Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2004, Az. II ZB 17/03

II. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1475

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[X.]/03
vom 27. September 2004 in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO §§ 233 Ha, 520 Abs. 2 Satz 3

Einer mittellosen [X.] darf nicht deshalb die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung versagt werden, weil sie das Prozeßkostenhilfegesuch erst kurz vor Ablauf der ([X.]) Begründungsfrist eingereicht hat. Das gilt auch dann, wenn das Gesuch erst nach einem Mandatswechsel durch den neuen Prozeßbevollmächtigten gestellt wird und dieser seine weitere Tätigkeit von der Gewährung der Prozeß-kostenhilfe abhängig gemacht hat (im [X.]. an [X.] 38, 376).
[X.], [X.]uß vom 27. September 2004 - [X.] - OLG [X.]

[X.]

- 2 - [X.] [X.] hat am 27. September 2004 durch [X.] Dr. Goette, [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der [X.]uß des
[X.]s [X.] - 19. Zivilsenat in [X.] - vom 23. Juni 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] mit Sitz in [X.] vom 14. Februar 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen worden ist.

Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Sache wird zur weiteren Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

[X.]: 75.624,96 • - 3 - Gründe:

[X.] Der Kläger macht als Konkursverwalter einer GmbH (Gemeinschuldne-rin) gegen den [X.]n zu 1 als deren ehemaligen Gesellschafter und die [X.] zu 2 als Mitverpflichtete aus einem Darlehen Zahlungsansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung und Verstoßes gegen das [X.] geltend; der [X.] zu 1 verlangt im Wege der Widerklage vom Kläger Schadensersatz.
Nachdem dem Kläger Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, hat das [X.] Klage und Widerklage abgewiesen. Gegen das ihnen am 19. Februar 2002 zugestellte [X.]surteil haben die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des [X.] - die mit ihm in überörtlicher Sozietät [X.] Rechtsanwälte E. und Partner - fristgerecht am 18. März 2002 Berufung eingelegt und zugleich angezeigt, daß sie den Kläger auch in der Be-rufungsinstanz vertreten. Auf ihren Antrag vom 16. April 2002 wurde die Beru-fungsbegründungsfrist bis zum 19. Mai 2002 verlängert; die [X.]n wider-sprachen daraufhin vorsorglich einer weiteren Fristverlängerung. Am 10. Mai 2002 zeigte Rechtsanwalt Dr. Er. als Mitglied der [X.] und Partner die Vertretung des [X.] im [X.] an und teilte zu-gleich die Beendigung des Mandats der früheren Bevollmächtigten mit; außer-dem beantragte er - formal ordnungsgemäß - Prozeßkostenhilfe für den Kläger, wobei er darauf hinwies, zur Übernahme des Mandats nur unter der [X.] bereit zu sein. Ein gleichzeitig gestelltes Gesuch um wei-tere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wurde im Hinblick auf die fehlende Zustimmung der [X.]n am 15. Mai 2002 zurückgewiesen. Nach-dem dem Kläger durch [X.]uß des Berufungsgerichts vom 21. Juni 2002 Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Er. bewilligt worden - 4 - war, hat dieser durch Schriftsatz vom 10. Juli 2002 fristgerecht Wiedereinset-zung in den vorigen Stand beantragt und zugleich die Berufung begründet. Der [X.] zu 1 hat mit am 30. September 2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz [X.]ußberufung gegen das [X.]surteil eingelegt. Das Be-rufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den [X.] in den [X.] zurückgewiesen; zugleich hat es die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger und in der Annahme, der [X.] zu 1 habe die Frist zur [X.]ießung versäumt, diesem nach Maßgabe des an-teiligen Mißerfolgs ihrer wechselseitigen Rechtsmittel auferlegt.
Gegen diesen [X.]uß wendet sich der Kläger mit der Rechtsbe-schwerde, mit der er sein Berufungsbegehren weiterverfolgt.
I[X.] Die fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO) und auch im übrigen zulässig. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des [X.] geboten (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil der Kläger ohne sein [X.] gehindert war, seine Berufung innerhalb der bis zum 19. Mai 2002 verlängerten Berufungsbegründungsfrist zu begründen (§ 233 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Auffassung im [X.] darauf gestützt, daß der Kläger - zumal selbst Rechtsanwalt - gehalten gewesen sei, das ihm bekannte Hindernis der Mittellosigkeit durch rechtzeitige Stellung eines [X.] schon während des Laufs der gesetz-lichen Berufungsbegründungsfrist auszuräumen, so daß es noch innerhalb der - 5 - verlängerten Frist hätte beschieden und damit ein Wiedereinsetzungsverfahren hätte vermieden werden können. Das [X.] bis zum [X.] wie auch die Beendigung des Mandats seiner ursprünglichen Bevollmächtigten legten ein Verschulden an der Fristversäumung unbeschadet der Mittellosigkeit nahe.
2. Diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Durch die Überspannung der zeitlichen Anforderungen bewirkt sie für die im Sinne des § 114 ZPO arme [X.] eine unzumutbare Verkürzung der jedem [X.] eingeräumten Möglichkeit zur eingehenden Überlegung und sorgfältigen Begründung des Rechtsmittels. Damit hat das [X.] dem Kläger die Durchführung des Berufungsverfahrens in einer von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweichenden Weise unzulässig erschwert und so dessen Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. [X.] 77, 275, 284; [X.] NJW 2003, 281) verletzt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann eine unbemittelte [X.], für die ein Anwalt zwar formularmäßig Berufung [X.] hat, ohne sie zu begründen, die aber keinen Prozeßbevollmächtigten hat, der gewillt ist, für sie weiter tätig zu werden, selbst am letzten Tag der Rechts-mittelbegründungsfrist noch ein Prozeßkostenhilfegesuch einreichen mit der Folge, daß die Berufung nicht deshalb verworfen werden darf, weil innerhalb der Begründungsfrist noch keine Berufungsbegründung eingereicht wurde (st.Rspr. seit [X.] 38, 376, 377 f.; [X.], [X.]. v. 3. Dezember 2003 - [X.], [X.]-Report 2004, 623 f.). Maßgebliche Erwägung für diese Rechtsprechung ist, daß die Begründungsfrist auch dem mittellosen Rechtsmit-telkläger die Möglichkeit sorgfältiger Begründung geben soll. Da die mittellose - 6 - [X.] häufig nur aufgrund eines eingehend vorbereiteten und begründeten [X.] mit einer Bewilligung der Prozeßkostenhilfe rechnen kann, würde für sie im Ergebnis diese Frist unzumutbar abgekürzt, wenn sie gezwungen wäre, das mit einer Begründung versehene Prozeßkostenhilfegesuch so zeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zu stellen, daß der beigeordnete Rechtsanwalt in der Lage ist, vor Fristablauf tätig zu werden und das Rechtsmittel zu [X.]. Eine Abkürzung der Überlegungsfrist für die unbemittelte [X.] läßt sich um so weniger rechtfertigen, als die Gerichte wegen ihrer starken Belastung in der Regel gar nicht in der Lage sind, selbst über ein frühzeitig gestelltes Pro-zeßkostenhilfegesuch rechtzeitig vor Ablauf der Frist zu entscheiden. Vor allem aber würde es zu erheblicher Rechtsunklarheit und -unsicherheit führen, wenn die Gerichte für die Einreichung des [X.] je nach der Lage des Einzelfalls unterschiedliche Fristen berechnen würden; das Gebot der Rechtssicherheit erfordert es daher, - ebenso wie bei der Rechtsmitteleinlegung (vgl. dazu: [X.] 16, 1, 3 f.) - auf eine solche besondere Frist für die Beantra-gung der Prozeßkostenhilfe ganz zu verzichten und der unbemittelten [X.] zu gestatten, ihr Gesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist einzu-reichen ([X.] 38, 376, 378).
Von diesen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen ist das Be-rufungsgericht in unzulässiger Weise schon dadurch abgewichen, daß es den Kläger trotz der Verlängerung der Begründungsfrist für verpflichtet gehalten hat, den [X.] bereits innerhalb der gesetzlichen Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zu stellen, um so frühzeitig das Hindernis der Mittellosigkeit zu be-heben und ein Wiedereinsetzungsverfahren zu vermeiden. Mit dieser Vorverla-gerung der Pflicht zur Einleitung des Prozeßkostenhilfeverfahrens werden die vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze durchbrochen und wird die [X.] - fende mittellose [X.] schlechter gestellt als ein nicht auf Prozeßkostenhilfe angewiesener Rechtsmittelkläger.
b) Die vorliegende Besonderheit des [X.] innerhalb des Laufes der verlängerten Frist beseitigt die Ursächlichkeit (vgl. dazu auch [X.], [X.]. v. 24. Juni 1999 - [X.], NJW 1999, 3271) der Mittellosigkeit für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht und rechtfertigt deshalb keine Abweichung von dem genannten höchstrichterlichen Rechtsprechungs-grundsatz.
Das Berufungsgericht geht - insoweit zutreffend - selbst davon aus, daß die (unverschuldete) Mittellosigkeit der vom Kläger verwalteten [X.] (§ 116 ZPO) dafür ursächlich geworden ist, daß die Berufungsbegrün-dung durch ihren jetzigen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Rechts-anwalt Dr. Er. erst nach Ablauf der verlängerten Berufungsbegründungsfrist erfolgen konnte, weil dieser - in zulässiger Weise - die Mandatsübernahme von der Gewährung der von ihm beantragten Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht hatte. Soweit das Berufungsgericht dem Kläger hingegen ein [X.] bis zum [X.] sowie die Beendigung des seinen früheren Bevollmächtig-ten erteilten Mandats als verschuldete Umstände anlasten will, die die [X.] Ursächlichkeit der Mittellosigkeit für die Fristversäumung ausschlie-ßen, ist dies - wie ausgeführt - von Rechtsirrtum beeinflußt.
Darauf, daß das Berufungsgericht sich mit dem angefochtenen [X.]uß zu seiner dem Prozeßkostenhilfegesuch stattgebenden Entscheidung in [X.] - 8 - spruch gesetzt hat, weil es die Frage der [X.] im Rahmen der Bewilligung bejaht haben muß, kommt es nicht mehr an.
[X.] [X.]

[X.] Strohn

Meta

II ZB 17/03

27.09.2004

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2004, Az. II ZB 17/03 (REWIS RS 2004, 1475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1475

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