Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.06.2020, Az. 2 BvR 11/20

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2020, 2876

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

BEHÖRDEN EINSTWEILIGER RECHTSSCHUTZ BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) VERWALTUNGSRECHT ASYL- UND AUSLÄNDERRECHT AFGHANISTAN ASYL ABSCHIEBUNG AUSLÄNDERRECHT MIGRATION

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Parallelentscheidung


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 30. Oktober 2019 - [X.] - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 (in Worten: zehntausend) Euro festgesetzt.

Gründe

1

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Nachdem sein Antrag auf internationalen Schutz in [X.] abgelehnt worden war, stellte er am 11. September 2018 im [X.] einen weiteren Asylantrag.

2

2. Diesen lehnte das [X.] ([X.]) mit Bescheid vom 17. Oktober 2018 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Beschwerdeführers nach [X.] an. Nach Ablauf der Überstellungsfrist hob das [X.] diesen Bescheid auf.

3

3. Mit weiterem Bescheid vom 24. September 2019 lehnte das [X.] den Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 71a [X.] als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 [X.] nicht vorlägen und drohte dem Beschwerdeführer die Abschiebung nach [X.] an.

4

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 2. Oktober 2019 Klage beim [X.] und stellte zugleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Zur Begründung trug er unter Vorlage einer [X.] Taufurkunde im Wesentlichen vor, dass er zum [X.] konvertiert sei und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 [X.] in Verbindung mit Art. 3 [X.] gegeben sei.

5

5. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. Oktober 2019 wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurück. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 71a Abs. 4, § 36 Abs. 3 Satz 1 [X.] sei unzulässig. Dem Beschwerdeführer fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Nach der [X.] und Praxis für ausreisepflichtige Personen aus [X.] werde die nach § 58 Abs. 1 [X.] gesetzlich angeordnete Abschiebung nicht durchgesetzt. Die im [X.] geltende Weisung "VAB E [X.] 1" sehe Abschiebungen von ausreisepflichtigen Personen aus [X.] nur für Straftäter - Strafen von weniger als 50 Tagessätzen beziehungsweise 90 Tagessätzen nach aufenthaltsrechtlichen Vorschriften blieben außer Betracht -, Gefährder und Personen vor, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern. Eine Abschiebung sei zudem nur nach Zustimmung der [X.] zulässig, die von der Ausländerbehörde vor jeder beabsichtigten Abschiebung erbeten werden müsse. Danach drohe dem Beschwerdeführer keine Abschiebung nach [X.]. Dass die Ausländerbehörde in [X.] Personen, die nicht unter die oben genannten drei Gruppen fallen, zwangsweise nach [X.] zurückführe, sei nicht ersichtlich. Ebenso wenig sei ersichtlich, dass die Senatsverwaltung auch nur in einem einzigen Fall bei einer solchen Person eine Zustimmung zur Abschiebung erteilt habe oder erteilen werde. Dementsprechend heiße es in dem Schreiben des Beauftragten des Senats von [X.] für Integration und Migration vom 19. Mai 2017 an die Mitarbeiter von Beratungsstellen, Vereinen und Projekten, dass Abschiebungen nach [X.] in den letzten Jahren aus [X.] nicht erfolgt seien und jede vorgesehene Abschiebung unter dem Vorbehalt der Zustimmung stehe, was in den letzten Jahren zu keiner einzigen Rückführung geführt habe. Hiermit korrespondierten die Angaben des Pressesprechers des [X.] vom Juli 2018, wonach sich die SPD-Innenminister und -senatoren darauf verständigt hätten, auch weiterhin nur bestimmte Einzelpersonen ‒ namentlich Gewalttäter, Vergewaltiger und Gefährder ‒ nach [X.] abzuschieben. Anhaltspunkte dafür, dass die mit der Fassung vom 19. Juli 2019 in der Formulierung leicht geänderte Weisung hieran etwas geändert hätte, seien nicht ersichtlich. Für den Beschwerdeführer ergäbe sich aus der begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auch sonst keine bessere Rechtsstellung. Werde dem Anordnungsantrag stattgegeben, würde der Beschwerdeführer lediglich in den Besitz einer Duldung gelangen. Werde der Anordnungsantrag abgelehnt, würde der Beschwerdeführer aber ebenfalls eine Duldung erhalten, nämlich aufgrund der oben erwähnten Weisung (in Verbindung mit einer Selbstbindung der Verwaltung) nach § 60a Abs. 2 Satz 3 [X.].

6

6. Die vom Beschwerdeführer hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. November 2019 zurück.

7

1. Der Beschwerdeführer hat am 20. Dezember 2019 Verfassungsbeschwerde erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er rügt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

8

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass er ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO habe, da eine Vollziehung der Abschiebungsandrohung nach den [X.] der Ausländerbehörde nicht ausgeschlossen sei. Diese seien interne Verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich keine Außenwirkung entfalteten und jederzeit abgeändert werden könnten. Zudem entstünden prozessuale Schwierigkeiten, die verdeutlichten, dass die Annahme eines fehlenden [X.] nicht haltbar sei.

9

2. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem [X.] vorgelegen. Das [X.], für Bau und Heimat, das [X.] sowie die [X.], Verbraucherschutz und Antidiskriminierung [X.] hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.] zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das [X.] bereits geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere nicht verfristet. Die vom Beschwerdeführer erhobene Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) hat die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] offengehalten. Sie gehörte vorliegend zum Rechtsweg, obwohl der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht. Entscheidend ist insofern allein, dass das vor dem letztinstanzlichen Fachgericht durchgeführte [X.] nicht offensichtlich aussichtslos war (vgl. [X.] 134, 106 <114>). Dies ist hier der Fall, da die beim Verwaltungsgericht erhobene Anhörungsrüge weder offensichtlich unstatthaft noch unzulässig war. Der Beschwerdeführer hat darin unter anderem einen unterlassenen gerichtlichen Hinweis auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis und damit der Sache nach eine Gehörsverletzung gerügt.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet.

a) Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

aa) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. [X.] 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>; stRspr). Die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den [X.] gesichert. Diese treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne gerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl. [X.] 94, 166 <213>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>).

Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen (vgl. [X.] 96, 27 <39>). Es ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, dass jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. [X.] 61, 126 <135>). Diese allen [X.] gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 25. Aufl. 2019, Vorbemerkung § 40 Rn. 30 m.w.N.). Ein Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, solange der Rechtsschutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann (vgl. [X.] 104, 220 <232>).

Ein zulässiger Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO setzt ein schutzwürdiges Interesse an dem erstrebten Rechtsschutzziel voraus. Davon ist, wenn alle anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, im Normalfall grundsätzlich auszugehen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch ausnahmsweise, wenn die gerichtliche Eilentscheidung für den Antragsteller von vornherein nutzlos erscheint, weil die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu keiner Verbesserung der Rechtsstellung des Antragstellers führen könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 5. November 1991 - 11 S 1157/91 -, juris, Rn. 2; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Januar 2000 - 5 B 1956/99 -, juris, Rn. 2; OVG [X.]-Brandenburg, Beschluss vom 4. Juli 2011 - OVG 2 S 34.11 -, juris, Rn. 3; [X.], in: [X.]/[X.]/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 80 Rn. 492 f. m.w.N.). Darüber hinaus liegt ein Rechtsschutzbedürfnis nicht vor, wenn auch ohne eine Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine Vollziehung des Verwaltungsakts ausgeschlossen ist (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 136).

bb) Dies zugrunde gelegt, ist die Annahme des [X.], dem Beschwerdeführer fehle das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht uneingeschränkt vereinbar.

(1) Das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers ergibt sich bereits daraus, dass ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ein Vollzug in Form der Abschiebung nicht ausgeschlossen ist. Der Beschwerdeführer ist vollziehbar ausreisepflichtig und ihm droht deshalb aufgrund der vom [X.] erlassenen Abschiebungsandrohung (§ 59 [X.] i.V.m. § 71a Abs. 4, § 34 Abs. 1 [X.]) potenziell die Abschiebung (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 [X.]). Die [X.] schließt die damit verbundenen Risiken nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit aus. Schon aus dem Schreiben der [X.] an Mitarbeitende von Beratungsstellen, Vereinen und Projekten vom 19. Mai 2017 ergibt sich, dass die [X.] ausdrücklich keinen "förmlichen Abschiebungsstopp nach dem Vorbild [X.]" darstellt. Zwar regeln die Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde [X.] "VAB E [X.] 1" (Stand: 19. Juli 2019), dass, wenn die Voraussetzungen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht vorliegen, in allen Fällen eine Zustimmungsvorlage durch die Ausländerbehörde erfolgt und zu diesem Zweck Vorgänge von Straftätern (über einer bestimmten Bagatellgrenze) und von Personen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern, zu übersenden sind. Jedoch heißt es in dem Schreiben: "Ist im Einzelfall keines der unter den drei oben genannten [X.] genannten Kriterien erfüllt, ist dies in der Vorlage entsprechend zu vermerken." Daraus folgt, dass eine Abschiebung auch in anderen als den genannten Fällen geprüft wird und rechtlich nicht ausgeschlossen ist. Darüber hinaus handelt es sich bei den zitierten Schreiben lediglich um interne Verwaltungsvorschriften, von denen auch nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung aus sachlichen Gründen in Einzelfällen abgewichen und die aus denselben Gründen jederzeit geändert werden können (vgl. [X.] 73, 280 <299 f.>; 111, 54 <108>; 116, 135 <153 f.>; BVerwGE 104, 220 <221 f.>; 126, 33 <51 ff.>). Ob der Beschwerdeführer von einer solchen Änderung (rechtzeitig) erfahren würde, steht nicht fest, ist jedoch auch unerheblich, da sich die Verschlechterung seiner Rechtsposition durch die Verneinung des [X.] bereits daraus ergibt, dass er jedenfalls einen erneuten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen und gegebenenfalls das Risiko einer zwischenzeitlichen, für ihn nachteiligen Rechtsänderung tragen müsste.

(2) Darüber hinaus ist die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch geeignet, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers zu verbessern, weil damit die mit der Zweitantragstellung verbundene [X.] (§ 71a Abs. 3 Satz 1 [X.]) wiederauflebt. Entgegen der Auffassung des [X.] kommt es dabei nicht darauf an, dass der Beschwerdeführer auch im Falle der Ablehnung seines Eilantrages möglicherweise eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 [X.] erhalten würde. Die Entscheidung über die Erteilung einer Duldung aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen steht nämlich im Ermessen der Ausländerbehörde. Zwar mag das Ermessen aufgrund der [X.] in Verbindung mit einer Selbstbindung der Verwaltung auf Null reduziert sein. Jedenfalls aber setzt die Duldungserteilung ein weiteres Tätigwerden der zuständigen Ausländerbehörde voraus. Sollte diese die Erteilung einer Duldung verweigern, müsste er ein weiteres gerichtliches Verfahren anstrengen. All dies könnte der Beschwerdeführer durch die [X.] eintretende [X.] nach § 71a Abs. 3 Satz 1 [X.] vermeiden.

(3) Schließlich ist noch auf die vom Beschwerdeführer zutreffend dargelegten prozessualen Risiken hinzuweisen. Wird ‒ wie vorliegend ‒ vom [X.] ein Zweitantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angedroht, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen (§ 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Folgt ein Ausländer der Annahme des [X.] und stellt mangels [X.] zunächst keinen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, wäre ein solcher bei einer Änderung der [X.] nach Ablauf der Wochenfrist verfristet. In diesem Fall schiede ein Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO aus, weil es an einem zu ändernden Beschluss des Gerichts fehlte. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO dürfte ebenfalls nicht in Betracht kommen, da dieser nach § 123 Abs. 5 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO gilt. Schließlich ist fraglich, ob wegen der versäumten Antragsfrist ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO vorläge; zudem wären weitere [X.] zu beachten. Jedenfalls aber schiede eine Wiedereinsetzung nach Ablauf eines Jahres aus (vgl. § 60 Abs. 3 VwGO). Im Ergebnis wäre einstweiliger Rechtsschutz also erschwert, wenn nicht praktisch ausgeschlossen. Eine solche Erschwerung der Durchsetzung eines [X.] muss der Rechtssuchende vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG nicht hinnehmen.

b) Der angegriffene Beschluss beruht auch auf der festgestellten Grundrechtsverletzung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gekommen wäre.

Der Beschluss des [X.] vom 30. Oktober 2019 war gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 [X.] aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer nach § 34a Abs. 2 [X.] die notwendigen Auslagen zu erstatten. Mit dieser Anordnung erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (vgl. [X.] 62, 392 <397>; 71, 122 <136 f.>).

Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 f.>).

Meta

2 BvR 11/20

10.06.2020

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend VG Berlin, 30. Oktober 2019, Az: 9 L 679.19 A, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.06.2020, Az. 2 BvR 11/20 (REWIS RS 2020, 2876)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2876

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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