Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.09.2013, Az. B 10 EG 14/13 B

10. Senat | REWIS RS 2013, 3058

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Gegenstand

Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften zur Elterngeldberechnung - unterschiedliche Leistungshöhen - familienbezogenes Neutralitätsgebot - Nichtzulassungsbeschwerde


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 11. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Nach der Geburt ihrer Tochter 2007 beantragte die Klägerin, die in dem Jahr davor nicht erwerbstätig gewesen war, sondern insbesondere ihre 2004 geborene Tochter betreut und erzogen hatte, die Gewährung von Elterngeld nach dem [X.] ([X.]) unter Zugrundelegung des Einkommens, das sie in der [X.] vor der Geburt ihrer ersten Tochter erzielt hatte. Der beklagte [X.] gewährte ihr daraufhin Elterngeld in Höhe von monatlich 300 Euro für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes - gekürzt um das bezogene Mutterschaftsgeld nebst Zuschuss - (Bescheid vom 7.12.2007). Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom [X.], Urteil des [X.] vom 10.4.2012 und Urteil des [X.] <[X.]> vom 11.12.2012).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] hat die Klägerin beim [X.] (BSG) Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich mit einer umfangreichen Begründung auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig.

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 160a Abs 1 [X.] und [X.] und 2 S[X.]). Die Begründung genügt nur zum Teil den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 S[X.].

5

Die Klägerin beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

6

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] S[X.], wie sie die Klägerin hier geltend macht, hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. [X.] ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (vgl [X.] § 160 [X.]; [X.] § 160a [X.]3, 65) oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (vgl [X.] 1300 § 13 [X.]; [X.] 4-1500 § 160a [X.] 7), wenn sie so gut wie unbestritten ist (vgl [X.] § 160 [X.]7), wenn sie praktisch außer Zweifel steht (vgl [X.], 40 = [X.] 1500 § 160a [X.] 4) oder wenn sich für die Antwort aus vorhandenen höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (vgl [X.] 3-1500 § 146 [X.] 2; [X.] 3-1500 § 160 [X.] 8). Falls zu der Rechtsfrage schon Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts oder des [X.] ([X.]) vorliegt, kann sie erneut klärungsbedürftig geworden sein, wenn, zB im neueren Schrifttum, erhebliche Einwände dagegen vorgebracht worden sind (vgl [X.] 3-1500 § 160a [X.] 21 S 38; [X.] 3-1500 § 160a [X.] 23 S 42; [X.] 3-4100 § 111 [X.] [X.] f; s auch [X.] 3-2500 § 240 [X.] 33 S 151 f). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl zB [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] 6 S 10 f; [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] 7 S 14).

7

Schließlich ist zu begründen, inwiefern die Frage klärungsfähig, mithin rechtserheblich ist, dass also hierzu eine Entscheidung des [X.] zu erwarten ist ([X.] 3-1500 § 160 [X.]; [X.] 3-1500 § 160a [X.]6).

8

Die Klägerin hat sinngemäß folgende, ihrer Ansicht nach klärungsbedürftige Rechtsfragen bezeichnet:

-       

Verstößt das [X.] in der derzeit geltenden Fassung gegen Art 1 Abs 1 und 2, Art 3 Abs 1 und 2 bzw Art 6 Abs 1, 2 und 4 bzw Art 20 Abs 1 [X.], weil es unterschiedliche Leistungshöhen in Abhängigkeit von dem im maßgeblichen [X.]raum vor der Geburt erzielten Einkommen der Antrag stellenden Person vorsieht?

-       

Ist die sich aus § 2 [X.] ergebende Höhe des Elterngeldes als kombinierte Lohnersatz- und Sozialleistung mit Art 1 Abs 1 und 2, Art 3 Abs 1 und 2 bzw dem sich aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 [X.] ergebenden familienbezogenen Neutralitätsgebot bzw Art 6 Abs 2 und 4 [X.] bzw Art 20 Abs 1 [X.] vereinbar?

9

Die Klägerin hat sich zunächst nicht genau genug damit befasst, inwieweit diese Fragen durch die Rechtsprechung des [X.]s (vgl insbesondere Urteil vom [X.] EG 8/08 R - [X.], 291 = [X.] 4-7837 § 2 [X.] 2; Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - [X.] 4-7837 § 2 [X.] 7; Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - [X.] 4-7837 § 2 [X.] 8; Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 21/09 R - Juris; Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - Juris; Urteil vom [X.] EG 10/12 R) sowie der zweiten Kammer des [X.] (vgl insbesondere Nichtannahmebeschlüsse vom [X.] - 1 BvR 2712/09, vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214 und vom 24.11.2011 - 1 BvR 1457/11) hinreichend geklärt sind. Insbesondere in seiner letztgenannten Entscheidung hat das [X.] nochmals ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzgeber mit dem Anknüpfen an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 [X.] ein legitimes Differenzierungsziel verfolgt. Der erkennende [X.] hat sich in den aufgeführten Urteilen ausführlich mit den von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen zur Vereinbarkeit der einschlägigen Bestimmungen des [X.] mit dem [X.] auseinandergesetzt (vgl bereits Beschlüsse vom 26.5.2011 - B 10 EG 1/11 B und vom [X.] [X.]). Die neuerliche Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin enthält insoweit weitgehend Wiederholungen. Das [X.] hat die Entscheidungen des [X.]s bestätigt, ohne sich von dessen Erwägungen zu distanzieren. Zwar hat ein Nichtannahmebeschluss des [X.] nicht die Bindungswirkung einer Entscheidung des Gerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm (vgl § 31 Abs 1 [X.]gesetz) , er kann jedoch zur Klärung einer Rechtsfrage beitragen, soweit darin die Rechtsauffassung einer Kammer des [X.] zum Ausdruck kommt.

Gleichwohl hält der [X.] die Nichtzulassungsbeschwerde für zulässig, weil mit ihr immerhin einige neue Begründungselemente in Bezug auf die [X.] der aufgeworfenen Fragen vorgebracht werden.

Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

Der [X.] vermag nach wie vor keine gewichtigen Argumente für eine Verfassungswidrigkeit der Berechnungsweise des Elterngeldes nach § 2 [X.] zu erkennen. Es ist keine erneute [X.] der bezeichneten Rechtsfragen anzunehmen. Insbesondere sind im neueren Schrifttum keine erheblichen Einwände gegen die bisherige Rechtsprechung des BSG und des [X.] vorgebracht worden. Das von der Klägerin eingereichte Gutachten von Prof. [X.] lag dem [X.] bei seinen Entscheidungen vom 17.2.2011 bereits vor (vgl auch Beschluss vom 17.2.2011 - B 10 EG 15/10 B und Beschluss vom [X.] [X.]). Soweit sich die Klägerin auf Art 1 Abs 1 [X.] stützt, ist nicht ersichtlich, dass sich aus dieser Verfassungsnorm im vorliegenden Zusammenhang für die Klägerin weitergehende Rechte herleiten lassen könnten, als aus Art 6 Abs 1 [X.], wie er vom [X.] verstanden worden ist. Insofern begründet es keinen neuen Klärungsbedarf, dass sich der [X.] in seinen Entscheidungen vom 17.2.2011 und 18.8.2011 nicht ausdrücklich mit dieser Norm befasst hat (vgl bereits Beschluss vom [X.] [X.]).

Auch mit ihren weiteren Argumenten zur Begründung einer [X.] ihrer Fragen dringt die Klägerin nicht durch. Selbst wenn sich das BSG und das [X.] in einigen der oben genannten Entscheidungen im Wesentlichen mit § 2 Abs 7 [X.] auseinandergesetzt haben, so sind darin auch verfassungsrechtliche Erwägungen zu § 2 Abs 1 [X.] mit enthalten, da § 2 Abs 7 [X.] nur ergänzende Bestimmungen zu der Grundsatzregelung in § 2 Abs 1 [X.] vorsieht. Insoweit hat der [X.] gerade mit seiner Entscheidung vom [X.] EG 10/12 R weiter klargestellt, dass die Vorschriften zur Berechnung der Leistungshöhe nach § 2 Abs 1 und 7 [X.] nicht gegen das [X.] verstoßen, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 bis 3 [X.] iVm Art 6 Abs 1 und Art 20 Abs 1 [X.].

Ein weitergehender Schutz kann sich auch nicht aus Art 6 Abs 2 und 4 [X.] ergeben. Dies ist auch der Rechtsprechung des [X.] zu entnehmen (Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214 und Beschluss vom 24.11.2011 - 1 BvR 1457/11). Die bestehenden Regelungen zur Bestimmung des für die Elterngeldberechnung heranzuziehenden Bemessungszeitraums gestalten den der gesamten [X.] zugrundeliegenden Gedanken konsequent aus ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2712/09 - [X.]/SGB 2011, 537 Rd[X.] 8). Gerade im Bereich der Familienförderung ist der Regelungsspielraum des Gesetzgebers weit (vgl [X.]E 87, 1, 35 f; 103, 242, 260; vgl insgesamt jüngst [X.] Beschlüsse der [X.] des 1. [X.]s vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - [X.]/SGB 2011, 337 und vom [X.] - 1 BvR 2712/09 - [X.]/SGB 2011, 537 sowie vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214 Rd[X.] 20). Bereits mit der Einrichtung von Elterngeld und Elternzeit wird die Möglichkeit der Eigenbetreuung von Kindern in beachtlichem Umfang gefördert. Zu einer weitergehenden Förderung der Kindesbetreuung innerhalb der Familie war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2712/09 - [X.]/SGB 2011, 537 Rd[X.] 9).

Dabei ist auch die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngeldes an das bisherige Erwerbseinkommen anzuknüpfen, von legitimen Zwecken getragen ([X.] Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214 Rd[X.] 20). Dass aufgrund der Ausgestaltung des Elterngeldes als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede in der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist noch verfassungskonform, auch weil Eltern ohne vorgeburtliches Einkommen nicht ohne Förderung bleiben ([X.] Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214 Rd[X.]7). Damit stellt sich das Elterngeld auch nicht als offensichtlich "unsozial" dar, zumal einem solchen Effekt durch die Beschränkung der Anspruchshöhe und -dauer enge Grenzen gesetzt sind (vgl [X.] vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - Juris, Rd[X.] 38; Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - [X.] 4-7837 § 2 [X.] 7 Rd[X.] 65).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 S[X.].

Meta

B 10 EG 14/13 B

04.09.2013

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: EG

vorgehend SG München, 10. April 2012, Az: S 8 EG 121/11, Gerichtsbescheid

§ 2 Abs 1aF BEEG, § 2 Abs 1 BEEG, § 2 Abs 7aF BEEG, § 2 Abs 7 BEEG, Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 GG, Art 6 Abs 4 GG, Art 20 Abs 1 GG, § 160a SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.09.2013, Az. B 10 EG 14/13 B (REWIS RS 2013, 3058)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3058

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 2712/09

1 BvR 1853/11

1 BvR 1457/11

1 BvR 1811/08

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