Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.12.2015, Az. I ZR 45/13

1. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1415

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) EUROPA- UND VÖLKERRECHT EUROPÄISCHER GERICHTSHOF (EUGH) EUGH VERBRAUCHERSCHUTZ WERBUNG WETTBEWERBSRECHT

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Irreführende Produktaufmachung eines Lebensmittels: Bewerbung eines Früchtetees mit Abbildungen tatsächlich nicht vorhandener Zutaten - Himbeer-Vanille-Abenteuer II


Leitsatz

Himbeer-Vanille-Abenteuer II

1. Wird auf einer Produktaufmachung eines Lebensmittels der unzutreffende Eindruck hervorgerufen, das Erzeugnis weise bestimmte Bestandteile auf (hier: blickfangmäßige Herausstellung von Bestandteilen von Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen oder jedenfalls aus diesen Bestandteilen gewonnene Aromen), so kann auch die Zutatenliste im Einzelfall nicht ausreichen, die Irreführungsgefahr auszuräumen.

2. Bei nicht traditionellen Lebensmitteln sind als "normalerweise verwendete Zutaten" im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. d und Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV diejenigen Zutaten anzusehen, deren Verwendung der Verbraucher nach dem Aussehen, der Bezeichnung oder den bildlichen Darstellungen des Lebensmittels erwarten kann.

3. Aus Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken lassen sich bei Lebensmitteln keine Informationspflichten ableiten, die über die Informationspflichten nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel hinausgehen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 19. Februar 2013 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 16. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung "[X.] [X.]" einen Früchtetee, auf dessen Verpackung sich Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise "nur natürliche Zutaten" und "[X.] NATÜRLICHEN [X.]" befinden. Tatsächlich enthält dieser Tee keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere.

2

Nach Ansicht des [X.], des in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 [X.] eingetragenen [X.], führen diese Angaben auf der Verpackung des Tees der Beklagten den Verbraucher über dessen Inhalt in die Irre. Aufgrund des [X.], der Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten und des Zusatzes "nur natürliche Zutaten" im goldenen Kreis erwarte der Verbraucher, dass der Tee Bestandteile von Vanille und Himbeere, jedenfalls aber natürliches Vanillearoma und natürliches Himbeeraroma enthalte.

3

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für einen Tee wie nachfolgend abgebildet mit der Bezeichnung "HIMBEER-VANILLE [X.]" und/oder der Abbildung von Himbeeren und Vanilleblüten zu werben oder werben zu lassen, wenn keine Bestandteile von Himbeeren und Vanille im Produkt enthalten sind:

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

4

Darüber hinaus hat der Kläger Abmahnkosten in Höhe von 200 € erstattet verlangt.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben ([X.], [X.] 2012, 167). Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (O[X.], [X.], 300).

6

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz.

7

Mit Beschluss vom 26. Februar 2014 hat der Senat dem [X.] folgende Frage zur Auslegung des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/[X.] zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür zur Vorabentscheidung vorgelegt ([X.], 588 = [X.], 694 - [X.] I):

Dürfen die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken, obwohl diese Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13/[X.] ergibt?

8

Der [X.] hat hierüber durch Urteil vom 4. Juni 2015 ([X.]/14, [X.], 701 = [X.], 847 - [X.]/Teekanne) wie folgt entschieden:

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür sind dahin auszulegen, dass es mit ihnen nicht vereinbar ist, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken können, obwohl sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt.

Entscheidungsgründe

9

I. Das Berufungsgericht hat eine Irreführung sowohl im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB (in der Fassung, in der dieses Gesetz bis zum 12. Dezember 2014 gegolten hat; im Weiteren: [X.]), mit dem Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13/[X.] in [X.] Recht umgesetzt worden ist, als auch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG verneint. Beide Tatbestände seien übereinstimmend richtlinienkonform dahin auszulegen, dass es auf die Verkehrserwartung des angemessen gut unterrichteten, angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbrauchers ankomme. Aus der auf der Verpackung ebenfalls abgedruckten Zutatenliste gehe hervor, dass die natürlichen Aromen Himbeer- und Vanillegeschmack hätten. Dadurch werde zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass die verwendeten Aromen nicht aus Himbeeren und Vanille gewonnen würden, sondern nur diesen Geschmack hätten. Die richtige und vollständige Information durch die Zutatenliste genüge nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.], um eine Irreführung auszuschließen.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des [X.] ist begründet und führt zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils erster Instanz. Die angefochtene Entscheidung stellt sich weder aus den vom Berufungsgericht angenommenen Gründen (dazu unten unter [X.]) noch im Ergebnis als richtig dar (dazu unter II 2).

1. Das mit der Revision angefochtene Urteil des Berufungsgerichts hat mit der von diesem gegebenen Begründung keinen Bestand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte wegen der beanstandeten Produktaufmachung nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF zusteht. Auch der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann nicht verneint werden.

a) Der Gerichtshof der [X.] hat in dem auf den Vorlagebeschluss des erkennenden Senats hin erlassenen Urteil vom 4. Juni 2015 in Fortführung seiner Rechtsprechung, die noch unter der Geltung der durch die Richtlinie 2000/13/[X.] abgelösten Richtlinie 79/112/[X.] zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür ergangen ist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 1995 - [X.]/94, [X.]. 1995, [X.] = [X.] 1995, 667 Rn. 34 - Kommission/[X.]; Urteil vom 9. Februar 1999 - [X.]/97, [X.]. 1999, [X.] = [X.] 1999, 237 Rn. 37 f. und 43 - [X.]; Urteil vom 4. April 2000 - [X.]/98, [X.]. 2000, [X.] = GRUR Int. 2000, 756 Rn. 22 f. - [X.]), ausgesprochen, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, zunächst das Verzeichnis der Zutaten lesen, dessen Angabe Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13/[X.] vorschreibt ([X.], [X.], 701 Rn. 37 - [X.]/Teekanne).

Hieran anschließend hat der Gerichtshof der [X.] - insoweit in Ergänzung seiner bisherigen Rechtsprechung - ausgeführt, der Umstand, dass das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisses angebracht sei, könne jedoch für sich allein nicht ausschließen, dass die Etikettierung dieses Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolge, geeignet sein könnten, den Käufer gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13/[X.] irrezuführen ([X.], [X.], 701 Rn. 38 - [X.]/Teekanne). Die Etikettierung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/[X.] umfasse alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel bezögen und auf dessen Verpackung angebracht seien; in der Praxis komme es vor, dass einige dieser verschiedenen Elemente unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich seien ([X.], [X.], 701 Rn. 39 - [X.]/Teekanne). Soweit dies der Fall sei, könne das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig sei, in bestimmten Fällen gleichwohl nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen, der sich aus den anderen Elementen der Etikettierung dieses Lebensmittels ergebe ([X.], [X.], 701 Rn. 40 - [X.]/Teekanne). Wenn die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolge, insgesamt den Eindruck entstehen ließen, dass dieses Lebensmittel eine Zutat enthalte, die tatsächlich in ihm nicht vorhanden sei, sei eine solche Etikettierung daher geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen ([X.], [X.], 701 Rn. 41 - [X.]/Teekanne).

Danach sei es im Streitfall Sache des nationalen Gerichts, die verschiedenen Bestandteile der Etikettierung des Früchtetees insgesamt zu prüfen, um festzustellen, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von Himbeer- und Vanilleblütenzutaten oder von aus diesen Zutaten gewonnenen Aromen irregeführt werden könne ([X.], [X.], 701 Rn. 35 f. und 42 - [X.]/Teekanne). Bei dieser Prüfung seien unter anderem die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung des Früchtetees zu berücksichtigen ([X.], [X.], 701 Rn. 43 - [X.]/Teekanne).

b) Nach diesen Maßstäben wird ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher, der sich in seiner Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richtet, zwar das auf dessen Verpackung angebrachte Verzeichnis der Zutaten lesen. Dieser Umstand schließt es jedoch für sich allein nicht aus, dass die Etikettierung des Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen.

aa) Die Etikettierung umfasst alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind. Wenn die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, insgesamt den Eindruck entstehen lassen, dass das Lebensmittel eine Zutat enthält, die tatsächlich nicht vorhanden ist, ist eine Etikettierung geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen. Danach sind die verschiedenen Bestandteile der Etikettierung des Früchtetees insgesamt darauf zu überprüfen, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von Zutaten oder Aromen irregeführt werden kann.

bb) Das ist bei dem Produkt der Beklagten aufgrund der dort in den Vordergrund gestellten Angaben auf der Verpackung der Fall, die durchweg hervorgehoben auf das Vorhandensein von Himbeer- und Vanillebestandteilen in dem Tee hinweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits der Name des Produkts "[X.] [X.]" darauf hindeutet, dass der Tee der Beklagten Bestandteile von Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen enthält. Dieser damit bereits von vornherein durch die Produktbezeichnung hervorgerufene Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass an den drei Stellen auf der Verpackung des Produkts, an denen dessen Name [X.] genannt ist, - ebenfalls [X.] - Himbeerfrüchte und Vanilleblüten abgebildet sind. Weiterhin legt die diese Darstellungen jeweils ergänzende Angabe "nur natürliche Zutaten", die in einem Kreis enthalten und dadurch nach Art eines Qualitätssiegels gleichfalls [X.] herausgestellt ist, es fern anzunehmen, dass nicht immerhin das Aroma des Produkts der Beklagten aus Bestandteilen von Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen gewonnen ist. Die genannten Hinweise führen, wenn nicht einzeln, so jedenfalls zusammengenommen dazu, dass der Durchschnittsverbraucher der - im Übrigen auch schon für sich gesehen nicht eindeutigen (vgl. dazu Fezer, [X.], 289, 292 f.; [X.], [X.] 2015, 288) - Zutatenliste auf der beanstandeten Produktverpackung nicht (mehr) entnimmt, dass der Tee der Beklagten weder Himbeer- noch Vanillebestandteile enthält. In einer solchen Fallkonstellation ist die Zutatenliste allein nicht geeignet, die in den Vordergrund gerückten, objektiv unrichtigen Angaben auf der Produktverpackung durch klarstellende Angaben aufzuklären.

c) Der danach gegebene Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF, bei dem es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG handelt (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 2008 - I ZR 220/05, [X.], 1118 Rn. 15 = [X.], 1513 - [X.]), ist auch geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. [X.], [X.] 2015, 1109 juris Rn. 69 mwN).

2. Die vom Berufungsgericht noch unter der Geltung des der Umsetzung der Richtlinie 2000/13/[X.] dienenden § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF getroffene Entscheidung stellt sich auch nicht im Blick auf die anstelle dieser Bestimmung inzwischen geltenden Vorschriften gemäß § 561 ZPO als im Ergebnis richtig dar.

a) Da der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, ist auch zu prüfen, ob dieser Anspruch gegenwärtig noch nach dem insoweit nunmehr geltenden Bestimmungen der Verordnung ([X.]) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (im Weiteren: [X.] oder Lebensmittelinformationsverordnung) begründet ist (st. [X.]pr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 6. November 2014 - [X.], [X.], 504 Rn. 8 = [X.], 565 - Kostenlose Zweitbrille; Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 226/13, [X.], 88 Rn. 20 = [X.], 35 - [X.]). Die Regelung ist nach Art. 55 Abs. 2 [X.] mit Wirkung vom 13. Dezember 2014 an die Stelle des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13/[X.] getreten und seither auch in § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB nF angeführt.

b) Die danach inzwischen geltende Regelung in der Lebensmittelinformationsverordnung ist allerdings nicht weniger streng, sondern strenger als die frühere, im Unionsrecht in der Richtlinie 2000/13/[X.] enthalten gewesene und durch § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 [X.] in [X.] Recht umgesetzte Regelung. So bestimmt Art. 7 Abs. 1 Buchst. d [X.], dass Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein dürfen, indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde. Weiterhin ist die in Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit [X.] [X.] enthaltene Regelung für Lebensmittel zu berücksichtigen, bei denen ein Bestandteil oder eine Zutat, von dem/der die Verbraucher erwarten, dass er/sie normalerweise verwendet wird oder von Natur aus vorhanden ist, durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde. Danach muss deren Kennzeichnung - und zwar zusätzlich zum Zutatenverzeichnis - in unmittelbarer Nähe zum Produktnamen und in einer Schriftgröße, deren [X.] mindestens 75% der [X.] des Produktnamens beträgt und nicht kleiner als die in Art. 13 Abs. 2 [X.] vorgeschriebene Mindestschriftgröße von 1,2 mm sein darf, mit einer deutlichen Angabe des Bestandteils oder der Zutat versehen sein, der/die für die teilweise oder vollständige Ersetzung verwendet wurde (vgl. Grube, [X.] 2015, 478, 482 f.).

Der Anwendung der vorstehend genannten Bestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung auf Fälle wie den streitgegenständlichen steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Produkt der Beklagten nicht um ein bereits bekannt gewesenes Lebensmittel, sondern um einen von der Beklagten neu kreierten Tee handelte ([X.]/[X.], [X.] 2015, 117, 121 und 123). Bei einem solchen nicht traditionellen Lebensmittel sind als "normalerweise verwendete Zutaten" - zu denen nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f [X.] auch Aromen gehören - diejenigen Zutaten anzusehen, deren Verwendung der Verbraucher nach dem Aussehen, der Bezeichnung oder den bildlichen Darstellungen des Lebensmittels erwarten kann. Ein Grund, den Art. 7 Abs. 1 Buchst. d und den Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit [X.] [X.] unter diesen Voraussetzungen auf nicht traditionelle Lebensmittel nicht anzuwenden, lässt sich weder dem Wortlaut dieser Bestimmungen noch deren Zweck entnehmen.

Dagegen lassen sich aus Art. 7 der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken im Streitfall keine Informationspflichten ableiten, die über die Informationspflichten nach der Lebensmittelinformationsverordnung hinausgehen (vgl. Grube in Voit/Grube, [X.], 2013, Art. 7 Rn. 24 bis 27 [vom generellen Vorrang der Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung gegenüber Art. 7 der Richtlinie 2005/29/[X.] ausgehend]; [X.], [X.], 289, 292 f.; differenzierend [X.], [X.], 637, 639 f.). Die Frage, ob die Beklagte den Verbraucher mit der beanstandeten Aufmachung ihres Früchtetees hinreichend über dessen Merkmale aufgeklärt hat, ist nach den einschlägigen Bestimmungen des Lebensmittelrechts, das heißt der Lebensmittelinformationsverordnung und - zeitlich vorangehend - der Richtlinie 2000/13/[X.] und der diese in [X.] Recht umsetzenden nationalen Bestimmungen zu beurteilen. Für eine diese - jeweils abschließenden - Regelungen ergänzende Anwendung des Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/[X.], der mit der Bestimmung des § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG in [X.] Recht umgesetzt worden ist, im Anwendungsbereich der Lebensmittelinformationsverordnung ist nach Erwägungsgrund 10 Satz 3 und Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/[X.] kein Raum (vgl. [X.], [X.], 637, 638 [Rn. 8 bis 11]; anders aber aaO S. 639 f. [Rn. 28]).

3. Eine weitere Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V kommt nicht in Betracht. Die sich zur Auslegung des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/[X.] stellende Frage ist durch die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 4. Juni 2015 geklärt. Die Beurteilung, ob die angesprochenen Verkehrskreise durch die beanstandete Produktaufmachung irregeführt werden können, ist Aufgabe der nationalen Gerichte ([X.], [X.], 701 Rn. 35 - [X.]/Teekanne). An der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung bestehen keine vernünftigen Zweifel, so dass insoweit ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V nicht geboten ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]. 283/81, [X.]. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.).

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                    Schaffert                       [X.]

                [X.]Schwonke

Meta

I ZR 45/13

02.12.2015

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend EuGH, 4. Juni 2015, Az: C-195/14, Urteil

Art 2 Abs 1 Buchst a EGRL 13/2000, Art 2 Abs 3 EGRL 13/2000, Art 3 Abs 1 Nr 2 EGRL 13/2000, § 11 Abs 1 S 2 Nr 1 LFGB vom 03.06.2013, § 11 Abs 1 Nr 1 LFGB vom 05.12.2014, Art 7 Abs 1 Buchst a EUV 1169/2011, Art 7 Abs 1 Buchst d EUV 1169/2011, Art 7 Abs 4 Buchst b EUV 1169/2011, Art 17 Abs 5 Anh 6 Teil A Nr 4 EUV 1169/2011, Art 3 Abs 4 EGRL 29/2005, Art 7 EGRL 29/2005, § 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.12.2015, Az. I ZR 45/13 (REWIS RS 2015, 1415)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1415

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 45/13 (Bundesgerichtshof)


I ZR 45/13 (Bundesgerichtshof)


I ZR 45/13 (Bundesgerichtshof)

Vorabentscheidungsersuchen zur irreführenden Lebensmittelwerbung: Bewerbung eines Früchtetees mit Abbildungen tatsächlich nicht vorhandener Zutaten - Himbeer-Vanille-Abenteuer


3 U 1537/16 (OLG Nürnberg)

Erfolglose Unterlassungsklage gegen die Bezeichnung einer Vollmilch als „frische Weide-Milch“


6 U 50/17 (Oberlandesgericht Köln)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.