Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.07.2021, Az. B 12 KR 75/20 B

12. Senat | REWIS RS 2021, 4021

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache - kein Anspruch eines einzelnen Bürgers auf Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlicher Mittel - Verfahrensfehler - Verletzung rechtlichen Gehörs


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 20. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Beiträge der Kläger zur gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]), zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und zur [X.] Pflegeversicherung ([X.]) im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für ihre Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Kläger sind Eltern von drei in den Jahren 1998, 2002 und 2003 geborenen Kindern. Ihr Antrag, die Sozialversicherungsbeiträge wegen ihrer Erziehungsleistungen zu reduzieren, wurde abgelehnt. Die Klage ist vor dem [X.] erfolglos geblieben. Das L[X.] hat die Auferlegung der [X.] durch das [X.] und die angegriffenen Bescheide aufgehoben, weil dadurch nur über die Pflicht zur Beitragstragung und die fehlende Möglichkeit einer Beitragsreduzierung, aber nicht über die konkrete Beitragshöhe entschieden worden sei. Die Verpflichtungsklage führe auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zum Erfolg. Den Beweisanträgen sei nicht stattzugeben, da sie in materieller Hinsicht als nicht wesentlich oder als unsubstantiierte [X.] unzulässig seien (Urteil vom 20.7.2020). Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision.

3

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des L[X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G). Die Kläger haben die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G), der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) und des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

4

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 [X.]G stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] Rd[X.] 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

5

a) Die Kläger messen zunächst folgenden Fragen eine grundsätzliche Bedeutung bei ([X.] der Beschwerdebegründung):

"1. Ist die Finanzierung des [X.] nach den Vorschriften des Fünfzehnten Kapitels des [X.]B XI (§ 133 ff. [X.]B XI) aus den gemäß §§ 54 Abs. 2 S. 1, 55 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 57 Abs. 1 Satz 1 [X.]B XI erhobenen Zwangsbeiträgen der Versicherten mit Artikel 2 Absatz 1 GG vereinbar?

2. Ist die Finanzierung des [X.] nach den Vorschriften des Fünfzehnten Kapitels des [X.]B XI (§§ 131 ff. [X.]B XI) aus den gemäß §§ 54 Abs. 2 S. 1, 55 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 57 Abs. 1 Satz 1 [X.]B XI erhobenen Zwangsbeiträgen der Kläger als Eltern dreier Kinder mit deren Grundrecht auf intragenerationelle Gleichbehandlung, Art. 3 Abs. 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, vereinbar?"

6

Unterstellt die Kläger hätten die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfragen hinreichend dargelegt, mangelt es jedenfalls an jedweder Darlegung zu deren Klärungsfähigkeit, dh Entscheidungserheblichkeit. Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen ankommt und die Entscheidung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers in seinem Sinn hätte ausfallen müssen. Ein Beschwerdeführer muss daher den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung und dabei insbesondere den Schritt darstellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl B[X.] Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - [X.] 1500 § 160a [X.]1; B[X.] Beschluss vom 12.10.2017 - [X.] [X.] 13/17 B - juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom 28.1.2019 - [X.] KR 94/18 B - juris Rd[X.] 6). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung aber keine Ausführungen.

7

Anlass zu näheren Darlegungen insbesondere zur Klagebefugnis hätte aber deshalb bestanden, weil sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aus dem [X.] in der Sozialversicherung grundsätzlich kein Anspruch des Versicherten auf Unterlassung einer bestimmten Mittelverwendung ergibt. Der einzelne Bürger, der eine bestimmte Verwendung öffentlicher Abgaben für rechtswidrig hält, kann aus seinen Grundrechten wie zB Art 2 Abs 1 GG regelmäßig keinen Anspruch auf Unterlassung einer solchen Verwendung herleiten (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B[X.]E 60, 248 = [X.] 1500 § 54 [X.]; B[X.] Beschluss vom 21.10.1985 - 3 BK 37/85 - juris; [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 810/08 - juris; [X.] Beschluss vom 18.4.1984 - 1 BvL 43/81 - [X.]E 67, 26; vgl auch zum Steuerrecht zB [X.] Beschluss vom 2.6.2003 - 2 BvR 1775/02 - juris).

8

b) Außerdem werfen die Kläger die Fragen auf ([X.] f der Beschwerdebegründung):

"1. Sind die die Beitragspflicht und die -höhe der Beiträge zur [X.] Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs. 1, 162 [X.]. 1 [X.]B VI, 223 Abs. 2, 226 Abs. 1 Satz 1 [X.]. 1 sowie § 241 [X.]B V) mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, soweit Mitglieder dieser Sozialversicherungen, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres (generativen) Erziehungsbeitrags bei den Geldbeiträgen entlastet, sondern mit einem gleich hohen Geldbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden?

2. Sind die die Beitragspflicht und -höhe zur [X.] Pflegeversicherung regelnden Vorschriften (§§ 54 Abs. 2 S. 1, 55 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 57 Abs. 1 Satz 1 [X.]B XI i.V.m. 226 [X.]B V) mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, soweit die Mitglieder dieser Sozialversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres (generativen) Erziehungsbeitrags und der Zahl ihrer Kinder bei den Geldbeiträgen entlastet und dabei im Übrigen noch in gleicher Weise wie Versicherte zu monetären Beitragsleistungen zum [X.] (§ 131 ff. [X.]B XI) herangezogen werden?"

9

Insoweit ist die Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die bereits ergangenen Senatsurteile vom [X.] ([X.] KR 15/12 R - B[X.]E 120, 23 = [X.] 4-1100 Art 3 [X.]; [X.] KR 13/13 R - juris) und vom [X.] ([X.] KR 14/15 R - B[X.]E 124, 26 = [X.] 4-1100 Art 3 [X.]) nicht hinreichend dargelegt. [X.] entschiedene Fragen können zwar erneut klärungsbedürftig werden, doch ist hierfür darzulegen, dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 3.8.2016 - [X.] P 4/15 B - juris Rd[X.] mwN).

Die Kläger begründen die ihrer Ansicht nach fortbestehende bzw erneute Klärungsbedürftigkeit ihrer Fragen insbesondere mit der Verfügung des [X.] vom [X.]. Allein aus der darin enthaltenen Aufforderung an sachkundige Dritte, zu bestimmten Aspekten Stellung zu nehmen, lässt sich aber keine erneute Klärungsbedürftigkeit durch das B[X.] herleiten, zumal daraus gerade noch keine eigene sachliche Entscheidung des [X.] hervorgeht. Auch die Tatsache, dass gegen die genannten [X.] aufgrund der abweichenden Ansicht der Betroffenen Verfassungsbeschwerden eingelegt worden sind, begründet keine erneute Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage durch die Revisionsinstanz (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 72; B[X.] Beschluss vom 28.10.2010 - [X.] R 229/10 B - [X.] 4-1500 § 192 [X.] 1 = juris Rd[X.] 11). Soweit sich die Kläger auf Stellungnahmen von W beziehen, legen sie nicht nachvollziehbar dar, ob und inwieweit sich daraus neue Gesichtspunkte ergeben, die dem B[X.] noch nicht vorgelegen haben. Denn insbesondere dessen Stellungnahmen vom [X.] und vom [X.] waren - wie sich aus den dortigen Urteilsgründen ergibt - bereits Gegenstand des Revisionsverfahrens [X.] KR 14/15 R.

Stützt sich die Beschwerde - wie hier - auf einen Grundrechtsverstoß, hat sie darüber hinaus unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des [X.], aber auch des B[X.] - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (vgl zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 65/08 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 30.4.2015 - [X.] [X.] B - juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] KR 79/16 B - juris Rd[X.] 7, jeweils mwN).

Die Kläger machen jedoch einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG (vgl dazu bereits oben 1a) und den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG geltend, ohne sich mit dem Inhalt dieser Grundrechtsnormen sowie ihrer Ausprägung durch das [X.] und des B[X.] auseinanderzusetzen. Das Beschwerdevorbringen enthält dazu keine stringente Begründung, sondern nimmt in weiten Teilen Bezug auf zum Teil komplett zitierte Schriftsätze, Stellungnahmen oder Anlagen; es ist aber nicht Aufgabe des [X.], sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Darlegungen selbst herauszusuchen.

Insbesondere ist die Klärungsbedürftigkeit der zusätzlich aufgeworfenen Problematik, ob die Beitragspflicht zur [X.] mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vereinbar sei, weil die Mitglieder dabei "in gleicher Weise wie Versicherte zu monetären Beitragsleistungen zum [X.] (§ 131 ff. [X.]B XI) herangezogen werden", nicht hinreichend dargelegt. Soweit die Kläger durch die "Beitragspflicht zum [X.]" eine Verletzung ihres Grundrechts auf "intragenerationelle Gleichbehandlung" (Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG) sehen, finden sich zur Begründung dieses Fazits ([X.] der Beschwerdebegründung) lediglich Ausführungen zur "Mackenroth-These" ([X.] bis 50 der Beschwerdebegründung). Eine substantiierte Befassung mit dem Inhalt des gerügten Grundrechts, die [X.] eine nachvollziehbare Vergleichsgruppenbildung erfordert, fehlt ebenso wie eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Beschluss des B[X.] vom 10.10.2017 ([X.] KR 119/16 B - juris Rd[X.] 19 ff), wonach zwischen der Errichtung des [X.] und der Beitragserhebung kein unmittelbarer Bezug besteht. Laut Darstellung der Kläger habe das B[X.] in dem Beschluss behauptet, "der [X.] diene zur Abfederung der Beitragssteigerungen aus Mortalitätsveränderungen" ([X.] der Beschwerdebegründung) bzw der [X.] sei eine "Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken" ([X.] der Beschwerdebegründung) werde. Derartige Äußerungen sind in dem Beschluss, der sich auf die gesetzlichen Grundlagen und die Gesetzesbegründung zum [X.] bezieht, jedoch nicht zu finden. Soweit sich die Kläger die Ausführungen des [X.] Freiburg in seinem Vorlagebeschluss ([X.] KR 448/18 - juris; [X.] ff der Beschwerdebegründung) zum Zusammenhang zwischen dem [X.] und der Beitragszahlung der dortigen Kläger zu eigen machen, beziehen sie diese (anders als das [X.] Freiburg) in erster Linie auf den Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG. Davon abgesehen fehlen Ausführungen zur Klärungsfähigkeit, die auch ein Eingehen auf den konkret vorliegenden Sachverhalt erfordern.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des L[X.] von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des L[X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des B[X.], des [X.] oder des [X.] abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das L[X.] seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das B[X.], der [X.] oder das [X.] entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das L[X.] diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe zu demselben Gegenstand bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl B[X.] Beschlüsse vom [X.] - B 3 P 13/04 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 6 Rd[X.] und 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 4 Rd[X.] 6, jeweils mwN).

Die von den Klägern gerügte Divergenz des angefochtenen Urteils zum "Kindergeldbeschluss" des [X.] vom 29.5.1990 (1 BvL 20/84 [X.] - [X.]E 82, 60) ist nicht hinreichend dargetan. Zwar führen die Kläger aus, der besagte Beschluss des [X.] enthalte den Rechtssatz:

        

"Das Kindergeld als Sozialleistung ist <aber> nicht dazu bestimmt, diesen strukturellen Mangel des Rentenversicherungssystems wenigstens teilweise auszugleichen."

Demgegenüber stünden die Ausführungen im Urteil des B[X.] vom [X.] ([X.] KR 14/15 R - B[X.]E 124, 26 = [X.] 4-1100 Art 3 [X.] = juris Rd[X.]6):

        

"Im Übrigen ist festzustellen, dass das Gesetz zahlreiche derartige Leistungen vorsieht. Zu nennen sind [X.] familienfördernde und familienentlastende Leistungen in anderen Bereichen des Sozialversicherungsrechts, des Sozialrechts und in anderen Rechtsbereichen zB die Gewährung von Versicherungspflichtzeiten im Arbeitsförderungsrecht für die [X.] (§ 26 Abs 2a [X.]B III), die Gewährung von Elterngeld und zuvor Erziehungsgeld ([X.] und [X.], zuvor Bundeserziehungsgeldgesetz) oder die Gewährung von Kindergeld (Bundeskindergeldgesetz) oder bzw Kinderfreibeträgen im Steuerrecht (Einkommensteuergesetz)."

Da das L[X.] sich trotz deutlichen Hinweises der Kläger auf diese Divergenz im Schriftsatz vom 7.7.2020 vollinhaltlich auf das B[X.]-Urteil stütze, übernehme es [X.] die Aussage des B[X.] und müsse sich die Divergenz zum [X.] zurechnen lassen.

Aus den beiden Zitaten lassen sich aber schon deshalb keine divergierenden Rechtssätze zu demselben Gegenstand ableiten, weil die Kläger versäumt haben, den jeweiligen sachlichen und rechtlichen Zusammenhang der jeweiligen Ausführungen mitzuteilen. So könnte es einen erheblichen Unterschied bedeuten, ob das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Benachteiligungsverbot oder die Reichweite der in Art 6 Abs 1 GG enthaltenen Förderungspflicht betroffen und welche künftigen oder gegenwärtigen Belastungen (zB rentenrechtliche Einbußen durch das familienbedingte Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und/oder die gegenwärtige wirtschaftliche Belastung durch die Betreuung von Kindern) jeweils konkret geltend gemacht worden sind.

3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

a) Die Kläger rügen einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]G). Das L[X.] habe sich nicht mit den Ermittlungen seitens des [X.] und ihrem tatsachenbasierten Vortrag zu den Fehlern der Rechtsprechung des [X.] auseinandergesetzt. Die Kläger hätten die aus der maßgebenden Sicht des [X.] aufzuklärenden Tatsachen vorgetragen und ihre Beweisanträge darauf bezogen. Entgegen der Behauptung des L[X.] handele es sich nicht um [X.], weil sie sich auf die beigebrachten sozialökonomischen Gutachten und Stellungnahmen bezogen hätten, welche substantiiert nachweisen würden, dass die Tatsachenfeststellungen des B[X.] der Substanz entbehrten; gleichzeitig seien die zutreffenden Tatsachenfeststellungen vorgetragen und angeregt worden, der Beurteilung zugrunde zu legen. Durch die [X.] und die Bezugnahme auf die Stellungnahme des [X.] ([X.]) und des [X.] ([X.]) sei unterstrichen worden, welches Ergebnis die Sachaufklärung haben werde.

Auf eine Verletzung des § 103 [X.]G ([X.]) kann eine Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das L[X.] vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das L[X.] von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 15.7.2019 - [X.] KR 5/19 B - juris Rd[X.] 12 mwN). Vermeintlich beweisbedürftige konkrete Tatsachen haben die Kläger durch ihre zahlreichen Bezugnahmen nicht substantiiert dargelegt. Die gegenteilige Behauptung ändert daran nichts.

Die Kläger geben ihre Anträge in der Beschwerdebegründung bereits nicht alle wörtlich wieder, sondern beziehen sich insoweit nur auf den Schriftsatz vom 7.7.2020 und - bei wohlwollender sinngemäßer Auslegung ihres [X.] - auf die im Berufungsurteil wiedergegebenen Anträge. Nur insoweit ist jedenfalls belegt, dass die Anträge bis zuletzt aufrechterhalten worden sind. Auf den jeweiligen Wortlaut der Anträge bezogene Darlegungen zu ihrer Prozessordnungsmäßigkeit fehlen (zu den Merkmalen eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, vgl zB B[X.] Beschluss vom 12.12.2003 - [X.] RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 6). Aus dem Berufungsurteil ergeben sich im Wesentlichen in Form von Fragen gekleidete Anträge, denen keine bestimmte zu beweisende Tatsachenbehauptungen zu entnehmen sind. Vielmehr handelt es sich im [X.] um Fragen nach der "richtigen" rechtlichen Bewertung komplexer gesellschaftlicher Zusammenhänge (vgl zB [X.] 6 des Antrags aus dem Schriftsatz vom 14.12.2016, [X.] des L[X.]-Urteils: "ob die Grundsätze des '[X.]' entsprechend dem Parallelurteil des [X.] vom 3. April 2001 zur Beitragsgestaltung bei der Kindererziehung in der privaten Pflegeversicherung (1 BvR 1681/94) nunmehr auch auf den [X.] (§ 131 ff. [X.]B XI) und/oder nur auf die privaten Pflegekassen anwendbar sind"; zB auch Anträge aus dem Schriftsatz vom 7.7.2020, [X.] des L[X.]-Urteils: "ob die Behauptung des B[X.] in den beiden genannten Urteilen zutreffe, dass die elterlichen Nachteile, die durch die Verteilungswirkungen der intragenerationell verteilenden Systeme [X.], [X.] und [X.] entstehen, systemintern und/oder extern ausgeglichen werden und, ob sich das Ausmaß etwa verbleibender Nachteile oder ggfls. Vorteile beziffern lasse."). Dass es sich dabei um prozessordnungsgemäße Beweisanträge handele, lässt sich weder durch den klägerischen Hinweis auf die im Schriftsatz des [X.] vom [X.] aufgeworfenen Aspekte (vgl dazu auch bereits oben unter 1a) noch durch die daraufhin ergangenen, von den Klägern in Bezug genommenen Stellungnahmen des [X.] und [X.] oder - die Auffassung der Kläger stützende - Gutachten belegen. Mit derartigen Ausführungen gelingt den Klägern auch nicht die erforderliche Darlegung, dass es sich um Fragen gehandelt hat, die aus der rechtlichen Sicht des L[X.] erkennbar offengeblieben und entscheidungserheblich waren (vgl B[X.] Beschluss vom 15.7.2019 - [X.] KR 5/19 B - juris Rd[X.] 13; B[X.] Beschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 19.6.2008 - B 2 U 76/08 B - BeckRS 2008, 54504 mwN). Ob die Ausführungen der Kläger nach ihrer eigenen oder der Auffassung anderer entscheidungserheblich waren, kommt es nicht an. Mit dem Vortrag machen die Kläger vielmehr im Wesentlichen geltend, das Urteil des L[X.] sei inhaltlich unrichtig; damit kann die Zulassung der Revision aber nicht herbeigeführt werden (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 62/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 6 Rd[X.] 18).

b) Die Kläger rügen darüber hinaus einen Verstoß gegen den Anspruch auf [X.] (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG), weil sich das L[X.] auf die og Rechtsprechung des B[X.] bezogen und dennoch weitere Sachaufklärung verweigert habe. Damit enthalte das L[X.] den Klägern die Berufungsinstanz als Tatsacheninstanz vor. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können aber nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer anderen Verfahrensrüge geltend gemacht wird (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 3.12.2012 - [X.] R 351/12 B - juris Rd[X.] 12 mwN). Andernfalls liefen die Beschränkungen, die § 160 Abs 2 [X.] [X.]G für die Sachaufklärung oder die Beweiswürdigung normiert, im Ergebnis leer (vgl B[X.] Beschluss vom 13.10.2020 - [X.] KR 8/20 B - juris Rd[X.]5 mwN).

c) Auch die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, § 62 [X.]G) ist nicht hinreichend bezeichnet. Dieser Anspruch soll zwar [X.] sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Wie die Kläger selbst darauf hinweisen, hat das Prozessgericht jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden. Es ist auch nicht gehalten, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 Rd[X.] 13 mwN), ihn also zu "erhören". Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist ([X.] Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris Rd[X.] 11 mwN; [X.] Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - [X.]E 96, 205, 216).

Solche Umstände gehen aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Denn die Kläger teilen selbst mit, dass das L[X.] hinsichtlich der Errichtung des [X.] keinen unmittelbaren Bezug zur angegriffenen Beitragserhebung in der [X.] erkennen konnte ([X.] der Beschwerdebegründung oben); zu einem Vortrag, der nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 986/91 - [X.]E 86, 133), müssen jedoch grundsätzlich keine weitergehenden Ausführungen erfolgen. Insoweit ist auch nicht erkennbar, wieso sich das L[X.] von seinem Rechtsstandpunkt aus zu dem von den Klägern behaupteten Antrag (vgl Beschwerdebegründung [X.]), das [X.] und die [X.] hinsichtlich der Anlagemodalitäten des [X.] zu befragen bzw hilfsweise den Bericht gemäß § 138 [X.]B XI betreffend die Jahre 2015 bis 2019 beizuziehen, zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen.

Im Übrigen ist auch das Beruhen des L[X.]-Urteils auf der Gehörsverletzung nicht hinreichend dargelegt. Insoweit wäre aufzuzeigen gewesen, dass das L[X.] bei Gewährung rechtlichen Gehörs (oder weiterer Aufklärung zum [X.]) zu einem für die Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Soweit die Kläger eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 GG durch die Finanzierung des [X.] aus ihren "Zwangsbeiträgen" ([X.] wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz, fehlender Transparenz etc) geltend machen, befassen sie sich nicht mit der Klagebefugnis (vgl oben 1a). Sie erläutern auch nicht den konkreten Zusammenhang des angeblich unberücksichtigten Vortrags mit ihrem Klageantrag, "bei der Beitragserhebung zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung - auch hinsichtlich des sogenannten [X.] - für jedes Kind von der [X.] einen Freibetrag abzuziehen, der sich in der Höhe an den im [X.] (§ 32 Abs. 6 [X.]) festgelegten Freibeträgen für Kinder orientiert". Die Darlegung, dass das Urteil auf der Gehörsverletzung beruhe, erweise sich "aufgrund der Tatsache, dass die überzeugende Widerlegung der Grundannahme des B[X.] im [X.] Vorlagebeschluss jenem die Grundlage entzieht und die Argumentation des B[X.] unweigerlich vollständig zum Einsturz bringt", reicht insoweit nicht.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

5. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 12 KR 75/20 B

16.07.2021

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Heilbronn, 3. Dezember 2015, Az: S 9 KR 2978/15

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, Art 2 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.07.2021, Az. B 12 KR 75/20 B (REWIS RS 2021, 4021)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4021

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 2446/09

1 BvR 2933/13

1 BvR 810/08

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