Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.12.2014, Az. 2 BvR 1549/07

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2014, 484

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Beschränkte Möglichkeit nationaler Gerichte zur Gewährung von Vertrauensschutz im Falle einer unionsrechtlich determinierten Rechtsprechungsänderung - Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG durch Verkennung der Entscheidungserheblichkeit von Unionsrecht - zur rückwirkenden unionsrechtskonformen Auslegung von § 17 Abs 1 S 1 KSchG


Tenor

Das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2007 - 2 [X.] - verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

Das Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Die [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft unter anderem Fragen der Vorlagepflicht zum Gerichtshof der [X.] (im Folgenden: Gerichtshof).

2

1. Der Beschwerdeführer war seit 4. Januar 1993 bei der Beklagten des [X.], die eine Großbäckerei betrieb, als Produktionshelfer beschäftigt. Im August 2004 beschloss die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die eigene Herstellung von Backwaren zum 1. April 2005 einzustellen. Sie kündigte deshalb das Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18. November 2004 zum 31. März 2005. Mit Schreiben vom 25. Januar 2005 zeigte die Beklagte des Ausgangsverfahrens die Entlassung von 16 ihrer 65 Mitarbeiter gemäß § 17 des Kündigungsschutzgesetzes ([X.]) bei der [X.] an. Diese stimmte den von der Beklagten angezeigten Entlassungen mit Bescheid vom 15. Februar 2005 zu.

3

Der Beschwerdeführer erhob Kündigungsschutzklage zum [X.], die er unter anderem damit begründete, dass die Beklagte gegen §§ 17, 18 [X.] in Verbindung mit Art. 2 f. der [X.]/[X.] vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ([X.]/16; im Folgenden: [X.]) verstoßen habe, indem sie den Konsultations- und Informationspflichten gemäß Art. 2 bis Art. 4 [X.] nicht vor Zugang des Kündigungsschreibens beim Beschwerdeführer entsprochen habe.

§ 17 [X.] lautet auszugsweise:

(1)

1. […]

2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,

3. […]

innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. [...]

(2)

[…]

§ 18 [X.] lautet auszugsweise:

(1) Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der [X.] nur mit deren Zustimmung wirksam; […].

[…]

Art. 2 bis Art. 4 [X.] lauten auszugsweise:

Artikel 2

(1) Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Massenentlassungen vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen.

(2) Diese Konsultationen erstrecken sich zumindest auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch [X.] Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern.

[…]

Artikel 3

(1) Der Arbeitgeber hat der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen.

[…]

Artikel 4

(1) Die der zuständigen Behörde angezeigten beabsichtigten Massenentlassungen werden frühestens 30 Tage nach Eingang der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Anzeige wirksam; […].

(2) Die Frist des Absatzes 1 muss von der zuständigen Behörde dazu benutzt werden, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen.

[…]

4

2. Das [X.] hatte seit 1973 (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 1973 - 2 [X.] -, NJW 1974, S. 1263 f.) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass unter "Entlassung" im Sinne der §§ 17, 18 [X.] nicht die Kündigungserklärung, sondern die mit ihr beabsichtigte tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen sei (vgl. [X.], Urteile vom 24. Februar 2005 - 2 [X.] -, [X.], S. 766 <767>; vom 13. April 2000 - 2 [X.] -, [X.], [X.]>; zuletzt grundlegend [X.], Urteil vom 18. September 2003 - 2 [X.] -, [X.], [X.] ff.>). Die Anzeige einer Massenentlassung musste daher nicht vor dem Ausspruch der Kündigung erfolgen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 -, NJW 1997, S. 2131 <2132>). Das [X.] hatte zudem betont, dass eine möglicherweise gebotene richtlinienkonforme Interpretation des Begriffs "Entlassung" als "Kündigungserklärung" im Hinblick auf die [X.], die unter anderem durch die Regelungen der §§ 17 f. [X.] umgesetzt werden soll (vgl. BTDrucks 13/668, S. 9; siehe auch [X.], in: [X.] Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 17 [X.], Rn. 1), nicht zulässig sei (vgl. [X.], Urteil vom 18. September 2003 - 2 [X.] -, [X.], S. 375 <381 f.>).

5

3. Mit Urteil vom 27. Januar 2005 entschied der Gerichtshof der [X.] in der Rechtssache [X.] ([X.], Urteil vom 27. Januar 2005, [X.], [X.]/03, [X.]. 2005, [X.]) im Rahmen eines vom [X.] beantragten [X.] zur Auslegung der Art. 1 bis Art. 4 [X.] (vgl. [X.], Vorlagebeschluss vom 30. April 2003 - 36 Ca 19726/02 -, juris), dass die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Ereignis sei, das als Entlassung gelte, und dass der Arbeitgeber Massenentlassungen (erst) nach Ende des Konsultationsverfahrens nach Art. 2 [X.] und nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung im Sinne der Art. 3 und Art. 4 [X.] vornehmen dürfe (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 2005, [X.], [X.]/03, [X.]. 2005, [X.], Rn. 39 ff.).

6

4. Das [X.] wies die Kündigungsschutzklage des Beschwerdeführers mit Urteil vom 25. Mai 2005 ab ([X.]. 13 Ca 375/04).

7

5. Die dagegen eingelegte Berufung des Beschwerdeführers wies das [X.] mit Urteil vom 25. November 2005 zurück ([X.]. [X.]/05).

8

6. Mit angegriffenem Urteil vom 1. Februar 2007 wies das [X.] die Revision des Beschwerdeführers zurück ([X.]. 2 [X.]), da die Kündigung nicht wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] rechtsunwirksam sei. Zwar wäre die beklagte Arbeitgeberin nach dieser Norm verpflichtet gewesen, die Massenentlassung vor Ausspruch der Kündigung bei der [X.] anzuzeigen, weil unter "Entlassung" im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] - wie der Senat in seiner Entscheidung vom 23. März 2006 im Verfahren 2 [X.] unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung angenommen habe - der Ausspruch der Kündigung zu verstehen sei. Der Unwirksamkeit der Kündigung stehe jedoch der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen. Die hierfür maßgeblichen Grundsätze seien bereits im Urteil vom 23. März 2006 dargelegt worden.

9

Das [X.] führte insofern aus, dass Gerichte aufgrund ihrer Bindung an das Rechtsstaatsprinzip bei Änderung ihrer Rechtsprechung, nicht anders als bei Gesetzesänderungen der Gesetzgeber, den Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten müssten. Deshalb dürfe eine Rechtsprechungsänderung regelmäßig nicht dazu führen, einer Partei rückwirkend [X.] aufzuerlegen, die sie nachträglich nicht mehr erfüllen könne. Zwar wirke die Änderung einer auch lange geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich zurück, soweit dem nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehe; eine über § 242 BGB hinausgehende Einschränkung der Rückwirkung sei aber geboten, wenn die von der Rückwirkung der Rechtsprechung betroffene Partei auf die Fortgeltung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung habe vertrauen dürfen und die Anwendung der geänderten Auffassung wegen ihrer Rechtsfolgen im Streitfall oder der Wirkung auf andere vergleichbare Rechtsbeziehungen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Prozessgegners eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Eine solche Situation sei hier gegeben.

Dem Senat sei die Entscheidung über den Vertrauensschutz auch nicht "entzogen". Insbesondere sei er nicht zur Vorlage an den Gerichtshof der [X.] verpflichtet (unter Zitierung von [X.], AuR 2006, S. 41 <43 f.>), weil er lediglich seine eigene Rechtsprechung und die Auslegung der nationalen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes an das Gemeinschaftsrecht angepasst habe. Indem er den Begriff der "Entlassung" zukünftig im Sinne der vom Gerichtshof entwickelten Auslegung der Richtlinie verstanden wissen wolle, habe er kein Gemeinschaftsrecht ausgelegt, sondern lediglich das nationale Kündigungsschutzrecht "richtlinienkonform" angewandt. Das sei eine Frage der nationalen Rechtsanwendung.

Der Beschwerdeführer sieht sich durch das Urteil des [X.]s in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie in seinen Grundrechten aus Art. 19 Abs. 4 GG beziehungsweise Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 12 GG verletzt.

Eine Verletzung seines Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liege insbesondere darin, dass das [X.] in seinem Urteil vom 1. Februar 2007 die zeitliche Wirkung der [X.]-Entscheidung beziehungsweise das unionsrechtliche Gebot der richtlinienkonformen Auslegung derjenigen Rechtsnormen, die die [X.] umsetzten, unter Berufung auf Vertrauensschutz nach nationalem Recht auf die [X.] nach dem 27. Januar 2005 beschränkt habe, ohne den Gerichtshof der [X.] zuvor mit der Frage nach der Zulässigkeit der zeitlichen Beschränkung der [X.]-Entscheidung zu befassen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei die Entscheidung über die zeitliche Wirkung seiner Entscheidungen jedoch ihm selbst vorbehalten.

Dem [X.] lagen die Akten des Ausgangsverfahrens vor. Das [X.], das [X.] und die Beklagte des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Der Verfassungsbeschwerde ist durch die Kammer stattzugeben, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das [X.] bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. mit § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]). Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsarbeitsgerichts verletzt das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers auf [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Das [X.] hat unter Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes auf der Grundlage seiner früheren Auslegung der §§ 17 f. [X.] über die Revision des Beschwerdeführers entschieden, ohne sich zuvor gemäß Art. 267 Abs. 1 und Abs. 3 A[X.] an den Gerichtshof der [X.] zu wenden und die Frage klären zu lassen, ob die Gewährung von Vertrauensschutz mit der unionsrechtlichen Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts (Art. 288 Abs. 3 A[X.] und Art. 4 Abs. 3 [X.]) und die damit einhergehende Beschränkung der Wirkung der [X.]-Entscheidung mit dem [X.]srecht vereinbar sind.

1. Der Gerichtshof der [X.] ist [X.] im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. [X.] 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 A[X.] sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. [X.] 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; [X.]). Kommt ein [X.] Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des [X.] nicht nach, kann dem [X.] des Ausgangsrechtsstreits [X.] entzogen sein (vgl. [X.] 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315>; zuletzt ausführlich [X.], Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, [X.] <657>).

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982, [X.], 283/81, [X.]. 1982, 3415, Rn. 21) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.] nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des [X.]srechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des [X.]srechts derart offenkundig ist, dass für vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, [X.] <657>).

b) Das [X.] beanstandet die Auslegung und Anwendung von Normen, die die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung regeln, jedoch nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind. Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird es nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden die Zuständigkeit eines Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste; vielmehr ist das [X.] gehalten, seinerseits die [X.] zu beachten, die den Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung übertragen.

Diese Grundsätze gelten auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 A[X.]. Das [X.] überprüft daher nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 A[X.] bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von [X.]srecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der [X.] Rechtsordnung entspricht. Das [X.] wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums. Ein "oberstes Vorlagenkontrollgericht" ist es nicht (vgl. [X.] 82, 159 <194>; 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; [X.], Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, [X.] <657>).

Das [X.] hat die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hinsichtlich der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.] anhand beispielhafter Fallgruppen näher präzisiert.

aa) Danach wird die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 A[X.] in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit einer unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das [X.]srecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; [X.], Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, [X.] <657>).

Dies gilt erst recht, wenn sich das Gericht hinsichtlich des (materiellen) [X.]srechts nicht hinreichend kundig macht. Es verkennt dann regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht (vgl. [X.]K 8, 401 <405>; [X.], Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 14. Mai 2007 - 1 BvR 2036/05 -, NVwZ 2007, S. 942 <945>; vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, NVwZ 2008, S. 780 <781>; vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 <1269>). Gleiches gilt, wenn es offenkundig einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auswertet. Um eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu ermöglichen, hat es die Gründe für seine Entscheidung über die Vorlagepflicht anzugeben.

[X.]) Die Frage nach dem Bestehen einer Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.] wird auch dann in nicht mehr verständlicher und offensichtlich unhaltbarer Weise beantwortet, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>).

cc) Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des [X.]srechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Fachgericht das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte [X.]" willkürlich bejaht.

c) Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit. Der rechtsunterworfene Bürger soll nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht werden (vgl. [X.] 45, 142 <167>; 72, 175 <196>; 88, 384 <403>; 105, 48 <57>; 126, 286 <313>).

Das Vertrauen in den Fortbestand eines Gesetzes kann auch durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtanwendbarkeit berührt werden. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in ein unionsrechtswidriges Gesetz bestimmt sich insbesondere danach, inwieweit vorhersehbar war, dass der Gerichtshof eine derartige Regelung als unionsrechtswidrig einordnet. Es ist ferner von Belang, dass eine Disposition im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage vorgenommen, das Vertrauen mit anderen Worten betätigt wurde (vgl. [X.] 13, 261 <271>; 126, 286 <313 f.>).

aa) Art. 267 A[X.] spricht dem Gerichtshof der [X.] die grundsätzlich abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung der Verträge und über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten Handlungen von Stellen der [X.] zu (vgl. [X.] 52, 187 <200>; 73, 339 <368>; 75, 223 <234>). Im [X.] erläutert er allgemein, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite die vorgelegte Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten richtigerweise zu verstehen und anzuwenden ist beziehungsweise gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 1980, [X.], 61/79, [X.]. 1980, 1205, Rn. 16; vgl. auch [X.] 126, 286 <304>). Daraus folgt, dass die nationalen Gerichte die [X.]svorschrift in dieser Auslegung (grundsätzlich) auch auf andere Rechtsverhältnisse als das dem Vorabentscheidungsersuchen zugrundeliegende anwenden können und müssen, und zwar auch auf solche, die vor Erlass der auf das [X.] ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs entstanden sind (vgl. [X.] 126, 286 <314>; vgl. auch [X.], Urteil vom 27. März 1980, [X.], 61/79, [X.]. 1980, 1205, Rn. 16; [X.], Urteil vom 24. März 2009 - 9 [X.] -, [X.], S. 538 <542>). Dies dient den Zielen der Verträge über die Europäische [X.], der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit sowie einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des [X.]srechts (vgl. [X.] 52, 187 <200>; 75, 223 <234>).

Aus dem Erfordernis der einheitlichen Anwendung des [X.]srechts folgt auch, dass es Sache des Gerichtshofs ist, darüber zu entscheiden, ob - entgegen der grundsätzlichen ex-tunc-Wirkung von Entscheidungen gemäß Art. 267 A[X.] (vgl. [X.] 126, 286 <314>; so auch [X.], Die zeitliche Beschränkung der Wirkung von Urteilen des [X.] im Vorabentscheidungsverfahren, S. 64 u. 88; [X.], Rückwirkung von [X.]-Entscheidungen, [X.]) - aufgrund der unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes die Geltung der von ihm vorgenommenen Auslegung einer Norm in zeitlicher Hinsicht ausnahmsweise eingeschränkt werden soll (vgl. [X.] 126, 286 <314>). Eine solche Einschränkung der Wirkung einer Vorabentscheidung aus Gründen des unionsrechtlichen allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes (vgl. [X.], Vertrauensschutz - europäisch und deutsch, Festschrift für [X.], S. 1161 <1163 f.>) muss - wegen des Erfordernisses der einheitlichen Anwendung des [X.]srechts - nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in dem (ersten) Urteil selbst enthalten sein, durch das über die Auslegungsfrage entschieden wird (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 1980, [X.], 61/79, [X.]. 1980, 1205, Rn. 17 f. unter Verweis auf [X.], Urteil vom 8. April 1976, [X.], 43/75, [X.]. 1976, 455, Rn. 74/75).

[X.]) Die Möglichkeiten der nationalen Gerichte zur Gewährung von Vertrauensschutz sind somit unionsrechtlich vorgeprägt und begrenzt. Die Auslegung des [X.]srechts durch den Gerichtshof ist von ihnen auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass der Vorabentscheidung begründet wurden. Vertrauensschutz kann von nationalen Gerichten demnach grundsätzlich nicht dadurch gewährt werden, dass sie die Wirkung einer Vorabentscheidung zeitlich beschränken, indem sie die unionsrechtswidrige nationale Regelung für die [X.] vor Erlass der Vorabentscheidung anwenden (vgl. [X.] 126, 286 <314>).

d) Richtlinien können im Verhältnis zwischen Privaten mangels horizontaler Wirkung allerdings auch nach einer Auslegungsentscheidung des Gerichtshofs gemäß Art. 267 A[X.] grundsätzlich nicht selbst Verpflichtungen für einen Bürger begründen und nicht gegenüber einem Bürger in Anspruch genommen werden (vgl. [X.], Urteile vom 26. Februar 1986, [X.], 152/84, [X.]. 1986, 723, Rn. 48; vom 11. Juni 1987, [X.], 14/86, [X.]. 1987, 2545, Rn. 19; vom 5. Oktober 2004, [X.], [X.]/01, [X.]. 2004, [X.], Rn. 109; [X.]); im Verhältnis zwischen Privaten können sie (in der Regel) nur im Wege richtlinienkonformer Auslegung nationaler Vorschriften angewandt werden.

aa) Auch trifft der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren über die Auslegung einer Richtlinie grundsätzlich keine Entscheidung über die Auslegung des nationalen Rechts (vgl. [X.] 52, 187 <201> unter Verweis auf [X.], Urteil vom 3. Februar 1977, [X.], 52/76, [X.]. 1977, 163, Rn. 25; [X.]K 19, 89 <100>; vgl. auch [X.], Urteile vom 4. Juli 2006, [X.], [X.]/04, [X.]. 2006, [X.], Rn. 103; vom 23. April 2009, [X.], [X.]/07 bis 380/07, [X.]. 2009, [X.], Rn. 163). Gemäß Art. 288 Abs. 3 A[X.] obliegt es vielmehr den Mitgliedstaaten und im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den nationalen Gerichten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu verwirklichen. Dabei sind sie gemäß Art. 4 Abs. 3 [X.] verpflichtet, alle ihnen zur Verfügung stehenden geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung dieser Verpflichtung zu treffen (vgl. u.a. [X.], Urteile vom 10. April 1984, 14/83, von [X.] und [X.], [X.]. 1984, 1891, Rn. 26; vom 18. Dezember 1997, [X.], [X.]/96, [X.]. 1997, [X.], Rn. 40; vom 15. April 2008, Impact, [X.]/06, [X.]. 2008, [X.], Rn. 41 u. 85). Den nationalen Gerichten obliegt es, den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und dabei die volle Wirksamkeit des [X.]srechts sicherzustellen. Bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts, insbesondere einer speziell zur Umsetzung einer Richtlinie erlassenen Norm, müssen sie das innerstaatliche Recht daher so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um der Verpflichtung aus Art. 288 Abs. 3 A[X.] nachzukommen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile des [X.] vom 10. April 1984, von [X.] und [X.], 14/83, [X.]. 1984, 1891, Rn. 26; vom 15. Januar 2014, [X.], [X.]/12, [X.]. 2014, [X.], Rn. 38 m.w.N.).

[X.]) Die auch aus dem Grundsatz der [X.]streue (Art. 4 Abs. 3 [X.]) folgende Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie (in der vom Gerichtshof entschiedenen Auslegung) entspricht (vgl. [X.] 75, 233 <237>), findet ihre Grenzen in dem nach der innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten. Das nationale Gericht ist insoweit nur verpflichtet, innerstaatliches Recht "soweit wie möglich" anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen und dabei seine Zuständigkeit nicht zu überschreiten (vgl. [X.], Urteile vom 10. April 1984, 14/83, von [X.] und [X.], [X.]. 1984, 1891, Rn. 26; vom 5. Oktober 2004, [X.]/01, [X.], [X.]. 2004, [X.], Rn. 113 ff.; [X.]). Überdies hat der Gerichtshof - auch bezogen auf arbeitsrechtliche Regelungen des [X.]srechts - anerkannt, dass die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot, ihre Schranken findet und nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen kann (vgl. [X.], Urteile vom 8. Oktober 1987, [X.], 80/86, [X.]. 1987, 3969, Rn. 13; vom 4. Juli 2006, [X.], [X.]/04, [X.]. 2006, [X.], Rn. 110; vom 15. April 2008, Impact, [X.]/06, [X.]. 2008, [X.], Rn. 100; vom 23. April 2009, [X.], [X.]/07 bis 380/07, [X.]. 2009, [X.], Rn. 199; vom 16. Juli 2009, [X.], [X.]/08, [X.]. 2009, [X.], Rn. 61; vom 15. Januar 2014, [X.], [X.]/12, [X.]. 2014, [X.], Rn. 39). Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur innerstaatliche Gerichte beurteilen (vgl. [X.]K 19, 89 <99 f.>; [X.], Urteile vom 25. Februar 1999, [X.], [X.]/97, [X.]. 1999, [X.], Rn. 49; vom 5. Oktober 2004, [X.], [X.]/01, [X.]. 2004, [X.], Rn. 113 u. 116; vom 16. Juli 2009, [X.], [X.]/08, [X.]. 2009, [X.], Rn. 63).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das [X.] das Recht des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Es hat unter Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes auf der Grundlage seiner früheren Auslegung der §§ 17 f. [X.] über die Revision des Beschwerdeführers entschieden, ohne sich zuvor gemäß Art. 267 Abs. 1 und Abs. 3 A[X.] an den Gerichtshof der [X.] zu wenden und die Frage klären zu lassen, ob die Gewährung von Vertrauensschutz mit der unionsrechtlichen Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts (Art. 288 Abs. 3 A[X.] und Art. 4 Abs. 3 [X.]) und die damit einhergehende Beschränkung der Wirkung der [X.]-Entscheidung mit dem [X.]srecht vereinbar sind.

a) Zwar hat das [X.] im Ausgangsverfahren zunächst die vom Gerichtshof der [X.] in seiner [X.]-Entscheidung festgestellte Auslegung des Begriffs "Entlassung" gemäß Art. 2 bis Art. 4 [X.] ohne - auch ohne zeitliche - Einschränkung der Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] zugrunde gelegt und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entsprechend der Entscheidung vom 23. März 2006 (- 2 [X.] -, [X.], [X.] ff.) den Begriff "Entlassung" in § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] als "Kündigungserklärung" ausgelegt. Es hat auch nicht entgegen dem Urteil des Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 festgestellt, dass der Begriff der "Entlassung" im Sinne der [X.] aus Gründen des unionsrechtlichen Vertrauensschutzes nicht ex-tunc, sondern erst ab einem bestimmten späteren [X.]punkt nach der [X.]-Entscheidung zu verstehen sei (vgl. [X.], Vertrauensschutz - europäisch und deutsch, Festschrift für [X.], S. 1161 <1164>), und ist hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs der Auslegung des Begriffs "Entlassung" im Sinne der [X.] daher nicht von der Rechtsprechung des Gerichtshofs abgewichen (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982, [X.], 283/81, [X.]. 1982, 3415, Rn. 13 f.).

b) Das [X.] hat das Recht des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch dadurch verletzt, dass es § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der angegriffenen Entscheidung aus Gründen des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatzes des Vertrauensschutzes ohne Vorlage an den Gerichtshof der [X.] (noch) nicht richtlinienkonform ausgelegt beziehungsweise angewendet hat, obwohl dies methodisch möglich war. Die Gewährung von Vertrauensschutz in die frühere, nicht richtlinienkonforme Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] beeinträchtigt die Verwirklichung der mit der [X.] verbundenen Ziele (aa). Dennoch hat das [X.] von einer Vorlage an den Gerichtshof abgesehen ([X.]) und Art. 267 Abs. 3 A[X.] insoweit in einer offensichtlich unhaltbaren und nicht mehr verständlichen Weise ausgelegt beziehungsweise angewendet (cc).

aa) Das [X.] hat aus Art. 20 Abs. 3 GG ein aus seiner Sicht bestehendes Hindernis für eine richtlinienkonforme Auslegung beziehungsweise Anwendung von § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] abgeleitet und damit auf den ersten Blick nicht über die Auslegung von [X.]srecht entschieden, das heißt über eine Frage, für deren Beantwortung gemäß Art. 267 A[X.] der Gerichtshof zuständig ist. Durch die Anwendung von Art. 20 Abs. 3 GG hat es jedoch die praktische Wirksamkeit der [X.] in der Auslegung des Gerichtshofs beeinträchtigt und der unionsrechtlichen Verpflichtung, das nationale Recht richtlinienkonform auszulegen, nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Anforderungen an die praktische Wirksamkeit einer Richtlinie ergeben sich aus dem [X.]srecht. Sie zu bestimmen, ist Sache des Gerichtshofs der [X.], der grundsätzlich auch über eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen seiner Urteile entscheiden muss (vgl. [X.], Urteile vom 27. März 1980, [X.], 61/79, [X.]. 1980, 1205, Rn. 17 f. unter Verweis auf [X.], Urteil vom 8. April 1976, [X.], 43/75, [X.]. 1976, 455, Rn. 74/75; vom 10. April 1984, von [X.] und [X.], 14/83, [X.]. 1984, 1891, Rn. 26; vom 16. Juli 2009, [X.], [X.]/08, [X.]. 2009, [X.], Rn. 60; vom 19. Januar 2010, [X.], [X.]/07, [X.]. 2010, [X.], Rn. 48; vom 15. Januar 2014, [X.], [X.]/12, [X.]. 2014, [X.], Rn. 38). Mit Blick auf die [X.] hat er eine derartige (zeitliche) Begrenzung nicht für erforderlich gehalten (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 2005, [X.], [X.]/03, [X.]. 2005, [X.]).

[X.]) Dennoch hat es das [X.] vorliegend unterlassen, den Gerichtshof mit der im Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Frage zu befassen, ob es gegen Art. 288 Abs. 3 A[X.] beziehungsweise Art. 4 Abs. 3 [X.] verstößt, wenn die unionsrechtlich gebotene und methodisch mögliche Auslegung von §§ 17 f. [X.] aus Gründen des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatzes des Vertrauensschutzes abgelehnt wird, beziehungsweise ob die Gewährung von Vertrauensschutz und die damit (faktisch) einhergehende zeitliche Beschränkung der Wirkung der [X.]-Entscheidung ausschließlich ihm vorbehalten ist (vgl. Vorlagefrage 7 des [X.], [X.] des [X.] vom 27. Juni 2012 zur Rechtssache - [X.]/12 -, juris).

cc) Das [X.] hat hierbei Art. 267 Abs. 3 A[X.] in einer offensichtlich unhaltbaren und nicht mehr verständlichen Weise ausgelegt beziehungsweise angewendet und dadurch das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Zwar hat es das Vorliegen einer Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 A[X.] geprüft und seine Entscheidung auch begründet (1). Es hat sie jedoch in nicht mehr vertretbarer Weise verneint (2).

(1) Ausweislich der Begründung hat das [X.] die Frage der Vorlagepflicht hinsichtlich der Gewährung von Vertrauensschutz in die frühere, nicht richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 f. [X.] zwar durchaus gesehen. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Feststellung, dass dem [X.] die Entscheidung über den Vertrauensschutz nicht "entzogen" sei und es (diesbezüglich) insbesondere nicht zur Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet sei, sowie aus dem Hinweis auf die eine Vorlagepflicht bejahende Auffassung von [X.] (AuR 2006, S. 41 <43 f.>), die sich das [X.] nicht zu Eigen gemacht hat. Es hat die Vorlagepflicht vielmehr verneint und dies in der Sache damit begründet, dass es nicht [X.]srecht, sondern nationales Recht auslege und sich insoweit allein im Bereich der nationalen Rechtsanwendung befinde. Aus seiner Sicht war somit keine unionsrechtliche Frage entscheidungserheblich, so dass eine Vorlagepflicht nicht in Betracht kam.

(2) Damit hat es die Frage der Vorlagepflicht in nicht mehr verständlicher und offensichtlich unhaltbarer Weise beantwortet, weil es sich hinsichtlich des (materiellen) [X.]srechts nicht hinreichend kundig gemacht und seine Vorlagepflicht insoweit grundlegend verkannt hat.

(a) Die Annahme des [X.]s, es könne eine richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 f. [X.] unter Berufung auf seine frühere Rechtsprechung unterlassen, verkennt die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts grundlegend. Es hat sich insoweit darüber hinweggesetzt, dass die Gewährung von Vertrauensschutz und die damit verbundene Unterlassung der richtlinienkonformen Auslegung einer nationalen Norm zumindest auch eine Frage des [X.]srechts ist. Hinzu kommt, dass der Gerichtshof in der [X.]-Entscheidung ([X.], Urteil vom 27. Januar 2005, [X.], [X.]/03, [X.]. 2005, [X.]) die Geltung der von ihm vorgenommenen Auslegung der [X.]/[X.] vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ([X.]/16) nicht aus Gründen des unionsrechtlichen Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt und eine zeitliche Geltungsbeschränkung damit implizit abgelehnt hat. Durch die Unterlassung der richtlinienkonformen Auslegung der §§ 17 f. [X.] in der angegriffenen Entscheidung verschiebt das [X.] die Anwendung der [X.] in der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung aus Gründen des Vertrauensschutzes nach nationalem Recht auf einen [X.]punkt nach ihrem Inkrafttreten (vgl. [X.] 126, 286 <314>).

(b) Zwar ist ein Rückgriff auf nationales Verfassungsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s auch bei der Anwendung des [X.]srechts in [X.] nicht generell ausgeschlossen. Dies setzt jedoch voraus, dass der vom Grundgesetz gebotene Mindeststandard an Grundrechtsschutz durch das [X.]srecht verfehlt würde (vgl. [X.] 37, 271 <280 ff.>; 73, 339 <371 f., 387>; 89, 155 <174 f.>; 102, 147 <163 f.>). Eine solche Feststellung wäre überdies dem [X.] vorbehalten (vgl. [X.] 123, 267 <354>; 126, 286 <308>). Anhaltspunkte dafür, dass das vom Grundgesetz geforderte Mindestmaß an Grundrechtsschutz unterschritten sein könnte, liegen hier jedoch ersichtlich nicht vor und wurden vom [X.] nicht thematisiert. Indem es Bestimmungen des nationalen Verfassungsrechts ins Feld führt, um die praktische Wirksamkeit einer Richtlinie zu begrenzen, setzt es sich daher über die etablierte Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Vorrang des [X.]srechts (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 1970, [X.], 11/70, [X.]. 1970, 1125, Rn. 3) hinweg und verkennt auch insoweit seine Vorlagepflicht.

(c) Dass sich das [X.], obwohl es sich grundsätzlich bewusst war, die [X.]-Entscheidung aufgrund ihrer (unionsrechtlichen) Bindungswirkung beachten zu müssen, bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit einer unionsrechtlichen Frage im Zusammenhang mit der Gewährung von Vertrauensschutz zudem mit keinem Wort näher mit der (unionsrechtlichen) Bindungswirkung von Vorabentscheidungen auseinandergesetzt hat, erscheint ebenfalls nicht mehr verständlich.

Aufgrund dieser methodischen Mängel ist die Anwendung von Art. 267 Abs. 3 A[X.] durch das [X.] nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar. Liegt in Fällen, in denen das Fachgericht die Entscheidungserheblichkeit einer unionsrechtlichen Frage erkennt, sodann jedoch eine Vorlage zum Gerichtshof der [X.] trotz Zweifeln an der richtigen Beantwortung einer unionsrechtlichen Frage nicht in Erwägung zieht (sogenannte grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), ein Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor (vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; [X.], Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, [X.] <657>), so kann im vorliegenden Fall, in dem ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlagepflicht verneint, weil es trotz offenkundiger Anhaltspunkte gar nicht erkennt, dass eine unionsrechtliche Frage entscheidungserheblich ist, und die Entscheidung allein an nationalen Maßstäben orientiert trifft, nichts anderes gelten. In beiden Fällen wird Art. 267 Abs. 3 A[X.] in einer methodisch eindeutig unzureichenden und auf einer offenkundigen Verkennung seines [X.] beruhenden Weise ausgelegt. Diese willkürliche Verneinung der Vorlagepflicht ist daher als Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 A[X.] verfassungsrechtlich zu beanstanden.

3. Das Urteil des [X.]s ist gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 [X.] aufzuheben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen.

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

2 BvR 1549/07

10.12.2014

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BAG, 1. Februar 2007, Az: 2 AZR 15/06, Urteil

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 288 Abs 3 AEUV, Art 1 EGRL 59/98, Art 1ff EGRL 59/98, Art 4 Abs 3 EU, § 17 Abs 1 S 1 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.12.2014, Az. 2 BvR 1549/07 (REWIS RS 2014, 484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 484

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