Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.08.2021, Az. 9 B 48/20

9. Senat | REWIS RS 2021, 3562

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Gegenstand

Erhebliche Gebietserweiterung in einem Bodenordnungsverfahren


Leitsatz

1. Die Maßstäbe für die Abgrenzung zwischen einer geringfügigen und einer erheblichen Änderung des Flurbereinigungsgebiets im Sinne des § 8 FlurbG gelten über § 63 Abs. 2 LwAnpG auch im Bodenordnungsverfahren.

2. Die Teilnehmer eines Bodenordnungsverfahrens sind hinsichtlich der Anordnung einer erheblichen Gebietserweiterung nach § 8 Abs. 2 FlurbG i.V.m. § 63 Abs. 2 LwAnpG klagebefugt.

3. Das Akteneinsichtsrecht nach § 100 VwGO erstreckt sich auf alle dem Gericht in der konkreten Streitsache vorliegenden Akten mit ihrem gesamten Inhalt. Die Einsicht in diese Akten kann das Gericht auch dann nicht verweigern, wenn deren Inhalt seiner Auffassung nach keine Bedeutung hat.

4. Zur Frage der Besetzung des Flurbereinigungsgerichts bei Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung.

Tenor

Das Urteil des [X.] vom 4. September 2020 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

[X.]ie Kläger sind Teilnehmer eines [X.]odenordnungsverfahrens (Anordnungsbeschluss vom 11. Oktober 2007). Sie wenden sich gegen den auf § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 8 Abs. 2 [X.] gestützten [X.]eschluss vom 7. August 2018 zur 1. Änderung des [X.], mit dem das bisherige [X.] durch Einbeziehung weiterer - nicht an das [X.] angrenzender - Flächen von vormals ca. 10 ha auf insgesamt etwa 20 ha verdoppelt wird.

2

Im Wi[X.]pruchsverfahren hatten die Kläger Einsicht in sämtliche Verwaltungsvorgänge zur Gebietserweiterung begehrt; dies wurde im Wi[X.]pruchsbescheid mit der [X.]egründung abgelehnt, das Akteneinsichtsrecht sei auf die den Teilnehmer betreffenden Unterlagen und die Kenntnis derjenigen Akten beschränkt, die zur Geltendmachung oder Verteidigung seiner rechtlichen Interessen erforderlich seien. [X.]anach sei hier den Klägern nur Einsicht in die ihren eigenen [X.]esitzstand betreffenden Unterlagen zu gewähren; ergänzend wurde ihnen eine teilgeschwärzte, dem Änderungsbeschluss zugrunde liegende Abwägungsentscheidung ausgehändigt.

3

Im Gerichtsverfahren begehrten die Kläger erneut Akteneinsicht, um ihre Klage näher begründen zu können. [X.]er [X.]eklagte legte dem Gericht im Juni 2019 die vollständigen Akten zur angeordneten Gebietserweiterung - sowie offenbar zahlreiche weitere Akten - vor, wies aber zugleich darauf hin, dass "aufgrund der Nichtbetroffenheit des Klägers in [X.]ezug auf die [X.]" kein Erfordernis der Akteneinsichtnahme in andere als die bereits vorgelegten Akten bestehe. Nachdem die Kläger konkrete Termine zur Akteneinsicht für den Juni 2020 vorgeschlagen hatten, bat der [X.]eklagte Anfang Juni 2020 um zeitnahe Rücksendung des Großteils der Akten; am 9. Juni 2020 wurden einem Vertreter des [X.]eklagten dann ausweislich des [X.] Heftungen [X.]ehördenakten auf der Geschäftsstelle ausgehändigt, darunter auch Akten zur Anordnung der Gebietserweiterung. Erst im Nachgang erläuterte der zuständige [X.]erichterstatter des [X.] den Klägern das Vorgehen (vgl. Verfügung vom 2. Juli 2020). Er schloss sich in der Sache der behördlichen Auffassung an, die Akten würden für die gerichtliche Entscheidung nicht benötigt. Zugleich wurde den Klägern eine Frist nach § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Angabe von Tatsachen gesetzt und ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO hingewiesen.

4

Im Zusammenhang mit den vorbeschriebenen Vorgängen lehnten die Kläger den [X.]erichterstatter und seine ebenfalls tätig gewordene Stellvertreterin wegen der [X.]esorgnis der [X.]efangenheit ab. Hierüber entschied das Flurbereinigungsgericht jeweils in der [X.]esetzung mit zwei [X.]erufsrichtern ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen [X.]; die jeweils abgelehnten [X.] wirkten ebenfalls nicht mit. Am Tag der mündlichen Verhandlung lehnten die Kläger, nachdem sie Kenntnis von den vorgenannten [X.]eschlüssen erlangt hatten, die beiden [X.]erufsrichter erneut ab, nunmehr mit der [X.]egründung, dass über ihre [X.]efangenheitsanträge entgegen der gesetzlichen Regelung in § 139 [X.] ohne die ehrenamtlichen [X.] entschieden worden sei. Über dieses [X.]efangenheitsgesuch entschied das Flurbereinigungsgericht in seiner vollen [X.]esetzung, also einschließlich der drei ehrenamtlichen [X.], aber unter Mitwirkung der beiden abgelehnten [X.]. Es wies das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zurück und führte anschließend die mündliche Verhandlung in der genannten [X.]esetzung durch. [X.]ie Klage gegen den Erweiterungsbeschluss wurde als unzulässig abgewiesen; den Klägern fehle die Klagebefugnis. [X.]ie Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger.

II

5

[X.]ie zulässige [X.]eschwerde ist begründet. Zwar führt sie nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (A); es liegen jedoch mehrere von der [X.]eschwerde geltend gemachte Verfahrensmängel vor ([X.]), auf denen das Urteil beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). [X.]ies führt zu seiner Aufhebung und zur Zurückverweisung der Rechtssache an die Vorinstanz nach § 133 Abs. 6 VwGO ([X.]).

6

A. [X.]ie Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

7

1. [X.]ie Fragen,

ob bei einer Erweiterung des [X.], die über eine geringfügige Änderung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] hinausgeht, die verfahrensrechtlichen Anforderungen nach § 8 Abs. 2 [X.] gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG auch im [X.]odenordnungsverfahren gelten,

und ob die Klagebefugnis eines [X.]eteiligten zu verneinen ist, wenn durch die Erweiterung des [X.]s in einem [X.]odenordnungsverfahren weitere [X.]eteiligte hinzutreten,

lassen sich auch ohne [X.]urchführung eines Revisionsverfahrens - wenngleich entgegen der dem Urteil des [X.] zugrunde gelegten Auffassung - beantworten:

8

a) [X.]ei der Erweiterung des [X.]s von ursprünglich rund 10 ha auf rund 20 ha handelt es sich, wovon auch der angefochtene Änderungsbeschluss ausgeht, um eine erhebliche [X.] im Sinne von § 8 Abs. 2 [X.], die über die im Wege einer bloßen Ermessensentscheidung der [X.]ehörde zulässige geringfügige Änderung des [X.]s (§ 8 Abs. 1 [X.]) hinausgeht. Für die Abgrenzung zwischen geringfügigen und erheblichen Änderungen im Sinne des § 8 [X.] ist nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 16. April 1971 - 4 [X.] 36.68 - [X.] 424.01 § 8 [X.] Nr. 3; [X.]eschluss vom 23. September 2004 - 10 [X.] 8.04 - juris Rn. 5) in erster Linie, aber nicht allein, auf die [X.] abzustellen; schon bei [X.] von mehr als 10 - 20 % des ursprünglichen Gebiets liegt regelmäßig keine geringfügige Änderung mehr vor (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2018, § 8 Rn. 4 m.w.[X.]). [X.]iese Maßstäbe gelten über § 63 Abs. 2 LwAnpG auch im [X.]odenordnungsverfahren (vgl. OVG [X.]erlin-[X.]randenburg, Urteile vom 4. Juni 2009 - 70 A 9.08 - juris Rn. 17 und vom 22. Juni 2017 - 70 A 2.15 - juris Rn. 46; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2018, § 8 Rn. 11). [X.]anach müssen hier gemäß § 8 Abs. 2 [X.] die Anforderungen nach den §§ 4 - 6 [X.] für eine Anordnung der [X.]odenordnung (erneut) erfüllt werden.

9

b) Hieraus folgt, dass im Falle der erheblichen Gebietserweiterung nach § 8 Abs. 2 [X.] die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) eines Teilnehmers des bisherigen [X.]odenordnungsverfahrens zu bejahen ist. [X.]ie anzuwendenden Regelungen der §§ 4 - 6 [X.] über die Anordnung des Verfahrens dienen ersichtlich auch dem Interesse der Teilnehmer des bisherigen [X.]odenordnungsverfahrens. [X.]iese können geltend machen, die sachlichen Voraussetzungen für die Erweiterung des [X.]s lägen nicht vor, weshalb sie in ihren Rechten verletzt seien (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2018, § 4 Rn. 13, 15 m.w.[X.]). [X.]er vom Flurbereinigungsgericht zur [X.]egründung der gegenteiligen Auffassung herangezogene Umstand, dass die Kläger nach § 58 Abs. 1 LwAnpG (lediglich) Anspruch auf wertgleiche Abfindung in Land, aber grundsätzlich keinen Anspruch darauf haben, mit bestimmten Grundstücken abgefunden zu werden, ist zwar für sich genommen richtig. Er ist allerdings für die hier aufgeworfene Frage der Klagebefugnis unerheblich. [X.]eim [X.]odenordnungsverfahren handelt es sich - wie beim Flurbereinigungsverfahren - um ein gestuftes Verfahren mit den aufeinander abgestimmten Teilentscheidungen des [X.], der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung und des [X.]odenordnungsplans ([X.]VerwG, Urteile vom 10. [X.]ezember 2003 - 9 [X.] 5.03 - [X.] 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 10 S. 13 und vom 19. Januar 2011 - 9 [X.] 3.10 - [X.] 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 13 Rn. 27). Rechtsschutz steht den [X.]etroffenen auf jeder der Stufen zu und nicht nur einmal am Ende des Verfahrens gegen den [X.]odenordnungsplan. Wenn - wie hier - für eine Erweiterung des [X.] die Vorschriften über die erstmalige Anordnung des [X.]odenverfahrens anzuwenden sind, ist der Rechtsschutz entsprechend ausgestaltet.

[X.]as Flurbereinigungsgericht hat in vollem Umfang nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen für die [X.]odenordnung und das Interesse der [X.]eteiligten vorliegen. Ein Ermessens- bzw. [X.]eurteilungsspielraum ist der [X.]ehörde insoweit nicht eingeräumt (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 3. März 1959 - 1 [X.] 142.56 - [X.]VerwGE 8, 197 <199> und vom 29. März 1968 - 4 [X.] 104.65 - [X.]VerwGE 29, 257 <258>; [X.]eschluss vom 8. Mai 2019 - 9 [X.] 20.18 - [X.] 424.01 § 86 [X.] Nr. 5 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2018, § 4 Rn. 3). Zwar steht die Entscheidung darüber, ob die Flurbereinigung - bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen - nach § 4 [X.] anzuordnen und wie das [X.] zu begrenzen ist, im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde. [X.]ie Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.], wonach das [X.] so zu begrenzen ist, dass der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht wird, gibt dabei aber eine bindende [X.] vor. Ihre Anwendung ist vom Gericht darauf zu überprüfen, ob alle für einen größtmöglichen Erfolg der Flurbereinigung im gesamten Planungsraum und für den einzelnen [X.]eteiligten bedeutsamen Gesichtspunkte in die Abwägung eingeflossen sind ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 8. November 1989 - 5 [X.] 124.89 - [X.] 424.01 § 7 [X.] Nr. 2 und vom 8. Mai 2019 - 9 [X.] 20.18 - [X.] 424.01 § 86 [X.] Nr. 5, jeweils m.w.[X.]; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2018, § 4 Rn. 3, § 7 Rn. 2 f.).

2. [X.]ie Fragen,

bis zu welchem Abstand zur Ortslage eine Erweiterung eines [X.]s im Zuge der Gewinnung von gleichwertigem [X.] noch im Sinne des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes möglich wäre und ob diese Flächen mit dem bisherigen Gebiet strukturell in Verbindung stehen müssen,

sind ebenso wie die weiteren auf [X.] der [X.]eschwerde angesprochenen Fragen nicht allgemein klärungsfähig, sondern betreffen die jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

3. [X.]ie Fragen,

wie die [X.] bei Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung zu besetzen sind

und ob ein [X.] nach abgelehntem [X.]efangenheitsantrag über die Anhörungsrüge gegen den Ablehnungsbeschluss mitentscheiden darf,

sind in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren ist grundsätzlich nur das angegriffene Urteil (§ 132 Abs. 1, § 137 Abs. 1 VwGO), nicht aber unanfechtbare vorgelagerte Entscheidungen, wie diejenigen über die [X.]efangenheit oder Anhörungsrügen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO).

Zwar kann die Rüge der unrichtigen Entscheidung über das [X.]efangenheitsgesuch ausnahmsweise dann als Verfahrensfehler beachtlich sein, wenn die fehlerhafte Entscheidung über die Ablehnung zugleich eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Recht auf den gesetzlichen [X.]) beinhaltet; eine solche Ausnahme liegt hier nach Auffassung des Senats auch vor. [X.]enn das Flurbereinigungsgericht hätte den zuletzt gestellten [X.]efangenheitsantrag nicht als missbräuchlich zurückweisen dürfen, sodass die [X.]bank bei der Abfassung des Urteils fehlerhaft besetzt war (s. dazu im Einzelnen unter [X.]). Eine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen ergibt sich gleichwohl nicht. [X.]enn durch die Aufhebung des Urteils ist der ihm anhaftende Verfahrensmangel überholt. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die von den Klägern aufgeworfenen Fragen der richtigen [X.]esetzung sich erneut stellen werden. Es steht weder fest, dass die frühere, vor allem aus der [X.]ehandlung des Akteneinsichtsgesuchs hergeleitete [X.]esorgnis der [X.]efangenheit bei den Klägern auch dann fortbesteht, wenn das Flurbereinigungsgericht nach den Maßgaben des vorliegenden [X.]eschlusses neu entscheidet, noch steht fest, dass das Flurbereinigungsgericht im Falle eines etwaigen erneuten [X.]efangenheitsgesuchs wiederum in der [X.]esetzung ohne ehrenamtliche [X.] - oder auch unter Mitwirkung der abgelehnten [X.]erufsrichter - entscheidet. Soweit die Kläger beanstandet haben, dass an den früheren [X.]eschlüssen ein [X.] am Verwaltungsgericht mitgewirkt hat, dürfte es sich um einen zum Zwecke der Erprobung an das Oberverwaltungsgericht abgeordneten [X.] gehandelt haben.

[X.]. [X.]ie [X.]eschwerde macht aber zu Recht Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend.

1. Allerdings liegt kein absoluter Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 138 Nr. 1 VwGO) darin, dass das Urteil des [X.] in der [X.]esetzung ohne einen planmäßigen Vorsitzenden [X.] ergangen ist, sondern stattdessen mit einer beisitzenden [X.]in in Vertretung des Vorsitzenden. Zwar muss der planmäßige Vorsitzende eines [X.] ein statusrechtlicher Vorsitzender [X.] am Oberverwaltungsgericht sein ([X.]VerwG, Urteil vom 29. April 1998 - 11 [X.] 6.97 - [X.]VerwGE 106, 345); für [X.] - wie hier - lässt diese Entscheidung jedoch ausdrücklich eine Abweichung zu.

2. Kein absoluter Verfahrensmangel liegt auch darin, dass das Flurbereinigungsgericht über die beiden ersten [X.]efangenheitsanträge ohne die drei ehrenamtlichen [X.] (§ 139 Abs. 1 Satz 2 [X.]) entschieden hat.

[X.]eschlüsse über die Ablehnung von [X.] sind nach § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der [X.]eschwerde angreifbar und unterliegen deshalb - wie oben bereits ausgeführt wurde - grundsätzlich nicht der Überprüfung im Revisionsverfahren, es sei denn, die fehlerhafte Entscheidung über die Ablehnung beinhaltet zugleich eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Recht auf den gesetzlichen [X.]). Eine auf diese Weise verursachte fehlerhafte [X.]esetzung der [X.]bank setzt voraus, dass die Ablehnungsentscheidung auf Willkür oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht, der in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsmäßigen [X.]esetzung des Gerichts rechtfertigt ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 18. [X.]ezember 2007 - 1 [X.]vR 1273/07 - NVwZ-RR 2008, 289 <290>; Kammerbeschlüsse vom 11. März 2013 - 1 [X.]vR 2853/11 - juris Rn. 28 ff. und vom 5. Mai 2021 - 1 [X.]vR 526/19 - juris Rn. 22, 26; [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 4. Mai 2011 - 7 PKH 9.11 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 60 Rn. 3 und vom 15. Mai 2008 - 2 [X.] 77.07 - NVwZ 2008, 1025 Rn. 6; [X.]/[X.], 26. Aufl. 2020, § 54 Rn. 22, § 132 Rn. 21).

Hierfür reicht allein ein Fehler bei der Gesetzesanwendung nicht aus; Willkür liegt erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm in krasser Weise fehlgedeutet wird. Eine derart willkürliche Fehldeutung der die [X.]esetzung des [X.] regelnden Normen liegt hier nach Auffassung des Senats nicht vor; vielmehr handelt es sich um eine in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärte Frage, die in der Praxis der [X.] unterschiedlich gehandhabt wird.

Nach § 138 Abs. 1 Satz 1 [X.], der nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung unberührt geblieben ist (§ 190 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), ist in jedem Land bei dem obersten Verwaltungsgericht ein Senat für Flurbereinigung (Flurbereinigungsgericht) einzurichten. Für die Gerichtsverfassung und das Verfahren gelten die Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit in den §§ 139 bis 148 [X.] nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine solche abweichende Regelung enthält § 139 Abs. 1 Satz 2 [X.], wonach das Flurbereinigungsgericht in der [X.]esetzung von zwei [X.]n und drei ehrenamtlichen [X.]n verhandelt und entscheidet, von denen nach § 139 Abs. 2 Satz 2 [X.] ein ehrenamtlicher [X.] zum höheren [X.]ienst der [X.] befähigt sein muss und mindestens drei Jahre in [X.] tätig gewesen sein soll. [X.]iese besondere [X.]esetzung des [X.] dient der sachgerechten Würdigung der im Rahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden besonderen Sachverhalte (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 29. April 1998 - 11 [X.] 6.97 - [X.]VerwGE 106, 345 <346 f.> m.w.[X.]; vgl. zur besonderen Sachkunde des [X.] auch [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 8. März 2017 - 9 [X.] 57.16 - [X.] 424.01 § 44 [X.] Nr. 92 Rn. 14).

[X.]ie Vorschrift ist hinsichtlich der [X.]esetzung eine Spezialregelung zu § 9 Abs. 3 VwGO ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 1. [X.]ezember 2005 - 10 [X.] 44.05 - juris Rn. 5), wonach die Senate des [X.] in der [X.]esetzung von drei [X.]n entscheiden und landesrechtlich eine [X.]esetzung mit fünf [X.]n, davon zwei ehrenamtlichen [X.]n vorgesehen werden kann; dabei kann auch geregelt werden, dass die ehrenamtlichen [X.] bei [X.]eschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mitwirken (Stelkens/Panzer, in: [X.]/[X.], VwGO, Stand Februar 2021, § 9 Rn. 16, s. etwa § 109 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Justiz im [X.] vom 26. Januar 2010, [X.]. [X.]; § 17 Abs. 2 des [X.] zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. vom 27. Oktober 1997, [X.][X.]l. [X.]). Letzteres ist für das Verwaltungsgericht sogar generell vorgesehen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO); dort wirken bei [X.]eschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei [X.] die ehrenamtlichen [X.] nicht mit. [X.]a in [X.] eine Mitwirkung von ehrenamtlichen [X.]n an den Oberverwaltungsgerichten aber grundsätzlich nicht vorgesehen ist, gibt es hier schon deshalb keine landesrechtliche Regelung zur Mitwirkung von ehrenamtlichen [X.]n außerhalb der mündlichen Verhandlung.

[X.]ie Formulierung "verhandelt und entscheidet" könnte zwar für ein enges, auf die mündliche Verhandlung beschränktes Verständnis sprechen, sodass für Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung im [X.] eine Regelungslücke bestünde, deren Ausfüllung sich nach der Verwaltungsgerichtsordnung und dem jeweiligen - nicht revisiblen - Landesrecht richten würde.

[X.]er Sinn und Zweck der speziellen [X.]esetzungsvorgaben in § 139 Abs. 1 Satz 2 [X.] spricht jedoch eher für ein weites Verständnis, sodass hiervon nicht nur Urteile, sondern auch Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung erfasst werden und bundesweit sämtliche Entscheidungen des [X.] grundsätzlich in voller [X.]esetzung ergehen müssten. Auch bei derartigen Entscheidungen, wie etwa [X.], [X.], [X.] nach übereinstimmender Erledigungserklärung oder Streitwertbeschlüssen kann es entscheidend auf den besonderen Sachverstand der ehrenamtlichen [X.] ankommen. Probleme bereitet bei dieser Auslegung allerdings eine Abgrenzung zu bloßen Formalbeschlüssen wie etwa [X.] nach Klagerücknahme oder [X.]eiladungsbeschlüssen; auch diese müssten konsequenterweise stets in voller [X.]esetzung ergehen. [X.]er Katalog in § 87a Abs. 1 VwGO mit Entscheidungen, die dem [X.]erichterstatter übertragen sind, geht über bloße Formalentscheidungen hinaus; er könnte gleichwohl als ein Anhaltspunkt herangezogen werden, sodass etwa bloße Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme durch den [X.]erichterstatter ergehen könnten.

[X.]ie Entstehungsgeschichte des § 139 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist für die Auslegungsfrage nicht aufschlussreich. [X.]ie Regelung ist seit Erlass des [X.] am 14. Juli 1953 ([X.]G[X.]l. I S. 591) wortgleich mit der heutigen Fassung. Sie geht auf den Regierungsentwurf eines [X.] vom Mai 1952 zurück, dessen Fassung des § 141 Abs. 1 Satz 2 [X.] allerdings noch eine [X.]esetzung mit einem [X.] und zwei [X.]eisitzern vorsah ([X.]T-[X.]rs. 1/3385 S. 48). [X.]ie Änderung der [X.]esetzung (Erhöhung auf zwei [X.] und drei [X.]eisitzer) geht auf den Vorschlag des [X.]undesrates zurück; angesichts der [X.]edeutung und Tragweite der vom Flurbereinigungsgericht zu treffenden Entscheidungen sei eine stärkere [X.]esetzung geboten. Es sei erforderlich, den Vorsitzenden im Interesse der Rechtsfindung und zum Zwecke seiner Entlastung durch einen zweiten [X.]erufsrichter zu unterstützen. Außerdem erscheine es aus agrarpolitischen Gründen notwendig, die Zahl der bäuerlichen [X.]eisitzer zu verstärken ([X.]T-[X.]rs. 1/3385 [X.]). [X.]ie Entstehungsgeschichte betont damit zwar die besondere Sachkunde des Gerichts; für die hier aufgeworfene Frage der Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung geben die Materialien indes nichts her. Auch die Kommentar- und sonstige Literatur geht - soweit ersichtlich - nicht auf die Frage ein (vgl. etwa Seehusen/[X.]/[X.], [X.], Kommentar 1954 und 2. Aufl. 1966; [X.], Recht der Flurbereinigung, [X.], Stand April 1989; [X.]/[X.], [X.], Kommentar, 10. Aufl. 2018; Stiebens, [X.]V[X.]l 1971, 98).

[X.]ies zugrunde gelegt erscheint die Verfahrensweise des [X.] jedenfalls nicht durch eine willkürliche Entfernung von den gesetzlichen Vorgaben geprägt.

3. Nach Maßgabe der oben genannten Grundsätze liegt ein durchgreifender Verfahrensmangel aber darin, dass der am Verhandlungstag gestellte [X.]efangenheitsantrag gegen die beiden [X.]erufsrichter unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] als rechtsmissbräuchlich verworfen worden ist, da er "offensichtlich der Verhinderung der [X.]urchführung der mündlichen Verhandlung" diene. Mangels objektiver Anhaltspunkte für diese Einschätzung hält der Senat diesen Verfahrensfehler für derart schwer, dass er in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsgemäßen [X.]esetzung des Gerichts rechtfertigt.

Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] als unzulässig verworfen werden, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 16. April 2020 - 5 [X.] 15.20 [X.] - juris Rn. 3 und vom 29. Januar 2014 - 7 [X.] 13.13 - [X.] 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 5 m.w.[X.]). [X.]avon ist auszugehen, wenn geeignete [X.]efangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit zu rechtfertigen. [X.]as ist unter anderem der Fall, wenn das Gesuch rechtsmissbräuchlich ist, weil es offenbar grundlos ist oder nur der Verschleppung dient (vgl. [X.]VerfG, [X.] vom 15. Juni 2015 - 1 [X.]vR 1288/14 - juris Rn. 15 f.). [X.]ei der Frage, ob ein Ablehnungsgesuch als unzulässig behandelt und durch den abgelehnten [X.] selbst entschieden werden kann, ist ein Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen, da es andernfalls leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein kann, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine [X.]egründetheitsprüfung einzutreten ([X.]VerfG, Stattgebender [X.] vom 24. Februar 2006 - 2 [X.]vR 836/04 - [X.]VerfGK 7, 325 <340> = NJW, 3129 Rn. 50).

An den Voraussetzungen für eine - nach alledem nur ausnahmsweise mögliche - Ablehnung des [X.]efangenheitsantrags als missbräuchlich fehlte es hier. Für die vom Flurbereinigungsgericht angenommene Verschleppungsabsicht bestanden keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere handelte es sich nicht um eine bloße Wiederholung der Gründe für die früheren [X.]ablehnungen. [X.]ei verständiger Auslegung des am Verhandlungstag zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gestellten und begründeten [X.]efangenheitsgesuchs hätte das Flurbereinigungsgericht erkennen müssen, dass es den Klägern darum ging, eine Entscheidung über die ursprünglichen [X.]efangenheitsanträge in der vollen [X.]esetzung nach § 139 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu erreichen oder zumindest eine Erläuterung für die Abweichung vom Gesetzestext zu erhalten. Zur [X.]egründung hatten sie angeführt, ihnen sei erst jetzt - auf Nachfrage - zur Kenntnis gelangt, dass das Gericht zuvor zweimal ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen [X.] über die [X.]efangenheitsanträge entschieden habe. [X.]ies entspreche nicht den Vorgaben des § 139 [X.] zum gesetzlichen [X.]. Auch habe ein [X.] am Verwaltungsgericht mitgewirkt, was sich ihnen nicht erschließe. [X.]a die Kläger auch im Vorfeld der auf den 4. September 2020 anberaumten mündlichen Verhandlung keinen Terminverlegungsantrag gestellt hatten, worauf sie zutreffend in ihrer [X.]eschwerdebegründung hinweisen, deutete nichts auf eine Verschleppungsabsicht hin. [X.]er Termin zur mündlichen Verhandlung wurde vielmehr einmal von Amts wegen und einmal auf Antrag des [X.]eklagtenvertreters verlegt. [X.]aher wäre es geboten gewesen, die Vorwürfe der Kläger einer objektiven Klärung durch einen neutralen, unvoreingenommenen [X.] zuzuführen, um zu verhindern, dass die abgelehnten [X.] ihre eigene Prozessführung - hier in [X.]ezug auf die gerügten [X.]esetzungsfragen - beurteilten und sich so zum [X.] in eigener Sache machten.

[X.]as angefochtene Urteil beruht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf dem Verfahrensmangel, denn hierdurch hat das Flurbereinigungsgericht zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen.

4. [X.]ie [X.]eschlüsse des [X.] vom 23. September 2020 betreffend die Anhörungsrügen gegen die Ablehnung der [X.]efangenheitsanträge sind nicht Gegenstand des angefochtenen Urteils und damit nicht Gegenstand der Überprüfung des Senats im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 132 Abs. 1, § 133 Abs. 1 VwGO).

5. [X.]as Flurbereinigungsgericht hat zudem verfahrensfehlerhaft die Anforderungen an die Klagebefugnis überspannt. Es hätte über die Klage gegen die Anordnung der Gebietserweiterung nicht durch Prozessurteil entscheiden dürfen.

Zwar ist die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, vom materiell-rechtlichen Standpunkt des [X.] aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt fehlerhaft sein sollte. [X.]ies gilt grundsätzlich auch für den Fall der Verneinung der Klagebefugnis, wenn auf der Grundlage des tatsächlichen Prozessstoffes das Gericht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung prüft, diesen dann aber unzutreffend zum Nachteil der [X.] würdigt. An[X.] stellt sich die Rechtslage aber dar, wenn die Vorinstanz die Voraussetzungen gerade der Prozessrechtsnorm unzutreffend beurteilt, etwa bei einer Verkennung der prozessualen [X.]edeutung des § 42 Abs. 2 VwGO, weil ein zu strenger Maßstab an die notwendige Geltendmachung einer Rechtsverletzung angelegt wird. In diesem Falle missachtet das Gericht eine den äußeren Verfahrensgang regelnde Vorschrift. Insbesondere wenn das Vorgericht die prozessualen Anforderungen des § 42 Abs. 2 VwGO überspannt und infolgedessen vom Fehlen einer Sachentscheidungsvoraussetzung ausgeht, kann nicht mehr lediglich von einer fehlerhaften Subsumtion des Sachverhalts ausgegangen werden (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 28. Juni 2007 - 7 [X.] 4.07 - juris Rn. 7 und vom 21. Juli 2014 - 3 [X.] 70.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 68; [X.], in: [X.]., VwGO, 3. Aufl. 2020, Vorb. §§ 40 bis 53 Rn. 14 m.w.[X.]).

[X.]as Flurbereinigungsgericht hat hier deutlich überzogene Anforderungen an die Geltendmachung einer möglichen Rechtsverletzung im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO gestellt. [X.]ie Kläger haben diese Anforderungen bereits dadurch erfüllt, dass sie sich als Teilnehmer eines [X.]odenordnungsverfahrens gegen die auf § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 8 Abs. 2 [X.] gestützte erhebliche Erweiterung des [X.]s wenden. Wie oben zur entsprechenden Grundsatzrüge ausgeführt wurde, dient die in § 8 Abs. 2 [X.] vorgeschriebene Anwendung der §§ 4 - 6 [X.] ersichtlich auch dem Interesse der Teilnehmer des bisherigen [X.]odenordnungsverfahrens; ihnen steht - ohne die Notwendigkeit einer weiteren [X.]arlegung - ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Gebietserweiterung zu. [X.]emgegenüber verlangt das Flurbereinigungsgericht, dass die Kläger bereits im Rahmen der Zulässigkeit der Klage gegen die Gebietserweiterung die Möglichkeit einer späteren Verletzung ihres Anspruchs auf wertgleiche Abfindung darlegen. Hierdurch überspannt es die Anforderungen an die Klagebefugnis im oben beschriebenen dreistufigen Rechtsschutzsystem. [X.]ie wesentliche Erweiterung des [X.] gehört noch zur Stufe der ersten Teilentscheidung des gestuften [X.]odenordnungsverfahrens; sie darf nicht mit Erwägungen aus einer anderen (späteren) Stufe vermischt werden.

[X.]as angefochtene Urteil beruht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf dem Verfahrensmangel. [X.]enn infolge der Klageabweisung durch Prozessurteil statt durch [X.] hat das Oberverwaltungsgericht die von den Klägern geltend gemachten Fehler im Zusammenhang mit der Erweiterung des [X.]s nicht geprüft.

6. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat ferner das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) der Kläger dadurch verletzt, dass es die Rückholung eines Teils der vom [X.]eklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge gebilligt und den Klägern dadurch keine vollständige Einsicht in die dem Gericht vorgelegten Akten ermöglicht hat (§ 100 VwGO).

[X.]as Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG sichert den [X.]eteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und [X.]erücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Zum Recht auf rechtliches Gehör gehört die Möglichkeit der Akteneinsicht; diese dient auch dem umfassenden Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG. [X.]as Akteneinsichtsrecht erstreckt sich dabei auf alle dem Gericht in der konkreten Streitsache vorliegenden Akten mit ihrem gesamten Inhalt. [X.]ie Einsicht in diese Akten kann das Gericht auch dann nicht verweigern, wenn deren Inhalt seiner Auffassung nach keine [X.]edeutung hat. [X.]enn über den [X.]eweiswert vorgelegter Akten kann und darf es sich erst dann ein abschließendes Urteil bilden, wenn die [X.]eteiligten Gelegenheit hatten, sich zu deren Inhalt zu äußern ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 13. April 2010 - 1 [X.]vR 3515/08 - NVwZ 2010, 954 Rn. 36 ff.; vgl. auch [X.]VerwG, Urteil vom 3. November 1987 - 9 [X.] 235.86 - [X.] 310 § 100 VwGO Nr. 5 S. 3 f.).

[X.]ehörden sind grundsätzlich nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Vorlage von Akten verpflichtet. Nur in Ausnahmefällen können sie aus Geheimschutzgründen die Aktenvorlage verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und ein selbständiges in-camera-Verfahren einleiten, dessen Einzelheiten in § 99 Abs. 2 VwGO geregelt sind. [X.]aneben kann es mitunter aus Gründen des [X.]atenschutzes oder zur Wahrung von [X.]etriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten sein, vor einer Aktenvorlage an das Gericht Schwärzungen vorzunehmen; das Akteneinsichtsrecht unterliegt insoweit einer teleologischen Reduktion (Rudisile, in: [X.]/[X.], VwGO, Stand Februar 2021, § 100 Rn. 29; [X.]/[X.], VwGO, 26. Aufl. 2020, § 100 Rn. 3a). So erklärt es sich, dass gerade in Flurbereinigungsverfahren häufig die Zuordnung von Flurstücksbezeichnungen zu den Eigentümernamen verschlüsselt wird oder versucht wird, die Überlegungen der Flurbereinigungsbehörde zur Neuordnung auch ohne namentliche Nennung nachvollziehbar zu machen, etwa indem Flurstücke unterschiedlich farbig markiert werden. Es ist dann eine Frage des [X.], ob andere Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens - soweit ihnen die Namen ihrer "Nachbarn" nicht ohnehin bekannt sind - ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht darlegen können (vgl. dazu § 12 Abs. 1 Satz 1 G[X.]O und etwa OLG Karlsruhe, [X.]eschluss vom 1. Juni 2015 - 11 Wx 97/14 - Justiz 2015, 225).

[X.]ie beiden genannten Ausnahmen (Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO oder vorherige Schwärzung durch die [X.]ehörde) greifen vorliegend nicht ein. Mit der Übersendung der Verwaltungsakten zur Gebietserweiterung sind diese - offenbar gemeinsam mit weiteren ungeprüft mitübersandten Akten, auf die es hier nicht entscheidend ankommt - Gegenstand des Verfahrens geworden und unterlagen dem Akteneinsichtsrecht nach § 100 VwGO. Hierzu zählten insbesondere auch die Schreiben der ... [X.] vom 15. und 17. Januar 2018, die sogar ausdrücklich im Wi[X.]pruchsbescheid in [X.]ezug genommen werden. Zwar ist umstritten, ob das Gericht bereits vorgelegte Akten im Einzelfall zum Zwecke der nachträglichen Schwärzung oder nachträglichen Antragstellung nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO wieder an die [X.]ehörde zurücksenden darf (vgl. hierzu nur [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. März 2004 - 6 [X.] 71.03 - juris Rn. 10 sowie [X.], [X.], 544); auch ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor. [X.]enn die vom Gericht gebilligte Rückholung der Akten erfolgte nicht etwa aufgrund der Geltendmachung eines konkreten, nachvollziehbaren Geheimhaltungsinteresses. Ihr lag vielmehr - wie sich aus dem Vorstehenden zur Klagebefugnis im Falle einer Gebietserweiterung nach § 8 Abs. 2 [X.] ergibt - die schon im Ansatz unzutreffende Annahme zugrunde, die Kläger dürften mangels [X.]arlegung eines besonderen Interesses nur in die ihren eigenen [X.]esitzstand betreffenden Akten Einsicht nehmen.

[X.]as angefochtene Urteil beruht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf dem Gehörsverstoß. [X.]ie Kläger müssen nicht darlegen, was bei Gewährung von Akteneinsicht ausgeführt worden wäre, vielmehr dürfen sie auch zunächst anhand der Verfahrensakte zur Gebietserweiterung nach Möglichkeiten zur Ergänzung ihres Vortrags suchen (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 13. April 2010 - 1 [X.]vR 3515/08 - NVwZ 2010, 954 Rn. 48).

7. [X.]ie von den Klägern gerügte Verbindung des Verfahrens zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung (vgl. § 93 Satz 1 VwGO) mit zwei anderen - ebenfalls von ihnen geführten - Verfahren, die nach ihrer Auffassung einen anderen Gegenstand haben, kann wiederum gemäß § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der [X.]eschwerde angefochten werden und unterliegt deshalb nicht der Überprüfung in der Revisionsinstanz (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO).

Hierzu sei der Vollständigkeit halber allerdings Folgendes angemerkt: [X.]as Flurbereinigungsgericht musste nach früherer Rechtslage sogar mehrere bei ihm anhängige Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden (§ 146 Nr. 3 [X.] a.F.); dem lag die Erwägung zugrunde, dass das Flurbereinigungsverfahren nach den Grundsätzen der - auch heute noch geltenden - §§ 37 und 44 [X.] nicht nur eine den Interessen Einzelner, sondern aller [X.]eteiligten dient (vgl. Seehusen/[X.]/[X.], [X.], Kommentar 1954, § 146 m.w.[X.] zur Regierungsvorlage). § 146 Nr. 3 [X.] wurde im Zuge der Novelle des [X.] in den 1970er Jahren zwar unter Hinweis auf § 93 VwGO für entbehrlich gehalten und aufgehoben ([X.]T-[X.]rs. 7/3020 [X.], 36). [X.]ies ändert aber nichts an der Richtigkeit der genannten Erwägungen.

[X.]. [X.]er Senat übt sein ihm im Rahmen von § 133 Abs. 6 VwGO eingeräumtes Ermessen dahin aus, dass die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen wird. [X.]ies dient der Verfahrensbeschleunigung, weil durch die bislang unvollständige Akteneinsicht sowie die noch fehlende Sachprüfung möglicherweise weitere Tatsachenfeststellungen des [X.] erforderlich werden.

[X.]. [X.]ie Kostenentscheidung ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. [X.]ie Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Meta

9 B 48/20

03.08.2021

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 4. September 2020, Az: 7 C 6/19.F, Urteil

§ 58 Abs 1 LAnpG, § 63 Abs 2 LAnpG, § 8 Abs 2 FlurbG, § 139 Abs 1 S 2 FlurbG, § 100 VwGO, § 99 VwGO, § 54 Abs 1 VwGO, § 42 Abs 2 VwGO, § 9 Abs 3 VwGO, § 5 Abs 3 S 2 VwGO, § 138 Nr 1 VwGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 557 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.08.2021, Az. 9 B 48/20 (REWIS RS 2021, 3562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3562

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1 BvR 2853/11

1 BvR 526/19

1 BvR 1288/14

1 BvR 3515/08

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