Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.06.2022, Az. I ZB 76/21

1. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5423

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Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 2. Zivilsenat - vom 18. November 2021 wird auf Kosten des [X.] als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger war als Rechtsanwalt Partner der [X.], einer Partnergesellschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern. Die [X.]en streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, in ihrer Kanzleibezeichnung den Namen des [X.] auch nach dessen Ausscheiden als Partner zu führen.

2

Das [X.] hat die auf das Verbot der Benutzung des Namens des [X.] gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das ihm am 25. Mai 2021 zugestellte Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 17. August 2021 hat der Kläger seine Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt.

3

Zur Begründung seines Antrags hat der Kläger vorgetragen:

4

Die Büroorganisation in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten sehe einen zweifach gestuften Schutz gegen Fristversäumungen vor. Sie regele zunächst die notwendigen Verrichtungen für die Einhaltung von Fristen durch Ausbringen von Schriftsätzen. In einem zweiten, davon unabhängigen Schritt sei spätestens am Abend des [X.] nochmals gesondert eigenständig und abschließend zu prüfen, ob noch Schriftsätze zu unterzeichnen und auszubringen und ob alle Fristen im [X.] richtig ausgetragen worden seien. Entsprechend dieser Arbeitsanweisung sei die Rechtsanwaltsfachangestellte [X.], die sorgfältig ausgebildet und langfristig überwacht worden sei und die stets zuverlässig und fehlerfrei gearbeitet habe, bis zum Montag, dem 26. Juli 2021, (dem Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist im Streitfall), fehlerfrei verfahren. Bei der Überwachung der richtig eingetragenen Berufungsbegründungsfrist seien [X.] im Streitfall jedoch Fehler unterlaufen, welche zur Fristversäumung geführt hätten.

5

Die Berufungsbegründungsfrist sei bei Eingang des Urteils des [X.]s in der Kanzlei von der für den sachbearbeitenden Rechtsanwalt [X.] zuständigen Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] in den elektronischen und den handschriftlich geführten [X.] richtig mit [X.] am 26. Juli 2021 sowie [X.] am 19. Juli 2021 notiert worden. Dies habe Rechtsanwalt [X.] auch geprüft.

6

Der Tag des [X.] am 26. Juli 2021 sei der erste Urlaubstag des sachbearbeitenden Rechtsanwalts [X.] gewesen, so dass er an diesem Tag nicht in der Kanzlei anwesend gewesen sei. In solchen Fällen, so auch am 26. Juli 2021, sei er von Rechtsanwalt M. vertreten worden. Noch vor Urlaubsantritt habe Rechtsanwalt [X.] verfügt, dass sein Vertreter fristgerecht einen Fristverlängerungsantrag habe stellen sollen; dies habe er Frau [X.] auch mitgeteilt. Frau [X.] habe am 26. Juli 2021 jedoch nicht geprüft, ob der Fristverlängerungsantrag geschrieben, eingescannt und versandt worden sei. Auch am Ende ihres Arbeitstags habe sie nicht gesondert geprüft, ob der Fristverlängerungsantrag ausgebracht und die Frist im [X.] richtig ausgetragen worden sei.

7

Diese Fehler hätten zur Fristversäumung geführt. Entsprechend der Weisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts [X.] sei die Rechtsanwaltsfachangestellte [X.] gehalten gewesen, spätestens vor Verlassen der Kanzlei den Vertreter, Rechtsanwalt M., anzusprechen und ihn über den drohenden Fristablauf zu informieren. In diesem Fall hätte Rechtsanwalt M. stellvertretend für den sachbearbeitenden Rechtsanwalt [X.] einen Fristverlängerungsantrag wegen kurzzeitiger Arbeitsüberlastung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts [X.] gestellt, die Gründe durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht und für die Einreichung am gleichen Tag bei Gericht Sorge getragen. Dieser Fristverlängerungsantrag wäre auch begründet gewesen. Rechtsanwalt [X.] sei als verantwortlicher Rechtsanwalt kanzleiintern für die Erstellung der Berufungsbegründung zuständig gewesen; er sei jedoch wegen mehrerer anderer dringender Angelegenheiten gehindert gewesen, die Berufungsbegründung bis zum Fristablauf vorzubereiten. Insbesondere sei er in einem komplexen erbrechtlichen Zivilprozess mit der Erstellung eines umfangreichen Schriftsatzes befasst gewesen, für den eine Schriftsatzfrist abgelaufen sei. Es sei deshalb zulässig gewesen, auf die Gewährung einer einmonatigen (erstmaligen) Fristverlängerung zu vertrauen.

8

Mit Beschluss vom 18. November 2021 hat das Berufungsgericht den Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

9

II. Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung des [X.] wie folgt begründet:

Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Berufungsbegründungsfrist ausschließlich aufgrund von Umständen versäumt worden sei, die er nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO zu vertreten habe. Der Kläger habe zum tatsächlichen Ablauf nur pauschal vorgetragen und keinen konkreten Geschehensablauf beschrieben. Auch die eidesstattliche Versicherung der [X.] [X.] könne Vortrag hierzu nicht ersetzen. Letztlich komme es jedoch darauf nicht entscheidend an. Es könne unterstellt werden, dass die Berufungsbegründungsfrist ebenso wie die [X.] von der in der Kanzlei zuständigen Mitarbeiterin ordnungsgemäß notiert worden seien. Weiterhin könne unterstellt werden, dass die generelle Arbeitsanweisung in der Kanzlei zum Streichen von Fristen nach einer Kontrolle am Ende des Arbeitstags den Anforderungen an die Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei zum Abgang anwaltlich gefertigter Schriftsätze genügt habe. Der Kläger habe dennoch nicht dargelegt, dass die Berufungsbegründungsfrist ausschließlich aufgrund von Umständen versäumt worden sei, die er oder sein anwaltlicher Vertreter nicht zu vertreten hätten.

Der entscheidende Fehler liege vorliegend nicht im Verhalten einer Rechtsanwaltsfachangestellten, so dass sich die Frage nach einem Organisationsmangel in der Kanzlei der Klägervertreter nicht stelle. Die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte habe nach dem Vortrag des [X.] die Berufungsbegründungsfrist nebst [X.] notiert und die Akten innerhalb offener Frist dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt. Dass die Aktenvorlage mit Eintritt des [X.]datums unterblieben sei, habe der Kläger nicht vorgetragen. Er habe vielmehr, wenn auch ohne Nennung von Einzelheiten zum Ablauf, vorgetragen, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt vor seinem Urlaub den bevorstehenden Fristablauf erkannt und diesbezüglich eine Verfügung getroffen habe. Der Fehler habe auch nicht darin gelegen, dass die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte einen anwaltlich unterschriebenen oder signierten Fristverlängerungsantrag nicht an das Gericht übermittelt habe. Einen solchen Schriftsatz habe es nach dem Vortrag des [X.] nicht gegeben.

Die Berufungsbegründungsfrist sei vielmehr versäumt worden, weil trotz vorliegender Akten beim sachbearbeitenden Rechtsanwalt innerhalb offener Frist weder die Berufungsbegründung noch ein Fristverlängerungsantrag gefertigt worden seien. Darin liege ein eigenes, der [X.] nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes [X.]. Werde dem Rechtsanwalt die Sache wegen eines bevorstehenden [X.] vorgelegt, so liege die Sachbearbeitung in seinem Verantwortungsbereich. [X.] es ihm vor einem Urlaub weder, den gebotenen Schriftsatz zu fertigen, noch einen Fristverlängerungsantrag zu stellen, so müsse er durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass der zu seiner Vertretung bestellte Rechtsanwalt statt seiner die Frist wahre oder rechtzeitig Fristverlängerung beantrage.

Dass der in der Kanzlei der Klägervertreter zuständige Rechtsanwalt [X.] selbst nicht mehr dazu gekommen sei, vor seinem Urlaub den gebotenen Schriftsatz oder einen Fristverlängerungsantrag zu fertigen, trage er selbst vor. Dass dieser daraufhin die gebotenen Maßnahmen ergriffen habe, um die Fristwahrung sicherzustellen, zeige der Kläger hingegen nicht auf. Nach seinem pauschalen Vortrag, er habe noch vor Urlaubsantritt verfügt, dass sein Vertreter fristgerecht einen Fristverlängerungsantrag stelle, und er habe dies Frau [X.] mitgeteilt, bleibe offen, ob der sachbearbeitende Rechtsanwalt seinem Vertreter eine Arbeitsanweisung gegeben und diese der [X.] nur informatorisch mitgeteilt oder ob er ihr eine [X.] gegeben habe und gegebenenfalls mit welchem Inhalt.

Ein Rechtsanwaltsverschulden liege bei beiden möglichen [X.] vor. [X.] man den vom Kläger zur Begründung seines [X.] gehaltenen Vortrag dahin aus, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt [X.] eine Verfügung gegenüber seinem Vertreter getroffen oder diesen zumindest über den drohenden Fristablauf unterrichtet und dies der Rechtsanwaltsfachangestellten nur informatorisch mitgeteilt habe, liege ein anwaltliches Verschulden in der Person des anwaltlichen Vertreters M. vor, weil diesem die Eilbedürftigkeit und seine kanzleiinterne Zuständigkeit als Rechtsanwalt bekannt geworden sei, die gebotene Handlung aber dennoch ohne entschuldigenden Grund unterblieben sei. Sei der Vortrag des [X.] dagegen dahin auszulegen, dass der anwaltliche Vertreter nicht unmittelbar von der Sache unterrichtet worden sei, liege ein originäres Verschulden des sachbearbeitenden Rechtsanwalts [X.] vor. Der Vortrag des [X.] lasse weder erkennen, dass überhaupt eine den Rechtsanwalt entlastende konkrete [X.] an die mit der Aktenbetreuung betrauten Rechtsanwaltsfachangestellten erfolgt sei, noch gar das Vorbringen, dass eine solche [X.] in der gebotenen Weise erfolgt sei.

III. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ablehnenden Beschluss muss ein [X.] vorliegen und ordnungsgemäß dargelegt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Januar 2020 - [X.]/19, juris Rn. 8 und 13; Beschluss vom 10. Februar 2022 - [X.]/21, juris Rn. 6). Daran fehlt es. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind geklärt. Der von der Rechtsbeschwerde allein geltend gemachte [X.] der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erfüllt. Das Berufungsgericht ist nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen, und der angefochtene Beschluss verletzt nicht den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Es hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vielmehr zu Recht versagt (§ 233 Satz 1 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO).

1. Hat eine [X.] die Berufungsbegründungsfrist versäumt, ist ihr nach § 233 Satz 1 ZPO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird der [X.] zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO), das Verschulden sonstiger Dritter hingegen nicht. Fehler von Büropersonal hindern eine Wiedereinsetzung deshalb nicht, solange den Prozessbevollmächtigten kein eigenes Verschulden etwa in Form eines Organisations- oder Aufsichtsverschuldens trifft (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Januar 2019 - [X.]/18, juris Rn. 9 mwN; Beschluss vom 10. Februar 2022 - [X.]/21, juris Rn. 7). Die [X.] hat einen Verfahrensablauf vorzutragen und glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), der ein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei ausschließt; verbleibt die Möglichkeit, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der [X.] versäumt worden ist, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unbegründet (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2020 - [X.] 15/20, [X.], 319 [juris Rn. 14]; Beschluss vom 18. November 2021 - [X.], [X.], 599 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 10. Februar 2022 - [X.]/21, juris Rn. 7). Das gilt auch für einen Vortrag, nach dem mehrere Sachverhaltsgestaltungen möglich sind, wenn bei einer Sachverhaltsgestaltung ein der [X.] zurechenbares Verschulden vorliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Oktober 1981 - [X.], [X.], 144 [juris Rn. 6]; Beschluss vom 3. Juli 2008 - [X.], [X.], 3501 [juris Rn. 15]).

2. Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Berufungsbegründungsfrist ausschließlich aufgrund von Umständen versäumt worden sei, die er nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO zu vertreten habe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung dürfte bereits deshalb mit Recht erfolgt sein, weil die Begründung des Antrags nicht den sich aus § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO ergebenden Anforderungen an die Darlegung der Umstände genügt, die die Fristversäumung verursacht haben (dazu [X.]). Jedenfalls hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass auch bei Zugrundelegung des vom Kläger zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung gehaltenen Vortrags die Möglichkeit verbleibt, dass die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist durch ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten versäumt worden ist (dazu [X.] b).

a) Es ist bereits zweifelhaft, ob der Wiedereinsetzungsantrag des [X.] den Anforderungen an eine hinreichende Begründung gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO genügt.

aa) Um die [X.] gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO zu erfüllen, müssen die Umstände, aus denen sich ergibt, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumung gekommen ist, durch eine geschlossene, aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe dargelegt werden ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2013 - [X.], [X.] 2013, 935 [juris Rn. 7|; Beschluss vom 26. Januar 2021 - V[X.]/20, NJW-RR 2021, 373 [juris Rn. 10]; Beschluss vom 11. Mai 2021 - [X.]/20, NJW 2021, 3132 [juris Rn. 13]).

bb) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Vortrag des [X.], der sachbearbeitende Rechtsanwalt [X.] habe noch vor seinem Urlaubsantritt verfügt, dass sein Vertreter fristgerecht einen Fristverlängerungsantrag stelle, was er Frau [X.] mitgeteilt habe, lasse offen, ob der sachbearbeitende Rechtsanwalt seinem Vertreter eine Arbeitsanweisung gegeben und diese der [X.] nur informatorisch mitgeteilt habe oder ob er der [X.] eine [X.] gegeben habe, und wenn letzteres der Fall gewesen sein sollte, welchen Inhalt die [X.] gehabt habe. Damit habe der Kläger zum tatsächlichen Ablauf nur pauschal vorgetragen und keinen konkreten Geschehensablauf beschrieben.

cc) Sollte das Berufungsgericht damit bereits eine den Anforderungen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO genügende geschlossene, aus sich heraus verständliche Darlegung der Umstände verneint haben, lässt dies keinen Rechtsfehler erkennen.

b) Jedenfalls hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass auch bei Zugrundelegung des zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung gehaltenen Vortrags die Möglichkeit verbleibt, dass ein dem Kläger zurechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten vorliegt.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein anwaltliches Verschulden in der Person des Rechtsanwalts [X.] als anwaltlichen Vertreter des sachbearbeitenden Rechtsanwalts [X.] liege vor, wenn man den vom Kläger zur Begründung seines [X.] gehaltenen Vortrag dahin auslege, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt [X.] eine Verfügung gegenüber seinem Vertreter M. getroffen oder diesen zumindest über den drohenden Fristablauf unterrichtet und dies der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] nur informatorisch mitgeteilt habe. Das anwaltliche Verschulden in der Person des anwaltlichen Vertreters M. ergebe sich in dieser [X.] daraus, dass die gebotene Handlung ohne entschuldigenden Grund unterblieben sei, obwohl dem anwaltlichen Vertreter M. mit der Verfügung des [X.] die Eilbedürftigkeit und seine kanzleiinterne Zuständigkeit als Rechtsanwalt bekannt geworden sei. Ein anwaltliches Verschulden liege aber auch dann vor, wenn der zur Begründung des [X.] gehaltene Vortrag des [X.] dahin auszulegen sei, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt [X.] seinen anwaltlichen Vertreter nicht unmittelbar vom drohenden Fristablauf unterrichtet habe, sondern noch vor seinem Urlaubsantritt gegenüber der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] verfügt habe, dass sein anwaltlicher Vertreter M. fristgerecht einen Fristverlängerungsantrag stellen solle. Ein solches Vorbringen lasse weder eine solche konkrete [X.] an die Rechtsanwaltsfachangestellte erkennen noch gar, dass eine [X.] in der gebotenen Weise erfolgt sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

bb) Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Bürokraft, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete [X.] befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Betrifft die Anweisung indessen einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung - etwa im Drang der übrigen Geschäfte - in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. Durch eine klare und präzise Anweisung im Einzelfall, die Rechtsmittelbegründungsfrist sofort und vor allen anderen Aufgaben im [X.] einzutragen, wird in diesen Fällen eine ausreichende Vorkehrung getroffen, insbesondere dann, wenn weiter eine allgemeine Büroanweisung besteht, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen (vgl. [X.], Beschluss vom 11. März 2020 - [X.] 446/19, NJW-RR 2020, 940 [juris Rn. 13]; Beschluss vom 5. Mai 2021 - [X.] 552/20, NJW-RR 2021, 998 [juris Rn. 15]; Beschluss vom 10. Februar 2022 - [X.]/21, juris Rn. 11, jeweils mwN).

cc) Gemessen an diesen auch vom Berufungsgericht als maßgeblich angesehenen Grundsätzen verbleibt im Streitfall die Möglichkeit, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden [X.] und nicht allein auf einem Versehen einer bisher zuverlässigen Angestellten beruht. Dass es dabei - wie von der Rechtsbeschwerde gerügt wird - die Anforderungen an den Klägervortrag überspannt hat, ist nicht ersichtlich.

(1) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts habe der Kläger zu einer [X.] hinreichend vorgetragen und diese glaubhaft gemacht. Er habe vorgetragen, der sachbearbeitende Rechtsanwalt habe noch vor Urlaubsantritt verfügt, dass sein Vertreter fristgerecht einen Fristverlängerungsantrag stellen solle; dies habe er der Rechtsanwaltsfachangestellten mitgeteilt. Weiter habe der Kläger vorgetragen, dass die Rechtsanwaltsfachangestellte nach der Weisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts den Vertreter spätestens vor Verlassen der Kanzlei habe ansprechen und über den Fristablauf informieren müssen.

(2) Dieses Vorbringen lässt nicht erkennen, in welcher Form der sachbearbeitende Rechtsanwalt noch vor Urlaubsantritt die vom Kläger behauptete Verfügung getroffen hat. Insbesondere hat der Kläger nicht vorgetragen und gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO etwa durch Vorlage eines Auszugs aus der Handakte glaubhaft gemacht, dass die behauptete Verfügung schriftlich getroffen worden ist. Der Vortrag des [X.] lässt damit die Möglichkeit offen, dass die behauptete Verfügung und Weisung in mündlicher Form geschehen ist. Dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt [X.] die Rechtsanwaltsfachangestellte [X.] insoweit in der für mündliche [X.]en gebotenen Weise klar und präzise angewiesen hat, die Verfügung sofort und vor allen anderen Aufgaben auszuführen, lässt sich dem zur Begründung des [X.] gehaltenen Vortrag des [X.] ebenso wenig entnehmen wie die Vornahme einer Maßnahme, die geeignet war zu verhindern, dass die anwaltliche Weisung - etwa im Drang der übrigen Geschäfte - in Vergessenheit gerät. Abweichendes bringt auch die Rechtsbeschwerde nicht vor.

(3) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gelten keine abweichenden Grundsätze, weil das Berufungsgericht bei seiner Prüfung unterstellt hat, dass die Berufungsbegründungsfrist von der in der Kanzlei des Klägervertreters zuständigen Mitarbeiterin ebenso wie die [X.] ordnungsgemäß notiert worden ist und zudem die generelle Arbeitsanweisung in der Kanzlei des Klägervertreters zum Streichen von Fristen nach einer Kontrolle am Ende eines Arbeitstags den Anforderungen an die Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei zum Abgang anwaltlich gefertigter Schriftsätze genügt hat.

Weicht der Rechtsanwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er - wie im Streitfall von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht wird - für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die schon für sich genommen eine Fristwahrung gewährleisten sollen, sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Januar 2019 - [X.]/18, juris Rn. 15 mwN).

IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde des [X.] mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Koch     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZB 76/21

23.06.2022

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 18. November 2021, Az: 2 U 170/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.06.2022, Az. I ZB 76/21 (REWIS RS 2022, 5423)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5423

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