Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2011, Az. IV B 120/10

4. Senat | REWIS RS 2011, 5668

GESETZGEBUNG STEUERRECHT STEUERN UNTERNEHMEN BUNDESFINANZHOF (BFH)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(AdV: Festsetzung von Verzögerungsgeld im Rahmen einer Außenprüfung - Zulässigkeit einer mehrfachen Festsetzung von Verzögerungsgeldern - Adressierung an Personengesellschaft - Anwendungsbereich des § 68 FGO - Nachholung von Ermessenserwägungen)


Leitsatz

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Verzögerungsgeld auch verhängt werden kann, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung nicht fristgerecht nachkommt .

Es bestehen indes ernstliche Zweifel, ob eine mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen zulässig ist .

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen von [X.]ern.

2

Im Rahmen der Durchführung einer Außenprüfung forderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) mit Schreiben vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 --Letzteres unter Fristsetzung bis zum 27. April 2010-- gemäß § 200 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) auf, [X.] und Datenträger vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage drohte das [X.] in dem Schreiben vom 21. April 2010 die Festsetzung eines [X.]s in Höhe von jeweils 2.500 € an.

3

Bis zum Fristablauf überreichte die Antragstellerin lediglich einen Datenträger.

4

Mit Bescheid vom 1. Juni 2010 setzte das [X.] der Antragstellerin gegenüber ein [X.] in Höhe von 2.500 € fest.

5

Den dagegen eingelegten Einspruch und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das [X.] ab.

6

Die gegen den Bescheid vom 1. Juni 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobene Klage ist beim Finanzgericht ([X.]) unter dem Aktenzeichen 3 K 1235/10 anhängig.

7

Mit weiterem Schreiben vom 21. Juni 2010 forderte das [X.] die Antragstellerin erneut auf, die [X.] bis zum 29. Juni 2010 vorzulegen. In dem Schreiben wies das [X.] auf die Möglichkeit der Festsetzung eines [X.]s gemäß § 146 Abs. 2b [X.] hin.

8

Mit Bescheid vom 29. Juni 2010 setzte das [X.] der Antragstellerin gegenüber ein (weiteres) [X.] in Höhe von 3.000 € fest, da diese der (erneuten) Aufforderung vom 21. Juni 2010 nicht nachgekommen sei.

9

Dagegen hat die Antragstellerin Sprungklage erhoben, der das [X.] jedoch nicht zugestimmt hat. Eine Einspruchsentscheidung ist bislang nicht ergangen. Den gleichfalls gestellten Antrag auf AdV lehnte das [X.] ab.

Am 7. September 2010 beantragte die Antragstellerin die [X.] vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010 beim [X.].

Während des anhängigen Verfahrens ersetzte das [X.] mit Bescheiden vom 1. Oktober 2010 die Bescheide vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010, jeweils verbunden mit der ausdrücklichen Feststellung, dass die Festsetzung des [X.]s nach erneuter Überprüfung bestehen bleibe. In den Bescheiden vom 1. Oktober 2010 hat das [X.] umfassend zu seinen Ermessenserwägungen Stellung genommen.

Das [X.] hat die Vollziehung der Bescheide vom 1. Oktober 2010 ausgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Bescheide vom 1. Oktober 2010 seien in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Antrag sei angesichts des Begehrens der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass nunmehr die [X.] vom 1. Oktober 2010 begehrt werde.

Der Antrag sei begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bestünden deshalb, weil das [X.] im Rahmen der neuerlichen Ausübung seines Ermessens unberücksichtigt gelassen habe, dass zwischenzeitlich mit der Festsetzung eines höheren [X.]s ein relevantes Ereignis eingetreten sei. Es treffe deshalb nicht zu, wenn das [X.] von einer erstmaligen Sanktionsmaßnahme ausgehe.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bestünden insoweit, als das [X.] die mehrfache Festsetzung eines [X.]s wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 [X.] auf § 146 Abs. 2b [X.] gestützt habe. Eine ausdrückliche diesbezügliche Regelung finde sich in § 146 Abs. 2b [X.] nicht. Es sei auch kein Verweis auf § 332 Abs. 3 [X.] enthalten, wonach eine erneute Zwangsgeldandrohung wegen derselben Verpflichtung möglich sei. Eine analoge Anwendung dieser Regelung verbiete sich wegen der unterschiedlichen Zielsetzung von [X.] und Zwangsgeld.

Zudem seien ernstliche Zweifel dadurch begründet, dass das [X.] mit den seiner Auffassung nach aussichtslosen Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung bei der Ermessensentscheidung sachfremde Umstände berücksichtigt habe.

Mit der vom [X.] zugelassenen (§ 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 [X.]O) Beschwerde macht das [X.] geltend, dass die [X.] vom 1. Oktober 2010 rechtmäßig seien.

Im Rahmen der Ermessensausübung bei dem Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2010, soweit er die erstmalige Festsetzung des [X.]s betroffen habe, sei die weitere Festsetzung eines [X.]s nicht zu berücksichtigen gewesen. Beide Festsetzungen hätten auf verschiedenen Mitwirkungsverlangen beruht und seien daher unabhängig voneinander zu beurteilen.

Auch die Festsetzung eines erneuten [X.]s sei rechtmäßig, da die Sanktion nach dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b [X.] an die jeweilige Aufforderung anknüpfe. Anders als beim Zwangsgeld werde daher nicht dieselbe Pflichtverletzung sanktioniert.

Auch habe das [X.] zu Recht im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt, dass die Antragstellerin durch eine Reihe von Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung, welche wegen der eingetretenen Bestandskraft aussichtslos gewesen seien, die Durchführung der Außenprüfung zu verhindern gesucht habe. Vollstreckungsmaßnahmen hätten grundsätzlich zu unterbleiben, soweit über einen Aussetzungsantrag noch nicht entschieden worden sei. Im Übrigen seien diese Ausführungen erkennbar nur ergänzend und nicht tragend gewesen.

Das [X.] beantragt sinngemäß,

den Beschluss des [X.] aufzuheben und die Anträge auf [X.] vom 1. Oktober 2010 als unbegründet abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Solange der Verwaltungsakt --hier Anforderung von [X.]-- nicht bestandskräftig und über ein diesbezügliches Aussetzungsverfahren noch nicht entschieden worden sei, könne kein [X.] festgesetzt werden. Es sei auch nicht zulässig, das [X.] zu vervielfachen, indem es auf mehrere Verpflichtungen atomisiert werde - hier Datenträger und [X.].

Die Ermessenserwägungen hätten spätestens im Rahmen der Einspruchsentscheidung dargelegt werden müssen. Eine Nachholung in einem finanzgerichtlichen Verfahren sei nicht möglich. Das [X.] habe zudem nicht dargelegt, welche konkrete zeitliche Verzögerung eingetreten sei.

Die [X.]er seien auch fehlerhaft gegen die Antragstellerin festgesetzt worden. Zutreffend hätten sich die Bescheide gegen die gemäß § 34 [X.] für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zuständigen Geschäftsführer (hier die Gesellschafter) der Antragstellerin richten müssen.

Die Festsetzung eines erneuten [X.]s sei auch deshalb unzulässig, weil über die erste Festsetzung noch nicht bestandskräftig entschieden worden sei. Auch sei die Zeitspanne zwischen den beiden Festsetzungsbescheiden zu kurz bemessen. Zudem sei zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines [X.]s wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen von § 146 Abs. 2b [X.] gedeckt sei.

Im Übrigen könne ein [X.] nur im Zusammenhang mit einer Buchführungsverlagerung nach § 146 Abs. 2a [X.] festgesetzt werden.

Entscheidungsgründe

II. 1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 [X.]O kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen.

a) Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O). [X.] des § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 10. Februar 1967 [X.]/66, [X.], 447, [X.] 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. [X.] vom 6. November 2008 [X.]/07, [X.], 294, [X.], 156).

b) Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und präsenten Beweismitteln ergibt ([X.] vom 21. Juli 1994 [X.]/94, [X.] 1995, 116). Aus diesen Unterlagen hat das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen. Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über einen Antrag auf AdV durch das [X.] hat der [X.] als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung ([X.] in [X.], 294, [X.], 156, m.w.N.).

c) Die Beschwerde ist statthaft, weil das [X.] sie zugelassen hat (§ 128 Abs. 3 [X.]O). Der [X.] ist daran --abgesehen von Fällen greifbarer [X.] gebunden ([X.] vom 6. Februar 2009 [X.]/08, [X.] 2009, 760, m.w.N.).

d) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 1. Oktober 2010 in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 [X.]O zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

§ 68 Satz 1 [X.]O greift u.a. dann ein, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt aus formellen Gründen aufgehoben und inhaltsgleich wiederholt wird. Dies gilt gleichermaßen auch dann, wenn der ursprüngliche Bescheid keine hinreichenden Ausführungen zur Ermessensausübung enthält und diese in dem "ersetzenden" Bescheid nachgeholt werden ([X.]-Urteil vom 16. Dezember 2008 [X.], [X.]E 224, 195, [X.], 539, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 68 [X.]O ist auch eröffnet, wenn die Hauptsache sich noch im Vorverfahren befindet und der Änderungsbescheid gemäß § 365 Abs. 3 [X.] Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist ([X.] vom 25. Oktober 1994 [X.]/94, [X.] 1995, 611).

Die Bescheide vom 1. Oktober 2010 sind in ihrem Regelungsausspruch inhaltsgleich mit den Bescheiden vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010. In den Bescheiden vom 1. Oktober 2010 sind lediglich die Ermessenserwägungen nachgeholt worden. Die ersetzenden Bescheide sind daher entsprechend § 68 Satz 1 [X.]O zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

2. Vorliegend bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010.

Das [X.] hat die Festsetzung des [X.] in Höhe von 2.500 € wegen Nichtvorlage der [X.] zu Recht auf § 146 Abs. 2b [X.] gestützt.

a) Nach der Regelung des § 146 Abs. 2b [X.] kann ein [X.] von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 [X.], zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 [X.], zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen [X.] des § 200 Abs. 1 [X.] im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert hat.

Das [X.] wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 ([X.], 2794) --[X.] 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1, Abs. 8 [X.] 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 [X.]) eingeführt. Die Einführung des [X.] stand im engen Kontext mit der ebenfalls durch das [X.] 2009 eingeführten Regelung in § 146 Abs. 2a [X.]. Danach kann das Finanzamt dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern. Für den Fall, dass die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, kann die Bewilligung widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung verlangt werden (§ 146 Abs. 2a Satz 3 [X.]). Um den Steuerpflichtigen in diesem Fall zu einer zeitnahen Rückverlagerung der Buchführung anzuhalten, ist die Möglichkeit der Festsetzung eines [X.] normiert worden.

Über diesen direkten Normzusammenhang hinaus kann nach dem zuvor dargelegten Wortlaut ein [X.] aber auch dann verhängt werden, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen [X.] von § 200 Abs. 1 [X.] im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt (Urteil des Schleswig-Holsteinischen [X.] vom 1. Februar 2011  3 [X.], Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 846; ebenso Geißler, [X.] 2009, 4076; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 146 Rz 5b; [X.], Die steuerliche Betriebsprüfung 2009, 130). Es erscheint zwar systematisch missglückt, die Regelung des [X.] wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten bei einer Außenprüfung mit einem [X.] im Zusammenhang mit anderen Verpflichtungen zu verbinden. Sie hätte, worauf [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 [X.] Rz 51 zutreffend hinweist, besser in § 200 [X.] verortet werden sollen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts kann aber allein aus der unzureichenden systematischen Verortung nicht darauf geschlossen werden, dass ein [X.] nur im Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland oder unterbliebener Rückverlagerung der Buchführung aus dem Ausland festgesetzt werden darf (so aber [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 146 [X.] Rz 51). Dieses Verständnis der Norm wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Danach soll das [X.] im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelten, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/10189, [X.]). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Erstreckung des [X.] auch auf Fälle sonstiger Mitwirkungsverletzungen aus Gründen der Gleichbehandlung überhaupt erforderlich gewesen wäre (ablehnend [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 146 [X.] Rz 51).

b) Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b [X.] ist vorliegend erfüllt. Gegenüber der Antragstellerin ist mit Bescheid vom 9. Mai 2008 eine Außenprüfung angeordnet worden. Der Bescheid ist nach Abschluss des dagegen gerichteten Klage- und Revisionszulassungsverfahrens bestandskräftig (siehe [X.] vom 19. November 2009 [X.]/09, [X.] 2010, 595).

aa) Das [X.] durfte deshalb die Aufforderung an die Antragstellerin vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 zur Vorlage der [X.] zuletzt bis zum 27. April 2010 erlassen. Die relativ kurze Frist war angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls noch angemessen. Zum einen war die Antragstellerin bereits mehrmals zur Vorlage der [X.] aufgefordert worden. Zum anderen hat die Antragstellerin durch selbst mit nicht statthaften Anträgen verbundene Rechtsbehelfe gegen sämtliche Mitwirkungsverlangen des Prüfers fortwährend Verzögerungen bewirkt.

bb) Der Festsetzung des [X.] steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Aufforderung zur Vorlage der [X.] mit Rechtsmitteln angegriffen hat. Maßgeblich ist allein, dass die Aufforderung vollziehbar war. Nach Aktenlage wurden die Anträge auf AdV der Aufforderungen zur Vorlage der [X.] abgelehnt.

cc) Im Streitfall bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob und inwieweit § 146 Abs. 2b [X.] eine Vervielfachung der Festsetzung des [X.] dadurch ermöglicht, dass sich die vorherige Aufforderung auf eine Vielzahl von Unterlagen erstreckt. Denn das [X.] hat in dem Bescheid vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 nur den Mindestbetrag von 2.500 € festgesetzt, so dass sich das Problem einer Vervielfachung des [X.] nicht stellt.

dd) Der Bescheid über die Festsetzung des [X.] ist ebenso wie die Aufforderung zur Vorlage der [X.] zutreffend an die Antragstellerin als Inhaltsadressatin gerichtet worden. Insoweit kann für diese Bescheide nichts anderes gelten als für die Prüfungsanordnung. Unterhält eine Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb (§ 193 Abs. 1 [X.]), ist sie selbst Prüfungssubjekt und damit Inhaltsadressatin der Prüfungsanordnung nicht nur für die Steuern, die sie persönlich schuldet (z.B. Gewerbesteuer und Umsatzsteuer), sondern gleichermaßen im Hinblick auf die gesondert und einheitlich festzustellenden Einkünfte ihrer Gesellschafter ([X.]-Urteil vom 26. Juni 2007 IV R 75/05, [X.] Entscheidungsdienst 2008, 341). Auch im Streitfall war die Prüfungsanordnung zutreffend an die Antragstellerin als Inhaltsadressatin gerichtet. Entsprechend oblagen ihr auch die Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit der Durchführung der Außenprüfung.

ee) Der Senat hat bei summarischer Prüfung schließlich auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass das [X.] sein Entschließungsermessen im Hinblick auf das Ob einer Festsetzung des [X.] und sein Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe des [X.] zutreffend ausgeübt hat.

Das [X.] musste beim Erlass des Bescheids vom 1. Oktober 2010, mit dem der Bescheid vom 1. Juni 2010 geändert bzw. ersetzt worden ist, im Rahmen der Ermessensausübung nicht berücksichtigen, dass zwischenzeitlich ein höheres [X.] festgesetzt worden ist. Anders als das [X.] meint, ist die Festsetzung eines weiteren [X.] jedenfalls im Streitfall kein relevantes Ereignis, welches in die Ermessenserwägungen des ersten Bescheids miteinzubeziehen gewesen wäre.

Zutreffend weist das [X.] darauf hin, dass beide Bescheide auf voneinander unabhängigen Mitwirkungsverlangen beruhen, nämlich einerseits den Aufforderungen vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 und andererseits der Aufforderung vom 21. Juni 2010. Zwar liegt es nahe, dass die erstmalige Festsetzung eines [X.] in die Ermessenserwägung (Auswahlermessen) im Rahmen der betragsmäßigen Festsetzung eines weiteren [X.] einzufließen hat, soweit eine weitere Festsetzung dem Grunde nach überhaupt zulässig ist (dazu unter II.3.). Umgekehrt kann die Festsetzung eines weiteren [X.] aber keinerlei Einfluss auf die erstmalige Festsetzung eines [X.] haben. Die Ermessenserwägungen sind vielmehr ausschließlich auf diesen erstmalig verwirklichten Sachverhalt zu beziehen. Später eintretende Umstände sind auch nicht dann im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, wenn, wie im Streitfall, das [X.] die zunächst unterlassenen Ermessenserwägungen in einem Änderungs- bzw. Ersetzungsbescheid zu einem Zeitpunkt nachholt, in dem ein weiteres [X.] bereits festgesetzt worden ist. Denn ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen müssen sich die Ermessenserwägungen ausschließlich auf den Sachverhalt beziehen, der im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Festsetzungsbescheids verwirklicht war.

3. Bei summarischer Prüfung bestehen indes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der Fassung vom 1. Oktober 2010.

a) Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines [X.] wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen [X.] des § 200 Abs. 1 [X.] von § 146 Abs. 2b [X.] gedeckt ist (für zulässig erachtet von [X.], § 146 Abs. 2a und 2b [X.]: [X.] im Steuerrecht, Die Steuerberatung 2009, 207; Schreiben des [X.] vom 22. April 2010, [X.], 676).

Die Zulässigkeit einer mehrfachen Festsetzung wegen derselben Verpflichtung lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 146 Abs. 2b [X.] entnehmen. Das [X.] soll nach der Gesetzesbegründung den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Mitwirkung anhalten. Es steht damit in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Zwangsgeld gemäß § 328 Abs. 1, § 329 [X.]. Für das Zwangsgeld enthält § 332 Abs. 3 [X.] die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, es erneut wegen derselben Verpflichtung anzudrohen, wenn das zunächst angedrohte Zwangsgeld erfolglos geblieben ist. Das Schweigen des Gesetzgebers zu der Möglichkeit einer erneuten Festsetzung eines [X.] deutet daher darauf hin, dass ein [X.] wegen derselben Verpflichtung nur einmal festgesetzt werden kann. Eine analoge Anwendung des § 332 Abs. 3 [X.] kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil nicht zu erkennen ist, dass das Fehlen einer Regelung zur wiederholten Festsetzung eines [X.] auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht. Es fehlt damit an der für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

b) Da das [X.] noch nicht über den Einspruch gegen den Bescheid vom 29. Juni 2010 in der Fassung vom 1. Oktober 2010 entschieden hat, beschränkt der Senat in Ausübung seines Ermessens die AdV des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bis zum Abschluss des [X.].

Meta

IV B 120/10

16.06.2011

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 15. Oktober 2010, Az: 3 V 1296/10, Beschluss

§ 146 Abs 2b AO, § 200 Abs 1 AO, § 332 Abs 3 AO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 68 FGO, § 365 Abs 3 AO, § 193 Abs 1 AO, § 5 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2011, Az. IV B 120/10 (REWIS RS 2011, 5668)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5668

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X B 37/11 (Bundesfinanzhof)

Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Rahmen einer Außenprüfung


IV R 25/11 (Bundesfinanzhof)

Zu den Grundsätzen der Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds - …


IV R 17/14 (Bundesfinanzhof)

Umfang der Ermessenserwägungen und Zeitpunkt der gerichtlichen Kontrolle bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds


I R 10/12 (Bundesfinanzhof)

Verzögerungsgeld: Ermessensausübung - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz


13 K 114/17 (Niedersächsisches Finanzgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.