Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.11.2014, Az. I ZR 16/14

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 889

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Irreführung durch die Werbung für Kondome mit "Made in Germany)


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 28. November 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 75.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien produzieren und vertreiben Kondome.

2

Die Beklagte bezieht aus dem Ausland entsprechend geformte Erzeugnisse aus Naturkautschuklatex. In ihrem [X.] Werk werden die Produkte - sofern sie als "feuchte Kondome" vertrieben werden sollen, nach der Befeuchtung - einzeln in Folien eingeschweißt, die Folien mit den vorgeschriebenen Kennzeichnungen versehen und die [X.] zusammen mit Gebrauchsanweisungen in Faltschachteln verpackt und versiegelt. Ferner erfolgt im [X.] Prüflabor der Beklagten eine chargenmäßige Qualitätskontrolle der Produkte nach [X.] [X.], bei der stichprobenartig ausgewählte Produkte unter anderem auf ihre Dichtigkeit und Reißfestigkeit überprüft werden.

3

Die Beklagte bewirbt ihre Produkte im [X.] mit der siegelartig ausgestalteten Angabe "[X.] - [X.]".

4

Die Klägerin sieht in dieser Angabe eine Irreführung über den Produktionsort der Erzeugnisse. Sie hat gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung erwirkt. Mit der vorliegenden Hauptsacheklage hat sie die Beklagte auf Unterlassung der Bewerbung ihrer Kondome mit der Angabe "[X.] - [X.]" und auf Ersatz der Kosten für das anwaltliche [X.] in Anspruch genommen.

5

Die Beklagte hat eingewandt, ihre Produkte würden erst durch die Siegelung und Qualitätskontrolle in [X.] als Kondome verkehrsfähig.

6

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Angabe "[X.] - [X.]" sei irreführend, weil sie dem Verbraucher den unzutreffenden Eindruck vermittle, die Produkte seien in [X.] hergestellt worden. Tatsächlich würden die Kondome erst nach ihrer Fertigung im Ausland in das [X.] Werk der Beklagten ausgeliefert, wo nur noch eine Kontrolle stattfinde, ob die Produkte die für die Wertschätzung des Verbrauchers maßgeblichen qualitativen Sicherheitskriterien aufwiesen.

7

Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten. Mit der angestrebten Revision möchte sie die Abweisung der Klage erreichen.

8

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

9

1. Die Beschwerde macht geltend, die Annahme des Berufungsgerichts, der nach der Verkehrsauffassung entscheidende [X.] finde nicht in [X.] statt, beruhe auf in sich widersprüchlichen Erwägungen und sei wegen Verstoßes gegen die Denkgesetze objektiv willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass der Verkehr aufgrund der Angabe "[X.] - [X.]" erwarte, der für die wertbestimmenden Eigenschaften der Produkte maßgebliche [X.] erfolge in [X.], und in dieser Erwartung enttäuscht werde. Diese Ausführungen ließen sich nicht mit seiner Annahme in Einklang bringen, der Schutz vor übertragbaren Krankheiten und Schwangerschaften, die für den Verkehr beim Erwerb von Kondomen im Vordergrund stehe, werde durch die im [X.] Werk der Beklagten erfolgende Verpackung, Versiegelung und Qualitätskontrolle gesichert. Diese Rüge bleibt erfolglos.

a) Das Berufungsgericht ist bei seiner Annahme einer Irreführung des Verbrauchers nicht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Angabe "[X.] - [X.]" aus Sicht des Verkehrs die allgemeine Garantie beinhaltet, die Einhaltung der für den Verbraucher wesentlichen Sicherheitskriterien werde durch Geschäftsvorgänge in [X.] gewährleistet. Stattdessen hat es angenommen, der Verkehr entnehme der streitgegenständlichen Angabe, dass die für die Herstellung eines Kondoms maßgeblichen Produktionsschritte in [X.] stattfänden. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Verbraucher die Werbeaussage auf das Produkt als solches beziehe. Soweit das Berufungsgericht als wesentliche Qualitätsmerkmale des Erzeugnisses die Verhütung von Krankheiten und Schwangerschaften angesehen hat, hat es angenommen, dass sich schon anhand des vollständig im Ausland stattfindenden Herstellungsprozesses und nicht erst durch die in [X.] erfolgende, nicht mehr zum Fertigungsprozess gehörende nachträgliche Kontrolle entscheide, ob das Kondom die erforderliche Dichtigkeit und Reißfestigkeit aufweise.

b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde nicht widersprüchlich. Das Berufungsgericht hat die im Ausland hergestellten Waren als Endprodukte bewertet, die nach ihrer Fertigung im [X.] Werk der Beklagten nur noch verpackt, versiegelt und einer Qualitätskontrolle unterzogen werden. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Verpackung, Versiegelung und Kontrolle nach den Vorgaben des Medizinproduktegesetzes Voraussetzungen dafür sind, dass die Kondome in den Verkehr gebracht werden dürfen. Das Berufungsgericht hat jedoch zwischen der Fertigung der Kondome als solcher und der Herstellung ihrer Verkehrsfähigkeit differenziert. Da sich nach seiner Beurteilung die Angabe "[X.]" auf den tatsächlichen [X.] bezieht, hat es zu Recht als entscheidungserheblich angesehen, dass die maßgeblichen Produktionsschritte nicht im Inland, sondern im Ausland stattfinden.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde führt an, der Rechtsstreit werfe die rechtsgrundsätzliche Frage auf,

nach welchen Kriterien die Zulässigkeit der Bezeichnung "[X.]" für Erzeugnisse, die nicht ausschließlich in [X.] hergestellt worden sind, zu beurteilen ist, insbesondere bei technischen Geräten wie Medizinprodukten, bei denen die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben für die Verkehrsfähigkeit erforderlich ist.

Dieses Vorbringen erfordert nicht die Zulassung der Revision, weil die von der Beschwerde angesprochene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist.

a) Für die Beurteilung, welcher Aussagegehalt einer Herkunftsangabe wie "[X.]" aus Sicht des Verkehrs zukommt, hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, die auch im Schrifttum herangezogen werden und an denen sich das Berufungsgericht orientiert hat.

aa) Da der Verkehr das Phänomen der internationalen Arbeitsteilung kennt, erwartet er im Allgemeinen nicht, dass alle Produktionsvorgänge am selben Ort stattfinden ([X.], [X.] 1996, 53, 54; [X.]. UWG/[X.], 2. Aufl., § 5 Rn. 548; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 73 Rn. 35). Er weiß allerdings, dass industriell gefertigte Erzeugnisse ihre Qualität und charakteristischen Eigenschaften in aller Regel allein oder jedenfalls ganz überwiegend der Güte und Art ihrer Verarbeitung verdanken. Bei einem Industrieprodukt bezieht der Verkehr eine Herkunftsangabe deshalb grundsätzlich auf denjenigen Ort der Herstellung der Ware, an dem das [X.] seine für die Verkehrsvorstellung maßgebende Qualität und charakteristischen Eigenschaften erhält ([X.].UWG/[X.] aaO § 5 Rn. 548; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 6. Aufl., § 5 Rn. 381; [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 127 [X.] Rn. 9 f.).

Danach ist es für die Richtigkeit der Angabe "[X.]" notwendig, aber auch ausreichend, dass die Leistungen in [X.] erbracht worden sind, durch die das zu produzierende [X.] seine aus Sicht des Verkehrs im Vordergrund stehenden qualitätsrelevanten Bestandteile oder wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften erhält (vgl. [X.], Urteil vom 23. März 1973 - [X.], [X.] 1973, 594, 595 = [X.], 407 - Ski-Sicherheitsbindung; [X.], [X.] 1991, 690 - Werbung mit [X.]; [X.], [X.] 1996, 53, 54; [X.], [X.], 939, 940 - Produziert in [X.]; [X.], [X.], 1082 Rn. 15 - Schmiedekolben "[X.]").

Die vorgenannten Beurteilungsgrundsätze werden auch im wettbewerbsrechtlichen Schrifttum als maßgeblich angesehen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], UWG, 32. Aufl., § 5 Rn. 4.84; [X.] in Harte/[X.], UWG, 3. Aufl., § 5 Abschn. [X.] Rn. 213; [X.] in Götting/[X.], UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 1.65; [X.].UWG/[X.] aaO § 5 Rn. 548; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 381; MünchKomm.UWG/Busche, 2. Aufl., § 5 Rn. 683; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 73 Rn. 35; [X.], [X.]-Prax 2011, 280).

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht angenommen, die aus Sicht des Verbrauchers wesentlichen Eigenschaften der Dichtigkeit und Reißfestigkeit eines Kondoms bildeten sich während der Fertigung des Produkts im Ausland heraus. Die [X.]hargenprüfungen im [X.] Werk der Beklagten dienten nicht der Schaffung dieser Eigenschaften, sondern der nachträglichen Kontrolle auf ihr Vorhandensein. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

b) Für die Frage, ob ein Produkt die Angabe "[X.]" verdient, wird im Schrifttum allerdings teilweise abweichend die Regelung in Art. 24 der Verordnung ([X.]) 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften zum zollrechtlichen Ursprung einer in mehreren Ländern hergestellten Ware herangezogen, wonach Ursprungsland dasjenige Land ist, in dem die Ware der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist (vgl. [X.], [X.]-Prax 2011, 291, 292; [X.], [X.] 2013, 576, 581; [X.], [X.]-Prax 2014, 440; [X.]/[X.], [X.] Int. 2014, 321, 332). Teilweise wird auch der Anteil der im jeweiligen Land erfolgenden Wertschöpfung berücksichtigt (vgl. [X.], [X.] 2007, 921, 924 f.). Solchen Maßstäben kann jedoch keine entscheidende Bedeutung für den Irreführungscharakter der Angabe "[X.]" zukommen, weil dafür auf das Begriffsverständnis der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen ist (vgl. [X.], [X.], 939, 940 - Produziert in [X.]; [X.], [X.], 1082 Rn. 16 - Schmiedekolben "[X.]"; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 73 Rn. 35; [X.]/[X.]/[X.] aaO § 127 [X.] Rn. 10; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 127 Rn. 7). Die vorgenannten Kriterien sind deshalb in der Rechtsprechung -und mit Recht auch vom Berufungsgericht - nicht als ausschlaggebend erachtet worden.

c) Vereinzelt wird die Angabe "[X.]" wegen der damit regelmäßig verbundenen [X.] an die Qualität und Zuverlässigkeit des beworbenen Produkts (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 1974 - [X.], [X.] 1974, 665, 666 = [X.], 487 - Germany; [X.], [X.] 1991, 690 - Werbung mit [X.]; [X.], [X.] 2007, 921, 922) als Garantie der Einhaltung [X.]r Qualitätsstandards, etwa durch die Gewährleistung von Qualitätssicherungsmechanismen oder [X.] Produktsicherheitsvorschriften, angesehen (vgl. Klein/Sieger, [X.]-Prax 2013, 57, 58). Auch die Nichtzulassungsbeschwerde vertritt die Ansicht, angesichts der für den Verbraucher maßgeblichen Qualitätsaussage und Produktverantwortung erwarte er von einem Produkt "[X.]", dass der damit werbende Unternehmer nach inländischen Maßstäben die Qualität sichere und dafür einstehe.

Eine solche Deutung entfernt sich allerdings vom Wortsinn der Wendung "Made in die nach der Bewertung des Berufungsgerichts vom Verkehr als geläufiger Anglizismus für "hergestellt in ..." verstanden wird und üblicherweise auf den Fertigungsprozess in [X.] hinweist. Die tatrichterliche Beurteilung der Verkehrsauffassung ist weder erfahrungswidrig noch sonst rechtsfehlerhaft. Sie entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, die in der Angabe "[X.]" einen Hinweis auf die mit der Warenfertigung zusammenhängenden Produktionsschritte sieht (vgl. [X.], [X.] 1996, 53, 54; [X.], [X.], 939, 940 - Produziert in [X.]; [X.], [X.], 1082, 1084 - Schmiedekolben "[X.]").

3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                         Schaffert                               Koch

                   Löffler                            Schwonke

Meta

I ZR 16/14

27.11.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 28. November 2013, Az: 4 U 81/13, Urteil

§ 126 MarkenG, § 127 MarkenG, § 5 Abs 1 S 2 Nr 1 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.11.2014, Az. I ZR 16/14 (REWIS RS 2014, 889)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 889

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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