung und Behinderung), greift er damit
zugleich in die durch Artikel 2 Abs. 1 GG gewährleistete
Privatautonomie ein. Darüber hinaus wird das Recht, den
Vertragspartner frei zu wählen und den Inhalt des Vertrages
frei zu gestalten, zusätzlich durch spezielle Grundrechte
geschützt. Zu nennen sind beispielsweise im Arbeitsrecht
Artikel 12 GG (Berufsfreiheit), im Mietrecht Artikel 14 GG
(Eigentumsgarantie) oder im Hinblick auf eigene religiöse
oder weltanschauliche Überzeugungen Artikel 4 Abs. 1 GG
(Glaubens- und Gewissensfreiheit).
Ein privatrechtliches Benachteiligungsverbot kann aber we-
gen der Schutzpflicht des Staates gegenüber dem potentiel-
len Vertragspartner gerechtfertigt sein. Die Privatautonomie
kann sich nämlich nur entfalten, wenn diese Freiheit auch
realisiert werden kann. Insbesondere in Fällen diskriminie-
render Vertragsverweigerung fehlt es bislang an einem aus-
drücklich geregelten Instrumentarium. Zur Vertragsfreiheit
gehört nämlich auch die Möglichkeit, Verträge tatsächlich
abschließen zu können. Der Gesetzgeber hat daher eine Ba-
lance herzustellen, die einerseits die Grundlagen der Privat-
autonomie – freie Bestimmung des Vertragsinhalts, freie
Auswahl des Vertragspartners – berücksichtigen muss. An-
dererseits muss er die Voraussetzungen dafür schaffen, dass
sich diese Prinzipien für alle Bürgerinnen und Bürger glei-
chermaßen entfalten können. Dabei ist zumindest erforder-
lich, dass in den wesentlichen Bereichen des alltäglichen
Rechtslebens (vgl. § 20) Regelungen für alle relevanten
Diskriminierungsmerkmale geschaffen werden.
Stellt der Gesetzgeber eine solche Gefährdungslage fest
– insoweit kommt ihm ein weiter Einschätzungsspielraum
zu – muss er zwischen den gegenläufigen Grundrechtsposi-
tionen der Parteien im Privatrecht einen angemessenen Aus-
gleich finden. Hierbei ist dem Gesetzgeber ein weiter Ge-
staltungsfreiraum eingeräumt (vgl. z. B. Beschluss des Bun-
desverfassungsgerichts vom 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87,
BVerfGE 97, S. 169 = NJW 1998, S. 1475). Weil sowohl die
Schwere des Eingriffs in die Privatautonomie als auch die
Schutzbedürftigkeit der Vertragspartner vom Gegenstand
des Schuldverhältnisses und der tatsächlichen gesellschaft-
lichen Situation abhängen, sind differenzierte Lösungen
nicht nur zulässig, sondern auch geboten.
Aus Artikel 13 Abs. 1 EG-Vertrag ergibt sich nichts ande-
res. Nach dieser Bestimmung können geeignete Vorkehrun-
gen getroffen werden, „um Diskriminierungen aus Gründen
des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der
Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“ Auch
Artikel 13 Abs. 1 EG-Vertrag entfaltet keine unmittelbare
Wirkung zwischen privaten Parteien. Mit der Antiras-
sismus-Richtlinie 2000/43/EG wurden umfassende Dis-
kriminierungsverbote aus Gründen der Rasse oder wegen
der ethnischen Herkunft beschlossen, die unter anderem das
allgemeine Privatrecht umfassen. Die Rahmenrichtlinie Be-
schäftigung 2000/78/EG bekämpft Benachteiligung wegen
der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung,
des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Sie gilt aber nur
für Beschäftigung und Beruf und nicht für das allgemeine
Privatrecht. Die Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Ge-
schlechts außerhalb der Arbeitswelt (noch nicht erlassen,
Fassung vom 6. Oktober 2004) schließlich enthält diffe-
renzierte Vorgaben zur Gleichbehandlung von Frauen und

Drucksache 15/4538 – 38 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Männern im allgemeinen Privatrecht, insbesondere auch für
privatrechtliche Versicherungsverträge.
Diesem sowohl nach deutschem Verfassungsrecht als auch
nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft gebotenen
differenzierten Ansatz folgen die § 20 ff.:
§ 20 Abs. 1 verankert ein allgemeines Diskriminierungsver-
bot in der Privatrechtsordnung, das bei der Begründung,
Durchführung und Beendigung von privatrechtlichen
Schuldverhältnissen zur Anwendung kommt. Es gilt einer-
seits für Massengeschäfte, insbesondere also für diejenigen
Verträge, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu-
stande kommen oder aber bei denen der personellen Aus-
wahl untergeordnete Bedeutung zukommt. Es gilt des Wei-
teren für alle privatrechtlichen Versicherungen.
Ungleichbehandlungen beispielsweise wegen des Ge-
schlechts, einer Behinderung oder des Alters sind nicht sel-
ten höchst erwünscht und sozial akzeptiert (z. B. Rabatte für
ältere oder jüngere Kunden) bzw. folgen zumindest objekti-
ven Notwendigkeiten (z. B. Zugangsbeschränkungen bei
gefährlichen Dienstleistungen aus Gründen der Verkehrssi-
cherungspflicht). Sie sind also nicht per se diskriminierend.
Diesen differenzierten Anforderungen trägt § 21 Satz 1
Rechnung, der eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlun-
gen bei einem sachlichen Grund erlaubt und typische Fälle
über Regelbeispiele in § 21 Satz 2 Nr. 1 bis 5 erfasst.
Für Menschen mit Behinderungen setzt § 20 das Prinzip der
Gleichbehandlung in weiten Bereichen des Privatrechts
durch. Er begründet aber keinen Anspruch auf besondere
Anpassungs- und Teilhabeleistungen. Diese Leistungen sol-
len systemgerecht weiterhin dem öffentlichen Recht vorbe-
halten bleiben, insbesondere dem Sozialrecht, etwa durch
Leistungen zur Teilhabe (§ 4 SGB IX). Das hat seinen
Grund auch darin, dass die mit den Anpassungsleistungen
verbundenen Kosten nicht einzelnen Privaten aufgebürdet
werden können, sondern – über die Finanzierung durch
Steuern und andere Abgaben – von der Allgemeinheit zu
tragen sind.
Der differenzierte Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1
nebst Rechtfertigungsgründen nach § 21 dient zugleich der
Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Ge-
schlechts außerhalb der Arbeitswelt (noch nicht erlassen,
Entwurf vom 6. Oktober 2004) im allgemeinen Privatrecht.
Das Regelbeispiel des § 21 Satz 2 Nr. 5 erfasst die auf natio-
naler und europäischer Ebene intensiv diskutierte Frage der
„Unisex-Tarife“ bei privatrechtlichen Versicherungsverträ-
gen. Ein umfassendes Diskriminierungsverbot aus Gründen
der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft ist durch die
Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG vorgegeben. Dem trägt
§ 20 Abs. 2 Rechnung, indem er über den sachlichen An-
wendungsbereich des § 20 Abs. 1 hinausgeht. Weil kaum
eine billigenswerte Unterscheidung aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft denkbar ist, bedarf es
hier auch keiner Rechtfertigungsgründe. Wegen der anderen
Merkmale – Religion und Weltanschauung, Alter, Behinde-
rung, sexuelle Identität – enthält das Gemeinschaftsrecht
keine Vorgaben.
Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Benachteili-
gungsverbot sind in § 22 geregelt: Der Benachteiligte kann
Unterlassung, Beseitigung sowie Schadensersatz bzw. Ent-
schädigung verlangen. Wäre im Fall einer Vertragsverwei-

gerung ohne die Benachteiligung ein Vertrag zustande ge-
kommen, so kann er auch den Abschluss eines Vertrages
verlangen.

Zu § 20 (Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot)
Die Vorschrift enthält das zivilrechtliche Benachteiligungs-
verbot. Absatz 1 enthält die Bestimmung des sachlichen An-
wendungsbereiches für Benachteiligungen wegen eines in
§ 1 genannten Grundes, also aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Reli-
gion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters
oder der sexuellen Identität. Absatz 2 konkretisiert unter
Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 (entsprechend Artikel 3
Abs. 1 Buchstabe e bis h der Antirassismus-Richtlinie 2000/
43/EG) den sachlichen Anwendungsbereich bei Benachtei-
ligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft. Absatz 3 verweist für Sachverhalte im Kontext
von Beschäftigung und Beruf, die allgemeinem Zivilrecht
unterliegen, auf die arbeitsrechtlichen Bestimmungen des
Abschnitts 2. Absatz 4 stellt klar, dass das Antidiskriminie-
rungsgesetz für familien- und erbrechtliche Schuldverhält-
nisse nicht gilt. Absatz 5 schließlich regelt die Anwendung
des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots im engeren
persönlichen Nähebereich.

Zu Absatz 1
Absatz 1 regelt das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot.
Erfasst sind hiernach Massengeschäfte bzw. vergleichbare
Schuldverhältnisse (Nummer 1) und darüber hinaus alle pri-
vatrechtliche Versicherungen aller Art (Nummer 2).
Absatz 1 Nr. 1 erfasst in der ersten Alternative zunächst
Massengeschäfte, also diejenigen zivilrechtlichen Schuld-
verhältnisse, die typischerweise ohne Ansehen der Person in
einer Vielzahl von Fällen zu gleichen Bedingungen zu-
stande kommen. Dieser Tatbestand ermöglicht die erforder-
liche Balance zwischen dem Schutz vor diskriminierendem
Verhalten im Privatrechtsverkehr einerseits und der gebote-
nen Wahrung der Vertragsfreiheit andererseits. Die Vor-
schrift setzt zugleich Artikel 2a Abs. 1 der Gleichbe-
handlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der
Arbeitswelt (noch nicht erlassen, Entwurf vom 6. Oktober
2004) um, die ebenfalls darauf abstellt, dass es sich um Gü-
ter und Dienstleistungen handeln muss, die ohne Ansehen
der Person abgesetzt werden. In Artikel 2a Abs. 1a dieser
Richtlinie weist die Europäische Gemeinschaft ausdrücklich
auf die Bedeutung der freien Wahl des Vertragspartners hin.
Erfasst sind zivilrechtliche Schuldverhältnisse aller Artikel.
Meist wird es sich – wie bei dem erweiterten Benachtei-
ligungsverbot aus Gründen der Rasse oder wegen der eth-
nischen Herkunft nach Absatz 2 – um den Zugang zu und
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen handeln (siehe
auch § 2 Abs. 1 Nr. 8, der Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe h
der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG wörtlich über-
nimmt). Der Tatbestand ist allerdings insoweit enger als
Absatz 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 8, weil nur diejenigen
Schuldverhältnisse erfasst sind, die darüber hinaus bei einer
typisierenden Betrachtungsweise in einer Vielzahl von Fäl-
len ohne Ansehen der Person zustande kommen. Damit
müssen für ein Massengeschäft folgende weitere Kriterien
erfüllt sein:

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 39 – Drucksache 15/4538

Zum einen geht es damit nicht um einmalige Sachverhalte,
sondern um Fälle, die häufig auftreten. Ob es sich typischer-
weise um eine „Vielzahl von Fällen“ handelt, ist aus der
Sicht der Anbieterseite zu beurteilen, denn an sie (und nicht
an den nachfragenden Kunden) richtet sich das Benachteili-
gungsverbot. So ist etwa der Absatz von Gebrauchtwagen
für den gewerblichen Kfz-Händler ein Geschäft, das er in ei-
ner Vielzahl von Fällen abwickelt. Anders ist es bei einer
Privatperson, die ihren gebrauchten Pkw verkaufen will.
Damit sind in der Regel also nur diejenigen Leistungen vom
allgemeinen zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot er-
fasst, die von Unternehmen erbracht werden, also von natür-
lichen oder juristischen Personen, die in Ausübung ihrer ge-
werblichen oder beruflichen Selbständigkeit handeln (§ 14
BGB). Der mit dem Benachteiligungsverbot zwangsläufig
verbundene Eingriff in die Vertragsfreiheit lässt sich bei Un-
ternehmen eher rechtfertigen, weil sie sich mit ihrem Leis-
tungsangebot in die öffentliche Sphäre begeben und es da-
mit grundsätzlich an die Allgemeinheit richten (so schon
Bydlinski, Archiv für die civilistische Praxis 180 [1980], 1,
39).
Weiterhin muss es sich um Schuldverhältnisse handeln, die
typischerweise „ohne Ansehen der Person“ und „zu glei-
chen Bedingungen“ begründet, durchgeführt und beendet
werden. Denn die sozial verwerfliche Diskriminierung un-
terscheidet sich von der durch das Prinzip der Vertragsfrei-
heit gedeckten erlaubten Differenzierung gerade dadurch,
dass willkürlich und ohne sachlichen Grund einzelnen Per-
sonen der Zugang zu einer Leistung verwehrt oder er-
schwert wird, die ansonsten anderen Personen gleicherma-
ßen zur Verfügung steht. Ein Schuldverhältnis wird ohne
Ansehen der Person begründet, durchgeführt oder beendet,
wenn hierbei die in § 1 genannten Merkmale typischerweise
keine Rolle spielen.
Insbesondere im Bereich der Konsumgüterwirtschaft und
bei standardisierten Dienstleistungen kommen Verträge
typischerweise ohne Ansehen der Person zustande: Im Ein-
zelhandel, in der Gastronomie oder im Transportwesen
schließen die Unternehmer im Rahmen ihrer Kapazitäten
Verträge ohne weiteres mit jeder zahlungswilligen und zah-
lungsfähigen Person, ohne dass nach den in § 1 genannten
Merkmalen unterschieden würde. Natürlich hängt der Ver-
trag häufig auch hier von weiteren, vertragsspezifischen
Bedingungen ab, die sich aus Treu und Glauben, aus der
Verkehrssitte oder aus der Natur des Schuldverhältnisses
ergeben: Ein Taxifahrer muss einen Fahrgast mit extrem
verschmutzter Kleidung nicht befördern; ein Gastwirt kann
einen randalierenden Besucher aus der Gaststätte weisen.
Diese Handlungen sind schon deshalb nicht benachteiligend
im Sinne dieses Gesetzes, weil sie weder unmittelbar noch
mittelbar an die in § 1 genannten Merkmale anknüpfen.
Weil Massengeschäfte regelmäßig „ohne Ansehen der Per-
son“ zustande kommen, werden diese Verträge (und andere
Schuldverhältnisse) typischerweise auch „zu vergleichbaren
Bedingungen“ begründet, durchgeführt und beendet. Die
Gleichbehandlung bei Erbringung der Leistung ist letztlich
Spiegelbild der Tatsache, dass der Anbieter bei der Auswahl
des Vertragspartners nicht unterscheidet.
Differenziert der Unternehmer im Einzelfall bei der Aus-
wahl des Vertragspartners oder bei der Erbringung der Leis-
tung dennoch von vorne herein nach den in § 1 genannten

Merkmalen, ändert sich nichts an der Anwendbarkeit der
Vorschrift. Die Einordnung als Massengeschäft erfolgt näm-
lich nach einer allgemeinen, typisierenden Betrachtungs-
weise. So sind etwa Freizeiteinrichtungen (Badeanstalten,
Fitnessclubs etc.) typischerweise für Angehörige jedes Ge-
schlechts und jedes Alters zugänglich. Die Differenzierung
nach diesen Merkmalen im Einzelfall (z. B. gesonderte Öff-
nungszeiten in einer Badeanstalt nur für Frauen, Altersbe-
schränkungen bei der Aufnahme in einen Fitnessclub) ist
also nur zulässig, sofern sie nach § 21 wegen eines sachli-
chen Grundes gerechtfertigt ist.
Unerheblich ist bei der gebotenen typisierenden Betrach-
tungsweise auch, ob einzelne Vertragspartner beispielsweise
wegen eines besonderen Verhandlungsgeschicks im Einzel-
fall Preisnachlässe erreichen. Differenzierungen, die zur Er-
füllung gesetzlicher Pflichten dienen und Merkmale des § 1
betreffen (z. B. ein Mindestalter aus Gründen des Jugend-
schutzes verlangen), sind selbstverständlich ohne weiteres
zulässig.
Auch Privatversicherungen können strukturell Massenge-
schäfte i. S. d. Nummer 1 sein, wenn bei dem angebotenen
Versicherungsschutz typischerweise auf die Ermittlung von
Risikoindikatoren verzichtet wird, die vom Anwendungsbe-
reich des § 1 erfasst sind. Das ist etwa bei Reisegepäckver-
sicherungen der Fall, die aber auch – wie andere privatrecht-
liche Versicherungen, insbesondere die private Kranken-
und Lebensversicherung – grundsätzlich über Nummer 2
erfasst werden. Bei der Überlassung von Räumen wird es
sich meist nicht um Massengeschäfte im Sinne der ersten
Alternative handeln, denn die Anbieter von Wohn- oder
Geschäftsräumen wählen ihren Vertragspartner regelmäßig
individuell nach vielfältigen Kriterien aus dem Bewerber-
kreis aus. Anders kann es sich verhalten, wenn etwa der
Vertragsschluss über Hotelzimmer oder Ferienwohnungen
über das Internet abgewickelt und hierbei auf eine individu-
elle Mieterauswahl verzichtet wird. Kreditgeschäfte beru-
hen meist auf einer individuellen Risikoprüfung. Auch hier
wird es sich deshalb regelmäßig nicht um Massengeschäfte
handeln.
Von der zweiten Alternative werden auch Rechtsgeschäfte
erfasst, bei denen „das Ansehen der Person“ zwar eine Rolle
spielt; diese Voraussetzung jedoch eine nachrangige Bedeu-
tung hat. Dies wird z. B. vielfach der Fall sein, wenn ein
großer Wohnungsanbieter eine Vielzahl von Wohnungen an-
bietet.
Absatz 1 Nr. 2 bezieht als Spezialvorschrift zu Nummer 1
ausdrücklich alle privatrechtlichen Versicherungsverhält-
nisse ein, denn Absatz 1 Nr. 1 würde nur, wie soeben erläu-
tert, Versicherungen erfassen, die typischerweise auf die Er-
mittlung von einschlägigen Risikoindikatoren verzichten.
Im Bereich der Privatversicherung besteht nämlich auch bei
individueller Risikoprüfung ein Bedürfnis, sozial nicht zu
rechtfertigende Unterscheidungen zu unterbinden: Versiche-
rungen decken häufig elementare Lebensrisiken ab; deshalb
kann der verweigerte Vertragsschluss für den Benachteilig-
ten schwerwiegende Auswirkungen haben. Unbenommen
bleiben den Versicherungen sachlich begründete Differen-
zierungen z. B. bei der Prämienhöhe oder im Zusammen-
hang mit Risikoausschlüssen, insbesondere auf der Grund-
lage statistisch erfassbarer und belegbarer Daten im Sinne
von § 21 Satz 2 Nr. 5.

Drucksache 15/4538 – 40 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zu Absatz 2
Absatz 2 erstreckt den Anwendungsbereich des zivilrechtli-
chen Benachteiligungsverbots bei Benachteiligungen aus
Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft auf
sämtliche zivilrechtliche Schuldverhältnisse, die von § 2
Abs. 1 Nr. 5 bis 8 erfasst sind. Wegen der Einzelheiten wird
auf die Begründung zu § 2 verwiesen. Von besonderer
Bedeutung ist § 2 Abs. 1 Nr. 8, der Artikel 3 Abs. 1 Buch-
stabe h der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG entspricht
und ein Benachteiligungsverbot fordert, das nicht nur für
in Absatz 1 geregelten Schuldverhältnisse fordert, sondern
für Schuldverhältnisse aller Art, die den Zugang zu und die
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zum Gegen-
stand haben. Erfasst sind hier beispielsweise auch Geschäfte
Privater, sofern der Vertragsschluss öffentlich angeboten
wird, etwa der Verkauf des gebrauchten privaten PKW über
eine Zeitungsannonce.
Zu Absatz 3
Absatz 3 regelt, welche Bestimmungen bei Benachteiligun-
gen in Beschäftigung und Beruf zur Anwendung kommen.
Satz 1 stellt zunächst klar, dass für Beschäftigte (siehe die
Legaldefinition in § 6) die Bestimmungen des Abschnitts 2
gelten. Dort ist, abgestimmt auf die besonderen Anforderun-
gen des Arbeitsrechts, der Diskriminierungsschutz insbe-
sondere für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geregelt.
Hintergrund der Regelungen in Satz 2 ist, dass im Anwen-
dungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 zwar typischerweise
Bestimmungen des Abschnitts 2 Anwendung finden, weil es
meist um Benachteiligungen Beschäftigter im Sinne des § 6
geht. Es sind aber auch Sachverhalte denkbar, die nicht un-
ter den persönlichen Anwendungsbereich des § 6 fallen,
aber eine diesen Sachverhalten vergleichbare Interessenlage
aufweisen. Dies gilt insbesondere für solche Dienstverträge,
die nach der deutschen Rechtsordnung nicht dem Arbeits-
recht zuzuordnen sind, oder für bürgerlich-rechtliche Werk-
verträge. Verträge dieser Art können bei richtlinienkonfor-
mer Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 als Erwerbstätig-
keit bzw. Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Artikels 3
Abs. 1 Buchstabe a bis d der Richtlinien 2000/43/EG,
2000/78/EG und 76/207/EWG zu qualifizieren sein. Da hier
die Interessenlage arbeitsrechtlichen Sachverhalten aber
weithin entspricht, ordnet das Gesetz die entsprechende An-
wendung des Abschnitts 2 an.
Zu Absatz 4
Nach Absatz 4 sind die im Familien- und Erbrecht gere-
gelten Schuldverhältnisse ausgeschlossen, weil sie sich
grundlegend von den Verträgen des sonstigen Privatrechts
unterscheiden. Wegen des inneren Zusammenhangs zum
Erbrecht sind Vereinbarungen, die eine Erbfolge vorweg
nehmen, ebenfalls von dem Ausschluss erfasst.
Zu Absatz 5
Absatz 5 trägt den Maßgaben des Erwägungsgrundes 4 der
Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG Rechnung, wonach der
Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens sowie der
in diesem Kontext getätigten Geschäfte gewahrt bleiben
soll. Die Regelung soll also gewährleisten, dass nicht unver-
hältnismäßig in den engsten Lebensbereich der durch das
Benachteiligungsverbot verpflichteten Person eingegriffen

wird. Die Bestimmung kommt auch für Benachteiligungs-
verbote zur Anwendung, die nicht auf der Umsetzung von
Richtlinien beruhen, denn der Grundgedanke gilt hier in
gleicher Weise.
Ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis im Sinne
von Satz 1 erfordert eine Beziehung, die über das hinaus-
geht, was ohnehin jedem Schuldverhältnis an persönlichem
Kontakt zugrunde liegt. Dies kann beispielsweise darauf be-
ruhen, dass es sich um ein für die durch das Benachteili-
gungsverbot verpflichtete Person besonders bedeutendes
Geschäft handelt, oder dass der Vertrag besonders engen
oder lang andauernden Kontakt der Vertragspartner mit sich
bringen würde.
Satz 2 benennt ein – nicht abschließendes – Beispiel für den
in Satz 1 benannten Grundsatz: Mietverhältnisse, bei denen
die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demsel-
ben Grundstück nutzen, sind vom Anwendungsbereich aus-
genommen. Wegen des besonderen Näheverhältnisses ist es
dem Vermieter hier insbesondere nicht zumutbar, eine Ver-
tragspartei aufzuzwingen. Zugleich sind damit sämtliche
Ansprüche auf Ersatz von Schäden ausgeschlossen, die auf
eine Vertragsverweigerung zurückzuführen sind.
Bei der Auslegung des Begriffs „Angehörige“ ist zu berück-
sichtigen, dass die Ausnahmevorschrift des Absatzes 5 dem
Erwägungsgrund 4 der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG
Rechnung zu tragen hat. Hiernach „ist es wichtig, dass im
Zusammenhang mit dem Zugang zu und der Versorgung mit
Gütern und Dienstleistungen der Schutz der Privatsphäre
und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getä-
tigten Geschäfte gewahrt bleibt.“ Der Begriff des Angehöri-
gen erfasst damit Mitglieder des engeren Familienkreises,
nämlich Eltern, Kinder, Ehe- und Lebenspartner und Ge-
schwister. Er dürfte damit im Wesentlichen mit dem Begriff
der engen Familienangehörigen im Sinne des § 573 Abs. 1
Nr. 2 BGB übereinstimmen.

Zu § 21 (Zulässige unterschiedliche Behandlung)
§ 21 regelt, in welchen Fällen eine unterschiedliche Be-
handlung wegen einer Behinderung, der Religion oder
Weltanschauung, des Alters, der sexuellen Identität oder des
Geschlechts, die den Tatbestand des § 20 Abs. 1 erfüllt,
gleichwohl zulässig ist. Eine Verletzung des Benachteili-
gungsverbotes liegt dann nicht vor. Die Norm ist als Recht-
fertigungsgrund ausgestaltet. Der Anbieter muss also nach
allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Zulässigkeit
der unterschiedlichen Behandlung darlegen und beweisen.
Bei einer mittelbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 2) sind
Fragen der zulässigen Ungleichbehandlung bereits auf Tat-
bestandsebene zu entscheiden; es werden also viele in § 21
geregelte Fragen bereits an dieser Stelle (und nicht erst auf
der Ebene der Rechtfertigung) zu prüfen sein. Unberührt
von alledem bleibt das Benachteiligungsverbot des § 20
Abs. 2, das der Umsetzung der Antirassismusrichtlinie
2000/43/EG dient, denn in dieser Richtlinie sind entspre-
chende Rechtfertigungsgründe nicht vorgesehen.
Satz 1 enthält den Grundsatz, wonach Unterscheidungen zu-
lässig sind, für die ein sachlicher Grund vorliegt. Dieser
Rechtsfertigungsgrund ist erforderlich, weil bei den genann-
ten Merkmalen – anders als bei Unterscheidungen aus
Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft –

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 41 – Drucksache 15/4538

Differenzierungen im allgemeinen Zivilrecht oft akzeptiert
oder sogar höchst erwünscht sind. Beispielhaft erwähnt
seien hier nur Preisrabatte für Schülerinnen und Schüler
oder für Studierende oder gesonderte Öffnungszeiten für
Frauen in Schwimmbädern. Andere Unterscheidungen wer-
den von den Betroffenen zwar subjektiv als diskriminierend
empfunden, dienen objektiv aber notwendigen Zwecken,
etwa der Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten und
damit der Schadensverhütung. All diese Unterscheidungen
können und sollen weiterhin möglich sein; denn hierbei
handelt es sich nicht um Diskriminierungen, also sozial ver-
werfliche Unterscheidungen. Satz 1 dient damit auch der
Umsetzung von Artikel 3 Abs. 4 der Gleichbehandlungs-
richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt
(noch nicht erlassen, Entwurf vom 6. Oktober 2004), wo-
nach es gerechtfertigt sein kann, Güter und Dienstleistungen
ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines
Geschlechts bereitzustellen.
Die Feststellung eines sachlichen Grundes bedarf einer wer-
tenden Feststellung im Einzelfall nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben und entzieht sich wegen der Reichweite
des allgemeinen zivilrechtlichen Benachteiligungsverbotes
einer abschließenden näheren Konkretisierung. Die sachli-
chen Gründe können sich zunächst aus dem Charakter des
Schuldverhältnisses ergeben. Es können Umstände sein, die
aus der Sphäre desjenigen stammen, der die Unterscheidung
trifft, oder aber aus der Sphäre desjenigen, der von der Un-
terscheidung betroffen ist.
Das Erfordernis einer Abwägung im Einzelfall kommt auch
im bereits erwähnten Rechtfertigungsgrund des Artikels 3
Abs. 4 der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Ge-
schlechts außerhalb der Arbeitswelt (noch nicht erlassen,
Entwurf vom 6. Oktober 2004) zum Ausdruck. Der Erwä-
gungsgrund 12a dieser Richtlinie stellt darüber hinaus klar,
dass beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen die je-
weiligen Möglichkeiten nicht in jedem Fall gleichermaßen
geboten werden müssen, sofern dabei nicht Angehörige des
einen Geschlechts besser gestellt sind als die des anderen.
Es ist also sachlich gerechtfertigt, Waren und Dienstleistun-
gen geschlechtspezifisch anzubieten, sofern dies sachlichen
Kriterien Rechnung trägt. Ein weiteres Beispiel sind etwa
Sportveranstaltungen, die nur Angehörigen eines Ge-
schlechts zugänglich sind (siehe Erwägungsgrund 12 der
Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außer-
halb der Arbeitswelt [noch nicht erlassen, Entwurf vom
6. Oktober 2004]).
In der Praxis werden meist die Regelbeispiele in Nummer 1
bis 5 einschlägig sein, die – nicht abschließend – die wich-
tigsten Fallgruppen umreißen und zugleich eine Richtschnur
für die Auslegung des Grundtatbestandes geben können.
Nummer 1 rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung,
die der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schä-
den oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient. Zweck
der Vorschrift ist vor allem die Notwendigkeit, bei Massen-
geschäften die Beachtung von Verkehrssicherungspflichten
durchzusetzen. So kann es z. B. in Freizeitparks erforderlich
sein, den Zugang zu Fahrgeschäften für Menschen mit einer
körperlichen Behinderung zu beschränken oder aber auf ei-
ner Begleitperson zu bestehen. Ein weiteres Beispiel ist der
Schutz von Opfern sexueller Gewalt durch Einrichtungen,
die nur Angehörigen eines Geschlechts Zuflucht bieten

(siehe Erwägungsgrund 12 der Gleichbehandlungsrichtlinie
wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt [noch
nicht erlassen, Entwurf vom 6. Oktober 2004]).
Der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden
oder anderen Zwecken vergleichbarer Art kann die unter-
schiedliche Behandlung regelmäßig nur dienen, wenn sie
zur Zweckerreichung grundsätzlich geeignet und erforder-
lich ist. Willkürliche Anforderungen sind deshalb von Num-
mer 1 nicht gedeckt. Dem Anbieter steht hierbei allerdings
eine gewisser Spielraum zur Verfügung. Das ist zum einen
deshalb erforderlich, weil etwa eine vorbeugende Schadens-
verhütung zwangsläufig auf Prognosen beruht, die mit Un-
sicherheiten behaftet ist. Zum anderen kann bei der Ab-
wicklung von Massengeschäften auf eine Standardisierung
nicht verzichtet werden. So kann es etwa gerechtfertigt sein,
den Zugang zu risikobehafteten Leistungen (z. B. Ausübung
gefährlicher Sportarten in einer privaten Anlage) erst Kun-
den ab 18 Jahren zu erlauben.
Nummer 2 trägt der Tatsache Rechnung, dass es insbeson-
dere Unterscheidungen nach dem Geschlecht gibt, die auf
das Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persön-
lichen Sicherheit reagieren. Strukturell ähnelt der Rechtfer-
tigungsgrund einer positiven Maßnahme (§ 4). Maßnahmen
dieser Art – wie etwa getrennte Öffnungszeiten in
Schwimmbädern und Saunen, die Bereithaltung von Frau-
enparkplätzen sind sozial erwünscht und gesellschaftlich
weithin akzeptiert.
Die Vorschrift rechtfertigt Unterscheidungen nur dann,
wenn sie aus nachvollziehbaren Gründen erfolgen. So sind
Frauen generell einer größeren Gefahr als Männer ausge-
setzt, Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestim-
mung zu werden. Es kann deshalb gerechtfertigt sein, in
Parkhäusern Frauenparkplätze zur Verfügung zu stellen,
auch wenn sich im Einzelfall nicht nachweisen lassen sollte,
dass besondere Gefahren drohen, etwa bei einem beleuchte-
ten Parkplatz in einem sicheren Einkaufcenter. Nicht jedes
subjektive Sicherheitsbedürfnis reicht jedoch zur Rechtferti-
gung einer Unterscheidung aus. Wenngleich keine Bedro-
hungslage nachgewiesen werden muss, ist es doch nötig,
dass einem verständlichen Sicherheitsbedürfnis Rechnung
getragen werden soll. Eine beispielsweise auf Xenophobie
beruhende pauschale Angst vor „dem Islam“ oder „den Ju-
den“ kann daher eine Ungleichbehandlung nach dem Merk-
mal der Religion nicht rechtfertigen.
Nummer 3 erfasst diejenigen Fälle, in denen Personen
wegen einer Behinderung, der Religion oder Weltanschau-
ung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts
ein besonderer Vorteil gewährt wird. Mit dieser Bevorzu-
gung – meist wird es sich um Preisnachlässe oder andere
Sonderkonditionen bei der Anbahnung, Durchführung oder
Beendigung von Massengeschäften handeln – ist notwendi-
gerweise eine Benachteiligung aller anderen verbunden.
Hier besteht kein Anlass, den Grundsatz der Gleichbehand-
lung durchzusetzen. Die gewährten Vergünstigungen reagie-
ren nämlich entweder darauf, dass bestimmte Gruppen typi-
scherweise weniger leistungsfähig sind: Rabatte für Schüler
und Studenten etwa sind damit zu begründen, dass sie meist
nicht über ein Erwerbseinkommen verfügen. Oder aber die
Vergünstigungen bewecken die gezielte Ansprache von
Kundenkreisen, die der Anbieter anlocken möchte. Diese
Maßnahmen sind also nicht diskriminierend, sondern im

Drucksache 15/4538 – 42 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Gegenteil sozial erwünscht bzw. Bestandteil einer auf Wett-
bewerb beruhenden Wirtschaft. Ein Verbot dieser Praktiken
würde auch den objektiv benachteiligten Personenkreisen
nicht helfen, denn der Anbieter würde nicht mit der Erstre-
ckung der Vorteile auf alle Kunden reagieren, sondern mit
dem Verzicht auf jegliche Vergünstigung.
Anders ist es, wenn die Gewährung gezielter Vorteile dazu
dient, eine diskriminierende Verhaltensweise bei Massenge-
schäften nur zu tarnen. Das wäre etwa bei einer Preisgestal-
tung denkbar, bei der das regulär geforderte Entgelt weit
über dem Marktpreis liegt, so dass es dem Anbietenden im
Ergebnis nur darum geht wird, den Kundenkreis auf diejeni-
gen Personen zu beschränken, die Adressaten der „besonde-
ren Vorteile“ (tatsächlich aber des Normalpreises) sind. Die
Voraussetzungen von Nummer 3 sind hier nicht gegeben,
weil hier ein Interesse besteht, diese Ungleichbehandlung zu
unterbinden.
Nummer 4 regelt die zulässige unterschiedliche Behand-
lung, die an die (tatsächliche oder ihm zugeschriebene) Re-
ligion oder Weltanschauung des Benachteiligten anknüpft.
Es geht hierbei meist um Fälle, bei denen die unterschiedli-
che Behandlung auf religiösen oder weltanschaulichen Mo-
tiven des Benachteiligenden beruht.
Nimmt jemand in einer Weise am privaten Rechtsverkehr
teil, die Ausdruck seiner religiösen Grundhaltung ist, so
wird sein Handeln nicht nur durch die allgemeine Hand-
lungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG, sondern auch durch
seine Glaubensfreiheit, Artikel 4 Abs. 1 GG, geschützt. Übt
der Gläubige einen Beruf aus, der die Einhaltung bestimm-
ter religiöser Vorgaben fordert (etwa der islamische Metz-
ger, der das Fleisch von Tieren verkaufen will, die nach isla-
mischen Regeln geschlachtet worden sind), so wird sein
Handeln von Artikel 12 Abs. 1 bzw. Artikel 2 Abs. 1
i. V. m. Artikel 4 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 104,
337, 346 – „Schächten“). Dieselben Überlegungen gelten
für weltanschaulich motiviertes Handeln.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass Artikel 140 GG i. V. m.
Artikel 137 Abs. 3 WRV den Religionsgemeinschaften und
den ihnen zugeordneten Einrichtungen die Freiheit bei der
Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten innerhalb
der Schranken der für alle geltenden Gesetze zusichert. Das-
selbe gilt gemäß Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Abs. 7
WRV für Weltanschauungsgemeinschaften. Daher erfasst
die Regelung nicht nur die Religions- oder Weltanschau-
ungsgemeinschaften selbst, sondern auch die ihnen zuge-
ordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechts-
form, wenn die Einrichtungen der Religions- oder Weltan-
schauungsgemeinschaften nach deren Selbstverständnis ih-
rem Zweck und ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind,
ein Stück des Auftrags der Religions- oder Weltanschau-
ungsgemeinschaft wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl.
BVerfGE 70, 138 (162); 57, 220 (242); 53, 366 (391); 46, 73
(85f.)). Dabei sind die Begriffe der Ordnung und Verwal-
tung weit auszulegen. Dazu gehören etwa karitative Tätig-
keiten, das kirchliche Dienst- und Arbeitsrecht, aber auch
die Verwaltung des eigenen Vermögens. Nimmt eine Kir-
che, eine ihr zugeordnete Einrichtung oder eine Weltan-
schauungsgemeinschaft am privaten Rechtsverkehr teil, ist
zunächst zu beurteilen, ob die in Frage stehende Tätigkeit zu
ihren eigenen Angelegenheiten gehört oder nicht. Dabei ist
das dem Tun zugrunde liegende Selbstverständnis der Kir-

che oder Weltanschauungsgemeinschaft entscheidend. Ist
das Rechtsgeschäft karitativer Natur, so liegt die Bejahung
der eigenen Angelegenheit nahe. Ist von einer eigenen
Angelegenheit auszugehen, so ist das kirchliche Selbst-
bestimmungsrecht zwar nur in den Schranken der für alle
geltenden Gesetze gewährleistet. Darunter fallen aber nur
die Gesetze, die für die jeweilige Religions- oder Welt-
anschauungsgemeinschaft dieselbe Bedeutung haben wie
für jedermann (BVerfGE 66, 1, 20). Dabei kommt dem
Selbstverständnis der Gemeinschaft wiederum besonderes
Gewicht zu (BVerfGE 66, 1, 22).
Auch bei Nummer 4 handelt es sich um ein Regelbeispiel,
das den Bereich des religiös oder weltanschaulich motivier-
ten Handelns nicht abschließend normiert. Von dem Wort-
laut des Regelbeispiels nicht erfasste sonstige religiös oder
weltanschaulich motivierte Ungleichbehandlungen können
daher im Einzelfall ebenfalls sachliche Gründe im Sinne des
§ 21 Satz 1 darstellen.
Dies bedeutet aber nicht, dass jedes religiöse oder welt-
anschauliche Motiv eine an sich nach dem Antidiskrimi-
nierungsgesetz verbotene Differenzierung rechtfertigt. Ar-
tikel 4 Abs. 1 GG schützt das Recht des Einzelnen, sein
gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszu-
richten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln, bei-
spielsweise auch bei Ausübung einer gewerblichen Tätig-
keit. Der Metzger etwa, dem gesetzlich verboten wird,
Fleisch von geschächteten Tieren zu verkaufen, kann seinen
Beruf nicht mehr den islamischen Regeln entsprechend aus-
üben. Ein Verbot, Kundinnen ohne Kopftuch zu benachteili-
gen, würde dementsprechend nur dann den grundrechtlichen
Schutzbereich betreffen, wenn sich der Metzger auf einen
Glaubenssatz berufen könnte, der es ihm verbietet, Fleisch
an Frauen zu verkaufen, die kein Kopftuch tragen. Den
Metzger träfe insoweit die Darlegungslast (vgl. BVerwGE
94, 82 ff.). Er müsste ernsthaft darlegen können, dass das
Betreiben einer islamischen Metzgerei nicht nur die Ein-
haltung bestimmter Regeln bei der Schlachtung der Tiere,
sondern auch eine bestimmte Auswahl der Kundschaft er-
fordert. Dabei genügte nicht die Berufung auf behauptete
Glaubensinhalte und Glaubensgebote; vielmehr müsste ein
Gewissenskonflikt als Konsequenz aus dem Zwang, der
eigenen Glaubensüberzeugung zuwider zu handeln, kon-
kret, substantiiert und objektiv nachvollziehbar dargelegt
werden (vgl. BVerwGE 94, 82 ff.).
Nummer 5 schließlich enthält eine besondere Bestimmung
für private Versicherungsverträge. Sie gilt unabhängig da-
von, ob es sich um Massengeschäfte handelt oder um Ver-
träge, die nach Prüfung des zu versichernden Risikos abge-
schlossen werden. Sind die Voraussetzungen von Nummer 5
erfüllt, bleibt bei der Vertragsgestaltung (insbesondere der
Prämien- oder Leistungsbestimmung), aber auch bei der
Entscheidung über den Vertragsschluss selbst, die Berück-
sichtigung der von diesem Gesetz erfassten Risiken mög-
lich. Die Einbeziehung sämtlicher Privatversicherungsver-
träge (einschließlich ihrer Anbahnung, Durchführung und
Beendigung) in den Anwendungsbereich des allgemeinen
privatrechtlichen Benachteiligungsverbots soll vor Willkür
schützen; sie soll aber nicht die auch im Interesse der Ver-
sicherten erforderliche Differenzierung nach dem ex ante
beurteilten individuellen Risiko unmöglich machen. Diese

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/4538

Differenzierung nämlich gehört zu den Grundprinzipien der
privatrechtlichen Versicherung.
Die Vorschrift greift die Formulierung in Artikel 4 der
Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außer-
halb der Arbeitswelt (noch nicht erlassen, Entwurf vom
6. Oktober 2004) auf und setzt diese Bestimmung im Be-
reich des Versicherungsvertragsrechts um. Besondere Be-
deutung wird dieser Rechtfertigungsgrund für Unterschei-
dungen nach dem Geschlecht und nach dem Alter erlangen.
Einschlägig ist er aber nur, wenn es sich bei dem betreffen-
den Merkmal um einen „bestimmenden Faktor“ handelt.
Das in Frage stehende Merkmal darf also nicht nur ein Dif-
ferenzierungskriterium unter vielen sein, sondern es muss
sich um einen maßgeblichen Faktor bei der Beurteilung der
versicherten Risiken handeln, wenn auch nicht unbedingt
um den Einzigen. Das Merkmal darf nicht willkürlich sein.
„Relevant“ und „genau“ sind hierbei nur Daten, die eine
stichhaltige Aussage über das in Frage stehende Merkmal
erlauben. Als Risikomerkmale sind ohnehin nur solche Um-
stände geeignet, die zu vertretbaren Kosten statistisch er-
fassbar sind und einen deutlichen statistischen Zusammen-
hang mit der Schadenserwartung haben (Wandt, Ge-
schlechtsabhängige Tarifierung in der privaten Krankenver-
sicherung, VersR 2004, 1341, 1432). Die Daten müssen
deshalb verlässlich sein, regelmäßig aktualisiert werden und
auch der Öffentlichkeit zugänglich sein. Insgesamt trifft die
Versicherungen damit eine gesteigerte Darlegungs- und Be-
weislast.
Hiervon macht Satz 2 entsprechend Artikel 4 der erwähnten
Richtlinie eine sozialpolitisch motivierte Ausnahme: Kos-
ten, die im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Ent-
bindung entstehen, dürfen nicht geschlechtsspezifisch in
Ansatz gebracht werden. Die Norm folgt damit insoweit
auch den Forderungen des Deutschen Bundestages, die im
Entschließungsantrag vom 30. Juni 2004 niedergelegt sind
(Bundestagsdrucksache 15/3477).
Zu § 22 (Ansprüche)
Die Vorschrift regelt Ansprüche bzw. Rechtsfolgen nach
einem Verstoß gegen das zivilrechtliche Benachteiligungs-
verbot. Soweit § 22 keine besonderen Vorschriften enthält,
gelten die einschlägigen allgemeinen Bestimmungen des
Bürgerlichen Rechts, insbesondere des Bürgerlichen Ge-
setzbuchs, denn die §§ 20 ff. sind, wenngleich sonder-
gesetzlich geregelt, Bestandteil der einheitlichen Privat-
rechtsordnung.
Absatz 1 regelt die auf Beseitigung und Unterlassung ge-
richteten Primäransprüche, Absatz 3 die Sekundäransprüche
(Ersatz materieller Schäden sowie Entschädigung für Nicht-
vermögensschäden). Absatz 2 konkretisiert den Anspruch
auf Abschluss eines Vertrages, wenn dieser bei einer Ver-
tragsverweigerung ohne Verstoß gegen das Benachteili-
gungsverbot zustande gekommen wäre. Die Absätze 4 und 5
stellen klar, dass Ansprüche aus unerlaubter Handlung un-
berührt bleiben und Vereinbarungen, die dem Benachteili-
gungsverbot widersprechen, unbeachtlich sind
Damit genügt § 22 den Anforderungen, die Artikel 15 der
Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG und Artikel 13 der
Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außer-
halb der Arbeitswelt (noch nicht erlassen, Entwurf vom

6. Oktober 2004) aufstellen: Hiernach entscheiden die Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union über die Rechtsfolgen
von Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot aus Grün-
den der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft sowie
wegen des Geschlechts. Die Sanktionen müssen hierbei
wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Diese
Anforderungen beruhen auf der Rechtsprechung des EuGH
für Beschäftigung und Beruf, wonach eine Entschädigung
im angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen
und über einen symbolischen Schadensersatz hinausgehen
muss (EuGH Rs. 14/83 vom 10. April 1984 – v. Colson u.
Kamann). Mit „Abschreckung“ ist also nicht die Forderung
nach dem „Strafcharakter“ des Schadensersatzes verbun-
den.
Die in § 22 vorgesehenen Ansprüche leisten – im Einklang
mit allgemeinen Prinzipien des Schadensersatzrechts – volle
Kompensation der entstandenen Vermögens- und Nichtver-
mögensschäden und genügen damit diesen Anforderungen:
Absatz 1 regelt, wie erwähnt, Primäransprüche auf Unter-
lassung und Beseitigung der Beeinträchtigung. Absatz 2
stellt klar, dass ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages
in Betracht kommt, sofern die Benachteiligung ursächlich
für die Vertragsverweigerung war: Das ist eine sehr ein-
schneidende „Sanktion“, die dem Benachteiligten eine
große Rechtsmacht verleiht. Die Rechtsordnung verpflichtet
den Benachteiligenden nämlich, den Vertrag dennoch zu
schließen, wenn der Benachteiligte dies verlangt. Absatz 3
schließlich garantiert die Kompensation der Vermögens-
schäden und einen angemessenen Ausgleich für Nichtver-
mögensschäden.
Zu Absatz 1
Satz 1 gibt bereits beim objektiven Verstoß gegen das Be-
nachteiligungsverbot einen Beseitigungsanspruch. Entspre-
chend allgemeiner Rechtsgrundsätze kann nach Satz 2 der
Benachteiligende bei Wiederholungsgefahr auch auf künf-
tige Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dies
kann tatsächliches Handeln betreffen und beispielsweise
darauf gerichtet sein, künftig die Verweigerung des Zugangs
zu einer Einkaufspassage zu unterlassen. In diesem Falle
muss die bevorstehende Benachteiligung konkret drohen;
ein Verdacht genügt nicht.
Zu Absatz 2
Absatz 2 trifft Sonderregelungen für den Fall, dass ein An-
spruch auf den Abschluss eines Vertrags in Betracht kommt.
Die Bestimmungen enthält Klarstellungen, die sich bereits
aus allgemeinen Prinzipien des Zivilrechts ergeben, wie
etwa das in Satz 1 formulierte Kausalitätserfordernis. Auch
der in Satz 2 geregelte Sachverhalt, wonach Leistung und
Gegenleistung hinreichend bestimmt sein müssen, ent-
spricht bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen. Nach allgemei-
nem Leistungsstörungsrecht kommt ein Anspruch auf Ver-
tragsschluss dann nicht mehr in Frage, wenn der Benachtei-
ligende inzwischen über die Sache oder das Recht verfügt
hat (§ 275 Abs. 1 BGB).
Satz 1 ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Der An-
spruch selbst hat seine Grundlage im Schadensersatzrecht
(Vertragsschluss als Naturalrestitution) bzw. ergibt sich als
quasinegatorischer Folgenbeseitigungsanspruch (Vertrags-
schluss als Beseitigung der Beeinträchtigung, siehe Pa-

Drucksache 15/4538 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

landt-Heinrichs, BGB-Kommentar, 63. Auflage 2004, An-
hang nach § 319 Rn. 20). Satz 1 stellt klar, dass in Fällen der
Vertragsverweigerung ein Anspruch auf Abschluss eines
Vertrages nur dann gegeben ist, wenn dieser ohne das diskri-
minierende Verhalten abgeschlossen worden wäre. Fehlt es
an dieser kausalen Verknüpfung, kann zwar eine Benachtei-
ligung vorliegen, die Ansprüche hinsichtlich des immateri-
ellen Schadens oder der Aufwendungen für die Anbahnung
des Zielvertrages auszulösen vermag. Aus einer solchen Be-
nachteiligung kann dem Gläubiger aber kein Anspruch auf
Abschluss eines Vertrages erwachsen. Eine Benachteiligung
in der Anbahnungsphase eines Vertrags führt also nicht „au-
tomatisch“ zum Anspruch auf Vertragsschluss.
Diese Kausalitätsprüfung wirft wenige Probleme auf, wenn
es dem Unternehmer bei diskriminierungsfreiem Handeln
nur auf den Absatz von Waren und Dienstleistungen ohne
Ansehen der Person ankommt, wie dies bei Massengeschäf-
ten i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 regelmäßig der Fall ist. Denn
hier zielt der Unternehmer i. d. R. ausschließlich auf den
reibungslosen, umsatzfördernden Absatz seiner Leistungen
ab, und er hält Waren oder andere Leistung in einer hinrei-
chenden Menge vorrätig, so dass mit jedem potentiellen
Gläubiger ein Vertrag zustande kommen kann.
Schwieriger sind diejenigen Fälle zu handhaben, bei denen
ein Anspruch auf Vertragsschluss ausscheidet, weil der
Schuldner des Benachteiligungsverbots nach dem Charakter
des Vertrages redlicherweise auf andere, nicht durch das ge-
setzliche Verbot des § 20 Abs. 1 und 2 erfasste Unterschei-
dungsmerkmale abstellen darf, wie etwa auf die Solvenz
oder auf besondere Fertigkeiten und Kenntnisse des Gläubi-
gers. Auch kommt wegen des Schutzes der Vertragsfreiheit
ein Anspruch nicht in Betracht, wenn mehrere weitgehend
gleichwertige Angebote vorliegen bzw. Interessenten bereit-
stehen, denn der potentielle Vertragspartner des Benachtei-
ligten muss sich auch bei diskriminierungsfreiem Verhalten
nicht zwangsläufig für diese Person entscheiden. Es kann
sich dann nämlich so verhalten, dass der Schuldner einen
Mitbewerber (berechtigterweise) bevorzugt oder auf einen
Vertragsschluss ganz verzichtet hätte. Insoweit liegt nach
allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast
beim Benachteiligten.
Prozessual ist der Anspruch auf Abschluss eines Vertrags
durch eineKlage auf Annahme desAntrages nach § 894 ZPO
geltend zu machen, ggf. verbunden mit der Klage auf die
Leistung (Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, 63. Auflage
2003, Rn. 22 vor § 145). Der Antrag und die hierauf gerich-
tete Klage müssen hinreichend bestimmt sein (§ 145 BGB
und § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), Satz 2 erster Halbsatz stellt
dies klar. Bei Massengeschäften bereitet diese Bestimmung
meist keine Mühe, denn der Leistungsgegenstand des
Zielvertrages (etwa die industriell gefertigte Ware oder eine
standardisierte Dienstleistung) steht fest. Sofern sich die
Leistung noch nicht hinreichend konkretisiert hat, kann im
Einzelfall die Klage auf die Abgabe eines bestimmten Ange-
botes in Betracht kommen, das dann etwa die Nebenpflichten
und Modalitäten der Leistung konkretisiert (siehe hierzu
Bundesgerichtshof NJW 1986, S. 2822).
Satz 2 zweiter Halbsatz regelt, wie die Gegenleistung des
Zielvertrages zu bestimmen ist, sofern diese Zweifeln unter-
liegt. Bei vielen Alltagsgeschäften ist die typischerweise als
Geldschuld zu erbringende Gegenleistung ohne Schwierig-

keiten zu ermitteln, weil die andere Partei die standardisierte
Leistung auf Grund öffentlicher Preisangaben oder nach
Listenpreisen vertreibt. Ansonsten verbleibt ihm nach § 316
BGB das Leistungsbestimmungsrecht; es besteht kein An-
lass, über den gesetzlichen Kontrahierungszwang hinaus
dem Benachteiligenden auch die Vertragsgestaltungsfreiheit
zu nehmen. Allerdings unterliegt diese Befugnis nach § 315
Abs. 3 Satz 1 BGB einer Billigkeitskontrolle, weil ansons-
ten die Gefahr bestünde, den Zielvertrag durch unbillige
Forderungen nach Gegenleistung (etwa prohibitiv wirkende
Preise) im Ergebnis wieder zu vereiteln. In diesem Fall oder
bei verzögerter Bestimmung entscheidet nach § 315 Abs. 3
Satz 2 BGB das Gericht (zu diesem Regelungsmodell Bu-
sche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999,
S. 251 ff.).

Zu Absatz 3
Absatz 3 regelt die Verpflichtung des Benachteiligten, bei
einem Verstoß den Vermögensschaden zu ersetzen bzw. eine
angemessene Entschädigung für die Beeinträchtigung zu
leisten, die nicht Vermögensschaden ist.
Satz 1 und 2 entsprechen strukturell § 280 Abs. 1 Satz 1
und 2 BGB: Satz 1 legt den Grundsatz fest, wonach jede
schuldhafte Benachteiligung die Verpflichtung zum Ersatz
des hierdurch verursachten Vermögensschadens mit sich
bringt. Weigert sich etwa ein Taxiunternehmer, einen Fahr-
gast wegen seiner ethnischen Herkunft zu befördern, und
entgeht dem Benachteiligten hierdurch ein Geschäft, weil er
einen entsprechenden Termin nicht einzuhalten vermag, so
ist dieser Vermögensschaden nach § 22 Abs. 3 Satz 1 zu er-
setzen. Verlangt der Benachteiligte Schadensersatz wegen
Verzögerung der Leistung oder Schadensersatz statt der
Leistung, so kommen die allgemeinen Vorschriften zur
Anwendung (§ 280 Abs. 3 BGB i. V. m. §§ 281 ff. BGB).
Steht die Benachteiligung fest, ggf. unter Berufung auf die
Beweiserleichterung nach § 23, so trägt nach Satz 2 die an-
dere Partei die Beweislast dafür, dass sie die Benachteili-
gung nicht zu vertreten hat. Dieser Entlastungsbeweis wird
bei der ummittelbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 1) kaum
praktisch werden, weil hier in der Regel vorsätzliches und
damit schuldhaftes Handeln gegeben sein wird. Bei der mit-
telbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 2) kommt eine entspre-
chende Beweisführung allerdings dann in Betracht, wenn
der Tatbestand erfüllt ist, für die andere Partei aber auch bei
der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar war, dass die schein-
bar neutralen Maßnahmen im Ergebnis zu einer nicht ge-
rechtfertigten Benachteiligung führen. Unberührt bleiben
hiervon Ansprüche nach Absatz 1, weil diese nicht von ei-
nem Verschulden abhängig sind.
Satz 3 regelt im Hinblick auf § 253 Abs. 1 BGB den Ersatz
des durch die Benachteiligung eingetretenen immateriellen
Schadens: Der Benachteiligte kann hiernach i. V. m. Satz 1
von dem Benachteiligenden auch für diesen Schaden eine
angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Für die Geldentschädigung, die die Rechtsprechung (BGHZ
35, 363, 367 f.; 39, 124, 130 ff.; 128, 1, 15) bei Verletzun-
gen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus dem Schutz-
auftrag der Artikel 1 und 2 GG gewährt, steht der Gesichts-
punkt der Genugtuung regelmäßig im Vordergrund (BGH
NJW 1996, 984, 985; NJW 1996, 985, 987). Auch für den

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/4538

spezialgesetzlichen Geldentschädigungsanspruch nach § 22
Abs. 3 Satz 1 und 3 wegen der in der Benachteiligung
liegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt hierin der
maßgebliche Entschädigungszweck. An ihm ist daher auch
vordringlich die Bemessung der Geldentschädigung nach
Absatz 3 Satz 1 und 3 auszurichten.
Angemessen ist die Entschädigung, wenn sie dem Benach-
teiligten Genugtuung für die durch die Benachteiligung zu-
gefügte Herabsetzung oder Zurücksetzung verschaffen
kann. Zur weiteren Konkretisierung können die Grundsätze
des Geldentschädigungsanspruchs bei Verletzungen des all-
gemeinen Persönlichkeitsrechts herangezogen werden.
Hiernach ist zu berücksichtigen, dass der Geldentschädi-
gungsanspruch bei Verletzungen des allgemeinen Persön-
lichkeitsrechts nur schwerwiegende und anderweitig nicht
auszugleichende Persönlichkeitsrechtsverletzungen kom-
pensiert und für die Bemessung der Entschädigungshöhe die
Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung erheblich ist
(BGH NJW 1996, 984, 985; Palandt-Sprau, BGB-Kommen-
tar, 63. Auflage 2004, § 823 Rn. 124). Das Verweisen auf
einen lediglich symbolischen Schadensersatz wäre unzuläs-
sig und entspräche auch nicht den Anforderungen der Richt-
linie, die wirksame, verhältnismäßige und abschreckende
Sanktionen verlangt.
Zu Absatz 4
Absatz 4 stellt klar, dass Ansprüche aus unerlaubter Hand-
lung unberührt bleiben. Insoweit kann eine Anspruchskon-
kurrenz bestehen, etwa dann, wenn mit der Benachteiligung
eine Beleidigung (§ 185 StGB) verbunden ist, was Ansprü-
che nach § 823 Abs. 2 BGB auslösen kann. Der Benachtei-
ligte sich allerdings meist auf die in diesem Abschnitt gere-
gelten Anspruchsgrundlagen berufen, weil er sich insoweit
auf die in § 23 geregelte Beweiserleichterung stützen kann.
Zu Absatz 5
Absatz 5 stellt im Hinblick auf einzelne diskriminierende
Vertragsabreden klar, dass sich der Schuldner auf eine Ver-
einbarung nicht berufen kann, die zum Nachteil des Gläubi-
gers von dem Benachteiligungsverbot abweicht. Dies ent-
spricht der neuen gesetzlichen Regelungstechnik nach der
Schuldrechtsmodernisierung (z. B. § 475 Abs. 1 BGB),
schließt § 139 BGB insoweit aus und erhält das Schuldver-
hältnis im Übrigen, denn mit einer Rückabwicklung des
Vertrags wäre dem Benachteiligten oftmals nicht geholfen.
Im Übrigen verbleibt es dabei, dass insbesondere einseitige
Rechtsgeschäfte, die gegen das gesetzliche Benachteili-
gungsverbot verstoßen, nach § 134 BGB grundsätzlich
nichtig sind, beispielsweise Kündigungen, die ausgespro-
chen werden, um aus den in § 1 genannten Gründen zu dis-
kriminieren.
Zu Abschnitt 4 (Rechtsschutz)
Zu § 23 (Beweislast)
Die Vorschrift regelt die Grundsätze der Beweislast in den
Fällen unterschiedlicher Behandlung. Sie ist § 611a Abs. 1
Satz 3 BGB nachgebildet und erfüllt die Vorgaben der Be-
weislastrichtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember
1997. Die Vorschrift setzt Artikel 8 der Richtlinie 2000/43/
EG und Artikel 10 der Richtlinie 2000/78/EG um.

Auch nach den Grundsätzen des europäischen Rechts trägt
derjenige, der sich auf eine Benachteiligung beruft, in einem
Rechtsstreit die Beweislast für diese anspruchsbegründende
Tatsache. Wenn er aber dem ersten Anschein nach diskrimi-
niert ist und auf Grund der spezifischen Situation kein wirk-
samesMittel hätte, um seineRechte durchzusetzen, kehrt sich
die Beweislast um (so auch schon vor Erlass der Beweis-
lastrichtlinie EuGH Rs. C-127/92 vom 27. Oktober 1993 –
Enderby). Es entspricht ebenso den Grundsätzen des deut-
schen Prozessrechts, die Anforderungen an die Darlegungs-
und Beweislast danach zu bestimmen, im Einflussbereich
welcher Partei sich bestimmte Vorgänge ereignet haben.
Der Kläger muss daher nach den allgemeinen Grundsätzen
zunächst den Vollbeweis führen, dass er gegenüber einer an-
deren Person ungünstig behandelt worden ist. Weiter muss er
sog. Vermutungstatsachen vortragen, aus denen sich schlie-
ßen lässt, dass diese unterschiedliche Behandlung auf einem
nach § 1 unzulässigen Grund beruht. Welche Anforderungen
daran im Einzelfall zu stellen sind, können nur die Gerichte
unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 138 ZPO beur-
teilen. Danach sind einerseits Erklärungen „ins Blaue hinein“
unzulässig, andererseits ist zu beachten, welche Informatio-
nen einer Prozesspartei überhaupt zugänglich sind. Ein
tatsächlicher Anhaltspunkt kann sich etwa aus einer nicht
geschlechtsneutralen Stellenausschreibung (§ 10) ergeben.
Auch die Ergebnisse von Statistiken oder so genannten Tes-
ting-Verfahren können im Rahmen der richterlichen Würdi-
gung des Sachverhalts einen tatsächlichen Anhaltspunkt
darstellen. Bei Testing-Verfahren wird z. B. eine Vergleichs-
person eingesetzt, um zu überprüfen, ob ein Verhalten ge-
genüber einer Person, bei der eines der in § 1 genannten
Merkmale vorliegt, gleichermaßen auch gegenüber der
Vergleichsperson, bei der dies nicht der Fall ist, erfolgt. Der
Beklagte hat dazu gemäß § 138 ZPO konkret Stellung zu
nehmen. Soweit einzelne Tatsachen nicht – ausreichend –
bestritten werden, kommt es auf Beweisfragen nicht an.
Bleiben Vermutungstatsachen streitig, hat der Kläger sie mit
den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Beweismit-
teln nachzuweisen. Die Anforderungen an das Beweismaß
werden dabei jedoch abgesenkt. Es genügt, wenn das Ge-
richt ihr Vorliegen für überwiegend wahrscheinlich hält
(siehe zur Auslegung des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB BAG
Urteil vom 5. Februar 2004 – 8AZR 112/03, NJW 2004,
2112). Stehen dem Kläger dabei keine anderen Beweismit-
tel, insbesondere Zeugen zur Verfügung, hat das Gericht alle
zulässigen Möglichkeiten der Anhörung (§ 141 ZPO) und
Vernehmung (§ 448 ZPO) des Klägers auszunutzen (BAG
Urteil vom 6. Dezember 2001 – 2 AZR 396/00, AP zu § 286
ZPO Nr. 33; BGH Urteil vom 16. Juli 1998 – 1 ZR 32/96,
NJW 1999 S. 363). Ist danach eine unzulässige Motivation
der unterschiedlichen Behandlung zu vermuten, trägt der
Beklagte die volle Beweislast dafür, dass doch kein Verstoß
gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt. Das betrifft vor
allem das Vorliegen rechtfertigender Gründe. Im Falle einer
Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt regelmäßig
keine Rechtfertigung in Betracht. Ein nachträglich vorge-
brachter Grund ist nur dann geeignet, die unterschiedliche
Behandlung zu rechtfertigen, wenn besondere Umstände er-
kennen lassen, dass dieser Grund nicht nur vorgeschoben
ist (Bundesverfassungsgericht vom 16. November 1993,
Az. 1 BvR 258/86).

Drucksache 15/4538 – 46 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zu § 24 (Unterstützung durch Antidiskriminierungsver-
bände)

Die Vorschrift regelt die Mitwirkungsbefugnisse von Ver-
bänden, die sich die Bekämpfung von Benachteiligungen
zur Aufgabe gemacht haben. Sie setzt zugleich die Maßga-
ben der Richtlinien um, wonach Verbände, Organisationen
oder andere juristische Personen, die gemäß den in ihrem
einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmä-
ßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestim-
mungen dieser Richtlinie zu sorgen, sich entweder im Na-
men der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung
und mit deren Einwilligung an den in dieser Richtlinie zur
Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichts- und/
oder Verwaltungsverfahren beteiligen können (Artikel 7
Abs. 2 Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 9
Abs. 2 Rahmen-Richtlinie Beschäftigung 2000/78/EG, Ar-
tikel 6 Abs. 3 der revidierten Gleichbehandlungsrichtlinie
wegen des Geschlechts 2002/73/EG, Artikel 7 Abs. 3 der
Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außer-
halb der Arbeitswelt [noch nicht erlassen, Entwurf vom
6. Oktober 2004]). Damit stellt das Gesetz ein weiteres In-
strument zur effektiven Durchsetzung des Gleichbehand-
lungsgrundsatzes zur Verfügung, das die individualrecht-
lichen Ansprüche (§§ 15, 22) und die Tätigkeit der Antidis-
kriminierungsstelle (§§ 27 ff.) ergänzt.
Zu Absatz 1
Absatz 1 Satz 1 enthält eine Legaldefinition der Antidiskri-
minierungsverbände. Es muss sich um Personenzusammen-
schlüsse handeln, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur
vorübergehend die besonderen Interessen benachteiligter
Personen oder Personengruppen wahrnehmen. Denkbar sind
etwa Vereine, die sich um die besonderen Interessen von
Migrantinnen und Migranten kümmern, aber auch Ver-
bände, die sich spezifisch für die Rechte von Frauen oder
Männern, für die besonderen Interessen älterer Menschen,
für Menschen mit Behinderungen oder für gleichgeschlecht-
liche Lebensweisen engagieren. Wegen der Auslegung der
Tatbestandsmerkmale „nicht gewerbsmäßig“ und „nicht nur
vorübergehend“ kann auf § 4 Abs. 2 Unterlassungsklagen-
gesetz (UKlaG) zurückgegriffen werden.
Satz 2 regelt, unter welchen Voraussetzungen den in Satz 1
bezeichneten Verbänden die besonderen Befugnisse nach
den Absätzen 2 bis 4 zustehen. Wegen der großen Hetero-
genität der in Betracht kommenden Verbände ist es nicht
zweckmäßig, ein zentrales Anerkennungsverfahren zu re-
geln, wie dies beispielsweise im Verbraucherschutz mit dem
Listenverfahren nach § 4 UKlaG oder mit dem Anerken-
nungsverfahren nach § 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Gleich-
stellung behinderter Menschen geschehen ist. Das Gesetz
knüpft vielmehr an die Größe des Personenzusammen-
schlusses an und verlangt mindestens 75 Mitglieder oder
aber bei Dachverbänden die Mitgliedschaft von sieben Ver-
bänden. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Anwen-
dungsbereich der Absätze 2 bis 4 nach Maßgabe der jeweili-
gen Verfahrensordnungen von dem jeweils zuständigen Ge-
richt zu prüfen.
Zu Absatz 2
Absatz 2 regelt die Befugnis, bei Verfahren ohne Anwalts-
zwang als Bevollmächtigte oder Beistände Benachteiligter

in der Verhandlung aufzutreten. Die Bestimmung gilt nicht
für das Strafverfahren und lässt die Vorschriften der Verfah-
rensordnungen unberührt, nach denen ungeeigneten Vertre-
tern bzw. Beiständen der weitere Vortrag untersagt werden
kann. Für den Zivilprozess bedeutet dies beispielsweise,
dass ein Verband, der die Voraussetzungen des Absatzes 1
erfüllt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsge-
richt als Bevollmächtigter (§ 79 ZPO) oder als Beistand
(§ 90 ZPO) auftreten kann, also nicht gemäß § 157 Abs. 1
ZPO ausgeschlossen ist. Das Gericht kann aber nach § 157
Abs. 2 ZPO den weiteren Vortrag untersagen, wenn sich
herausstellt, dass der Verband zu einem geeigneten Vortrag
nicht in der Lage ist.
Zu Absatz 3
Nach Absatz 3 sind Antidiskriminierungsverbände vom
Verbot der außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsbera-
tung freigestellt. Die Bestimmung könnte nach der derzeit
noch geltenden Rechtslage auch in das Rechtsberatungsge-
setz eingefügt werden. Im Vorgriff auf die bevorstehende
Reform (siehe Diskussionsentwurf des Bundesministeri-
ums der Justiz für ein Rechtsdienstleistungsgesetz, abrufbar
unter www.bmj.bund.de/Gesetzentwürfe/Rechtsdienstleis-
tung) wird die Befugnis der Antidiskriminierungsverbände
im Zusammenhang mit der jeweiligen Fachmaterie geregelt.
Zu Absatz 4
Absatz 4 Satz 1 stellt klar, dass auf Schadensersatz oder Ent-
schädigung in Geld gerichtete Forderungen (§§ 15, 22) ab-
getreten werden können. Dies hat folgenden Hintergrund:
Der Diskriminierungsschutz ist weitgehend dem Schutz des
Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuzuordnen. Im Rahmen
des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind die bisher gel-
tenden Grundsätze zur (Nicht-) Übertragbarkeit von höchst-
persönlichen Ansprüchen durch die „Marlene Dietrich“-Ent-
scheidung des Bundesgerichtshofs in Bewegung geraten
(BGH NJW 2000, 2195 ff.). Der Bundesgerichtshof hat ent-
schieden, dass die vermögenswerten Bestandteile des Per-
sönlichkeitsrechts nach dem Tode seines Trägers fortbeste-
hen und durch die Erben geltend gemacht werden können,
während die ideellen Interessen unauflöslich an die Person
ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte
unverzichtbar und unveräußerlich sind. Die höchstrichter-
liche Klärung weiterer Einzelheiten steht noch aus.
Die Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 1 und § 22
Abs. 3 Satz 3, deren Abtretungsbefugnis durch Absatz 4
Satz 1 klargestellt wird, betreffen nicht die eigentlichen Per-
sönlichkeitsrechte. Es handelt sich vielmehr um aus einer
Verletzung dieser Rechte bereits entstandene, auf eine Geld-
forderung gerichtete Ansprüche. Die Abtretbarkeit solcher
bereits entstandenen Ansprüche ist für den Ersatz des imma-
teriellen Schadens nach einer Körperverletzung bereits nach
geltendem Recht gewährleistet: Der hier bestehende
Schmerzensgeldanspruch ist ohne weiteres abtretbar. Auch
beim Schmerzensgeld nach einer Körperverletzung handelt
es sich – ebenso wie beim Entschädigungsanspruch wegen
Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – um
einen Ersatzanspruch aus der Verletzung eines höchstper-
sönlichen Rechts. In Teilen des juristischen Schrifttums
wird die Übertragbarkeit bereits entstandener Ansprüche
auf Geldentschädigung wegen Verletzungen des Allgemei-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47 – Drucksache 15/4538

nen Persönlichkeitsrechts deshalb bereits nach bestehender
Rechtslage bejaht (Rixecker, in MüKo, Anh. § 12, Rn. 223;
so wohl auch Erman-Ehmann, BGB, Anh. § 12 Rn. 834;
a. A. Burckhardt, in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bild-
berichterstattung, Rn. 14/140). Vor diesem Hintergrund
stellt Absatz 4 Satz 1 die Abtretbarkeit der Schadensersatz-
und Entschädigungsansprüche nach diesem Gesetz noch-
mals ausdrücklich klar.
Satz 2 erlaubt es, die in Satz 1 bezeichneten Ansprüche zum
Zwecke der gerichtlichen und außergerichtlichen Einzie-
hung an Antidiskriminierungsverbände abzutreten.
Zu Absatz 5
Absatz 5 stellt klar, dass besondere Klagerechte und Vertre-
tungsbefugnisse von Verbänden zu Gunsten von Menschen
mit Behinderungen unberührt bleiben, etwa die in § 63
SGB IX geregelte Prozessstandschaft.
Neben den in Absatz 2 bis 4 geregelten Rechten haben Anti-
diskriminierungsverbände schon nach geltendem Recht
weitere Möglichkeiten, sich aktiv für die Belange Benach-
teiligter einzusetzen.
So ist es allgemein üblich, dass Verbände mit spezialisierten
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zusammenarbei-
ten. Diese verfügen dann wegen ihres ständigen Kontakts
mit der Verbandsarbeit über ein besonderes Fachwissen.
Diese Anwälte können Benachteiligte in gerichtlichen Ver-
fahren mit Anwaltszwang vertreten. Der Antidiskriminie-
rungsverband kann auch in diesen Verfahren Kontakt mit
dem Benachteiligten und seinem Anwalt halten und Rat-
schläge für die Prozessführung geben. Das prozessuale Ge-
bot, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen, hindert
also nicht die faktische Mitwirkung der Antidiskriminie-
rungsverbände auch in diesen Verfahren.
Darüber hinaus können Verbände Verstöße gegen zivilrecht-
liche Benachteiligungsverbote auch nach dem Unterlas-
sungsklagengesetz (UKlaG) und dem Gesetz gegen den un-
lauteren Wettbewerb (UWG) verfolgen:
Nach § 1 UKlaG besteht ein Unterlassungsanspruch, wenn
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die
gegen die AGB-Regelung des BGB verstoßen, verwandt
werden. Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Klage
aber auch auf die Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen
ein gesetzliches Verbot oder gegen zwingendes Recht ge-
stützt werden. Bei Geschäftsbedingungen, die gegen das
Antidiskriminierungsgesetz verstoßen würden, wäre damit
ein Unterlassungsklage- und Widerrufsanspruch gemäß § 1
UKlaG gegeben, weil ein Verstoß gegen die gesetzlichen
Bestimmungen diese Klauseln unwirksam macht.
Dieser Anspruch kann gemäß § 3 Abs. 1 UKlaG u. a. gel-
tend gemacht werden von qualifizierten Einrichtungen, die
nachweisen, dass sie in die Liste qualifizierter Einrichtun-
gen eingetragen sind. In die beim Bundesverwaltungsamt
geführte Liste qualifizierter Einrichtungen können gemäß
§ 4 UKlaG u. a. eingetragen werden rechtsfähige Vereine,
zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interes-
sen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht
gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzuneh-
men, wenn sie in diesem Aufgabenbereich tätige Verbände
oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder
haben, seit mindestens einem Jahr bestehen und auf Grund

ihrer bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine sachgerechte
Aufgabenerfüllung bieten.
Die Aufklärung und Beratung von Verbrauchern muss zwar
satzungsgemäße Aufgabe sein, es muss aber nicht das ein-
zige Tätigkeitsfeld des Vereins sein. Andererseits darf es sich
auch nicht um völlig untergeordnete Nebenaufgaben han-
deln. Derzeit werden z. B. Hausfrauenverbände, die neben
ihren eigentlichen Aufgaben auch Verbraucherinteressen mit
vertreten, nicht unter die klagebefugten Stellen gezählt, wäh-
rend die Klagebefugnis z. B. für den ADAC bejaht wurde.
Dass die Verbände neben der Wahrnehmung von Verbrau-
cherinteressen auch z. B. Ziele im politischen Raum verfol-
gen, ist unschädlich (Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wett-
bewerbsrecht, 23. Auflage 2004, Rn. 3.56 zu § 8 UWG).
Antidiskriminierungsverbände werden die Voraussetzung
für die Eintragung in die Liste der qualifizierten Einrichtun-
gen erfüllen, wenn sie aktiv die Aufklärung und Beratung
der von Ihnen vertretenen Personenkreise im Hinblick auf
den Verbraucherschutz betreiben.
Für die Klagebefugnis nach UWG ergibt sich letztlich nichts
anderes: Auch hier können qualifizierte Einrichtungen
Rechtsverstöße im Verbraucherinteresse geltend machen.
Im Übrigen eröffnet das UWG Mitbewerbern, Wettbe-
werbsverbänden sowie Industrie- und Handelskammern die
Möglichkeit, gegen Rechtsverstöße vorzugehen, die das
Marktverhalten regeln sollen.
Zu Abschnitt 5 (Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche

Dienstverhältnisse)
Zu § 25 (Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche

Dienstverhältnisse)
Zu Nummer 1
Die Regelung bezieht die Beamtinnen und Beamten des
Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeinde-
verbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder
eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und
Stiftungen des öffentlichen Rechts in den Anwendungs-
bereich des ADG ein. Dies ist erforderlich, weil die
EU-Gleichbehandlungsrichtlinien auch die Beamtinnen und
Beamten erfassen. Die Einbeziehung der Beschäftigten-
gruppe der Beamten muss aber unter Berücksichtigung ihrer
besonderen Rechtsstellung erfolgen. Insbesondere gilt das
Leistungsverweigerungsrecht (§ 14) für die Beschäftigten
des öffentlichen Dienstes nicht, soweit im Einzelfall dienst-
liche Belange entgegenstehen. Eine solche Einschränkung
ist wegen der sachgerechten und kontinuierlichen Erfüllung
öffentlicher Aufgaben mit Blick auf die Gemeinwohlver-
pflichtung des öffentlichen Dienstes notwendig.
Zu Nummer 2
Nummer 2 enthält eine Nummer 1 entsprechende Sonder-
regelung für Richterinnen und Richter.
Zu Abschnitt 6 (Antidiskriminierungsstelle)
Zu § 26 (Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
Zu Absatz 1
Nach Absatz 1 wird eine Antidiskriminierungsstelle errich-
tet und dem Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zugeordnet.

Drucksache 15/4538 – 48 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Zuständigkeit umfasst den Geltungsbereich der drei
EU-Antidiskriminierungsrichtlinien 2000/43/EG, 2000/78/
EG und 76/207/EWG und erstreckt sich auf die Diskriminie-
rungsmerkmale Rasse oder ethnische Herkunft, Geschlecht,
Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und se-
xuelle Identität. Hintergrund dafür ist, dass im Mittelpunkt
der Beratung stehen wird, die Betroffenen hinsichtlich ihrer
neuen Rechte aufzuklären und sie bei der Verfolgung dieser
Rechte zu unterstützen. Neue Rechte ergeben sich hinsicht-
lich dieser Diskriminierungsmerkmale aus den in den Ab-
schnitten 2, 3 und 4 dieses Gesetzes enthaltenen Regelungen
zum Schutz vor Benachteiligungen in Beschäftigung und
Beruf sowie im Zivilrechtsverkehr und zum Rechtsschutz.
Die Vorschrift regelt des Weiteren die ressortmäßige Zuord-
nung der Stelle. Darüber hinaus stellt sie – wie auch die Re-
gelungen in § 28Abs. 2, 3 und 4 klar, dass ihre Errichtung die
Zuständigkeiten anderer Beauftragter des Deutschen Bun-
destages oder der Bundesregierung unberührt lässt. Damit
sollen bürokratischer Mehraufwand, Aufgabenüberschnei-
dungen und Doppelzuständigkeiten vermieden werden.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift gibt der Antidiskriminierungsstelle des Bun-
des Anspruch auf die für die Erfüllung ihrer Aufgaben not-
wendige Personal- und Sachausstattung, die in einem eige-
nen Kapitel auszuweisen ist.
Zu § 27 (Rechtsstellung der Leitung der Antidiskriminie-

rungsstelle des Bundes)
Zu Absatz 1
Absatz 1 Satz 1 regelt die Ernennung der Leitung der Anti-
diskriminierungsstelle des Bundes durch den Bundespräsi-
denten. Satz 2 sieht vor, dass die Leitung der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes in einem öffentlich-rechtlichen
Amtsverhältnis zum Bund steht. Die Ausgestaltung als
öffentlich-rechtliches Amt trägt der Regelung in Satz 3 zur
Stellung der Leitung Rechnung, die vorsieht, dass diese un-
abhängig in Ausübung ihres Amtes und nur dem Gesetz un-
terworfen ist. Ihre Rechtsstellung entspricht damit den Vor-
gaben aus Artikel 13 der Richtlinie 2000/43/EG und Artikel
8a der Richtlinie 76/207/EWG. Durch diese Unabhängigkeit
soll eine hohe Akzeptanz der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes bei den von Diskriminierung Betroffenen ermöglicht
werden. Diese werden sichmit ihren häufig persönlichen und
existenziellen Problemen bevorzugt an eine Stelle wenden,
die die Gewähr für eine unabhängige Unterstützung bietet.
Zu Absatz 2
Absatz 2 regelt den Beginn des Amtsverhältnisses und die
Eidesleistung nach Artikel 56 des Grundgesetzes.
Zu Absatz 3
Absatz 3 benennt die Fälle der Beendigung des Amtsverhält-
nisses. Die in Nummer 1 enthaltene Regelung entspricht den
Regelungen der Amtszeit der Beauftragten der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration (§ 91a
Abs. 4 AuslG) und der oder des Beauftragten der Bundes-
regierung für die Belange behinderterMenschen (§ 14Abs. 3
des Behindertengleichstellungsgesetzes). Nach Absatz 3
Satz 1 Nr. 2 und 3 endet das Amtsverhältnis außer durch Tod

außerdem mit Erreichen der Altergrenze nach § 41 Abs. 1
des Bundesbeamtengesetz sowie mit der Entlassung. Eine
Entlassung erfolgt nach Satz 2 auf Verlangen der Leitung der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder in den Fällen,
die bei einer Richterin oder einem Richter auf Lebenszeit
eine solche rechtfertigen. Die Sätze 3 und 4 regeln die Mo-
dalitäten der Beendigung des Amtsverhältnisses.
Zu Absatz 4
Absatz 4 sieht die Regelung des Rechtsverhältnisses der Lei-
tung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch Ver-
trag mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend vor, der der Zustimmung der Bundesre-
gierung bedarf. Inhalt des Vertrages werden neben Regelun-
gen zur Bezahlung und Versorgung insbesondere solche be-
treffend Nebentätigkeiten, Annahme von Belohnungen und
Geschenken, Amtsverschwiegenheit, Aussagegenehmigung,
Vertretungsfragen und der Dienst- und Rechtsaufsicht sein.
Zu Absatz 5
Die Vorschrift enthält Regelungen für den Fall, dass eine
Bundesbeamtin oder ein Bundesbeamter zur Leitung der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes ernannt wird.
Nach Satz 1 scheidet er oder sie aus dem bisherigen Amt
aus, wobei nach Satz 2 und 3 abgesehen von dort bestimm-
ten Ausnahmen für die Dauer des Amtsverhältnisses die
Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis ruhen.
Zu § 28 (Aufgaben)
Zu Absatz 1
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll allen, die
der Ansicht sind, wegen eines der in den EU-Antidiskrimi-
nierungsrichtlinien genannten Merkmals benachteiligt wor-
den zu sein, als Anlaufstelle dienen. Zur bestmöglichen Er-
reichung des jeweils in Artikel 1 der Richtlinien 2002/73/
EG, 2000/43/EG und 76/207/EWG verankerten Zwecks der
Bekämpfung von Benachteiligungen soll den Betroffenen
eine möglichst einfach zu erreichende Unterstützung zur
Verfügung gestellt werden.
Die Inanspruchnahme der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes ist voraussetzungsfrei und insbesondere nicht davon
abhängig, ob die (vermeintliche) Benachteiligung einen Le-
benssachbereich betrifft, in dem Ungleichbehandlungen
auch gesetzlich untersagt sind. Anrufungsberechtigt ist jede
Person, die meint, aus Gründen der Rasse oder wegen der
ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der se-
xuellen Identität benachteiligt worden zu sein. Ausreichend
ist, dass die Betroffenen einen als benachteiligend empfun-
denen Sachverhalt vorbringen. Die Anrufung kann formlos,
mündlich, telefonisch, schriftlich oder auf elektronischem
Weg erfolgen. Sie ist an keine Frist gebunden.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift regelt die Behandlung von Anrufungen durch
Personen, die sich benachteiligt fühlen. NachAbsatz 2 Satz 1
hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Unter-
stützungsfunktion für diese Personen hinsichtlich der Durch-
setzung ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/4538

Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 konkretisieren diese Unterstüt-
zungsaufgabe beispielhaft und im Einzelnen. Absatz 2 Satz 2
Nr. 1 sieht eine Unterstützung in Form von Informationen
über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen Vor-
gehens im Rahmen gesetzlicher Regelungen zum Schutz vor
Benachteiligungen vor. Die Antidiskriminierungsstelle kann
hiernach Personen, die sie nach Absatz 1 angerufen haben,
allgemein und umfassend über etwaige Ansprüche undMög-
lichkeiten der Rechtsdurchsetzung informieren.
Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 gibt der Stelle die Möglichkeit, eine
Beratung auch durch andere Stellen zu vermitteln. Damit ist
gewährleistet, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bun-
des den Personen, die sich an sie gewandt haben, über die in
Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 vorgesehenen allgemeinen Informa-
tionen hinaus gezielte und gegebenenfalls auch einzelfall-
bezogenen Beratung zugänglich machen kann.
Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 sieht vor, dass die Antidiskriminie-
rungsstelle des Bundes eine gütliche Beilegung zwischen
den Beteiligten anstreben kann, wobei der Beteiligtenbegriff
nicht im Sinne bestehender Verfahrensordnungen zu verste-
hen ist, sondern zum einen die Person umfasst, die sich nach
§ 28 Abs. 1 an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
gewandt hat, und zum anderen die Person, gegen die ein Be-
nachteiligungsvorwurf erhoben wird. Die vorgesehene
Möglichkeit einer einvernehmlichen Konfliktbereinigung
liegt im Interesse dieser Beteiligten. Insbesondere die Opfer
von Benachteiligungen empfinden die gerichtlichen Aus-
einandersetzungen oftmals als belastend. Eine konkrete und
praktische Verbesserung ihrer Situation durch eine fortan
benachteiligungsfreie Behandlung ist ihnen wichtiger als
ein möglicherweise langwieriger Rechtsstreit mit unsiche-
rem Ausgang. Dies belegen beispielsweise Untersuchungen
zum Beschäftigtenschutzgesetz (Pflüger/Baer, Das Beschäf-
tigtenschutzgesetz in der Praxis, www.bmfsfj.de). Ob und
inwieweit die Antidiskriminierungsstelle des Bundes von
der hier eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, wird
von den Umständen des Einzelfalles abhängen, insbeson-
dere vom Ausmaß der Dialog- und Kooperationsbereit-
schaft der Beteiligten. Hierbei ist die in § 29 Abs. 1 vorge-
sehene Möglichkeit, die Beteiligten um Stellungnahmen zu
ersuchen, für die Stelle ein wichtiges Instrument, um die
Chancen der gütlichen Beilegung eines Falles abschätzen
und gegebenenfalls ausschöpfen zu können.
Nach Satz 3 hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
auch die Aufgabe, Anliegen Betroffener an andere, entspre-
chend beratend oder unterstützend tätige Stellen des Bun-
des, der Länder oder Kommunen weiter zu leiten. Auf Bun-
desebene ist dies hinsichtlich der Merkmale Rasse oder eth-
nischen Herkunft sowie Religion und Weltanschauung, so-
weit Personen mit Migrationshintergrund betroffen sind, die
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge
und Integration sowie der Beauftragte der Bundesregierung
für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten; hinsicht-
lich des Merkmals Behinderung der Beauftragte der Bun-
desregierung für die Belange behinderter Menschen. Als
entsprechend tätige Stellen der Länder oder Kommunen
kommen beispielsweise Landesministerien, kommunale
Gleichstellungsbeauftragte, Ausländer- oder Bürgerbeauf-
tragte in Betracht.
Durch die Vorschrift wird sichergestellt, dass die bestehen-
den Stellen ihre bewährte und erfolgreiche Arbeit in ge-

wohnter Weise fortsetzen können. Es wird bewusst nicht auf
die rechtliche Zuständigkeit abgestellt, sondern auf die tat-
sächliche Aufgabenwahrnehmung. Vielfach nehmen die
Stellen ihre Aufgaben in umfassender Weise wahr, wie z. B.
die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration, die sich auch für Eingebürgerte ein-
setzt und sich gegen Antisemitismus oder für die Integration
des Islam engagiert. Durch das Abstellen auf die tatsächli-
che Tätigkeit bleiben solche gewachsenen Strukturen erhal-
ten und werden fortentwickelt, da die Beauftragten auch auf
die Instrumente zur Bekämpfung von Diskriminierungen
zugreifen können, die Absatz 2 und 3 zur Verfügung stellen.
Zugleich wird bürokratischer Aufwand, etwa durch Mehr-
fachbearbeitungen von Anliegen, vermieden. Im Interesse
der Betroffenen an einer schnellen Beilegung hat die Wei-
terleitung solcher Anliegen unverzüglich zu erfolgen.
Zu Absatz 3
Absatz 3 regelt weitere Aufgaben der Antidiskriminierungs-
stelle des Bundes, soweit nicht die Tätigkeitsbereiche (vgl.
Begründung zu Absatz 2) der Beauftragten der Bundesre-
gierung oder des Deutschen Bundestages berührt sind. Die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann ihre Aufgaben
nur dann effektiv erfüllen, wenn sie den von Benachteili-
gung Betroffenen bekannt ist und diese sich an sie wenden
können. Deshalb sieht Satz 1 Nr. 1 vor, dass sie Öffentlich-
keitsarbeit leistet. Diese wird besonders in der ersten Zeit
nach ihrer Errichtung zunächst ihre Bekanntmachung be-
treffen und in der Folgezeit zunehmend der Information
über ihre Aufgaben und Tätigkeit sowie über Rechte der Be-
troffenen und deren Durchsetzungsmöglichkeiten dienen.
Dadurch wird in Umsetzung der Artikel 10 der Richtlinie
2000/43/EG, Artikel 8 der Richtlinie 76/207/EWG und Ar-
tikel 12 der Richtlinie 2000/78/EG dafür Sorge getragen,
dass die nach diesen Richtlinien getroffenen Maßnahmen
allen Betroffenen bekannt gemacht werden.
Daneben werden Maßnahmen zur Prävention von Benach-
teiligungen eine wichtige Rolle spielen, die als Aufgabe der
Antidiskriminierungsstelle in Satz 1 Nr. 2 geregelt sind.
Der jeweils in Artikel 1 der Richtlinien 76/207/EWG,
2000/43/EG und 2000/78/EG verankerte Zweck der Be-
kämpfung von Diskriminierungen wird am nachhaltigsten
durch deren Prävention gefördert. Als konkrete Präven-
tionsmaßnahmen kommen beispielsweise das Angebot und
die Durchführung einschlägiger Fortbildungen durch die
Stelle in Betrieben in Betracht.
Die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen zu
Benachteiligungen ist eine weitere Aufgabe der Antidiskri-
minierungsstelle, die in den Richtlinien vorgegeben ist. Sie
wird in Satz 1 Nr. 3 geregelt. Die Unabhängigkeit der Un-
tersuchungen wird durch die in § 27 Abs. 1 Satz 2 geregelte
Unabhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
sichergestellt und auch dadurch gewährleistet, dass es sich
um wissenschaftliche Untersuchungen handeln muss. Ver-
bunden ist damit auch das Recht der Antidiskriminierungs-
stelle des Bundes, solche Untersuchungen an Dritte, z. B.
wissenschaftliche Einrichtungen, zu vergeben.
Zu Absatz 4
Des Weiteren hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
nach Absatz 4 Satz 1 die Aufgabe, alle vier Jahre dem Deut-

Drucksache 15/4538 – 50 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

schen Bundestag Berichte vorzulegen, wobei sich deren Un-
abhängigkeit aus § 27 Abs. 1 Satz 2 ergibt. Die Berichte
werden sich regelmäßig auf die Situation der von Benach-
teiligung Betroffenen und die Tätigkeit der Antidiskriminie-
rungsstelle des Bundes beziehen. Durch die in dieser Vor-
schrift vorgesehene gemeinsame Berichtspflicht mit den Be-
auftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundes-
tages wird sichergestellt, dass die Ergebnisse anderer
Berichte über Benachteiligungen einbezogen werden.
Hierzu gehört beispielsweise der Bericht der Beauftragten
der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Inte-
gration nach § 91c Abs. 2 AuslG (ab 1. Januar 2005 § 94
Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes), soweit dieser Aussagen zu
den wegen ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft benachtei-
ligten Ausländerinnen und Ausländern enthält. Darüber hi-
naus hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eben-
falls gemeinsam mit dem Beauftragten der Bundesregierung
und des Deutschen Bundestages Empfehlungen zur Beseiti-
gung und Vermeidung von Benachteiligten aus Gründen der
Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Ge-
schlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behin-
derung, des Alters oder der sexuellen Identität zu geben. In
diese Empfehlungen können Erkenntnisse aus den nach Ab-
satz 3 Nr. 3 durchzuführenden Untersuchungen oder aus der
Ombudstätigkeit nach Absatz 2 einfließen. Satz 2 sieht vor,
dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die Be-
auftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundes-
tages gemeinsam wissenschaftliche Untersuchungen im
Sinne des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 3 durchführen können. Die
Durchführung eigener Untersuchungen wie auch die Vor-
lage eigener Berichte bzw. die Abgabe eigener Empfehlun-
gen durch die Beauftragten der Bundesregierung und des
Deutschen Bundestages bleiben durch Absatz 4 unberührt.
Zu Absatz 5
Absatz 5 sieht die Zusammenarbeit der Antidiskriminie-
rungsstelle des Bundes und der Beauftragten der Bundes-
regierung und des Deutschen Bundestages in den Fällen vor,
in denen eine Benachteiligung aus mehreren der in § 1 ge-
nannten Gründe vorliegt.
Zu § 29 (Befugnisse)
Zu Absatz 1
Absatz 1 räumt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
die Möglichkeit ein, die Beteiligten um Stellungnahmen zu
ersuchen. Die Vorschrift bezweckt, die in § 2 Absatz 2 Satz
1 geregelte Ombudsfunktion der Stelle zu stärken. Um den
Sachverhalt aufzuklären und eine qualitativ gute und umfas-
sende Beratung leisten oder die Möglichkeiten einer gütli-
chen Beilegung ausloten zu können, wird die Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes vielfach auf Informationen der
Beteiligten und Kontakte zu diesen angewiesen sein. Mit
der Möglichkeit, Stellungnahmen einzuholen, ist auch die
Erwartung verbunden, dass die gegenseitige Bereitschaft
der Beteiligten, eine gütliche Beilegung gemeinsam zu erar-
beiten und anzunehmen, erhöht wird.
Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Stellungnahme besteht
nicht. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann im
Rahmen ihrer nach § 2 Abs. 4 zu erstellenden Berichte die
Wirksamkeit dieses Instruments thematisieren. Damit die
Stelle tätig werden und Stellungnahmen einholen kann,

muss die Person, die sich nach § 2 Abs. 1 an sie gewandt
hat, hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Zu Absatz 2
Absatz 2 entspricht § 15 Abs. 3 SGB IX und räumt der An-
tidiskriminierungsstelle des Bundes die gleichen Auskunfts-
rechte gegenüber allen Bundesbehörden und sonstigen öf-
fentlichen Stellen des Bundes ein, die die oder der Beauf-
tragte der Bundesregierung für die Belange behinderter
Menschen hat. Die Regelung des Satzes 2, wonach die Be-
stimmungen zum Schutz personenbezogener Daten unbe-
rührt bleiben, umfasst auch die entsprechende Anwendung
des § 24 Abs. 4 Satz 4 BDSG auf die Verpflichtung zur
Auskunftserteilung und Gewährung von Akteneinsicht ge-
genüber der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Zu § 30 (Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisatio-

nen und anderen Einrichtungen)
Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit zur Kooperation und
Vernetzung der Tätigkeit der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes mit Nichtregierungsorganisationen und anderen
Einrichtungen auf europäischer, landes- oder regionaler
Ebene. Bezweckt wird damit ein Erfahrungs- und Kennt-
nisaustausch, um Diskriminierungen aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Al-
ters oder der sexuellen Identität wirksam bekämpfen zu
können. Eine Kooperation mit Nichtregierungsorganisatio-
nen und deren Beratungsstellen auf regionaler Ebene bietet
sich auch bei der Einzelfallbearbeitung an. Im Hinblick auf
die Kooperation mit den Nichtregierungsorganisationen ent-
spricht die Vorschrift damit den Vorgaben aus Artikel 12 der
Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 8c der Richtlinie 76/207/
EWG und Artikel 14 der Richtlinie 2000/78/EG.
Zu § 31 (Beirat)
Zu Absatz 1
Zahlreiche gesellschaftliche Organisationen beschäftigen
sich mit Fragen der Diskriminierung aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Al-
ters oder der sexuellen Identität und haben sich deren Be-
kämpfung zum Ziel gesetzt. Die Einbindung dieser Gruppen
in die Tätigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
und die Nutzung ihrer Erfahrungen und Kompetenzen ist für
eine erfolgreiche Arbeit mit dem Ziel der Bekämpfung von
Diskriminierungen unerlässlich. Satz 1 sieht deshalb zur
Förderung des Dialogs mit diesen Gruppen und Organisa-
tionen die Bildung eines Beirats vor, der der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes beigeordnet wird.
Durch die Schaffung und Einbindung des Beirats wird auch
der Vorgabe der Richtlinien zum Dialog mit Nichtregie-
rungsorganisationen Rechnung getragen (Artikel 12 der
Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 8c der Richtlinie 76/207/
EWG, Artikel 14 der Richtlinie 2000/78/EG). Diese Rege-
lungen sehen vor, dass die Mitgliedstaaten den Dialog mit
den jeweiligen Nichtregierungsorganisationen fördern, die
gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Ge-
pflogenheiten ein rechtmäßiges Interesse daran haben, sich
an der Bekämpfung von Diskriminierung aus Gründen der

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 51 – Drucksache 15/4538

Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Ge-
schlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behin-
derung, des Alters oder der sexuellen Identität zu beteiligen.
Nach Satz 2 besteht die Aufgabe des Beirats darin, die Anti-
diskriminierungsstelle des Bundes bei der Vorlage von Be-
richten und Abgabe von Empfehlungen an den Deutschen
Bundestag nach § 28 Abs. 4 des Gesetzes zu beraten. Der
Beirat hat außerdem die Möglichkeit, hierzu eigene Vor-
schläge zu unterbreiten sowie zu wissenschaftlichen Unter-
suchung nach § 28 Abs. 3 Nr. 3. Durch Kooperation mit
dem Beirat hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
ihrerseits die Möglichkeit, in die Zivilgesellschaft hinein-
zuwirken. Durch eine mit dem Beirat abgestimmte Öffent-
lichkeitsarbeit kann beispielsweise das Bewusstsein für eine
Kultur der Antidiskriminierung zielgenauer gefördert und
der Beirat auch als Multiplikator für Inhalte genutzt werden.
Zu Absatz 2
Absatz 2 enthält Regelungen zur Besetzung und Berufung
des Beirats. Bei dem Beirat handelt es sich nicht um ein au-
tonomes Organ, weshalb seine Mitglieder sowie jeweils
eine Stellvertretung nach Satz 1 vom Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Einvernehmen
mit der Leitung der Antidiskriminierungsstelle und den ent-
sprechend tätigen Beauftragten der Bundesregierung oder
des Deutschen Bundestages berufen werden, da die Antidis-
kriminierungsstelle des Bundes bei diesem Bundesministe-
rium angesiedelt ist. Bei den entsprechend tätigen Beauf-
tragten handelt es sich derzeit um die in der Begründung zur
Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 3 genannten Beauftragten.
Dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend obliegt deshalb auch die verwaltungsmäßige Unter-
stützung des Beirats. Die Stellvertretung vertritt das Mit-
glied bei dessen Verhinderung mit allen Rechten und Pflich-
ten des ordentlichen Mitglieds.
Die Berufung erfolgt im Einvernehmen mit der Leitung der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie den entspre-
chend tätigen Beauftragten der Bundesregierung oder des
Deutschen Bundestages nach einem festzulegenden transpa-
renten Auswahlverfahren. Es sollen Vertreterinnen und Ver-
treter gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen sowie
Expertinnen und Experten in Benachteiligungsfragen unter
Beachtung des Bundesgremienbesetzungsgesetzes berufen
werden. Damit soll ein Netzwerk mit den in einschlägigen
Interessengruppen Tätigen und Expertinnen und Experten
aufgebaut werden, das sich an Modellen aus anderen
EU-Mitgliedstaaten orientiert. Da mit dieser Vorschrift
zugleich auch die Vorgaben aus Artikel 11 der Richtlinie
2000/43/EG und Artikel 8b der Richtlinie 76/207/EWG
sowie Artikel 13 der Richtlinie 2000/78/EG zum sozialen
Dialog umgesetzt werden, ist bei entsprechenden Berufun-
gen auf jeden Fall sicherzustellen, dass die Tarifpartner im
Beirat vertreten sind. Satz 3 enthält eine Vorgabe zur
Höchstzahl der Mitglieder des Beirats, die auch die Diskus-
sionsfähigkeit des Beirats gewährleisten soll. Satz 4 sieht
entsprechend den Vorgaben des Bundesgremienbesetzungs-
gesetzes vor, dass der Beirat zu gleichen Teilen mit Frauen
und Männern besetzt sein soll.
Zu Absatz 3
Nach Absatz 3 gibt sich der Beirat eine Geschäftsordnung,
die der Zustimmung des Bundesministeriums für Familie,

Senioren, Frauen und Jugend bedarf. Gegenstand der Ge-
schäftsordnung sollten u. a. Regelungen zum Vorsitz, zur
Häufigkeit der Sitzungen und zum Verfahren der Beschluss-
fassung sein.
Zu Absatz 4
Absatz 4 stellt fest, dass die Mitglieder des Beirats ihre Tä-
tigkeit nach diesem Gesetz ehrenamtlich ausüben. Die Beru-
fung kann daher abgelehnt und jederzeit niedergelegt wer-
den. Den Mitgliedern des Beirats steht als Folge ihrer ehren-
amtlichen Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung zu. Sie
erhalten außerdem Reisekostenvergütung, Tagegelder und
Übernachtungsgelder. Gemäß Satz 3 werden Einzelheiten in
der Geschäftsordnung geregelt.
Zu Abschnitt 7 (Schlussvorschriften)
Zu § 32 (Unabdingbarkeit)
Entsprechend den europarechtlichen Vorgaben sind die in die-
semGesetz enthaltenenSchutzvorschriften zwingend. Sokann
z. B. weder im Arbeitsvertrag noch in kollektiven Vereinba-
rungenzuungunstenderBeschäftigtendavonabgewichenwer-
den. Dies gilt insbesondere auch für die Fristen zur Geltend-
machung des Entschädigungsanspruches in § 15 Abs. 3.
Zu § 33 (Schlussbestimmung)
Die Schlussbestimmung macht deutlich, dass die allgemei-
nen für das jeweilige Beschäftigungsverhältnis geltenden
Gesetze unberührt bleiben. Das bedeutet vor allem, dass die
Vorschriften des BGB, insbesondere des Schuldrechts und
Deliktsrechts, ferner z. B. Kündigungsschutzgesetz, Gewer-
beordnung, Handelsgesetzbuch und das Betriebsverfas-
sungsgesetz oder Personalvertretungsgesetze ergänzend an-
zuwenden sind, soweit dieses Gesetz keine abschließende
spezielle Regelung enthält.
Zu § 34 (Übergangsbestimmungen)
Zu Absatz 1
Für Benachteiligungen, die zeitlich vor dem Inkrafttreten
dieses Gesetzes liegen, findet die alte Rechtslage einschließ-
lich der nunmehr außer Kraft tretenden Regelungen der
§§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 BGB sowie § 81 Abs. 2 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Beschäftigten-
schutzgesetzes weiterhin Anwendung.
Zu den Absätzen 2 und 3
Die Absätze 2 und 3 enthalten die notwendigen Überlei-
tungsvorschriften für das zivilrechtliche Benachteiligungs-
verbot. Gemäß Absatz 2 Satz 1 sollen die neuen Vorschrif-
ten der §§ 20 bis 22 bei Benachteiligungen aus Gründen der
Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft grundsätzlich
nur für Schuldverhältnisse gelten, die nach Inkrafttreten ab-
geschlossen werden. Absatz 2 Satz 2 enthält dabei eine be-
sondere Ausnahme für Dauerschuldverhältnisse, die vor
dem Inkrafttreten begründet worden sind und nach diesem
Zeitpunkt fortbestehen. Hier gelten die neuen Vorschriften
bei der Durchführung des Schuldverhältnisses, was Auswir-
kungen insbesondere im Bereich der Kündigung dieser
Dauerschuldverhältnisse haben kann. Absatz 3 trägt Bedürf-
nissen der Wirtschaft Rechnung, sich im nicht durch die

Drucksache 15/4538 – 52 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG vorgegebenen Be-
reich innerhalb von drei Monaten auf die neuen Regelungen
einstellen zu können.

Zu Artikel 2 (Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskri-
minierungsgesetz)

Zu Abschnitt 1 (Allgemeiner Teil)
Zu § 1 (Ziel des Gesetzes)
§ 1 Abs. 1 entspricht § 1 des Antidiskriminierungsgesetzes.
Es kann daher auf die Begründung zu dieser Vorschrift ver-
wiesen werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Be-
nachteiligungen aus Gründen der Merkmale „Behinderung“
und „Alter“ für den Bereich des Soldatinnen- und Solda-
ten-Antidiskriminierungsgesetzes keine Regelung gefun-
den haben. Hierzu wird auf den Allgemeinen Teil der Be-
gründung zu diesem Gesetz verwiesen, wo dargelegt wird,
warum die Bundesregierung von der in Artikel 3 Abs. 4 der
Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten eingeräumten
Möglichkeit Gebrauch macht, „diese Richtlinie hinsichtlich
von Diskriminierungen wegen einer Behinderung und des
Alters nicht für die Streitkräfte“ der Bundeswehr umzuset-
zen. Im Allgemeinen Teil der Begründung wird auch darge-
legt, warum in § 1 Abs. 1 auf die Regelung von Benachteili-
gungen aus Gründen des Geschlechts (im Hinblick auf die
dies bereits regelnden Vorschriften des Soldatinnen- und
Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetzes) mit Aus-
nahme der Benachteiligungen in Form von Belästigung und
sexueller Belästigung, die in § 1 Abs. 2 Aufnahme gefunden
haben, verzichtet werden kann.
In § 1 Abs. 2 findet sich das aus dem Beschäftigtenschutz-
gesetz übernommene Ziel, Soldatinnen und Soldaten vor
Belästigungen und sexuellen Belästigungen zu schützen.
Aus der Formulierung der Vorschrift („Ziel … ist es auch,
…“) wird aber deutlich, dass auch der sonstige in § 6 ge-
nannte Personenkreis in das gesetzgeberische Ziel des § 1
Abs. 2 einbezogen ist.
§ 1 Abs. 3 Satz 1 enthält für Soldatinnen und Soldaten ins-
besondere in Vorgesetzten- und Führungspositionen ein Ge-
bot, sich nach Kräften für die Verwirklichung der in § 1
Abs. 1 und 2 genannten Benachteiligungsverbote einzuset-
zen. Dieses Gebot und das Verbot derartiger Benachteili-
gungen ist bereits aus dem Pflichtenkatalog des Soldatenge-
setzes ableitbar (zu Einzelheiten siehe die Begründung zu
§ 7). In § 1 Abs. 3 Satz 2 werden – neben dem Dienstherrn –
die Personen in die Pflicht genommen, denen auf Grund ih-
rer besonderen Funktion und Stellung („Vermittlerrolle“) in
den Einheiten und Dienststellen eine besondere Verantwor-
tung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im täglichen
Dienstbetrieb übertragen wird.

Zu § 2 (Anwendungsbereich)
Die Vorschrift entspricht § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3
des Antidiskriminierungsgesetzes. Auf die dortigen Begrün-
dungen wird insoweit verwiesen. Eine Übernahme der Re-
gelungen des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 und Abs. 2 des Antidis-
kriminierungsgesetzes war entbehrlich, weil vor Benachtei-
ligungen in den dort genannten, außerhalb der Beschäfti-
gung und des Berufs angesiedelten Bereichen Soldatinnen

und Soldaten wie andere Staatsbürger auch bereits durch
das Antidiskriminierungsgesetz geschützt sind; ein Zusam-
menhang mit dem soldatischen Dienst besteht insoweit
nicht. In § 2 Abs. 1 Nr. 1 war die Anwendbarkeit des Geset-
zes auf den Dienstbetrieb ausdrücklich hervorzuheben, weil
gerade im täglichen Dienst Benachteiligungen auf Grund
des Geschlechts in Form von Belästigung und sexueller Be-
lästigung unterbunden werden sollen.

Zu den §§ 3, 4 und 5 (Begriffsbestimmungen, Unterschied-
liche Behandlung wegen mehrerer
Gründe, Positive Maßnahmen)

Die Vorschriften entsprechen den §§ 3, 4 und 5 des Anti-
diskriminierungsgesetzes. Auf die dortigen Begründungen
wird verwiesen.

Zu Abschnitt 2 (Schutz vor Benachteiligung)
Zu Unterabschnitt 1 (Verbot der Benachteiligung)
Zu § 6 (Persönlicher Anwendungsbereich)
Die Vorschrift nennt die durch das Gesetz geschützten Per-
sonen. Dies sind einerseits die in einem Dienstverhältnis
stehenden Soldatinnen und Soldaten. Geschützt werden an-
dererseits sowohl die Männer, die nach Maßgabe des Wehr-
pflichtgesetzes zu einem Wehrdienst heranstehen und in
diesem Zusammenhang mit einer Dienststelle der Bundes-
wehr in Kontakt treten, als auch die Personen, die als Bewer-
berinnen oder Bewerber für einen freiwilligen soldatischen
Dienst in den Streitkräften an die Bundeswehr herantreten
(z. B. durch den Besuch einer Freiwilligen-Annahmestelle);
in beiden Fällen soll verhindert werden, dass die in § 6 Nr. 2
genannten Personen schon im Vorfeld eines Wehrdienstver-
hältnisses Benachteiligungen aus den in § 1 Abs. 1 und 2 ge-
nannten Gründen unterliegen (z. B. auf Grund ihrer ethni-
schenHerkunft, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Identität).

Zu § 7 (Benachteiligungsverbot)
§ 7 Abs. 1 entspricht § 7 Abs. 1 des Antidiskriminierungs-
gesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen.
§ 7 Abs. 2 ersetzt für die Soldatinnen und Soldaten die bis-
herige Regelung in § 2 des Beschäftigtenschutzgesetzes.
Wegen der Aufhebung dieses Gesetzes war es notwendig, in
das Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskriminierungsgesetz
ein Verbot von Benachteiligungen auf Grund des Ge-
schlechts in Form von Belästigung und sexueller Belästi-
gung im Dienstbetrieb – auch in Form einer Anweisung zu
einer solchen Handlung – aufzunehmen. Zugleich wird aus-
gesprochen, dass solche Benachteiligungen (übrigens auch
solche nach § 7 Abs. 1) als Dienstvergehen nach § 23
Abs. 1 des Soldatengesetzes anzusehen sind. Unberührt von
der speziellen Verbotsregelung in § 7 Abs. 2 bleiben die
nach dem Soldatengesetz (SG) begründeten Pflichten der
Soldatinnen und Soldaten, vor allem die Pflicht zur Kame-
radschaft (§ 12 SG), die Pflicht der Vorgesetzten, für ihre
Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG), und die Pflicht
zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17
Abs. 2 SG), aus denen sich ebenfalls ein Verbot der in § 7
Abs. 2 genannten Handlungsweisen ergibt.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53 – Drucksache 15/4538

Zu § 8 (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen be-
ruflicher Anforderungen)

Die Vorschrift entspricht § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 des
Antidiskriminierungsgesetzes. Auf die dortige Begründung
wird verwiesen. Einer dem § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Antidiskri-
minierungsgesetzes entsprechenden, auf das Geschlecht ab-
stellenden Regelung im Soldatinnen- und Soldaten-Antidis-
kriminierungsgesetz bedurfte es nicht, weil das Verbot der
Diskriminierung wegen des Geschlechts beim Zugangs zur
Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Auf-
stieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen bereits im
Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG)
geregelt ist (eine dem § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Antidiskriminie-
rungsgesetzes entsprechende Ausnahmeregelung findet sich
in § 5 Abs. 1 SGleiG).
Zu Unterabschnitt 2 (Organisationspflichten des Dienst-

herrn)
Zu § 9 (Personalwerbung; Dienstpostenbekanntgabe)
§ 9 ergänzt den § 6 des Soldatinnen- und Soldatengleich-
stellungsgesetzes. Während diese Vorschrift zum Schutz vor
Diskriminierungen wegen des Geschlechts beim Zugang
zur Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg bestimmte
Maßgaben für Anzeigen der Personalwerbung und für die
Dienstpostenbekanntgabe festlegt, verbietet § 9 in diesen
Fällen jede Bekanntgabe, die eine Benachteiligung aus den
in § 1 Abs. 1 genannten Gründen der Rasse, der ethnischen
Herkunft, der Religion, der Weltanschauung oder der sexu-
ellen Identität darstellt.
Zu § 10 (Maßnahmen und Pflichten des Dienstherrn)
Die Vorschrift entspricht § 12 des Antidiskriminierungs-
gesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen.
Zu Unterabschnitt 3 (Rechte der in § 6 genannten Perso-

nen)
Zu § 11 (Beschwerderecht)
Auf die Übernahme des in § 13 des Antidiskriminierungs-
gesetzes geregelten, dort auf Beschäftigte bezogenen Be-
schwerderechts ist für Soldatinnen und Soldaten, wie dies
bereits in den §§ 3 und 6 des Beschäftigtenschutzgesetzes
vorgesehen war, verzichtet worden. Stattdessen können
Soldatinnen und Soldaten von der gesetzlich in der Wehr-
beschwerdeordnung geregelten Wehrbeschwerde Gebrauch
machen. Für die dem § 6 Nr. 2 unterfallenden Personen ist
hingegen, da sie nicht dem persönlichen Geltungsbereich
der Wehrbeschwerdeordnung unterfallen, ein dem § 13 des
Antidiskriminierungsgesetzes entsprechendes Beschwerde-
recht geregelt worden. Insoweit kann auf die Begründung
zu dieser Vorschrift verwiesen werden.
Zu den §§ 12 und 13 (Entschädigung und Schadensersatz,

Entschädigung durch den Dienst-
herrn bei Benachteiligung durch
Dritte)

Die Vorschriften entsprechen § 15 Abs. 1 und 3 bis 5 sowie
§ 16 des Antidiskriminierungsgesetzes. Auf die dortigen
Begründungen wird verwiesen.

Zu § 14 (Maßregelungsverbot)
Die Vorschrift entspricht § 17 des Antidiskriminierungs-
gesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen.
Zu § 15 (Mitgliedschaft in Vereinigungen)
Die Vorschrift entspricht § 19 des Antidiskriminierungsge-
setzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen. Neben
Berufsverbänden der Soldatinnen und Soldaten, von denen
insbesondere der Deutsche Bundeswehrverband e. V. zu
nennen ist, spricht die Vorschrift auch sonstige, an spezifi-
schen Merkmalen ausgerichtete Interessenvertretungen der
Soldatinnen und Soldaten an; beispielhaft könnte eine Inte-
ressengemeinschaft der Offiziere, die in strahlgetriebenen
Kampfflugzeugen der Streitkräfte verwendet werden, in
Frage kommen.
Zu Abschnitt 3 (Rechtsschutz)
Zu § 16 (Beweislast)
Die Vorschrift entspricht § 23 des Antidiskriminierungs-
gesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen. Zu
beachten ist, dass die Vorschrift nur auf Benachteiligungen
nach § 1 Abs. 1 Anwendung findet, da sie wie § 23 des
Antidiskriminierungsgesetzes nur Artikel 8 der Richtlinie
2000/43/EG und Artikel 10 der Richtlinie 2000/78/EG um-
setzt.
Zu § 17 (Unterstützung durch Antidiskriminierungs-

verbände)
Die Vorschrift entspricht § 24 des Antidiskriminierungs-
gesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen.
Zu Abschnitt 4 (Ergänzende Vorschriften)
Zu § 18 (Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
Es wird auf die Begründungen zu den §§ 26 bis 31 des Anti-
diskriminierungsgesetzes verwiesen. Durch die Verweisung
auf Abschnitt 6 dieses Gesetzes und die Anwendbarkeit der
Vorschriften über die Antidiskriminierungsstelle des Bun-
des wird sichergestellt, dass auch die in § 6 genannten Per-
sonen sich an diese Stelle wenden können, wenn sie der
Ansicht sind, wegen eines in § 1 Abs. 1 oder 2 genannten
Grundes benachteiligt worden zu sein. Zu den in § 26
Abs. 1 und § 28 Abs. 2 bis 5 des Antidiskriminierungsgeset-
zes genannten Beauftragten des Deutschen Bundestages, de-
ren Zuständigkeiten durch die Errichtung der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes unberührt bleiben, ist, soweit in
§ 6 genannte Personen betroffen sind, auch der Wehrbeauf-
tragte des Deutschen Bundestages (Artikel 45b des Grund-
gesetzes) zu zählen.
Zu § 19 (Unabdingbarkeit)
Die Vorschrift entspricht § 32 des Antidiskriminierungs-
gesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen.
Zu § 20 (Übergangsvorschrift)
Die Vorschrift stellt mit Blick auf die notwendige Rechts-
sicherheit fest, dass Benachteiligungen zu Lasten von Sol-
datinnen und Soldaten in Form von sexuellen Belästigun-
gen, die zurzeit der Geltung des Beschäftigtenschutzgeset-

Drucksache 15/4538 – 54 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

zes stattgefunden, aber zum Zeitpunkt der Aufhebung die-
ses Gesetzes noch nicht zu den nach diesem Gesetz
möglichen Folgen geführt haben, weiterhin nach altem
Recht zu behandeln sind.
Zu Artikel 3 (Änderungen in anderen Gesetzen)
Zu Absatz 1 (Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes)
Zu Nummer 1 (Änderung § 11)
Zu Buchstabe a
Mit dem neuen Satz 6 wird die Kongruenz der Vorschriften
über die Vertretung vor den Arbeitsgerichten mit der neuen
Regelung in § 24 des Antidiskriminierungsgesetzes herge-
stellt. Soweit den dort näher bezeichneten Verbänden die
Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erlaubt ist, sind
sie zur Prozessvertretung vor den Arbeitsgerichten zugelas-
sen. Im Rahmen ihrer satzungsmäßigen Aufgaben, die Inte-
ressen von benachteiligten Personengruppen wahrzuneh-
men, werden diese Verbände den anderen in Absatz 1 be-
reits genannten Vereinigungen und Organisationen gleich-
gestellt. Damit ist im Bereich des Arbeitsrechts die
Maßgabe der Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG,
Artikel 9 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 6
Abs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG erfüllt, nach der die Mit-
gliedstaaten sicherzustellen haben, dass die einschlägigen
Verbände sich entweder im Namen der beschwerten Partei
oder zu deren Unterstützung und mit deren Einwilligung am
gerichtlichen Verfahren beteiligen können.
Zu Buchstabe b
Folgeänderung auf Grund der Erweiterung der Prozessver-
tretung in Absatz 1.
Zu Nummer 2 (Änderung § 61b)
Die in § 61b Abs. 1 ArbGG vorgesehene Frist von drei Mo-
naten zur Erhebung einer Klage auf Entschädigung wird
beibehalten. Der Verweis auf § 611a BGB wird ersetzt
durch einen Verweis auf die §§ 15 und 16 des Antidiskrimi-
nierungsgesetzes. Die Klagefrist ist damit in allen Fällen ei-
ner Benachteiligung einzuhalten.
Die bisherigen Absätze 2 und 3 des § 61b ArbGG betreffen
Verfahrensregelungen, die sich aus der Unterscheidung von
bestqualifizierten und anderen Stellenbewerbern ergeben.
Durch die Aufgabe dieser Unterscheidung in der neuen Ent-
schädigungsregelung des § 15 des Antidiskriminierungsge-
setzes werden auch die dazu gehörigen Verfahrensvorschrif-
ten entbehrlich.

Zu Absatz 2 (Aufhebung des Artikels 2 des Gesetzes über
die Gleichbehandlung von Männern und
Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhal-
tung von Ansprüchen bei Betriebsübergang –
Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz)

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die gesetzlichen Vor-
schriften den Beschäftigten bekannt zu machen, wird für
alle drei Richtlinien einheitlich in § 12 Abs. 4 des Antidis-
kriminierungsgesetzes umgesetzt. Artikel 2 des Arbeits-
rechtlichen EG-Anpassungsgesetzes vom 13. August 1980,
der die Bekanntmachung der bisher geltenden Vorschriften

über die Benachteiligung wegen des Geschlechts betrifft,
wird mit der Aufhebung der entsprechenden Vorschriften im
BGB gegenstandslos. Die Aufhebung dient der Rechtsberei-
nigung.

Zu Absatz 3 (Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes)
Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG,
2000/78/EG und 2002/73/EG durch das Antidiskriminie-
rungsgesetz sind die in § 75 Abs. 1 des BetrVG aufgestell-
ten Grundsätze für die Behandlung der im Betrieb tätigen
Personen an die Terminologie des § 1 Antidiskriminierungs-
gesetz anzupassen.
Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebs-
rat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen
nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt
werden. Die Insbesondere-Aufzählung der unzulässigen
Differenzierungsmerkmale in § 75 Abs. 1 BetrVG wird
durch die Einfügung der Benachteiligungsverbote aus Grün-
den der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, Weltan-
schauung, Behinderung und des Alters, die bisher in § 75
Abs. 1 BetrVG nicht ausdrücklich genannt waren, an die
Terminologie des Antidiskriminierungsgesetzes angepasst.
Mit der Aufnahme des Verbots der Diskriminierung wegen
des Alters in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG haben
Arbeitgeber und Betriebsrat nicht nur wie bisher nach § 75
Abs. 1 Satz 2 BetrVG darauf zu achten, dass Arbeitnehmer
nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen be-
nachteiligt werden, sondern darüber zu wachen, dass jede
Benachteiligung wegen des Alters unterbleibt. Satz 2 des
§ 75 Abs. 1 BetrVG kann damit entfallen. Der Begriff der
Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedli-
chen Behandlung richtet sich nach den Bestimmungen des
Antidiskriminierungsgesetzes.
Mit dem Begriff der „sonstigen Herkunft“ wird in Abgren-
zung zur „ethnischen Herkunft“ an das bisherige Diffe-
renzierungsverbot „wegen der Herkunft“ in § 75 Abs. 1
BetrVG angeknüpft. Damit ist weiterhin insbesondere auch
eine Benachteiligung wegen der örtlichen, regionalen oder
sozialen Herkunft nicht erlaubt.

Zu Absatz 4 (Änderung des Bundespersonalvertretungs-
gesetzes)

Die beispielhafte Aufzählung der Diskriminierungsmerk-
male wird weiter ergänzt. Es handelt sich lediglich um eine
Klarstellung. Da die Aufzählung nicht abschließend ist, sind
sämtliche Diskriminierungsmerkmale auch ohne ihre aus-
drückliche Benennung erfasst.

Zu Absatz 5 (Änderung des Bundesbeamtengesetzes)
Zur Klarstellung wird der in der Vorschrift aufgeführte Ka-
talog der beispielhaften Merkmale, die bei der Auswahl der
Bewerberinnen und Bewerber nicht berücksichtigt werden
dürfen, um die Merkmale ethnische Herkunft, Behinderung,
Weltanschauung und sexuelle Identität erweitert.

Zu Absatz 6 (Änderung des Sprecherausschussgesetzes)
Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG,
2000/78/EG und 2002/73/EG durch das Antidiskriminie-
rungsgesetz sind die in § 27 Abs. 1 des Sprecherausschuss-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 55 – Drucksache 15/4538

gesetzes (SprAuG) aufgestellten Grundsätze für die Be-
handlung der leitenden Angestellten des Betriebs an die Ter-
minologie des § 1 Antidiskriminierungsgesetz anzupassen.
Nach § 27 Abs. 1 SprAuG haben Arbeitgeber und Sprecher-
ausschuss darüber zu wachen, dass alle leitenden Angestell-
ten des Betriebs nach den Grundsätzen von Recht und Bil-
ligkeit behandelt werden. Die Insbesondere-Aufzählung der
unzulässigen Differenzierungsmerkmale in § 27 Abs. 1
SprAuG wird durch die Einfügung der Benachteiligungs-
verbote aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft, Weltanschauung, Behinderung, des Alters und der
sexuellen Identität, die bisher nicht ausdrücklich genannt
waren, an die Terminologie des Antidiskriminierungsgeset-
zes angepasst.
Mit der Aufnahme des Begriffs „sexuelle Identität“ wird das
Benachteiligungsverbot wegen der sexuellen Ausrichtung
entsprechend der Richtlinie 2000/78/EG auch im Sprecher-
ausschussgesetz umgesetzt. Der gewählte Begriff „sexuelle
Identität“ entspricht dem in § 1 Antidiskriminierungsgesetz
und § 75 Abs. 1 BetrVG verwandten Begriff.
Durch die Aufnahme des allgemeinen Benachteiligungsver-
bots wegen des Alters in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/
EG kann Satz 2 des § 27 Abs. 1 SprAuG entfallen. Arbeit-
geber und Sprecherausschuss haben nicht nur wie bisher
nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SprAuG darauf zu achten, dass die
leitenden Angestellten des Betriebs nicht wegen Über-
schreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden,
sondern darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von
Angehörigen dieser Personengruppe wegen des Alters un-
terbleibt. Der Begriff der Benachteiligung und die Zulässig-
keit einer unterschiedlichen Behandlung richten sich nach
den Bestimmungen des ersten und zweiten Abschnitts des
ersten Artikels dieses Gesetzes.
Der Begriff der „sonstigen Herkunft“ knüpft in Abgrenzung
zur „ethnischen Herkunft“ an das bisherige Differenzie-
rungsverbot „wegen der Herkunft“ in § 27 Abs. 1 SprAuG
an. Damit ist weiterhin insbesondere auch eine Benachteili-
gung wegen der örtlichen, regionalen oder sozialen Her-
kunft nicht erlaubt.

Zu Absatz 7 (Änderung des Ersten Buches Sozialgesetz-
buch (§ 33c SGB I))

Hiermit wird in Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG das
Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse und wegen
der ethnischen Herkunft im Bereich des Sozialgesetzbuches
nominiert; auch die Benachteiligung wegen einer Behin-
derung wird einbezogen. Soweit der Bereich der Berufs-
beratung betroffen ist, wird in Umsetzung der Richtlinien
2000/43/EG, 2000/78/EG, und 2002/73/EG das Benachtei-
ligungsverbot im Vierten Buch Sozialgesetzbuch festge-
schrieben, das für die betroffenen Leistungsträger gilt. Un-
ter die Sozialen Rechte fallen die in den Büchern des Sozial-
gesetzbuches vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistun-
gen (§ 11 SGB I), insbesondere auch die Aufklärung,
Auskunft und Beratung im Sinne des Sozialgesetzbuches
(§§ 13 bis 15 SGB I). Daraus entstehen keine neuen sozia-
len Rechte; diese sind allein in den einzelnen Büchern des
Sozialgesetzbuches festgelegt.

Zu Absatz 8 (Änderung des Dritten Buches Sozialgesetz-
buch (§ 36 SGB III))

Durch die Änderung wird die Umsetzung der Richtlinien
2000/43/EG, 2000/78/EG, und 2002/73/EG durch das Anti-
diskriminierungsgesetz für die Grundsätze der Vermittlung
durch die Bundesagentur für Arbeit nachvollzogen, soweit
das Sozialgesetzbuch Drittes Buch nicht in Bezug auf ein-
zelne Benachteiligungsgründe bereits ein höheres Schutz-
niveau gewährleistet.
Zu Absatz 9 (Änderung des Vierten Buches Sozialgesetz-

buch (§ 19a SGB IV))
Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und
2002/73/EG für den Bereich der Berufsberatung; im Übri-
gen vgl. Begründung zu § 33c Erstes Buch Sozialgesetz-
buch.
Zu Absatz 10 (Änderung des Neunten Buches Sozial-

gesetzbuch (§ 36 SGB IX))
Mit der Änderung soll klargestellt werden, dass in gleicher
Weise wie bisher z. B. die Regelungen des Beschäftigten-
schutzgesetzes nun auch die Regelungen des Gesetzes zum
Schutz vor Diskriminierung (Artikel 1 Abschnitt 2) im Be-
reich der Teilhabe am Arbeitsleben und über § 138 Abs. 4
SGB IX auch in Werkstätten für behinderte Menschen ent-
sprechende Anwendung finden.
Zu Absatz 11 (Änderung des Bundesgleichstellungsgeset-

zes)
§ 19 Abs. 1 Satz 1 berücksichtigt den Wegfall des Beschäf-
tigtenschutzgesetzes.
Zu Absatz 12 (Änderung des Soldatengesetzes)
§ 3 Abs. 1 des Soldatengesetzes legt fest, welche Merkmale
bei Entscheidungen über Ernennungen und Verwendungen
der Soldatinnen und Soldaten nicht berücksichtigt werden
dürfen. Durch die Änderung der Vorschrift wird das Be-
rücksichtigungsverbot um die Merkmale sexuelle Identität,
Weltanschauung und ethnische Herkunft erweitert.
Zu Absatz 13 (Änderung des Sozialgerichtsgesetzes)
Mitglieder und Angestellte von Antidiskriminierungsver-
bänden im Sinne des § 24 Abs. 1 des Antidiskriminierungs-
gesetzes können im Rahmen ihres Satzungszwecks als Be-
vollmächtigte im sozialgerichtlichen Verfahren auftreten,
sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertre-
tung befugt sind. Im Rahmen ihres Satzungszwecks ist An-
tidiskriminierungsverbänden die Besorgung von Rechtsan-
gelegenheiten Beteiligter gestattet.
Zu Absatz 14 (Aufhebung der §§ 611a, 611b und 612

Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
Durch die umfassende Neuregelung im Antidiskriminie-
rungsgesetz werden die Vorschriften des Bürgerlichen Ge-
setzbuchs, die bisher den Schutz vor Benachteiligung we-
gen des Geschlechts regeln, entbehrlich.
§ 611a BGB enthält in Absatz 1 das Verbot der Benachteili-
gung wegen des Geschlechts und die Regelung über die Be-
weiserleichterung. Dies ist künftig in den §§ 1, 7 Abs. 1 und

Drucksache 15/4538 – 56 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

§ 23 des Antidiskriminierungsgesetzes enthalten. § 611a
Abs. 2 und 5 BGB regeln den Anspruch auf Entschädigung
sowie den Ausschluss des Anspruchs auf Einstellung oder
Beförderung. Die inhaltsgleiche Neuregelung findet sich in
§ 15 Abs. 4 des Antidiskriminierungsgesetzes. Die Rege-
lung über den sog. Bestqualifizierten in § 611a Abs. 3 BGB
entfällt auf Grund der Neufassung ganz. Die bisher in
§ 611a Abs. 4 BGB vorgesehene Frist zur Geltendmachung
des Entschädigungsanspruchs ist in geänderter Form in § 15
Abs. 3 des Antidiskriminierungsgesetzes geregelt.
Die Verpflichtung des § 611b BGB zur geschlechtsneutralen
Stellenausschreibung ist in § 11 des Antidiskriminierungs-
gesetzes enthalten.
Der in § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB genannte Grundsatz der
Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen ergibt sich
zukünftig aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 7 Abs. 1 des Anti-
diskriminierungsgesetzes. § 8 Abs. 2 des Antidiskriminie-
rungsgesetzes stellt klar, dass das Bestehen besonderer
Schutzvorschriften nicht die Vereinbarung einer geringeren
Vergütung rechtfertigen kann und ersetzt damit § 612
Abs. 3 Satz 2 BGB.
Zu Absatz 15 (Änderung des Soldatinnen- und Soldaten-

gleichstellungsgesetzes)
Zu Nummer 1
Folgeänderung zu Artikel 2 § 3 Abs. 3 und 4 (Aufnahme der
Begriffsbestimmungen der „Belästigung“ und der „sexuel-
len Belästigung“ in das Soldatinnen- und Soldaten-Antidis-
kriminierungsgesetz) und zur Aufhebung des Beschäftigten-
schutzgesetzes.
Zu Nummer 2
Folgeänderung zur Aufhebung des § 611a BGB. Die Ent-
schädigungspflicht des Dienstherrn wird nunmehr in den
§§ 12 und 13 des Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskrimi-
nierungsgesetzes (Artikel 2) geregelt.
Zu Nummer 3
Die Neufassung trägt der Aufhebung des Beschäftigten-
schutzgesetzes und der Regelung des Verbots von Benach-
teiligungen auf Grund des Geschlechts in Form von Beläs-
tigungen und sexuellen Belästigungen der Soldatinnen und
Soldaten im Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskriminie-
rungsgesetz Rechnung.
Zu Artikel 4 (Inkrafttreten; Außerkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes zur
Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien
(Arbeitstitel) und das zeitgleiche Außerkrafttreten des
Beschäftigtenschutzgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I
S. 1406, 1412).

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.