Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 22.04.2016, Az. V ZR 256/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12493

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PARTEIVERNEHMUNG KAPITALANLAGESACHEN VIERAUGENGESPRÄCH BESTREITEN MIT NICHTWISSEN

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Gegenstand

Bestreiten des Inhalts eines von dem bevollmächtigten Untervermittler einer Eigentumswohnung geführten Beratungsgesprächs mit Nichtwissen


Leitsatz

Ist ein Untervermittler von dem Verkäufer einer Immobilie (stillschweigend) zum Abschluss eines Beratungsvertrages mit dem Käufer bevollmächtigt worden, kann der Verkäufer in einem Prozess den von dem Käufer behaupteten Inhalt des Beratungsgesprächs grundsätzlich nicht mit Nichtwissen bestreiten.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 13. Oktober 2014 im Kostenpunkt, soweit es um die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und des [X.] geht, und insoweit aufgehoben, als die auf die Verurteilung der Beklagten zu 1 gerichtete Berufung zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit hierüber nicht bereits durch Beschluss des Senats vom 22. Oktober 2015 entschieden worden ist, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger und seine Ehefrau machten der [X.]n zu 1 (im Folgenden: die [X.]) am 19. Februar 2008 ein notarielles Angebot zum Kauf einer 61,29 qm großen Eigentumswohnung in [X.]    zu einem Preis von 120.000 €, das die [X.] am 10. März 2008 annahm. Die Gespräche im Vorfeld des Erwerbs führten die Eheleute mit Mitarbeitern der [X.] (im Folgenden: [X.]). Diese stellten ihnen ein Steuersparmodell im Rahmen der "Ostsanierung" durch Erwerb einer Eigentumswohnung vor und überreichten eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, nachdem sie sich Gehaltsabrechnungen und Steuerunterlagen hatten aushändigen lassen.

2

Der Kläger verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau von der [X.]n Zahlung von 5.422,17 € nebst Zinsen und Freistellung von den zur Finanzierung des Kaufs eingegangenen [X.] Zug um Zug gegen lastenfreie Übereignung der Eigentumswohnung sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Zusätzlich beantragt er die Feststellung, dass die [X.] zum Ersatz aller weiteren materiellen Schäden aus dem Erwerb der Eigentumswohnung verpflichtet ist und sich im Annahmeverzug befindet. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die genannten Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil der Kaufvertrag nicht wegen groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sittenwidrig sei. Dem nach Abzug der Erwerbsnebenkosten in Höhe von 7.631,06 € verbleibenden Kaufpreis in Höhe von 112.368,94 € stünde nach dem erstinstanzlich von dem [X.] eingeholten Sachverständigengutachten ein Verkehrswert von rund 91.300 € gegenüber. Eine sittenwidrige Kaufpreiserhöhung um mindestens 90 % des Verkehrswerts ergebe sich hieraus nicht. Die von dem Kläger vorgelegten Gutachten gäben keine Veranlassung zur Einholung eines weiteren gerichtlichen Gutachtens gemäß § 412 ZPO.

4

Es bestünden auch keine Ansprüche nach § 280 Abs. 1, § 675 BGB wegen Verletzung von Pflichten aus einem - konkludent zustande gekommenen - Beratungsvertrag. Von einer Pflichtverletzung der [X.], vertreten durch den Mitarbeiter [X.]der als [X.]in tätig gewordenen [X.], könne nicht ausgegangen werden. Zwar habe der Kläger mit der Behauptung, ihm und seiner Ehefrau sei vor Abgabe des Kaufangebots von Herrn [X.]mündlich eine „Mindestausschüttung“ von 45.501 € bei einem Verkauf der Wohnung nach zehn Jahren garantiert worden, eine vorsätzliche Beratungspflichtverletzung hinreichend substantiiert und schlüssig dargelegt. Die Beklagte habe diese Behauptung aber in zulässiger Weise mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestritten. Der Mitarbeiter eines [X.]s sei nicht in die geschäftliche [X.] eingegliedert, so dass sein Verhalten nicht deren eigenen Wahrnehmungsbereich zuzurechnen sei. Deshalb sei die Beklagte nicht gehalten gewesen, den ihr bekannten Herrn [X.]zu befragen, ob die Vorwürfe zuträfen und welche Angaben er tatsächlich gemacht habe. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung nicht geführt. Seine Anhörung und die seiner Ehefrau hätten mangels hinreichenden „Anbeweises“ keine Veranlassung für eine [X.]vernehmung gemäß § 448 ZPO geboten.

II.

5

Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der [X.], sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.], 79, 82).

6

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

7

1. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich nicht ausschließen, dass der Kaufvertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist und dem Kläger deshalb ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zusteht.

8

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein gegenseitiger Vertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den [X.] und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (Senat, Urteil vom 19. Januar 2001 - [X.], [X.], 298, 301; Urteil vom24. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1652 Rn. 8). Ausgehend von dem für die Annahme eines besonders groben Äquivalenzmissverhältnisses bestehenden Erfordernis, dass der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, ist diese Voraussetzung grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90 % erfüllt (Senat, Urteil vom 24. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1652 Rn. 8).

9

b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht im rechtlichen Ausgangspunkt beachtet. Betrüge der Verkehrswert der von dem Kläger und seiner Ehefrau erworbenen Eigentumswohnung tatsächlich entsprechend dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten des Sachverständigen [X.].   rund 91.300 € (1.490 €/qm x 61,29 qm) und würde dem der - um die von der [X.] übernommenen Erwerbsnebenkosten bereinigte - Kaufpreis (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2016 - [X.], juris Rn. 8) von 112.368,94 € gegenüber gestellt (120.000 € - 7.631,06 €), ergäbe sich eine Verkehrswertüberschreitung von lediglich 23 %. Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wäre nicht gegeben.

c) Wie die Revision mit ihrer Verfahrensrüge aber zu Recht beanstandet, leidet die Verkehrswertfeststellung des Berufungsgerichts an einem Verfahrensfehler. Es hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen (§ 286 ZPO).

aa) [X.] eine [X.] ein Privatgutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht ernst nehmen. Es muss ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären ([X.], Urteil vom 18. Mai 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1192 Rn. 7 mwN; Urteil vom 10. Dezember 1991 - [X.], NJW 1992, 1459). Entsprechendes gilt, wenn eine [X.] in einem Rechtsstreit, in dem es - wie hier - um die Höhe des Verkehrswerts einer Wohnung geht, ein in einem Parallelverfahren zu einer vergleichbaren Wohnung erstattetes gerichtliches Sachverständigengutachten vorlegt, das im Widerspruch zu dem im aktuellen Verfahren eingeholten Gutachten steht.

bb) Dem Gericht bieten sich mehrere Möglichkeiten an, den Einwänden gegen ein Gutachten nachzugehen. Es kann den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen. In Betracht kommt auch die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO. Ein Antrag der beweispflichtigen [X.] ist dazu nicht erforderlich. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus dem ([X.] ergebenden Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten einholen ([X.], Urteil vom 18. Mai 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1192 Rn. 7 mwN; Urteil vom 10. Dezember 1991 - [X.], NJW 1992, 1459 f.).

cc) Hier hat sich der Kläger in der Berufungsinstanz u.a. auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. R.    berufen, der in einem Parallelrechtsstreit den Verkehrswert (Vergleichswert) einer vergleichbaren Wohnung (Wohnfläche: 53,3 qm) mit 46.000 € (= 863,04 €/qm) bestimmt hatte. Daraus ergäbe sich für die Wohnung des [X.] und seiner Ehefrau ein Verkehrswert von 52.895,72 € (61,29 qm x 863,04 €) anstelle des von dem Sachverständigen [X.].   ermittelten Werts von 91.300 €. Das Berufungsgericht hält die Ermittlung des [X.] durch den Sachverständigen Dr. R.    im Wesentlichen deshalb für nicht maßgeblich, weil die Wohnung des [X.] aufgrund der in der Objektbeschreibung genannten Modernisierungsarbeiten dem höheren Segment zuzuordnen sei. Da aber auch die von dem Sachverständigen Dr. R.    begutachtete Wohnung in den Jahren 2001/2002 modernisiert und instandgesetzt wurde, hätte das Berufungsgericht den unterschiedlichen Bewertungen der Sachverständigen nachgehen müssen. Hierzu bedurfte es nicht der Einholung eines neuen Gutachtens, die gemäß § 412 Abs. 1 ZPO nur angezeigt ist, wenn das Gericht das Gutachten für ungenügend erachtet. Angeboten hätte sich vielmehr zunächst eine Anhörung des Sachverständigen [X.].   gemäß § 411 Abs. 3 ZPO oder die Einholung einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens.

dd) Unabhängig davon hat sich das Berufungsgericht nicht mit dem von dem Kläger erhobenen Einwand auseinandergesetzt, dass der Sachverständige [X.].   bei der Ermittlung des Verkehrswerts die Verkäufe der Wohnungen aus der streitgegenständlichen Wohnanlage nicht berücksichtigt habe, die das [X.]unmittelbar an Privatpersonen getätigt habe. Dabei seien Kaufpreise erzielt worden, die um etwa 50 % unter den Verkaufspreisen der [X.] gelegen hätten. Auch dies hätte dem Berufungsgericht Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bieten müssen.

ee) Der Verfahrensfehler ist erheblich. Es lässt sich nicht ausschließen, dass sich bei einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages führende Überschreitung des Verkehrswerts ergibt. Auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. R.    errechnet sich ein Verkehrswert der Wohnung des [X.] und seiner Ehefrau von lediglich 52.895,72 € und damit eine Überschreitung von 112 %.

2. Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des [X.] wegen Verletzung von Pflichten aus einem Beratungsvertrag verneint (§ 280 Abs. 1 BGB).

a) Noch zutreffend geht es davon aus, dass zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau auf der einen sowie der [X.] auf der anderen Seite ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Stellt sich bei der Vermittlung des Kaufvertrages die Aufgabe der Beratung des Kaufinteressenten und verzichtet der Verkäufer auf jeglichen Kontakt mit dem Käufer und überlässt er dem Vermittler die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife, darf der Käufer bei verständiger Würdigung im Allgemeinen davon ausgehen, dass der Vermittler bei der Beratung (auch) namens und in [X.] handelt (Senat, Urteil vom 19. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 1510 Rn. 11). Dies gilt auch dann, wenn ein Vermittler - wie hier - [X.] einsetzt (Senat, Urteil vom 14. März 2003 - [X.], NJW 2003, 1811, 1812).

b) Richtig ist auch, dass der Kläger schlüssig eine Beratungspflichtverletzung durch den Mitarbeiter [X.]der [X.] dargelegt hat. Dieser soll mündlich vor Kaufvertragsabschluss eine „Mindestausschüttung“ von 45.501 € bei einem Verkauf der Wohnung nach zehn Jahren garantiert haben. Dies stellt einen Beratungsfehler dar, weil nach dem weiteren Vorbringen des [X.] der versprochene Gewinn unter Berücksichtigung des tatsächlichen Verkehrswerts der Eigentumswohnung nicht zu erwarten war.

c) Von [X.] beeinflusst ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Behauptung, in dem [X.] sei eine „Mindestausschüttung“ garantiert worden, in zulässiger Weise mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) bestritten. Dies ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht der Fall.

aa) Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der [X.] noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Bei einer juristischen Person kommt es insoweit auf die Organe an (allgemeine Meinung, vgl. allgemein zur gesetzlichen Vertretung nur [X.], Urteil vom 7. Oktober 1998 - [X.], NJW 1999, 53, 54; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 138 Rn. 15, [X.], ZPO, 7. Aufl., § 138 Rn. 17). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.], von der auch das Berufungsgericht ausgeht, trifft die [X.] in diesem Zusammenhang aber die Pflicht, die ihr möglichen Informationen von Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind ([X.], Urteil vom 15. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 205, 210; Urteil vom 7. Oktober 1998 - [X.], NJW 1999, 53, 54; Urteil vom 19. April 2001 - I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613; Urteil vom 24. Juli 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 92, 93; Urteil vom 5. November 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 125 Rn. 12). Bestreitet eine [X.] trotz des Bestehens einer Informationspflicht mit Nichtwissen, ist dies unzulässig und führt dazu, dass der Vortrag des Gegners gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich für die [X.] nach Einholen der Erkundigungen bei diesen Personen keine weiteren Erkenntnisse ergeben oder die [X.] nicht beurteilen kann, welche von mehreren unterschiedlichen Darstellungen über den Geschehensablauf der Wahrheit entspricht, und sie das Ergebnis ihrer Erkundigungen in den Prozess einführt (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 205, 210; Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 130, 131).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze berechtigt der Umstand, dass die Beratung des [X.] weder auf eigener Handlung der Organe der [X.] beruhte noch Gegenstand ihrer Wahrnehmung war, die Beklagte nicht, den behaupteten Inhalt des [X.]s mit Nichtwissen zu bestreiten. Das Berufungsgericht fasst den Verantwortungsbereich, innerhalb dessen sich eine [X.] zu erkundigen hat, zu eng.

(1) Die von der Rechtsprechung vorgenommene teleologische Reduktion von § 138 Abs. 4 ZPO findet ihre Rechtfertigung in der Überlegung, dass eine [X.] sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihres Betätigungsbereichs ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen kann ([X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 138 Rn. 16; [X.], ZPO, 7. Aufl., § 138 Rn. 18). Ansonsten würde sie gegenüber einer selbst handelnden [X.] ohne sachlichen Grund privilegiert (vgl. Lange, NJW 1990, 3233, 3235). Eine das Bestreiten mit Nichtwissen grundsätzlich ausschließende Arbeitsteilung liegt aber, anders als das Berufungsgericht meint, nicht nur bezogen auf Personen vor, die im engeren Sinne in die geschäftliche Organisation der [X.] eingliedert sind. Unter der Verantwortung einer [X.] im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des [X.] werden auch [X.] tätig, denen sich eine [X.] - wie hier die Beklagte - bedient. Hätten die Organe der [X.] die [X.]e selbst geführt, müssten sie sich zu dem von dem Kläger behaupteten Inhalt äußern, ohne diesen mit Nichtwissen bestreiten zu können. Dem können sie sich nicht dadurch entziehen, dass die Beratung [X.]n überlassen wird. Sie müssen sich vielmehr bei dem [X.] nach dem Gesprächsinhalt erkundigen und sich hierzu im Prozess substantiiert (§ 138 Abs. 2 ZPO) erklären. Insoweit findet die materiell-rechtliche Haftung des Verkäufers für eine fehlerhafte Beratung eines [X.]s im Rahmen eines (stillschweigend) zustande gekommenen Beratungsvertrages (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2003 - [X.], NJW 2003, 1811, 1812) ihre prozessuale Fortsetzung in einer Einschränkung der in § 138 Abs. 4 ZPO vorgesehenen Möglichkeit, die Behauptung des Gegners mit Nichtwissen zu bestreiten.

(2) Aus den von dem Berufungsgericht zitierten Literaturstellen ergibt sich nichts anderes. Auch nach der Auffassung von Prütting ([X.], ZPO, 5. Aufl., § 138 Rn. 19) und Wagner ([X.], 4. Aufl., § 138 Rn. 29) ist die [X.] verpflichtet, bei Personen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig sind, Erkundigungen einzuholen.

(3) [X.] durch die Beklagte ist hiernach auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts unzulässig. Der Vortrag des [X.] gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und ist nicht beweisbedürftig. Auf die von dem Berufungsgericht erörterte und verneinte Frage, ob die Voraussetzungen für eine [X.]vernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO vorlagen, kommt es nicht an. Mit der von ihm gegebenen Begründung lässt sich ein Schadensersatzanspruch des [X.] deshalb nicht verneinen.

III.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). [X.] ist die Sache noch nicht. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. a) Bezogen auf den mit der Klage verfolgten Schadensersatzanspruch ist der [X.] Gelegenheit zu geben, sich bei der [X.] sowie deren Mitarbeiter [X.]danach zu erkundigen, ob der von dem Kläger behauptete Inhalt des [X.]s zutrifft und hierzu weiter substantiiert vorzutragen. Durch die bloße Behauptung, die beteiligten Mitarbeiter der [X.] könnten sich nicht erinnern oder diese seien nicht mehr auffindbar, würde die Beklagte ihrer [X.] nicht genügen. Ein (erneutes) Bestreiten mit Nichtwissen käme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Beklagte glaubhaft machen könnte, trotz aller zumutbarer Anstrengungen keine weiteren Informationen erhalten zu haben (vgl. auch [X.], Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 130, 131 zu den engen Voraussetzungen für ein Bestreiten eigener Handlungen oder Wahrnehmungen mit Nichtwissen).

b) Liegt ein wirksames Bestreiten der [X.] vor, wird das Berufungsgericht die von dem Kläger angebotenen Beweise zu erheben haben. Da die Drittwiderklage gegen die Ehefrau des [X.] rechtskräftig abgewiesen worden ist, steht deren Vernehmung als Zeugin nichts mehr entgegen.

c) Kommt das Berufungsgericht in dem neuen Verfahren zu dem Ergebnis, dass der Mitarbeiter [X.]in dem [X.] mit dem Kläger und dessen Ehefrau eine „Mindestausschüttung“ von 45.501 € bei einem Verkauf nach zehn Jahren garantiert hat, läge eine Verletzung der Beratungspflicht nur vor, wenn diese Garantie inhaltlich unzutreffend wäre. Dies ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts streitig, da die Beklagte behauptet, die Entwicklung des Immobilienmarktes habe einen solchen Gewinn durchaus erwarten lassen. [X.] dafür, dass ein solcher Gewinn angesichts des Kaufpreises von vornherein unrealistisch war (vgl. dazu Senat, Urteil vom 15. Oktober 2004 - [X.], NJW 2005, 983, 984), ist der Kläger.

2. Scheidet ein Schadensersatzanspruch aus, wird das Berufungsgericht im Hinblick auf den in Betracht kommenden Bereicherungsanspruch und die von dem Kläger behauptete Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages den Verkehrswert der Wohnung weiter aufzuklären zu haben.

a) Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nach den bislang gestellten Anträgen einen - von dem Berufungsgericht geprüften - Anspruch auf Rückzahlung des an die Beklagte gezahlten Kaufpreises nicht geltend macht, sondern Freistellung der zur [X.]nanzierung des Kaufpreises eingegangenen [X.] verlangt. Dieses Ziel kann er nur mit einem Schadensersatzanspruch, nicht aber mit einem Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erreichen. Da dieser Gesichtspunkt bislang von allen Verfahrensbeteiligten übersehen worden ist, ist dem Kläger gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO Gelegenheit zu geben, insoweit einen Hilfsantrag zu stellen.

b) Der Sachverständige [X.].    ist bezogen auf die von dem Kläger erhobenen Einwendungen mündlich anzuhören; alternativ kann eine ergänzende schriftliche Stellungnahme eingeholt werden. Hierbei sind neben dem Gutachten des Sachverständigen Dr. R.     aus einem Parallelverfahren auch das von dem Kläger vorgelegte Privatgutachten des Sachverständigen [X.]und das von der [X.] vorgelegte Gutachten des Sachverständigen [X.]zu berücksichtigen.

c) Stellt sich heraus, dass die Verkehrswertüberschreitung zwar nicht 90 % oder mehr beträgt, aber ein auffälliges Missverhältnis besteht - dies ist jedenfalls bei einer Verkehrswertüberschreitung von über 50 % der Fall (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juli 2004 - [X.], [X.]Z 160, 8, 16 f.: 57,59 %; [X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 - [X.], NJW-RR 2014, 653 Rn. 16: 68 %) - , kann dies zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages führen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die in Verbindung mit dem auffälligen Missverhältnis den Vorwurf der sittenwidrigen Übervorteilung begründen (vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1652 Rn. 10; siehe auch [X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 - [X.], NJW-RR 2014, 653 Rn. 16). Als solcher Umstand kann auch die von dem Kläger behauptete „Überrumpelung“ durch Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist bis zur notariellen Beurkundung (§ 17 Abs. 2a [X.]) in Betracht kommen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen [X.] der Einspruch zu. Dieser ist beim [X.] in [X.] von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie [X.], die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.

Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

[X.]                     Schmidt-Räntsch                            Brückner

                      Göbel                                   Haberkamp

Meta

V ZR 256/14

22.04.2016

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 13. Oktober 2014, Az: 24 U 102/12

§ 138 Abs 4 ZPO, § 280 Abs 1 BGB, § 675 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 22.04.2016, Az. V ZR 256/14 (REWIS RS 2016, 12493)

Papier­fundstellen: WM 2016, 1384 REWIS RS 2016, 12493

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