Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.09.2022, Az. B 7/14 AS 405/21 B

7. Senat | REWIS RS 2022, 6806

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - wesentliche Änderung der Prozesssituation - Unwirksamwerden der Einverständniserklärung - Zurückverweisung


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 12. November 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist hinsichtlich des allein geltend gemachten Verfahrensmangels der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G) zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet. Es liegt ein Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht. Das angegriffene Urteil des [X.] ist verfahrensfehlerhaft ergangen, weil das [X.] nicht ohne mündliche Verhandlung hätte entscheiden dürfen.

2

[X.] entscheidet nach § 124 Abs 1 [X.]G, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Mündlichkeit enthält § 124 Abs 2 [X.]G. Danach kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Eine Einverständniserklärung im Sinne dieser Vorschrift liegt im Grundsatz vor. Denn die Klägerin und der Beklagte haben am 12. bzw [X.] erklärt, mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu sein. Diese Erklärungen, die das Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidungsfindung von Amts wegen zu prüfen hat, verlieren aber ihre Wirksamkeit, wenn sich nach ihrer Abgabe die [X.] wesentlich geändert hat ([X.] B 9 SB 45/10 B - juris; B[X.] vom 11.4.2013 - B 2 U 359/12 B - juris; B[X.] vom 6.10.2016 - B 5 R 45/16 B - juris).

3

Dies war im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung der Fall. Der Berichterstatter des Verfahrens, auf den dieses nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom [X.] übertragen worden war (§ 153 Abs 5 [X.]G), hat mit Verfügung vom [X.] (nochmals) ausführlich darauf hingewiesen, dass ein weiterer Bescheid, über den das [X.] aber nicht entschieden habe, streitgegenständlich sei. Er hat auf die verfahrensrechtlichen Konsequenzen für das Berufungsverfahren und auf eine "weitere Schwierigkeit" im Hinblick auf die aus seiner Sicht fehlende Ermessensentscheidung des Beklagten hinsichtlich der übergangsweisen Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 [X.]B II hingewiesen. Folglich war nach dem Ergebnis seiner Prüfung nach der Übertragung des Verfahrens auf ihn und dem von den Beteiligten erklärten Einverständnis eine relevante Änderung der [X.] eingetreten. Ein Festhalten an der beabsichtigten Verfahrensweise, durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, hätte zumindest nach Eingang der von ihm erbetenen Stellungnahmen der Beteiligten eines Hinweises an diese bedurft, der hier aber fehlte.

4

Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob eine weitere Verletzung von Verfahrensrecht (Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters, Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) darin zu sehen ist, dass das Urteil am 12.11.2021 nicht in der von § 153 Abs 5 [X.]G vorgesehenen Besetzung (1 Berufsrichter, [X.]), sondern ohne mündliche Verhandlung durch den gesamten Senat in der von § 33 Abs 1 [X.]G vorausgesetzten Besetzung (3 Berufsrichter, [X.]) ergangen ist, eine (förmliche) Rückübertragung des Verfahrens auf den Senat (§ 202 [X.]G iVm § 526 Abs 2 Satz 1 Nr 1, Satz 3 ZPO; vgl B[X.] vom [X.] [X.] 3/16 R - [X.] 4-1500 § 153 [X.] RdNr 17; B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 8/18 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] RdNr 14) aber nicht erfolgt ist.

5

Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vor, kann das B[X.] auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverweisen (§ 160a Abs 5 [X.]G). Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

6

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des [X.] vorbehalten.

[X.]

Meta

B 7/14 AS 405/21 B

27.09.2022

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend SG Kassel, 25. Februar 2021, Az: S 9 AS 484/20, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 124 Abs 1 SGG, § 124 Abs 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.09.2022, Az. B 7/14 AS 405/21 B (REWIS RS 2022, 6806)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6806

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