Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. IX ZB 208/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2782

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.] 208/03
vom 17. Juni 2004 in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO §§ 233 Ha, 520 Abs. 2 Satz 1

Falls die [X.] im [X.]punkt der Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe nur die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels, nicht aber auch die Frist zu seiner Begründung versäumt hat, kann sie nicht darauf verwiesen werden, innerhalb von zwei Werktagen einen Antrag zur Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist zu stellen (im [X.] an [X.], [X.]. v. 9. Juli 2003 - [X.] 147/02, NJW 2003, 3275, 3276; v. 25. September 2003 - [X.], NJW 2003, 3782).

[X.], [X.]uß vom 17. Juni 2004 - [X.] 208/03 - KG Berlin

LG Berlin - 2 -

Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.]
am 17. Juni 2004 beschlossen:
Dem [X.]n wird wegen der Versäumung der Frist zur [X.] Wiedereinsetzung in den [X.] gewährt.

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]n wird der [X.]uß des 25. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2003 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 36. Zivil-kammer des [X.] vom 19. November 2002 [X.] in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen worden ist.

Dem [X.]n wird wegen der Versäumung der Frist zur [X.] in den vorigen Stand gewährt.

Zur Verhandlung und neuen Entscheidung über die Berufung [X.] über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird die
Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

- 3 -

Gründe:
[X.]

Mit Urteil des [X.] wurde der [X.] unter Abweisung seiner Widerklage verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand 7.041,42 • nebst Zin-sen zu zahlen. Das Urteil wurde der damaligen Prozeßbevollmächtigten des [X.]n, Rechtsanwältin [X.], am 28. November 2002 zugestellt. Der [X.] beantragte beim [X.] am 30. Dezember 2002 die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Einlegung der Berufung, die Beiordnung der erstin-stanzlichen Prozeßbevollmächtigten, die sich zur Übernahme des Berufungs-mandats bereit erklärt habe, und die Gewährung einer Frist zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Berufungsbegründung. Das [X.] bewilligte mit [X.]uß vom 23. Januar 2003 Prozeßkostenhilfe. Mangels Anzeige der [X.] blieb die Beiordnung der Rechtsanwältin vorbehalten. Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wurde [X.], weil er nicht von einem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt gestellt worden war. Dieser [X.]uß wurde dem [X.]n persönlich am 25. Januar 2003 und der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 27. Januar 2003 zugestellt.

Am 7. Februar 2003 hat der [X.] durch einen anderen Prozeßbe-vollmächtigten, Rechtsanwalt [X.], Berufung eingelegt. Zugleich hat er "ge-gen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist" Wieder-einsetzung in den vorigen Stand beantragt. Ferner hat er beantragt, ihm zur Begründung der Berufung eine Frist von einem Monat ab Zustellung des Wie-- 4 -

dereinsetzungsbeschlusses, hilfsweise eine zweimonatige Frist ab Zustellung des [X.] zu gewähren sowie, weiter hilfsweise, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Schließlich hat er die Beiordnung seines neuen Prozeßbevollmächtigten [X.]. Mit [X.]uß vom 7. Juli 2003 hat das [X.] den neuen [X.] beigeordnet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist gewährt; den Antrag auf [X.] "gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist" hat es abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen.

Dagegen wendet sich der [X.] mit seiner Rechtsbeschwerde. Durch [X.]uß vom 12. Februar 2004 - zugestellt am 1. März 2004 - hat der [X.] dem [X.]n Prozeßkostenhilfe bewilligt. Daraufhin hat dieser am 9. März 2004 wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich die Rechtsbe-schwerde begründet.

I[X.]

Dem [X.]n ist wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil ihn daran kein Verschulden trifft. Er ist zur Durchführung des Verfahrens erst seit der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe durch den [X.] in der Lage und hat rechtzeitig die Wiedereinsetzung beantragt und die [X.].
- 5 -

- 6 -

II[X.]

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und zuläs-sig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie hat auch Erfolg, weil der [X.] ohne sein [X.] gehindert war, die Berufung innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) zu begründen.

1. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Auffassung darauf ge-stützt, nach Zustellung der die Prozeßkostenhilfe bewilligenden Entscheidung hätte der [X.] innerhalb der noch verbleibenden [X.] bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist die bereits mandatierte Rechtsanwältin [X.]oder einen anderen Rechtsanwalt beauftragen können, einen Fristverlängerungsan-trag zu stellen. Gegebenenfalls wäre die Frist mindestens um einen Monat ver-längert worden.

2. Diese Auffassung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Vorschrift des § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ZPO, bei deren wortgetreuer Befolgung die Begründung des Rechtsmittels innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses für die Einhaltung der Frist nachzuholen wäre, verfassungs-konform auszulegen ([X.], [X.]. v. 9. Juli 2003 - [X.] 147/02, NJW 2003, 3275, 3276; v. 25. September 2003 - [X.], NJW 2003, 3782; vgl. hierzu Deichfuß [X.]-Report 2003, 1157, 1362). Danach kann, falls die im Sinne von § 114 ZPO [X.] im [X.]punkt der Entscheidung über die Prozeßkosten-hilfe nicht nur die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels, sondern auch die Frist zu seiner Begründung versäumt hat, die Frist zur Begründung des [X.] 7 -

tels mit Zustellung der [X.] neu beginnen. Alternativ wird erwogen, daß erst mit der Zustellung der die Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist gewährenden Entscheidung eine einmonatige Begründungs-frist beginnt.

b) Von diesen Fällen unterscheidet sich der vorliegende zwar dadurch, daß hier die Berufungsbegründungsfrist noch nicht abgelaufen war, als der [X.] Kenntnis von der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe erhielt. Auch ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht etwa deswegen abgelehnt [X.], weil die Berufungsbegründung nicht innerhalb der zweiwöchigen Wieder-einsetzungsfrist eingereicht wurde, sondern weil der [X.] es unterlassen hat, rechtzeitig durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt einen Fristver-längerungsantrag zu stellen.

Diese Unterschiede sind jedoch grundsätzlich nicht erheblich. Die Stel-lung eines Fristverlängerungsantrags erfordert im Regelfall zwar keinen be-sonderen [X.]- und Arbeitsaufwand; dies ändert jedoch nichts daran, daß unter Zugrundelegung der Auffassung des Berufungsgerichts der armen [X.] die ursprüngliche Begründungsfrist weitgehend verloren ginge. Ihr würde ange-sonnen, in der ihr verbleibenden [X.] - hier: zwei Werktage - einen Prozeßbe-vollmächtigten zu finden, der bereit ist, sich beiordnen zu lassen und einen Fristverlängerungsantrag zu stellen, wofür er sich einen zumindest [X.] Überblick über den Verfahrensstand verschaffen müßte. Eine [X.], die im [X.]punkt der Zustellung der die Prozeßkostenhilfe bewilligenden Entschei-dung die Rechtsmittelbegründungsfrist noch nicht versäumt hat, darf grund-sätzlich nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie auch diese Frist bereits versäumt hätte. Andernfalls hinge der [X.]raum, der ihr zur Einreichung der - 8 -

Rechtsmittelbegründung zur Verfügung stünde, und das Maß an Anstrengun-gen, welche die [X.] zur Fristwahrung auf sich nehmen müßte, von dem zu-fälligen und von der [X.] nicht beeinflußbaren Umstand ab, ob über ihr Pro-zeßkostenhilfegesuch vor oder nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist entschieden wird.

Ob die Lage anders zu beurteilen wäre, wenn dem [X.]n von der ursprünglichen Berufungsbegründungsfrist nicht nur zwei Werktage, sondern ein [X.]raum von einer Woche oder mehr verblieben wäre, braucht der [X.] nicht zu entscheiden.

c) Danach lief im vorliegenden Fall die Berufungsbegründungsfrist frü-hestens zwei Monate nach Zustellung der [X.] ab, mithin am 25. März 2003. Sie war noch offen, als am 7. Februar 2003 Rechts-anwalt [X.]für den [X.]n - neben der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist - die Verlängerung der zuletzt genannten Frist beantragte.

Daß der [X.] und Rechtsanwalt [X.]davon ausgingen, die Beru-fungsbegründungsfrist sei bereits versäumt, und deshalb vorerst davon absa-hen, die Berufung zu begründen, war nicht schuldhaft. Sie befanden sich im Einklang mit dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Die Rechtsprechung des [X.], wonach diese verfassungskonform auszulegen ist, gab es noch nicht. In seiner Rechtsauffassung mußte sich Rechtsanwalt [X.] durch einen Hinweis des Berufungsgerichts vom 11. Februar 2003 bestätigt fühlen, wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht, weil die nach [X.] 9 -

lung der [X.] verbliebene [X.] zumindest zur Stel-lung eines Fristverlängerungsantrags ausgereicht hätte. Immerhin hatte Rechtsanwalt [X.] dem Berufungsgericht den richtigen Weg gewiesen, in-dem er zusätzlich beantragt hatte, dem [X.]n eine einmonatige Frist zur Berufungsbegründung ab Zustellung des [X.], hilfs-weise eine zweimonatige Frist ab Zustellung des [X.] zu "gewähren".

Hinzu kommt, daß der [X.] zunächst - mangels Beiordnung des Rechtsanwalts [X.] - noch gar nicht in der Lage war, seinen neuen Prozeß-bevollmächtigten mit der Einreichung der Berufungsbegründung zu [X.]. Nach dem unwiderlegten Vortrag des [X.]n war Rechtsanwalt [X.] vor seiner Beiordnung nur bereit, die Berufung einzulegen und die [X.] zu stellen, nicht aber, die Berufung zu begründen. In einem dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren wird das der Rechtsverfolgung entgegenstehende Hindernis der Armut erst mit der Beiordnung eines Rechts-anwalts beseitigt ([X.], Urt. v. 22. März 2001 - [X.] ZR 407/98, [X.], 1038, 1039). Die Beiordnung des Rechtsanwalts [X.] hat das Berufungsgericht indes mit [X.]uß vom 28. März 2003 zunächst abgelehnt. Diese Entschei-dung hat es erst auf die Gegenvorstellung des [X.]n hin mit dem weiteren [X.]uß vom 7. Juli 2003 korrigiert.

Zwar hätte der [X.] nunmehr durch Rechtsanwalt J.

die Beru-fungsbegründung fertigen und einreichen können. Da das Berufungsgericht wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinset-zung in den vorigen Stand gewährt hat, lief jedoch - selbst unter Zugrundele-gung des alternativen Lösungsansatzes (vgl. oben a) - keine neue Frist, die der - 10 -

[X.] einhalten mußte. Die Frage, ob die Berufungsbegründungsfrist mit Zustellung der Prozeßkostenhilfebewilligung oder mit Zustellung der die [X.] bewilligenden Entscheidung zu laufen beginnt, kann deshalb auch hier offen bleiben.
[X.]

Die angefochtene Entscheidung ist somit aufzuheben, soweit sie dem [X.]n nachteilig ist. Dem [X.]n ist wegen der Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Verhandlung und neuen Entscheidung über die Berufung ist die Sa-che an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.]

Ganter

[X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZB 208/03

17.06.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. IX ZB 208/03 (REWIS RS 2004, 2782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2782

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