Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.02.2022, Az. B 9 V 35/21 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 1075

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - unvollständige Erörterung der Sach- und Rechtslage - Auslassung von entscheidungserheblichen Umständen im Tatbestand des Berufungsurteils - Kenntnis vom maßgeblichen Akteninhalt - Darlegung des verhinderten Vorbringens - Fehlen eines Klageantrags im Sitzungsprotokoll und im Urteilstatbestand - Möglichkeit von Berichtigungsanträgen - Darlegung der Entscheidungserheblichkeit - fehlende Bindung des Gerichts an die gestellten Anträge - Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze - Überschreitung der Grenzen der freien Beweiswürdigung - kein Revisionszulassungsgrund - Divergenz - Darlegungsanforderungen


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. Mai 2021 Prozesskostenhilfe unter [X.]eiordnung von Rechtsanwalt L aus [X.] zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die [X.]eschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die [X.]eteiligten haben einander für das [X.]eschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In der Hauptsache begehrt der 1947 geborene Kläger höhere Versorgungsleistungen nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im [X.]eitrittsgebiet ([X.]) iVm dem [X.] ([X.]) unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und die Feststellung eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 50 sowie die Gewährung eines [X.]erufsschadensausgleichs ([X.]) ab dem [X.] für eine in den Jahren 1967 bis 1968 in der ehemaligen [X.] erlittene rehabilitierte Haftzeit.

2

Die vom Kläger insoweit erfolglos geführten Klageverfahren vor dem [X.] hat das L[X.] zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden ([X.]eschluss vom [X.]) und auf die mündliche Verhandlung vom [X.] die Urteile des [X.] vom 18.9.2017 und 10.1.2018 sowie die [X.]escheide des [X.]eklagten vom 10.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.6.2012 und vom 21.3.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] abgeändert und den [X.]eklagten verurteilt, dem Kläger unter teilweiser Rücknahme des [X.]escheids vom 30.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2008 eine Grundrente ab dem 1.1.2007 nach einem GdS von 50 und ab 1.9.2010 nach einem GdS von 90 jeweils unter [X.]erücksichtigung einer besonderen beruflichen [X.]etroffenheit gemäß § 30 [X.] [X.] zu gewähren. Im Übrigen hat es die [X.]erufungen des [X.] zurückgewiesen.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger [X.]eschwerde beim [X.][X.] eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) unter [X.]eiordnung seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt L aus [X.] beantragt. Er rügt eine Divergenz und Verfahrensmängel.

4

II. A. Der Antrag des [X.] auf PKH ist abzulehnen.

5

Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem [X.]eteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem [X.][X.] nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier bereits (dazu unter [X.]). Schon aus diesem Grund kommt die [X.]eiordnung seines Prozessbevollmächtigten nicht in [X.]etracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 121 Abs 1 ZPO).

6

[X.]. Die [X.]eschwerde des [X.] ist unzulässig.

7

Die [X.]egründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil der Kläger eine Divergenz iS des § 160 [X.] [X.] [X.]G (dazu unter 1) und einen Verfahrensmangel iS des § 160 [X.] [X.] [X.]G (dazu unter 2) nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160a [X.] Satz 3 [X.]G).

8

1. Divergenz iS des § 160 [X.] [X.] [X.]G liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in [X.]etracht, wenn das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.][X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.]undes oder des [X.]VerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des L[X.] nicht den Kriterien entspricht, die das [X.][X.] aufgestellt hat, sondern erst, wenn das L[X.] diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.

9

[X.]ezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die [X.]eschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des L[X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr; z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 25.10.2018 - [X.] 9 V 27/18 [X.] - juris Rd[X.] 7 bis 8; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 7 [X.] 142/02 [X.] - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 - juris Rd[X.] 13, jeweils mwN). Diese [X.] an eine [X.] erfüllt die [X.]eschwerdebegründung nicht.

Der Kläger rügt eine Abweichung von der Entscheidung des [X.][X.] vom 17.12.1997 (9 RV 23/96 - [X.] 3-3100 § 30 [X.]). Er bezeichnet jedoch weder einen abstrakten Rechtssatz aus dem zitierten Urteil des [X.][X.], noch benennt er einen hiervon abweichenden Rechtssatz aus der Entscheidung des L[X.] (vgl hierzu [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 7 [X.] 228/98 [X.] - juris Rd[X.] 9).

Selbst wenn der Kläger einen konkludenten, dh verdeckt aufgestellten Rechtssatz behaupten wollte, hätte er darlegen müssen, dass dieser Rechtssatz sich nicht erst nachträglich logisch induktiv aus dem Entscheidungsergebnis herleiten lässt, sondern dass dieses Ergebnis deduktiv aus dem Rechtssatz folgt, der in der Entscheidung zweifellos enthalten ist (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 14.7.2021 - [X.] 10 [X.]/20 [X.] - juris Rd[X.] 6; [X.][X.] [X.]eschluss vom 13.11.2017 - [X.] 10 ÜG 15/17 [X.] - juris Rd[X.] 7; [X.][X.] [X.]eschluss vom 19.12.2011 - [X.] 12 KR 42/11 [X.] - juris Rd[X.] 8, jeweils mwN). Hierzu enthält die [X.]eschwerdebegründung aber keine Ausführungen. Es ist nicht Aufgabe des [X.][X.], sich einen abweichenden tragenden Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil des L[X.] selbst herauszusuchen (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 29.11.2021 - [X.] 9 S[X.] 18/21 [X.] - juris Rd[X.] 11).

2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 [X.] [X.] Halbsatz 1 [X.]G), so müssen bei der [X.]ezeichnung des [X.] (§ 160a [X.] Satz 3 [X.]G) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer [X.]eeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 [X.] [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen [X.]eweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende [X.]egründung nicht gefolgt ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die [X.]ezeichnung eines [X.] wird die [X.]eschwerdebegründung nicht gerecht.

a) Der Kläger rügt zunächst einen Verstoß gegen § 112 Abs 1 und 2, § 124 Abs 1, § 128 Abs 1 Satz 1 und [X.] [X.]G. Er habe "in der [X.]erufungsinstanz und von Anfang an" ohne Teilrücknahme der gestellten Anträge beantragt, "den [X.]eklagten zu verurteilen, dem Kläger einen GdS von 80 und einen weiteren GdS von 10 nach § 30 Abs. 2 [X.] sowie [X.]erufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 [X.] zu gewähren". Diese Anträge seien schriftsätzlich gestellt und inhaltlich begründet worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] sei es zu einer sehr gedrängten kurzen Sachverhaltsschilderung durch die Vorsitzende zu § 30 Abs 1 und 2 [X.] gekommen, ohne allerdings den Sachverhalt zum [X.] nach § 30 Abs 3 [X.] darzustellen. Nach [X.]eendigung des Sachvortrags habe die Vorsitzende ihn gefragt, welche Anträge er stellen wolle. Schließlich habe sie ihm den dann auch protokollierten Antrag empfohlen. Er habe in der mündlichen Verhandlung aufgrund des unzureichenden Sachvortrags und der sofortigen Empfehlung eines bestimmten Prozessantrags keine Gelegenheit mehr erhalten, sich zu dem schriftsätzlich gestellten Antrag auf [X.] nach § 30 Abs 3 [X.] und den vom L[X.] für maßgeblich gehaltenen Tatsachen sowie ihrer rechtlichen Würdigung zu äußern.

aa) Zwar können Verstöße gegen den Inhalt der Niederschrift und deren Genehmigung nach § 122 [X.]G iVm §§ 160 und 162 ZPO Verfahrensmängel iS von § 160 [X.] [X.] [X.]G darstellen. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um absolute Revisionsgründe, sodass gesondert festzustellen ist, inwiefern das angegriffene Urteil auf ihnen beruhen kann ([X.][X.] [X.]eschluss vom 30.10.2013 - [X.] 9 V 6/13 [X.] - juris Rd[X.] 5). Die bloße [X.]ehauptung einer fehlerhaften Protokollierung von Anträgen genügt den Darlegungserfordernissen insoweit jedoch noch nicht. Denn dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 123 [X.]G das Gericht ohnehin über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Der Kläger macht auch nicht geltend, in der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] Anträge gestellt zu haben, die nicht bereits in seinen Schriftsätzen enthalten gewesen seien. Nur dann läge es nahe, dass Mängel einer Protokollierung dieser Anträge sich auf das Urteil des [X.]erufungsgerichts ausgewirkt haben könnten (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 30.10.2013 - [X.] 9 V 6/13 [X.] - juris Rd[X.] 5).

Ähnlich verhält es sich, soweit der Kläger den Inhalt des Tatbestands des [X.]erufungsurteils hinsichtlich der Darstellung seiner Anträge rügt. Soweit er hier eine hinreichende Klarheit und Vollständigkeit vermisst, fehlt es an Ausführungen dazu, inwiefern das Urteil des L[X.] darauf beruhen kann (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 30.10.2013 - [X.] 9 V 6/13 [X.] - juris Rd[X.] 6). Der Kläger zeigt nicht auf, dass das L[X.] in seinen Entscheidungsgründen den schriftsätzlich gestellten Antrag auf Gewährung von [X.] falsch verstanden oder nicht behandelt habe. Er behauptet insbesondere nicht, dass es über diesen Antrag im Urteil überhaupt nicht entschieden habe.

Schließlich legt der Kläger nicht dar, warum er die von ihm angesprochenen vermeintlichen Mängel nicht durch eine [X.]erichtigung der Sitzungsniederschrift (vgl § 122 [X.]G iVm § 164 ZPO) und des Tatbestands (§ 139 [X.]G) hätte beheben lassen können. Der Kläger hat weder vorgetragen, dass er beim L[X.] die [X.]erichtigung des Sitzungsprotokolls beantragt habe (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 3.11.2014 - [X.] 12 KR 48/14 [X.] - juris Rd[X.] 9), noch hat er dargelegt, einen Antrag auf [X.] gestellt zu haben (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 2.9.2014 - [X.] 9 V 17/14 [X.] - juris Rd[X.] 7; [X.][X.] [X.]eschluss vom 6.1.2016 - [X.] 13 R 411/15 [X.] - juris Rd[X.] 7).

bb) Soweit der Kläger als Verfahrensmangel weiter rügt, die Vorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung die sich aus § 112 [X.] [X.]G ergebenden Pflichten zur vollständigen Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses und zur Hinwirkung auf sachdienliche Anträge missachtet und damit auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 [X.]G, § 62 [X.]G) verletzt, hat er die gerügten Verfahrensmängel ebenfalls nicht in der gebotenen Weise bezeichnet. Der Kläger hat bereits nicht hinreichend dargetan, welches konkrete Vorbringen von ihm, das nicht bereits Gegenstand des Verfahrens geworden ist, dadurch verhindert worden sein sollte (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 1.8.2017 - [X.] 13 R 323/16 [X.] - juris Rd[X.] 15). Zudem ist das Prozessgericht grundsätzlich nicht verpflichtet, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den [X.]eteiligten zu erörtern (stRspr; z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 15.12.2020 - [X.] 12 KR 58/20 [X.] - juris Rd[X.] 7 mwN). Schließlich kann ein [X.]eteiligter mit der Rüge einer Gehörsverletzung nur durchdringen, wenn er vor dem L[X.] alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (stRspr; z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 30.10.2013 - [X.] 9 V 6/13 [X.] - juris Rd[X.] 8 mwN). Weshalb es dem anwaltlich vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen sein sollte, auch zu dem von ihm beanspruchten [X.] vorzutragen, legt er nicht substantiiert dar. Er behauptet insbesondere nicht, dass ihn die Vorsitzende trotz Empfehlung eines bestimmten Sachantrags daran gehindert habe, weitere Anträge zu Protokoll zu stellen und diese entsprechend zu begründen.

Auch soweit der Kläger im Rahmen der Geltendmachung einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) rügt, dass die Vorsitzende des [X.]erufungsgerichts im Rahmen der Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung den [X.] nicht behandelt habe, genügt dieses Vorbringen nicht den Anforderungen an die [X.]ezeichnung des vorgebrachten [X.]. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des vom Recht auf ein faires Verfahren ua umfassten Gebots der Rücksichtnahme auf die [X.]eteiligten in der konkreten Prozesssituation (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 17.12.2020 - [X.] 10 ÜG 4/20 [X.] - [X.] 4-1500 § 62 [X.]3 Rd[X.] 15 mwN) käme nur dann in [X.]etracht, wenn dem anwaltlich vertretenen Kläger vom L[X.] keine Möglichkeit gegeben worden wäre, seinen Anspruch auf [X.] (auch) in der mündlichen Verhandlung geltend zu machen. Dies hat er jedoch nicht schlüssig dargetan. Ohnehin gibt es keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die [X.]eteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene [X.]eweiswürdigung hinzuweisen oder - wie oben bereits ausgeführt - die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den [X.]eteiligten zu erörtern ([X.][X.] Urteil vom 25.10.2012 - [X.] 9 S[X.] 2/12 R - [X.] 4-3250 § 69 [X.] 16 Rd[X.] 42; [X.][X.] [X.]eschluss vom 11.7.2017 - [X.] 9 S[X.] 15/17 [X.] - juris Rd[X.] 12; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 5 R 156/21 [X.] - juris Rd[X.] 9, jeweils mwN). Denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden [X.]eratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen ([X.][X.] Urteil vom 15.12.2016 - [X.] 9 V 3/15 R - [X.][X.]E 122, 218 = [X.] 4-3800 § 1 [X.]3, Rd[X.] 50-51; [X.][X.] [X.]eschluss vom 4.10.1989 - 1 [X.]A 15/89 - juris Rd[X.] 4, jeweils mwN).

Auch begründet es noch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn das Gericht bei der Darstellung des Sachverhalts sowie der Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht auf jeglichen entscheidungserheblichen Umstand hinweist, der sich aus den vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt, insbesondere wenn der [X.]eteiligte Kenntnis von dem maßgeblichen Akteninhalt hatte und nach dem Verlauf des Verfahrens damit rechnen musste, dass dieser Inhalt für die Entscheidung erheblich sein könnte (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 4.10.1989 - 1 [X.]A 15/89 - juris Rd[X.] 4). Dass dem rechtskundig vertretenen Kläger der Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten gerade auch im Hinblick auf den von ihm begehrten [X.] nicht bekannt gewesen sei, behauptet er nicht.

Soweit der Kläger insgesamt rügt, dass die Darstellung des Sachverhalts und die Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den [X.]eteiligten in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des [X.] unzureichend gewesen sei (§ 112 Abs 1 Satz 2 und [X.] Satz 2 [X.]G) oder dass er über rechtserhebliche Tatsachen oder [X.]eweisergebnisse nicht hinreichend unterrichtet worden sei (§ 128 [X.], § 107 [X.]G), ist der [X.]ezeichnungspflicht des § 160a [X.] Satz 3 [X.]G für einen Verfahrensmangel iS des § 160 [X.] [X.] [X.]G ebenfalls nicht genügt. Es hätte insofern aufgezeigt werden müssen, dass derartige Fehler nicht gemäß § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 295 Abs 1 ZPO geheilt worden sind. Eine Verletzung der vorgenannten Verfahrensvorschriften kann jedenfalls insoweit, als ihre Nichtbefolgung nicht zugleich eine Verletzung des § 62 [X.]G bedeutet, nicht mehr gerügt werden, wenn der [X.]eteiligte in der mündlichen Verhandlung auf ihre Einhaltung verzichtet oder ihre Verletzung nicht gerügt hat, obwohl er erschienen war und ihm die mangelhafte Anwendung bekannt war oder bekannt sein musste (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 25.1.2011 - [X.] 5 R 261/10 [X.] - juris Rd[X.] 8; [X.][X.] [X.]eschluss vom 4.10.1989 - 1 [X.]A 15/89 - juris Rd[X.] 4). Hierzu verhält sich die [X.]eschwerdebegründung nicht. Zu entsprechenden Darlegungen hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil der Kläger im Klage- und [X.]erufungsverfahren rechtskundig durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten war und diesem aufgrund der vorinstanzlichen Entscheidung bekannt gewesen sein musste, dass es für die Frage des Anspruchs auf [X.] wegen des bereits vom [X.] verneinten schädigungsbedingten Einkommensverlustes auf die gesamten Umstände des Falles und damit auch auf den Inhalt des bisherigen gesamten Verfahrens ankommen werde. Deshalb hätte der in der mündlichen Verhandlung anwesende Prozessbevollmächtigte des [X.] die (angeblich) fehlende oder unzureichende Erörterung des Akteninhalts im Hinblick auf den geltend gemachten [X.] rügen oder von sich aus darlegen können, welche der in den Akten enthaltenen Angaben und Anträge seiner Ansicht nach für eine Entscheidungsfindung noch nicht berücksichtigt worden sind. Dass er dies gegenüber dem L[X.] getan hat, trägt der Kläger nicht vor.

Im Übrigen stellt der Kläger nicht in Abrede, dass sich die mündliche Verhandlung nicht auf den Inhalt der gesamten Verfahrensakten bezogen hat. Ob er dies überhaupt mit Erfolg bestreiten könnte, bedarf keiner vertiefenden Erörterung mehr. Jedenfalls sind im Tatbestand des angefochtenen Urteils vom L[X.] ua die Gerichtsakten mit dem ausdrücklichen [X.]emerken aufgeführt worden, dass (auch) diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 4.10.1989 - 1 [X.]A 15/89 - juris Rd[X.]).

cc) Soweit der Kläger einen Verstoß gegen Denkgesetze durch das L[X.] rügt, hat er ebenfalls keinen Verfahrensmangel bezeichnet. Die Verletzung von [X.] oder von Denkgesetzen bei der Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts bedeutet ein Überschreiten der Grenzen, die der freien richterlichen [X.]eweiswürdigung gezogen sind ([X.][X.] [X.]eschluss vom 9.2.2011 - [X.] 11 [X.] 71/10 [X.] - juris Rd[X.] 7). Hierin liegt jedoch kein Zulassungsgrund iS des § 160 [X.] [X.] [X.]G (vgl stRspr; z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 9.2.2011, aaO; [X.][X.] [X.]eschluss vom 20.8.1990 - 5 [X.]J 150/90 - juris Rd[X.] 5; [X.][X.] [X.]eschluss vom 4.10.1989 - 1 [X.]A 15/89 - juris Rd[X.] 5 ). Denn nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G (Grundsatz der freien [X.]eweiswürdigung) gestützt werden. Ungeachtet dessen liegt ein Verstoß gegen Denkgesetze nur dann vor, wenn aus dem festgestellten Sachverhalt nur eine Schlussfolgerung gezogen werden kann, somit jede andere - also auch die, welche das Gericht tatsächlich gezogen hat - nicht denkbar ist ([X.][X.] Urteil vom 13.8.2002 - [X.] 2 U 33/01 R - juris Rd[X.]7; [X.][X.] [X.]eschluss vom 4.10.1989, aaO). Dass das L[X.] schlechthin unmögliche Schlussfolgerungen bei seiner Entscheidung zum [X.] gezogen hat, wird jedoch von der [X.]eschwerdebegründung weder behauptet noch dargelegt. Der Kläger trägt vielmehr selbst vor, dass bereits das [X.] den Anspruch auf [X.] mit der [X.]egründung eines fehlenden schädigungsbedingten Einkommensverlustes verneint habe. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nicht schon dann nicht mit Gründen iS des § 128 Abs 1 Satz 2 iVm § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.]G versehen ist, wenn sich das Gericht bezogen auf den geltend gemachten Anspruch kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 1 KR 68/12 [X.] - juris Rd[X.] 5 mwN). Die [X.]egründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten ([X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 13 R 219/20 [X.] - juris Rd[X.] 14; [X.][X.] [X.]eschluss vom 8.4.2020 - [X.] 12 R 24/19 [X.] - juris Rd[X.] 17, jeweils mwN).

Tatsächlich wendet sich der Kläger mit seinem Vortrag insbesondere zur Verneinung eines Anspruchs auf [X.] im [X.] gegen die [X.]eweiswürdigung des L[X.], die - wie ausgeführt - § 160 [X.] [X.] Halbsatz 2 [X.]G der [X.]eurteilung durch das [X.][X.] im [X.] vollständig entzieht. [X.] der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die [X.]eweiswürdigung des [X.]erufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (stRspr; z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 1.7.2020 - [X.] 9 S[X.] 5/20 [X.] - juris Rd[X.] 10 mwN). Dass der Kläger die Entscheidung des L[X.] zum [X.] für verfehlt und inhaltlich unrichtig hält, eröffnet die Revisionsinstanz ebenfalls nicht (vgl stRspr; z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 13 R 129/19 [X.] - juris Rd[X.] 5 mwN).

3. Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

4. Die [X.]eschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 [X.]G).

C. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

                Kaltenstein                [X.]

Meta

B 9 V 35/21 B

23.02.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Berlin, 18. September 2017, Az: S 118 VE 87/12, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 107 SGG, § 112 Abs 1 S 2 SGG, § 112 Abs 2 S 2 SGG, § 122 SGG, § 123 SGG, § 124 Abs 1 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 128 Abs 1 S 2 SGG, § 128 Abs 2 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 139 SGG, § 202 SGG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 160 ZPO, § 162 ZPO, § 164 ZPO, § 295 Abs 1 ZPO, § 547 ZPO, § 30 Abs 3 BVG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.02.2022, Az. B 9 V 35/21 B (REWIS RS 2022, 1075)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1075

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