Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.10.2020, Az. B 4 AS 188/20 B

4. Senat | REWIS RS 2020, 2336

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - gesetzlicher Richter - Berufungsverfahren - Übertragung des Verfahrens auf den Berichterstatter - Anhörung vor Übertragung - Rückübertragung


Leitsatz

Zur Anhörung vor Übertragung eines Berufungsverfahrens auf den Berichterstatter und zur Frage der Rückübertragung auf den gesamten Berufungssenat.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 17. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger hat Berufung gegen einen klageabweisenden Gerichtsbescheid des [X.] eingelegt, mit der er sich gegen einen [X.] wendet.

2

Der Vorsitzende [X.] des [X.], dessen eigenem Dezernat der Rechtsstreit zugeteilt worden ist, hat verfügt, die Beteiligten auf die Absicht des Senats hinzuweisen, die Berufung "dem Berichterstatter" zu übertragen; die L[X.]-Akte enthält insofern einen auf den 29.11.2018 datierten Absendevermerk. Die Beteiligten haben sich hierzu nicht geäußert. Das L[X.] hat die Berufung des [X.] sodann "dem Berichterstatter" übertragen (Beschluss vom [X.]). Dieser Beschluss ist dem Kläger am [X.], die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 25.5.2019 zugestellt worden. Am [X.] hat ein Rechtsanwalt die Vertretung des bis dahin [X.] [X.] angezeigt und die Berufung (weiter) begründet. Das L[X.] hat durch den Vorsitzenden [X.] und zwei ehrenamtliche [X.] die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 17.6.2019).

3

Der Senat hat den vom Kläger fristgerecht selbst gestellten Antrag auf PKH für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt (Beschluss vom [X.] [X.]/20 BH - juris; dem Kläger zugestellt am 15.2.2020).

4

Am 12.3.2020 hat der Kläger - nun durch seinen anwaltlichen Bevollmächtigten - Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf den gesetzlichen [X.]. Die Übertragung des Rechtsstreites auf den Berichterstatter sei ohne Anhörung erfolgt, weil ihm nicht ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Übertragung gegeben worden sei. Außerdem hätte der Senat als Ganzes den Rechtsstreit nach Vorlage der anwaltlichen Berufungsbegründung wieder übernehmen müssen. Grundsätzliche Bedeutung werfe zudem die Rechtsfrage auf, ob dem Erfordernis eines Vorverfahrens iS des § 78 Abs 1 Satz 1 [X.]G auch dann Genüge getan ist, "wenn ein Wi[X.]pruch, ohne dass dieser inhaltlich überprüft wurde, zu Unrecht als unzulässig verworfen wird, und sind anderenfalls die Sozialgerichte an einer Sachentscheidung gehindert, sodass nur die Aufhebung des Wi[X.]pruchsbescheids in Betracht kommt". Schließlich divergiere die Entscheidung des L[X.] von einem vom B[X.] aufgestellten Rechtssatz.

5

II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Dem Kläger war Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist des § 160a Abs 1 Satz 2 [X.]G zu gewähren, nachdem der Senat seinen [X.] abgelehnt hatte (zu dieser Möglichkeit [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-[X.]G, 2017, § 160a [X.]). Der Kläger hat hinreichend dargelegt, dass er während des Laufs der Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 Satz 1 [X.]G) aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse gehindert war, einen vor dem B[X.] postulationsfähigen Bevollmächtigten mit der Beschwerdeeinlegung zu beauftragen. Erfüllt ein Beteiligter - wie hier der Kläger - zum [X.]punkt seines isolierten und fristgerechten [X.]es und zum [X.]punkt der Entscheidung über diesen [X.] die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die PKH-Bewilligung, ist regelmäßig und auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass er aufgrund des [X.] vor dem B[X.] (§ 73 Abs 4 [X.]G) gehindert war, fristgerecht Beschwerde durch einen vor dem B[X.] postulationsfähigen Bevollmächtigen einzulegen.

6

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Ein Revisionszulassungsgrund liegt nicht vor.

7

a) Der Anspruch des [X.] auf den gesetzlichen [X.] (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) ist nicht verletzt. Der Vorsitzende [X.] am L[X.] war als Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen [X.]n gesetzlicher [X.].

8

Gemäß § 153 Abs 5 [X.]G kann der Senat des [X.] in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 [X.]G, also wenn - wie hier - das [X.] durch Gerichtsbescheid entschieden hat, durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen [X.]n entscheidet. Dies ist hier durch den Beschluss des L[X.] vom [X.] geschehen. Wenn ein Berichterstatter bestellt ist, kann zwar die Berufung nicht auf den Vorsitzenden [X.] übertragen werden. Ist aber kein Berichterstatter bestellt, nimmt dessen Aufgaben der Vorsitzende [X.] wahr (Umkehrschluss aus § 155 Abs 1, 4 [X.]G). Daher ist Berichterstatter iS des § 153 Abs 5 [X.]G, wenn kein Berichterstatter bestellt ist, der Vorsitzende [X.]; die Anwendung des § 153 Abs 5 [X.]G ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vorsitzende [X.] ein eigenes Dezernat innehat. Dass die Zuteilung des Rechtsstreites in das Dezernat des Vorsitzenden [X.]s von diesem nicht unterzeichnet worden ist, ist unschädlich. Da es nicht im Ermessen des Vorsitzenden [X.]s steht, ob und wer zum Berichterstatter bestellt wird, sondern sich dies zwingend aus der senatsinternen Geschäftsverteilung ergeben muss, wenn es hierauf für die Besetzung der Sitzgruppe ankommt oder die Möglichkeit der Übertragung auf den Berichterstatter besteht (vgl zuletzt [X.] [K] vom 15.9.2020 - 1 BvR 2435/18 ua - juris, Rd[X.] 24 mwN), ist eine entsprechende Verfügung des Vorsitzenden nur deklaratorischer Natur.

9

aa) Der Rechtsstreit war auch nicht in der Folgezeit auf den gesamten Senat zurückzuübertragen. Der grundrechtsgleiche Anspruch auf den gesetzlichen [X.] erfordert für Wechsel in der richterlichen Zuständigkeit eine gesetzliche Grundlage (vgl [X.] vom 8.4.1997 - 1 PBvU 1/95 - [X.]E 95, 322 <329>). Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verlangt hinreichende klare Regelungen, aus der sich der im Einzelfall zur Entscheidung berufene [X.] möglichst eindeutig ablesen lässt ([X.] vom 8.4.1997 - 1 PBvU 1/95 - [X.]E 95, 322 <329 f>; 118, 212 <239>). Die Zuständigkeitsregelung muss bestimmt und eindeutig sein ([X.] vom 8.4.1997 - 1 PBvU 1/95 - [X.]E 95, 322 <329 f>; [X.] vom 14.6.2007 - 2 BvR 1447/05 ua - [X.]E 118, 212 <239>). Art 101 Abs 1 Satz 2 GG steht einem wiederholten Wechsel der zuständigen [X.] (hier durch Übertragung auf den Berichterstatter und dann Rückübernahme durch den Senat bzw Rückübertragung auf den Senat) ohne hinreichende gesetzliche Grundlage entgegen.

Es ist schon fraglich, ob eine diesen Anforderungen genügende gesetzliche Grundlage für eine Rückübernahme vorliegt. § 153 Abs 5 [X.]G selbst enthält für eine Rückübernahme bzw Rückübertragung - an[X.] als § 6 Abs 3 FGO, § 6 Abs 3 Satz 1 VwGO und § 526 Abs 2 ZPO - keine Regelung. § 526 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 ZPO dürfte auch nicht über § 202 Satz 1 [X.]G entsprechend anwendbar sein (ebenso [X.], [X.] 8/2019, [X.] 2; [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, 2012, § 153 Rd[X.] 42; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 153 Rd[X.] 25a [an[X.] jetzt [X.], aaO, 13. Aufl 2020, § 153 Rd[X.] 25c]; Söhngen in [X.], [X.]G, § 202 Rd[X.] 45, Stand Februar 2016; aA B[X.] vom 6.12.2018 - [X.] [X.] 53/18 B - juris Rd[X.] 5; ferner B[X.] vom 21.9.2017 - [X.] [X.] 3/16 R - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 17; B[X.] vom 18.6.2018 - B 9 V 1/18 B - juris Rd[X.]; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 21/18 BH - juris Rd[X.] 7; B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 8/18 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.] 14). § 202 Satz 1 [X.]G setzt für die entsprechende Anwendung einer Norm des [X.] oder der ZPO unter anderem eine Regelungslücke voraus (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, 2012, § 202 Rd[X.] 3; [X.] in [X.]/[X.], BeckOGK [X.]G, Stand [X.], § 202 Rd[X.] 9); bei abschließender Regelung im [X.]G können die Vorschriften der ZPO nicht herangezogen werden ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 202 Rd[X.] 2). Es besteht bereits kein Anhaltspunkt dafür, dass § 153 Abs 5 [X.]G keine abschließende Regelung darstellen soll. Der Vergleich zu den bereits seit dem [X.] geltenden § 6 Abs 3 Satz 1 FGO und § 6 Abs 3 Satz 1 VwGO, wo der Gesetzgeber einschlägige Regelungen getroffen hat, streitet für den abschließenden Charakter des erst am [X.] in [X.] getretenen § 153 Abs 5 [X.]G, wo der Gesetzgeber hiervon gerade abgesehen hat (ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 153 Rd[X.] 25a; an[X.] jetzt [X.], aaO, 13. Aufl 2020, § 153 Rd[X.] 25c). Abgesehen davon ist zweifelhaft, ob die bloße entsprechende Anwendung einer Norm dem gesetzlichen Bestimmtheitserfordernis, das Art 101 Abs 1 Satz 2 GG etabliert, genügt. Wenn man § 526 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren für anwendbar erachtet, ist es zudem nicht konsequent, dann § 526 Abs 3 ZPO, wonach unter anderem auf eine unterlassene Vorlage (des Einzelrichters) oder Rückübernahme des Rechtsstreites (durch das vollständig besetzte Berufungsgericht) ein Rechtsmittel nicht gestützt werden kann, nicht anzuwenden (zutreffend [X.], [X.] 8/2019, [X.] 2).

Abgesehen davon dürfte der Anwendung des § 526 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 ZPO entgegenstehen, dass die dort geregelte Rückübertragung den Wegfall von Voraussetzungen erfordert, die für eine Übertragung des Rechtsstreites nach § 153 Abs 5 [X.]G gar nicht vorliegen müssen. Es besteht daher weder Anlass noch Raum für eine entsprechende Anwendung des § 526 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren. § 202 Satz 1 [X.]G setzt neben einer Regelungslücke auch eine Ähnlichkeit der Rechtslage voraus ([X.] in [X.]/[X.], [X.]G, 2012, § 202 Rd[X.] 8; Söhngen in [X.], [X.]G, § 202 Rd[X.] 3, Stand Februar 2016); daran fehlt es hier. Nach § 526 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 ZPO legt der Einzelrichter den Rechtsstreit dem Berufungsgericht zur Entscheidung für eine Übernahme vor, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben. Diese Regelung existiert vor dem Hintergrund, dass § 526 Abs 1 [X.] 2 und 3 ZPO - neben weiteren Voraussetzungen - die Übertragung des Rechtsstreites auf den Einzelrichter (kumulativ) davon abhängig macht, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Solche oder vergleichbare Anforderungen stellt § 153 Abs 5 [X.]G gerade nicht auf, wie schon aus dem normtextlichen Unterschied deutlich wird. § 153 Abs 5 [X.]G verlangt nur, dass das [X.] durch Gerichtsbescheid entschieden hat, nicht dagegen, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheids vorgelegen haben (B[X.] vom 21.9.2017 - [X.] [X.] 3/16 R - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 13; B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 8/18 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.] 12; B[X.] vom [X.] [X.]/20 BH - juris Rd[X.] 6). An[X.] als die vergleichbaren Regelungen des § 6 Abs 1 FGO, des § 6 Abs 1 VwGO, des § 348a Abs 1 ZPO und des § 526 Abs 1 ZPO enthält § 153 Abs 5 [X.]G keine besonderen Anforderungen an den Umfang oder den Schwierigkeitsgrad des für eine Übertragung geeigneten Verfahrens, sondern überantwortet diese Entscheidung dem Berufungssenat als berufsrichterlichem Kollegium (B[X.] vom 9.3.2016 - [X.] [X.]/15 R - B[X.]E 121, 55 = [X.] 4-4200 § 43 [X.] 1, Rd[X.] 13; B[X.] vom 21.9.2017 - [X.] [X.] 3/16 R - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 13; B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 8/18 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.] 12; B[X.] vom [X.] [X.]/20 BH - juris Rd[X.] 6). Eine Übertragung zur Entscheidung durch den Berichterstatter unter Mitwirkung der ehrenamtlichen [X.] ist daher auch in Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung nicht von vornherein ausgeschlossen (B[X.] vom 21.9.2017 - [X.] [X.] 3/16 R - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 14; B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 8/18 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.] 12 mwN). Gleiches gilt für Berufungsverfahren, die besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen (B[X.] vom 21.9.2017 - [X.] [X.] 3/16 R - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 14). Während § 526 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 ZPO also eine Regelung für den Wegfall der Voraussetzungen des § 526 Abs 1 [X.] 2 und 3 ZPO für die Übertragung des Rechtsstreites auf den Berichterstatter enthält, bedarf es im sozialgerichtlichen Verfahren einer solchen Regelung nicht, weil diese Voraussetzungen dort für eine Übertragung gar nicht vorliegen müssen.

Hierauf kommt es aber letztlich nicht an. Denn im vorliegenden Fall sind jedenfalls die Voraussetzungen des § 526 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 ZPO nicht erfüllt, da der Rechtsstreit weder aufgrund einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufgewiesen noch grundsätzliche Bedeutung erlangt hat. Eine solche wesentliche Änderung der Prozesslage besteht insbesondere nicht darin, dass hier nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung ein Rechtsanwalt die Vertretung des [X.] angezeigt und dessen bisherigen eigenen Vortrag ergänzt hat. Hinzu kommt, dass eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen [X.] nur bei einer Verletzung des Willkürverbots (Art 3 Abs 1 GG) oder bei einer Verkennung der Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des gesetzlichen [X.]s vorliegt (stRspr; siehe aus jüngerer [X.] etwa [X.] vom 18.2.2020 - 1 BvR 1750/19 - juris Rd[X.] 11 mwN; B[X.] vom 14.1.2020 - [X.] [X.]/19 B - juris Rd[X.] 9; vgl zu § 153 Abs 5 B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 8/18 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.] 13 mwN); hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.

bb) Die Rüge des [X.], vor Erlass des [X.] nicht angehört worden zu sein, ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger geht allerdings zu Recht davon aus, dass das Berufungsgericht vor einem [X.] den Beteiligten rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 [X.]G) zu gewähren hat (B[X.] vom 21.9.2017 - [X.] [X.] 3/16 R - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 21/18 BH - juris Rd[X.] 7; B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 8/18 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.] 14). Das Recht auf Äußerung besteht nicht nur mit Blick auf die Entscheidung in der Hauptsache selbst, sondern auch bezüglich gerichtlicher Entscheidungen während des laufenden Verfahrens, wenn diesen für den Prozessverlauf eigenständige Qualität zukommt.

Eine solche Anhörung ist hier durch das Schreiben des L[X.] vom 28.11.2018 erfolgt, dessen Zugang der Kläger nicht mehr bestreitet. In diesem Schreiben wurde nicht lediglich auf die abstrakte Möglichkeit einer Übertragung des Rechtsstreites auf den Berichterstatter hingewiesen, sondern auf eine entsprechende konkrete Absicht des [X.]. Dass in diesem Schreiben nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Äußerung hingewiesen und entsprechend auch keine Äußerungsfrist gesetzt worden ist, ist unschädlich. Entscheidend ist, dass der Kläger nach Zugang dieser Mitteilung ausreichend Gelegenheit gehabt hat, sich zu äußern. Die Setzung einer Äußerungsfrist ist zweckmäßig, aber nicht zwingend (B[X.] vom [X.] - [X.] 4-1500 [X.] 5 Rd[X.] 6 zur Anhörung nach § 153 Abs 4 [X.]G; vgl allgemein auch [X.] [K] vom [X.] - 2 BvR 93/19 - juris Rd[X.] 5). Allerdings muss das Gericht, wenn es keine Frist setzt, ausreichend [X.] verstreichen lassen, bis es den angekündigten Beschluss fasst. Dies ist hier der Fall, unabhängig ob man ein Abwarten von drei Wochen, vier Wochen oder einem Monat für ausreichend erachtet (siehe zum Streitstand bei der Anhörung nach § 153 Abs 4 [X.]G [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 153 Rd[X.] 20 mwN): Die Anhörungsmitteilung datiert auf den 28.11.2018, während der [X.] erst am [X.] gefasst wurde. Nicht nachvollziehbar ist schließlich das Vorbringen des [X.] zu der Terminsladung des L[X.] vom 29.11.2018; diese betraf nicht den vorliegenden Rechtsstreit, sondern das Berufungsverfahren L 7 [X.]80/17.

b) Auch die vom Kläger behauptete Divergenz liegt nicht vor.

Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 [X.] 2 [X.]G ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des L[X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Gm[X.]GB) oder des [X.] abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das B[X.], der Gm[X.]GB oder das [X.] aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das L[X.] diesen Kriterien wi[X.]prochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa B[X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] 34; [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-[X.]G, 2017, § 160 Rd[X.] 119). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.

Der Kläger entnimmt dem Urteil des B[X.] vom 6.12.2007 ([X.]/7b [X.]0/06 R - [X.] 4-4200 § 59 [X.] 1 Rd[X.] 22) den Rechtssatz, dass in Bezug auf eingliederungsbedingte Fahrkosten auch innerorts für einen Leistungsberechtigten nach dem [X.]B II die vollständige Übernahme regelmäßig geboten sei, jedenfalls sofern diese nicht ganz geringfügig seien. Das L[X.] habe hingegen den Rechtssatz aufgestellt, dass es nicht ermessensfehlerhaft sei, bei eingliederungsbedingten Fahrkosten eine Kostenerstattung nicht im vollen Umfang zu gewähren, sondern diese zu beschränken bzw in Gänze auszuschließen, wenn es um innerorts anfallende Kosten gehe.

Eine Divergenz liegt indes nicht vor. Das vom Kläger angeführte Urteil des B[X.] vom 6.12.2007 betraf nur die Ermessensentscheidung über den Antrag auf Erstattung von Reisekosten zu Meldeterminen beim Leistungsträger selbst, weder aber die Erstattung von Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen bei potenziellen Arbeitgebern noch die im vorliegenden Fall maßgebliche Frage, wie eine diesbezügliche Regelung im [X.] ausgestaltet sein muss.

c) Der Rechtsstreit wirft schließlich auch nicht die vom Kläger benannte Rechtsfrage im Sinne grundsätzlicher Bedeutung auf. Zwar wird die Frage, ob die Gerichte auch in der Sache entscheiden dürfen, wenn die Behörde den Wi[X.]pruch als unzulässig verworfen hat, oder ob in diesem Fall nur der Wi[X.]pruchsbescheid aufzuheben ist, in der auch vom Kläger angeführten instanzgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur diskutiert ([X.] Duisburg vom [X.] - [X.] AS 857/17 - juris Rd[X.] 24 ff mwN; [X.] Kassel vom [X.] - [X.] AS 29/19 - juris Rd[X.] 22). Angesichts der jüngeren Rechtsprechung des B[X.] (B[X.] vom 9.6.2017 - B 11 [X.] 6/16 R - B[X.]E 123, 216 = [X.] 4-4300 § 326 [X.] 1, Rd[X.] 21; B[X.] vom 17.9.2020 - B 4 [X.]/20 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) besteht für die vom Kläger aufgeworfene Frage aber derzeit mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung.

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G.

Meta

B 4 AS 188/20 B

14.10.2020

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Frankfurt, 25. Mai 2018, Az: S 16 AS 1132/16, Gerichtsbescheid

§ 153 Abs 5 SGG, § 62 SGG, § 105 Abs 2 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a SGG, § 202 S 1 SGG, § 526 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO, § 526 Abs 3 ZPO, § 348a Abs 1 ZPO, § 6 Abs 1 FGO, § 6 Abs 3 FGO, § 6 Abs 1 VwGO, § 6 Abs 3 S 1 VwGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.10.2020, Az. B 4 AS 188/20 B (REWIS RS 2020, 2336)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2336

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1 BvR 1750/19

2 BvR 93/19

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