Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2010, Az. XII ZB 180/06

12. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7132

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Gegenstand

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Berufungsbeklagten vor der Entscheidung über die Verwerfung der Berufung durch Beschluss


Leitsatz

Dem Berufungsbeklagten kann nach Eingang der Rechtsmittelbegründung Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Berufung nicht mit der Begründung versagt werden, eine Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) stehe noch aus .

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 10. Zivilsenats - [X.] - des [X.] vom 5. September 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird für das Berufungsverfahren als Berufungsbeklagte ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus [X.] bewilligt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

2. Gerichtskosten werden für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Beschwerdewert: bis 300 €

Gründe

I.

1

Die [X.]en sind geschiedene Eheleute. Gegen das Scheidungsverbundurteil hat der anwaltlich vertretene Antragsgegner rechtzeitig Berufung eingelegt und Anträge sowie Begründung einem weiteren Schriftsatz vorbehalten. Nach Zustellung der Berufungsschrift an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hatte sich dieser mit am 3. August 2006 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz bestellt, Zurückweisung der Berufung beantragt sowie um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin nachgesucht. Am 18. August 2006 hatte die Antragstellerin das ausgefüllte Formular über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und am 31. August 2006 den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach [X.] II.In der Zwischenzeit hatte der Antragsgegner seine Berufung mit am 14. August 2006 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung wurde der Antragstellerin gemäß Verfügung vom 17. August 2006 mit begründetem Beschluss vom gleichen Tage, mit welchem auf eine beabsichtigte Verfahrensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen wurde, am 22. August 2006 zugestellt. Zugleich stellte ihr das Berufungsgericht anheim, seine Entscheidung bzw. die Stellungnahme des Antragsgegners abzuwarten. Letztere ist der Antragstellerin zusammen mit dem die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisenden Beschluss sowie unter Versagung der für das Verfahren zweiter Instanz beantragten Prozesskostenhilfe am 19. September 2006 zugestellt worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren [X.] weiter.

II.

2

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 [X.] statthaft, weil das Beschwerdegericht sie nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

3

Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - [X.] 266/03 - FamRZ 2008, 1159 m.w.N.). Das ist hier indes der Fall, da die Antragstellerin geltend macht, die Beurteilung ihrer Rechtsverteidigung als nicht notwendig, mithin als mutwillig, sei nicht gerechtfertigt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2005 - [X.] 247/03 - FamRZ 2005, 1477).

4

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

5

a) Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass einer mittellosen [X.], die in der Vorinstanz obsiegt habe, Prozesskostenhilfe für die Rechtsmittelinstanz im Allgemeinen erst zu gewähren sei, wenn der Gegner sein Rechtsmittel begründet habe. Vorliegend sei der [X.] zu einem früheren Zeitpunkt gestellt worden; nach Erhalt der Berufungsbegründung habe der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin weder weitere Anträge gestellt, noch sich in der Sache geäußert. Darüber hinaus sei einem [X.] Prozesskostenhilfe auch dann nicht zu bewilligen, wenn das Gericht unmittelbar nach Eingang der Berufungsbegründung darauf hinweise, dass es die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen wolle.

6

Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

7

b) Zutreffend geht das [X.] allerdings im Ansatz davon aus, dass einem [X.] - jedenfalls dann, wenn er in der Vorinstanz anwaltlich vertreten war - im Allgemeinen Prozesskostenhilfe erst gewährt werden kann, wenn das Rechtsmittel begründet worden ist und die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Rechtsmittels nicht gegeben sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2001 - [X.] - NJW-RR 2001, 1009; vom 10. Februar 1988 - [X.] - [X.], 942 und vom 30. September 1981 - [X.] - FamRZ 1982, 58, 59 f., jeweils m.w.N.; [X.] NJW 2005, 1213; [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 119 Rdn. 55; Musielak/Fischer ZPO 7. Aufl. § 119 Rdn. 16; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 119 Rdn. 13; Hk-ZPO/[X.] 2. Aufl. § 119 Rdn. 14; [X.] ZPO 22. Aufl. § 114 Rdn. 43, § 119 Rdn. 22, 24; a.A. für die Berufungsinstanz [X.] FamRZ 1996, 806, 807 f.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] ZPO 67. Aufl. § 119 Rdn. 57).

8

In dem Ausschluss mutwilliger Rechtsverfolgung (§ 114 Satz 1 ZPO) kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass Prozesskostenhilfe nur in Anspruch genommen werden kann, soweit es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist. Einer [X.], die auf Kosten der Allgemeinheit prozessiert, muss zugemutet werden, zulässige Maßnahmen erst dann vorzunehmen, wenn diese im Einzelfall wirklich notwendig werden. Dabei ist es gleichgültig, ob eine zahlungsfähige [X.] in der gleichen Lage auf ihre Kosten eine derartige Maßnahme schon früher ergreifen würde. Bis zur Einreichung der Rechtsmittelbegründung bedarf der Rechtsmittelbeklagte in der Regel noch keines anwaltlichen Beistandes, weil eine ihm nachteilige Entscheidung in der Sache nicht ergehen kann. Im Hinblick darauf kann dem Rechtsmittelbeklagten, der Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, grundsätzlich zugemutet werden, bis zur Einreichung der Rechtsmittelbegründung zuzuwarten, damit für den Fall, dass das Rechtsmittelverfahren nicht durchgeführt wird, überflüssige Kosten vermieden werden. Auch verfassungsrechtliche Gründe gebieten nicht, dem Rechtsmittelbeklagten Prozesskostenhilfe bereits zu einer Zeit zu gewähren, in der dies zur Wahrung seiner Rechte noch nicht notwendig ist. Im Übrigen kann dem verfassungsrechtlichen Gebot, die prozessuale Stellung von [X.] und [X.] weitgehend anzugleichen ([X.] NJW 2003, 2976, 2977; 1991, 413 f.) ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass bei der Terminierung auf die Belange des [X.] Rücksicht genommen wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. September 1981 - [X.] - FamRZ 1982, 58, 59 f. und vom 10. Februar 1988 - [X.] - [X.], 942).

9

Hier hat der Antragsgegner die Berufung jedoch auch rechtzeitig begründet. Wenn sich die Antragstellerin deshalb nach Zustellung der Berufungsbegründung unter prozesskostenhilferechtlichen Gesichtspunkten eines Rechtsanwalts bedienen durfte, würde es nicht darauf ankommen, dass sie ihren Antrag, die Berufung zurückzuweisen, schon zu einem früheren Zeitpunkt gestellt hat. Denn der verfrühte Zurückweisungsantrag wirkt fort. Es liefe auf eine unnötige [X.] hinaus, von der Antragstellerin zu erwarten, dass sie nach Erhalt der Rechtsmittelbegründung nochmals einen Schriftsatz mit einem Gegenantrag bei Gericht einreicht (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2009 - [X.] 12/07 - FamRZ 2009, 1047, 1048 zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

c) Ob einem [X.]n Prozesskostenhilfe schon zu bewilligen ist, solange das Berufungsgericht noch nicht über die erwogene Zurückweisung durch einstimmigen Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) befunden hat, ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten.

aa) Zum Teil wird davon ausgegangen, dass eine Verteidigung des [X.]s nicht notwendig und ihm daher Prozesskostenhilfe noch nicht zu bewilligen sei, wenn das Berufungsgericht mit der Übersendung der Berufungsbegründung darauf hinweise, dass es die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen wolle. Denn dann bestehe die Aussicht, dass das Rechtsmittel ohne Zutun des [X.]s abgewehrt werden könne ([X.] Beschluss vom 22. Oktober 2007 - 3 U 1141/07 - juris Tz. 3; [X.] MDR 2006, 947; OLG Düsseldorf MDR 2003, 658, 659; [X.]/[X.] aaO § 119 Rdn. 55; Musielak/[X.] 119 Rdn. 16; [X.]/[X.]/[X.] aaO § 119 Rdn. 13; Hk-ZPO/[X.] aaO § 119 Rdn. 14). Teilweise wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch dann abgelehnt, wenn das Berufungsgericht zwar noch nicht auf die Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, hingewiesen hat, diese Möglichkeit aber noch besteht ([X.] - 14. ZS - NJW-RR 2009, 416; [X.] Beschluss vom 12. Dezember 2007 - 13 [X.]/07 - juris Tz. 5 ff.; [X.] - 3. ZS - [X.], 1337, 1338; [X.] - 6. ZS - [X.], 423; [X.] - 6. ZS - [X.], 598). Differenziert wird weiter hinsichtlich der Frage, ob dem bedürftigen [X.] Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, wenn ihm eine Frist zur Äußerung gesetzt wurde (bejahend: [X.] - 14. ZS - NJW-RR 2009, 416, 417; [X.] Beschluss vom 12. Dezember 2007 - 13 [X.]/07 - juris Tz. 7; [X.] - 6. ZS - [X.], 423; verneinend für eine vorsorgliche Fristsetzung zur Erwiderung: [X.] - 4. ZS - OLGR 2007, 923 f.; [X.] - 4. ZS - FamRZ 2005, 46 f.).

Zur Begründung wird angeführt, dass das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO weitgehend dem der Verwerfung der Berufung als unzulässig ähnele. Weder die bloße Kenntnis von der eingelegten Berufung noch von deren Begründung schaffe auf Seiten des [X.]n die Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Auch aus dem Umstand, dass zwar beide [X.]en gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO von der beabsichtigten Zurückweisung zu unterrichten seien, die Möglichkeit zur Stellungnahme aber nur dem Berufungsführer einzuräumen sei, folge, dass dem Gegner zuzumuten sei, zunächst das weitere Verfahren abzuwarten. Da der bedürftigen [X.] noch keine Nachteile entstehen könnten, bedürfe es zu diesem Verfahrenszeitpunkt auch von [X.] wegen noch nicht ihrer Einflussnahme auf den Prozess. Eine kostenbewusste, nicht bedürftige [X.] hätte daher vorerst von der Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten für das zweitinstanzliche Verfahren abgesehen.

bb) Nach der Gegenansicht kann dem erstinstanzlich obsiegenden [X.]n Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, dass infolge der noch ausstehenden Entscheidung über eine Verfahrensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO eine Rechtsverteidigung noch nicht notwendig sei. Eine solche Auffassung widerspreche dem klaren Wortlaut des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO und der Rechtsprechung des [X.] zur Kostenerstattung nach § 91 Abs. 1 ZPO. Sie lasse sich auch nicht durch einen Vergleich mit der Situation bei Verwerfung des Rechtsmittels (§ 522 Abs. 1 ZPO) rechtfertigen, denn die Zulässigkeitsprüfung habe das Gericht von Amts wegen vorzunehmen. Außerdem stehe die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens im Falle des Beschlussverfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO fest, denn letzteres sei Bestandteil des ordentlichen Berufungsverfahrens, in dem eine urteilsersetzende Sachentscheidung getroffen werde. Schließlich könne der Berufungskläger seinen bisherigen Vortrag nachbessern und Argumente liefern, die das Gericht davon Abstand nehmen ließen, sein Rechtsmittel einstimmig als unbegründet zurückzuweisen. Würde man in diesem Stadium dem mittellosen Gegner nicht die Möglichkeit eröffnen, ebenfalls durch seinen Anwalt vortragen zu lassen, um die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu erreichen, wäre dieser benachteiligt und schlechter gestellt als ein nicht bedürftiger [X.]r. Das widerspräche dem Prinzip des fairen Verfahrens, welches den [X.]en Mitwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten einräume. Allein der Umstand, dass eine Stellungnahme des [X.]n im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne nachteilige Folgen für diesen unterbleiben könne, stehe einem berechtigten Interesse, sich gleichwohl zu äußern, nicht entgegen (vgl. [X.], 285; [X.] - 1. ZS - [X.], 1550 [unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht in [X.], 190, 191]; [X.], 840, 841 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] aaO § 119 Rdn. 57; [X.] [X.], 722, 724 f.; [X.] NJW 2006, 3521, 3523; [X.] MDR 2005, 610, 614; [X.] 2008, 278 und 2004, 277 f.).

d) Die zuletzt genannte Auffassung verdient den Vorzug.

aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von [X.] und [X.] bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Die Fachgerichte verletzen bei der ihnen obliegenden Auslegung der §§ 114 ff. ZPO dann das [X.]recht, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten [X.] im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. Dabei braucht der [X.] allerdings nur einem solchen [X.] gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. [X.] NJW 2003, 2976, 2977; 1991, 413 f. und [X.], 1139, 1140). Denn das Gebot weitgehender Angleichung der Lage von [X.] und [X.] im Bereich des Rechtsschutzes verlangt keinen sinnlosen Einsatz staatlicher Ressourcen. Daher ist stets zu prüfen, ob eine bemittelte [X.] bei Abwägung zwischen dem erzielbaren Vorteil und dem dafür einzugehenden Kostenrisiko ihre Rechte in einer bestimmten Art und Weise wahrgenommen hätte (vgl. [X.] Beschluss vom 19. Mai 1981 - [X.] - [X.] 1981, 1169).

Nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Das bedeutet aber nicht, dass Prozesskostenhilfe ausnahmslos in jedem Fall zu bewilligen ist. Denn die dieser Bestimmung innewohnende Vermutungswirkung, dass die Verteidigung des Urteils der Vorinstanz hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist, gilt nur für die Verteidigung der angefochtenen Entscheidung als solche. Sie gebietet aber nicht, dem Rechtsmittelbeklagten Prozesskostenhilfe bereits zu einer Zeit zu gewähren, in der dies zur Wahrung seiner Rechte noch nicht notwendig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 1988 - [X.] - [X.], 942 und vom 30. September 1981 - [X.] - FamRZ 1982, 58, 59 f.).

bb) Im Unterschied hierzu ist dem Rechtsmittelbeklagten jedoch kostenrechtlich eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Ziff. 1 [X.] bzw. Nr. 3207, 3209 [X.] (vormals halbe Prozessgebühr) als gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig zu erstatten, wenn sein Prozessbevollmächtigter die Zurückweisung der Berufung oder Revision vor deren Begründung beantragt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2009 - [X.] 12/07 - FamRZ 2009, 1047, 1048 sowie [X.] Beschlüsse vom 3. Juni 2003 - [X.] - FamRZ 2003, 1461; vom 17. Dezember 2002 - [X.] - FamRZ 2003, 523 und vom 17. Dezember 2002 - [X.] - FamRZ 2003, 522 f.). Das stellt aber keinen Widerspruch dar, denn den Entscheidungen zur Prozesskostenhilfe liegen spezifisch prozesskostenhilferechtliche Erwägungen zugrunde, die dann, wenn es um die Kostenerstattung zwischen den [X.]en geht, keine Rolle spielen (vgl. [X.] Beschluss vom 17. Dezember 2002 - [X.] - FamRZ 2003, 522, 523).

cc) Auch unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten hat der [X.] allerdings dem Rechtsmittelbeklagten, der einen Sachantrag vor Begründung des Rechtsmittels stellt, die Erstattung der vollen Prozessgebühr (jetzt Verfahrensgebühr) versagt. Denn zu diesem Zeitpunkt kann er sich noch nicht inhaltlich mit [X.] und -begründung auseinandersetzen und so das Verfahren durch einen Gegenantrag sowie dessen Begründung fördern (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2009 - [X.] 12/07 - FamRZ 2009, 1047, 1048 sowie [X.] Beschlüsse vom 3. Juni 2003 - [X.] - FamRZ 2003, 1461 und vom 17. Dezember 2002 - [X.] - FamRZ 2003, 523).

Diese Erwägung trägt jedoch nach Vorliegen der Berufungsbegründung auch dann nicht mehr, wenn das Berufungsgericht noch nicht über eine mögliche Zurückweisung der Berufung durch Beschluss entschieden hat. Nach Begründung des Rechtsmittels hat der [X.] ein kostenrechtlich anerkennenswertes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern und eine vom Berufungsgericht beabsichtigte Zurückweisung der Berufung im [X.] durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern. Der Hinweis des Gerichts auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung gibt nur eine vorläufige Auffassung wieder; eine Zurückweisung der Berufung im [X.] ist keineswegs sicher. An einer Entscheidung im [X.] hat der [X.] aber nicht nur wegen der damit regelmäßig verbundenen Beschleunigung, sondern auch wegen der durch § 522 Abs. 3 ZPO angeordneten Unanfechtbarkeit ein besonderes Interesse (vgl. [X.] Beschluss vom 9. Oktober 2003 - [X.]/03 - FamRZ 2004, 99).

dd) Aus denselben Gründen kann einem [X.]n nach Erhalt der Berufungsbegründung auch unter prozesskostenhilferechtlichen Aspekten die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht versagt werden. Das gilt unabhängig davon, ob schon vorsorglich eine Erwiderungsfrist gesetzt wurde oder nicht. Denn andernfalls würde dem bedürftigen [X.] die Chance genommen, in seinem Sinne auf eine Entscheidung des Gerichts nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinzuwirken.

Zwar hat der [X.] ebenfalls entschieden, dass auch noch nach Eingang der Revisionsbegründung regelmäßig so lange kein Anlass zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den [X.] bestehe, als über ein von dem Revisionskläger eingereichtes Prozesskostenhilfegesuch noch nicht befunden sei, noch kein Verhandlungstermin anberaumt sei und nicht feststehe, ob die Revision durchgeführt werde (vgl. [X.] Beschluss vom 28. Januar 1956 - [X.]/55 - [X.] ZPO § 119 Nr. 3; ebenso für die Berufungsinstanz [X.] [X.], 348). Es kann dahingestellt bleiben, ob daran festzuhalten ist (vgl. schon Senatsbeschluss vom 30. September 1981 - [X.] - FamRZ 1982, 58, 59). Denn unabhängig von der Frage, ob das Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO bereits als Teil eines durchgeführten Rechtsmittelverfahrens anzusehen ist, eröffnet dieses Verfahren dem [X.]n den nicht unerheblichen Vorteil nicht nur einer beschleunigten, sondern zugleich einer gemäß § 522 Abs. 3 ZPO unanfechtbaren Zurückweisung des Rechtsmittels. Damit unterscheidet sich die Lage des [X.]s grundlegend von der Situation, in welcher es um die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des [X.] geht, noch kein Verhandlungstermin anberaumt ist und deshalb noch nicht feststeht, ob das Rechtsmittelverfahren durchgeführt wird. In allen diesen Verfahrenskonstellationen hat der Rechtsmittelbeklagte zwar auch die Möglichkeit, das Verfahren in seinem Sinne zu fördern, ohne damit aber unmittelbar eine unanfechtbare verfahrensbeendende Entscheidung zu seinen Gunsten erhalten zu können.

e) Nachdem die bedürftige Antragstellerin jedenfalls am 31. August 2006 ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingereicht hatte und der die Berufung zurückweisende Beschluss erst am 5. September 2006 erging, durfte ihr das [X.] die begehrte Prozesskostenhilfe nicht versagen. Das gilt unabhängig davon, ob ihr Prozessbevollmächtigter nach [X.] des Prozesskostenhilfegesuchs noch einen Schriftsatz eingereicht hat, denn auch insoweit wirkt der zuvor gestellte Zurückweisungsantrag fort. Ob die konkrete Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im kostenrechtlichen Sinne notwendig war, ist erst im Kostenerstattungsverfahren zu prüfen (vgl. [X.] Beschluss vom 3. Juni 2003 - [X.] - NJW 2003, 2992, 2993 und [X.] [X.], 1550). Für die grundsätzliche Frage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist dies nicht von entscheidender Bedeutung.

[X.]                                    Weber-Monecke                                               Vézina

                    Dose                                                          [X.]

Meta

XII ZB 180/06

28.04.2010

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Celle, 5. September 2006, Az: 19 UF 189/06, Beschluss

§ 114 ZPO, § 119 Abs 1 S 2 ZPO, § 522 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2010, Az. XII ZB 180/06 (REWIS RS 2010, 7132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7132

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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