Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.11.2018, Az. XI ZB 31/17

11. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 1494

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Gegenstand

Organisationsverschulden bei der Fristenkontrolle in der Anwaltskanzlei


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 8. November 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 95.000 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

2

Das [X.] hat antragsgemäß festgestellt, dass sich der von den Parteien geschlossene Darlehensvertrag aufgrund des Widerrufs der Kläger in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt habe und die Parteien nicht mehr an die darlehensvertraglichen [X.] gebunden seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, soweit die Kläger beantragt haben die [X.] zu verurteilen, die Kläger von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen.

3

Das landgerichtliche Urteil ist der [X.]n am 28. April 2017 zugestellt worden. Die [X.] hat gegen das Urteil am 19. Mai 2017 Berufung eingelegt. Eine [X.] ist bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 28. Juni 2017 nicht bei dem Berufungsgericht eingegangen. Auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts vom 29. August 2017, es sei wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beabsichtigt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hat die [X.] am 8. September 2017 eine [X.] vorgelegt und zugleich Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Zur Begründung des [X.] hat die [X.] unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten und dreier Rechtsanwaltsfachangestellter sowie von Auszügen aus dem [X.] im Wesentlichen ausgeführt:

4

Die "für die Fristennotierung und -kontrolle stellvertretend zuständige" Rechtsanwaltsfachangestellte [X.]habe nach Eingang des landgerichtlichen Urteils am 28. April 2017 (Freitag), weil die "vorrangig zuständige", sorgfältig ausgewählte, angeleitete und überwachte Rechtsanwaltsfachangestellte [X.]"wie an jedem zweiten Freitag" an einer Fortbildungsveranstaltung in [X.]teilgenommen habe, sowohl den Ablauf der Berufungsfrist am 29. Mai 2017 (Montag) als auch den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 28. Juni 2017 in dem von Hand geführten [X.] notiert. Eine [X.] habe sie, da der auf die wöchentlich zu fertigende Liste der [X.]n der Folgewoche vertrauende Prozessbevollmächtigte der [X.]n in "[X.]" die Anweisung erteilt habe, dies zu unterlassen, nicht eingetragen. Der Prozessbevollmächtigte der [X.]n habe unter dem 19. Mai 2017 (Freitag) eine Berufungsschrift gefertigt, die die Rechtsanwaltsfachangestellte [X.]am Nachmittag dieses Tages über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) an das Berufungsgericht übermittelt habe. Die für die Berufungsschrift erteilte EGVP-Eingangsbestätigung habe sie ausgedruckt. Am 22. Mai 2017 (Montag) habe die wegen ihrer Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung am 19. Mai 2017 ortsabwesende Rechtsanwaltsfachangestellte [X.], der die Rechtsanwaltsfachangestellte [X.]den Vorgang zur Fristerledigung vorgelegt habe, die EGVP-Eingangsbestätigung überprüft und daraufhin im [X.] die auf den 29. Mai 2017 notierte Berufungsfrist gestrichen. Aus ungeklärten Gründen habe sie aufgrund eines "Augenblicksversagens" anschließend auch die Berufungsbegründungsfrist als vollständig erledigt durchgestrichen. Zu einem solchen Versehen sei es weder bei der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] "noch bei anderen" für den Prozessbevollmächtigten der [X.]n "im Rahmen der Fristenkontrolle tätigen Mitarbeiterinnen" vorher jemals gekommen. Die Streichung der Berufungsbegründungsfrist sei der Anweisung des Prozessbevollmächtigten der [X.]n zuwider geschehen, die dahin gelautet habe, Fristen im [X.] erst zu streichen, wenn per EGVP-Eingangsbestätigung die Übermittlung des jeweils fristwahrenden Schriftsatzes überprüft worden sei. Am Abend des 28. Juni 2017 habe die nach dem Ausscheiden der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] nunmehr vorrangig für die Fristennotierung und -kontrolle zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte So.      anhand des [X.]s die abendliche [X.] vorgenommen. Da sie gewusst habe, dass laut Anweisung des Prozessbevollmächtigten der [X.]n die Streichung von Fristen nur nach Vorlage und Überprüfung der jeweiligen Eingangsbestätigung des Gerichts habe erfolgen dürfen, sei sie mit Blick auf die gestrichene Berufungsbegründungsfrist davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung bereits an das Berufungsgericht übermittelt worden sei, ohne dies anhand der Akten nochmals zu überprüfen. Sie habe so verfahren dürfen, weil sie aufgrund der Weisung des Prozessbevollmächtigten der [X.]n, "Berufungsbegründungsfristen" nur "nach Vorlage und Überprüfung entsprechender [X.]" zu streichen, davon habe ausgehen dürfen, dass die [X.] "längst fertiggestellt und beim Berufungsgericht eingegangen" gewesen sei. Veranlassung, die Erledigung der Frist nochmals anhand der Akte zu überprüfen, habe nicht bestanden. Vielmehr habe, weil zu Zweifeln, die zu weiteren Nachforschungen hätten führen müssen, kein Anlass bestanden habe, "bei der [X.] die ordnungsgemäß durchgeführte Überprüfung anhand des [X.]s" genügt.

5

Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag der [X.]n auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung der [X.]n als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die [X.] habe die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Ihr sei ein Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Die [X.] habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter eine hinreichende [X.] gewährleistet habe. Die täglich abschließende abendliche [X.], die auf einer zweiten Stufe dazu diene festzustellen, ob in einer der als bereits erledigt vermerkten [X.]n die fristwahrende Handlung tatsächlich ausgeführt worden sei, dürfe sich nicht auf eine Überprüfung beschränken, ob alle für diesen Tag vermerkten Fristen im [X.] gestrichen seien. Vielmehr müsse die Anweisung an das Büropersonal dahin lauten, die Erledigung der Fristen nochmals gegebenenfalls anhand der Akten zu überprüfen, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten könnten, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gelte. Weil der Prozessbevollmächtigte der [X.]n eine solche Weisung nicht erteilt habe, habe er die [X.] schuldhaft mangelhaft organisiert. Dieser Organisationsmangel sei für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kausal geworden.

6

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der [X.]n.

II.

7

[X.] ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom 9. November 2004 - [X.], [X.], 86, 87 mwN), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des [X.] weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht vielmehr im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und verletzt weder den Anspruch der [X.]n auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) noch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen. Die [X.] hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Eigenverschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, an der Einhaltung der Frist zur Begründung ihrer Berufung gehindert war.

8

1. Der Prozessbevollmächtigte der [X.]n hat, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat, die Fristenkontrolle schuldhaft mangelhaft organisiert.

9

a) Schon in der Weisung, in "[X.]" keine [X.] zu notieren, liegt entgegen den Einwänden der Rechtsbeschwerde ein nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der [X.]n. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung gehört zur ordnungsgemäßen Organisation einer Anwaltskanzlei die allgemeine Anordnung, bei Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an [X.] und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei [X.] auch in "[X.]" der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine grundsätzlich etwa einwöchige [X.] zu notieren. Die [X.] dient dazu sicherzustellen, dass auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist verbleibt. Die Eintragung einer [X.] bietet eine zusätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn die Eintragung einer Rechtsmittelbegründungsfrist versehentlich unterblieben ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Juli 1994 - [X.], NJW 1994, 2551 f., vom 25. September 2003 - [X.], [X.], 100, vom 24. Januar 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 747 Rn. 8 ff., vom 18. Januar 2018 - [X.] 166/17, juris Rn. 11 und vom 13. September 2018 - [X.] 227/17, juris Rn. 7). Von diesen Vorgaben ist der Prozessbevollmächtigte der [X.]n ausdrücklich abgewichen. Die Anweisung, wöchentlich eine Fristenliste für die folgende Woche zu erstellen, gewährleistete gerade für den Fall einer versehentlich verfrühten Streichung der Hauptfrist keinen gleichwertigen Kontrollmechanismus.

b) Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte der [X.]n, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, die Kontrolle ausgehender Schriftsätze mangelhaft organisiert.

aa) Freilich darf ein Rechtsanwalt im Interesse seiner der Rechtspflege gewidmeten eigenverantwortlichen Tätigkeit routinemäßige Büroarbeiten auf Mitarbeiter delegieren. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Erledigung der ausgehenden Post. Der Rechtsanwalt hat in diesen Fällen jedoch durch allgemeine, unmissverständliche Weisungen Vorsorge zu treffen, dass Fehler nach Möglichkeit vermieden werden.

Mit der Führung des [X.]s darf nur eine gut ausgebildete, als zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte Büroangestellte betraut werden ([X.], Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.]/15, juris Rn. 11 mwN). Für die Ausräumung eines Organisationsverschuldens des Rechtsanwalts muss eindeutig feststehen, welche so qualifizierte Bürokraft zu einem bestimmten [X.]punkt jeweils ausschließlich für die Fristenkontrolle, das heißt die Fristennotierung im Kalender und die Fristenüberwachung, zuständig ist. Denn bei einer Überschneidung von Kompetenzen werden Fehlerquellen eröffnet, weil die Gefahr besteht, dass sich im Einzelfall einer auf den anderen verlässt ([X.], Beschlüsse vom 26. Februar 2015 - [X.]/14, [X.], 782 Rn. 10 ff. und vom 23. Februar 2016 - [X.], [X.], 2083 Rn. 14 mwN).

Außerdem muss der Rechtsanwalt eine Weisung dahingehend erteilen, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden [X.] durch eine dazu beauftragte Bürokraft ausgehend von den - auch im Falle ihrer Streichung lesbar zu erhaltenden - Eintragungen im [X.] nochmals selbständig überprüft wird ([X.], Beschlüsse vom 4. November 2014 - [X.], [X.], 2388 Rn. 8 f., vom 9. Dezember 2014 - [X.]/13, NJW-RR 2015, 442 Rn. 8 und vom 26. Februar 2015 - [X.]/14, [X.], 782 Rn. 8). Dabei dient die abendliche [X.] fristgebundener Schriftsätze nicht nur der Kontrolle, ob sich aus den Eintragungen im [X.] noch unerledigt gebliebene [X.]n ergeben. Vielmehr hat sie auch den Zweck festzustellen, ob in einer bereits als erledigt vermerkten [X.] die fristwahrende Handlung noch aussteht ([X.], Beschlüsse vom 2. März 2000 - [X.] 1/00, [X.], 1957 und vom 4. November 2014, aaO, Rn. 10). Der Rechtsanwalt muss das Büropersonal deshalb dazu anweisen, anhand der Ausgangspost und gegebenenfalls der Akten zu überprüfen, ob die im [X.] als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind ([X.], Beschlüsse vom 4. November 2014, aaO, Rn. 13, vom 15. Dezember 2015 - [X.], [X.], 1558 Rn. 8, vom 25. Februar 2016 - [X.]/15, [X.], 563 Rn. 10, vom 10. August 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 1403 Rn. 17 und vom 25. April 2017 - [X.], juris Rn. 10). Soweit sich die [X.] in der Berufungsinstanz darauf berufen hat, der [X.] Zivilsenat ([X.], Beschluss vom 2. April 1998 - [X.] 131/97, NJW-RR 1998, 1604) und der [X.] Zivilsenat ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 427 Rn. 9) hätten entschieden, es genüge, im Zuge der abendlichen [X.] die Erledigung der [X.]n ausschließlich anhand des [X.]s zu überprüfen, lässt sich dies, wie das Berufungsgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, späteren Entscheidungen beider Senate nicht mehr entnehmen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. Dezember 2015, aaO und vom 9. März 2017 - [X.] 1/16, juris Rn. 9, dort unter anderem mit Verweis auf [X.], Beschluss vom 25. Februar 2016, aaO; außerdem [X.], Beschluss vom 30. Mai 2017 - [X.], NJW-RR 2017, 1532 Rn. 16).

bb) Den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gestellten Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte der [X.]n schuldhaft nicht genügt.

Aus dem Vortrag der [X.]n ergibt sich schon nicht, dass die Fristennotierung und -kontrolle zu einem bestimmten [X.]punkt jeweils ausschließlich in nur eine Hand gelegt war. Die als Vertreterin der "vorrangig zuständigen" Rechtsanwaltsfachangestellten [X.]  bestellte Rechtsanwaltsfachangestellte [X.]hat am 28. April 2017 die eintägige Verhinderung der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] zum Anlass genommen, selbst Eintragungen in den [X.] vorzunehmen, während die wiederum eintägige Verhinderung der Rechtanwaltsfachangestellten [X.] am 19. Mai 2017 dazu geführt hat, dass Eintragungen an diesem Tag unterblieben und von der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.]erst nach deren Wiedererscheinen am 22. Mai 2017 vorgenommen worden sind. Damit oblag zufolge des Vortrags der [X.]n ohne klare Definition des [X.] die Fristenkontrolle mehreren Büroangestellten.

Darüber hinaus fehlte es an einer ordnungsgemäßen Weisung für die Durchführung der abendlichen [X.], weil die damit betrauten Büroangestellten nicht gehalten waren, die Ausführung der fristwahrenden Prozesshandlung in allen Fällen anhand der Ausgangspost und gegebenenfalls anhand der Akten zu überprüfen. Dass nach den Gepflogenheiten des Prozessbevollmächtigten der [X.]n fristwahrende Schriftsätze per EGVP versandt wurden, hat entgegen der Rechtsauffassung der Rechtsbeschwerde auf die Anforderungen, die an die Organisation einer ordnungsgemäßen abendlichen [X.] zu stellen sind, keine Auswirkungen. Wie der Sendebericht eines Telefaxes dient die EGVP-Eingangsbestätigung ausschließlich dazu, den Eingang des Schriftsatzes bei Gericht zu bestätigen. Dass die Vorlage einer EGVP-Eingangsbestätigung nach den Weisungen des Prozessbevollmächtigten der [X.]n Voraussetzung für die Streichung einer Frist auf der ersten Stufe der Fristenkontrolle war, ändert nichts daran, dass eine ordnungsgemäße Büroorganisation die Weisung voraussetzte, die berechtigte Streichung der Frist im Rahmen der abendlichen [X.] anhand der Prüfung, ob eine EGVP-Eingangsbestätigung zu den Akten gelangt sei, nochmals zu kontrollieren.

Die Erteilung einer konkreten Anweisung, deren Befolgung die Fristwahrung unbeschadet der unzureichenden allgemeinen Büroorganisation sichergestellt hätte (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Februar 2016 - [X.] 36/15, [X.], 2085 Rn. 11 mwN), hat die [X.] weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

2. Die Organisationsmängel des Prozessbevollmächtigten der [X.]n waren für die Fristversäumnis ursächlich.

Wäre eine [X.] in den [X.] eingetragen worden, wären die Akten dem Prozessbevollmächtigten der [X.]n bei auf die [X.] bezogen unterstellt ordnungsgemäßem Vorgehen rechtzeitig vorgelegt worden (vgl. [X.], Beschluss vom 15. April 2014 - [X.], juris Rn. 13). In diesem Fall hätte der Prozessbevollmächtigte der [X.]n rechtzeitig bemerkt, dass eine Berufungsbegründung noch nicht erstellt war. Ein Rechtsanwalt hat eine ihm aufgrund einer [X.] vorgelegte und damit in seinen persönlichen Verantwortungsbereich (zurück-)gelangte [X.] rechtzeitig zu bearbeiten und für die Weiterleitung der bearbeiteten Sache in der Weise Sorge zu tragen, dass der entsprechende Schriftsatz fristgerecht bei Gericht eingeht. Dieser Pflicht wird er nicht durch eine weitere, auf den Tag des Fristablaufs notierte Frist enthoben ([X.], Beschluss vom 27. Juni 2013 - [X.], juris Rn. 3). Hätte mithin der Prozessbevollmächtigte der [X.]n nach Vorlage der Akten zur [X.] die Berufungsbegründung fristgerecht fertiggestellt und einer Büroangestellten mit der Weisung übergeben, sie bei Gericht einzureichen, wäre die Berufungsbegründungsfrist gewahrt worden.

Weiter ist, was für die Annahme der Ursächlichkeit genügt, nicht auszuschließen, dass bei einer klaren Zuordnung der Fristenverwaltung in der Hand nur einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Büroangestellten die Berufungsbegründungsfrist nicht "aus ungeklärten Gründen" vorzeitig gestrichen worden wäre. Wäre schließlich bei einer ordnungsgemäß organisierten abendlichen [X.] bemerkt worden, dass die Frist zur Berufungsbegründung zu Unrecht gestrichen worden war, hätte der Prozessbevollmächtigte der [X.]n zumindest fristgerecht einen - potentiell erfolgreichen, weil erstmaligen - Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO stellen können (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juni 2017 - [X.], juris Rn. 12).

An der Kausalität des Organisationsverschuldens des Prozessbevollmächtigten der [X.]n ändert nichts, dass außerdem auch noch eine seiner Mitarbeiterinnen die zunächst richtig notierte Berufungsbegründungsfrist aus ungeklärten Gründen gestrichen hat. Die Verantwortung eines Rechtsanwalts für den verspäteten Eingang eines Schriftsatzes wird nicht dadurch beseitigt, dass auch seine Mitarbeiter gegen ihre Pflichten verstoßen und so zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels mit beitragen. Für die Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Fristversäumung, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt, genügt Mitursächlichkeit (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2017 - [X.], [X.], 610 Rn. 10 mwN).

Ellenberger     

        

Joeres     

        

Matthias

        

Menges     

        

Dauber     

        

Meta

XI ZB 31/17

20.11.2018

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Koblenz, 8. November 2017, Az: 8 U 549/17

§ 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.11.2018, Az. XI ZB 31/17 (REWIS RS 2018, 1494)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1494

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