Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.07.2012, Az. VII ZR 262/11

7. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4228

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Gegenstand

Vertrag über einen Grundeintrag in einem Internet-Branchenverzeichnis: Vertragseinbeziehung einer "versteckten" Entgeltklausel


Leitsatz

Wird eine Leistung (hier: Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet) in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten, so wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des [X.] vom 15. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin unterhält ein Branchenverzeichnis im [[X.].]. Um Eintragungen zu gewinnen, übersendet sie Gewerbetreibenden ein Formular, welches sie als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank…" bezeichnet. Auf der linken Seite des Formulars befinden sich unter der (unterstrichenen) Aufforderung "Bitte ggf. streichen/korrigieren" mehrere Zeilen, die für Unternehmensdaten vorgesehen sind (Firma, Straße, Postleitzahl, Ort, Geschäftsführer, Branche, Telefon/Fax). Sodann folgt eine Unterschriftszeile, deren Beginn mit einem fettgedruckten "[X.]" hervorgehoben ist. Darunter heißt es in vergrößerter Schrift: "Rücksendung umgehend erbeten" und sodann (unterstrichen) "zentrales Fax"; es folgt die fett und vergrößert wiedergegebene Faxnummer der Klägerin.

2

Auf der rechten Seite des Formulars befindet sich eine umrahmte [X.], die folgenden Text enthält:

"Hinweise zum Ersteintragungsantrag, Leistungsbeschreibung sowie Vertragsbedingungen, [X.] sowie Hinweis nach § 33 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz):

Sehr geehrte Damen und Herren, die Aufnahme in unser gewerblich geführtes Verzeichnis erfolgt erst nach Rücksendung des Formulars. Wir bieten Ihnen die Veröffentlichung Ihrer nebenstehenden Daten in unserem Branchenverzeichnis www.g...org im [[X.].] gemäß umseitiger Nr. 4 [X.] gegen Entgelt an. Vertragslaufzeit zwei Jahre, die Kosten betragen 650 Euro netto pro Jahr. Die umseitigen [X.] sind fester Bestandteil Ihres nebenstehenden Antrags. Die gesetzlichen Veröffentlichungspflichten Ihrer Daten sind von diesem Angebot nicht berührt. Es besteht zwischen uns aktuell keine Geschäftsbeziehung, es besteht keine Verpflichtung zur Rücksendung des Antrags. Der Auftrag zur Eintragung gilt durch Rücksendung als unwiderruflich erteilt. Beachten Sie, dass nach Erteilung des Auftrages kein Rücktritt mehr möglich ist. Vollständige Anbieterkennzeichnung nach § 35a GmbHG umseitig.

Hinweis nach § 33 BDSG:

[X.] werden gespeichert. Dieses Schreiben wurde aus Kostengründen maschinell erstellt und trägt keine Unterschrift."

3

Die Zeilen "Hinweise zum…" bzw. "Hinweis nach…" sind fett gedruckt. Der Geschäftsführer der Beklagten füllte das ihm unaufgefordert zugesandte Formular aus und sandte es zurück. Die Klägerin trug die Beklagte in das Verzeichnis ein und stellte am 30. November 2010 dafür 773,50 € brutto in Rechnung.

4

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung des vorgenannten Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsverlangen weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die [X.] zu Recht abgewiesen.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2011, 27222 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Klägerin stehe kein Zahlungsanspruch zu, weil die formularmäßige [X.] überraschend sei (§ 305c Abs. 1 [X.]). Derartige [X.]ungen in [X.] seien zwar nicht generell, aber häufig unentgeltlich. Die [X.] sei hier zwischen anderen Angaben so versteckt eingefügt worden, dass sie ohne Weiteres übersehen werden könne und der Adressat nicht damit zu rechnen brauche. Die Aufmerksamkeit des Adressaten werde in erster Linie auf das Ausfüllen des Textes für den Brancheneintrag gelenkt. Von [X.] könne nicht erwartet werden, dass er den gerahmten Text sorgfältig lese.

8

Ein Vergütungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 632 Abs. 1 [X.]. Die Eintragung sei wegen einer Vielzahl kostenlos angebotener Einträge nicht nur gegen Vergütung zu erwarten.

II.

9

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision vergeblich. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die von der Klägerin verwendete formularmäßige [X.] wegen ihres überraschenden Charakters nicht [X.]bestandteil geworden ist (§ 305c Abs. 1 [X.]).

1. Nach dieser Vorschrift, die auch gegenüber Unternehmern Anwendung findet (§ 310 [X.]), werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des [X.], so ungewöhnlich sind, dass der [X.]partner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht [X.]bestandteil. [X.] hat eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann, wenn sie von den Erwartungen des [X.]partners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht ([X.], Urteile vom 17. Mai 1982 - [X.], [X.]Z 84, 109, 113; vom 18. Mai 1995 - [X.], [X.]Z 130, 19, 25; vom 11. Dezember 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 780 unter [X.]; vom 9. Dezember 2009 - [X.], [X.], 671 Rn. 12; jeweils m.w.N.). Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen [X.]partners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an ([X.], Urteile vom 30. Oktober 1987 - [X.], [X.]Z 102, 152, 159; vom 24. Oktober 2000 - [X.], NJW-RR 2001, 1420 unter [X.]; vom 10. September 2002 - [X.], [X.], 3627 [X.]). Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen ([X.], Urteile vom 17. Mai 1982 - [X.], aaO; vom 22. November 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 490 Rn. 14; vom 21. Juli 2010 - [X.], [X.], 3152 Rn. 27; [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., § 305c Rn. 4; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 305c Rn. 12 f.; BeckOK [X.]/[X.], Stand: 1. Mai 2012, § 305c Rn. 17, 38).

2. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Auch ein gewerblicher [X.]partner, der der Klägerin mittels des von ihr verwendeten Formulars einen Eintragungsauftrag erteilt, braucht mit einer [X.] dieser Art nicht zu rechnen. Die Revision weist ohne Erfolg darauf hin, dass bereits in der Überschrift der schmalen rechten Spalte von einem "[X.]" die Rede sei und [X.]kosten und -laufzeit im Text der Längsspalte vorgestellt würden.

Das Berufungsgericht geht von der Revision unbeanstandet davon aus, dass Eintragungen in Branchenverzeichnisse im [X.] zwar nicht generell, aber in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden. Die berechtigte Kundenerwartung wird in der vorliegenden Fallgestaltung nicht hinreichend deutlich korrigiert. Die Bezeichnung des Formulars als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank" macht nicht hinreichend deutlich, dass es sich um ein Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelt. Der Hinweis auf die Vergütungspflicht in der Längsspalte geht im ihn umgebenden Fließtext unter. Das gilt bereits für den Begriff "[X.]" in der Überschrift und erst recht für die Höhe der Vergütung und die Laufzeit des [X.]. Die Aufmerksamkeit auch des gewerblichen Adressaten wird durch Hervorhebung im Fettdruck und Gestaltung auf die linke Spalte gelenkt. Die in der Längsspalte mitgeteilte [X.] ist demgegenüber drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten ist.

Dementsprechend haben die Berufungsgerichte in vergleichbaren Fallgestaltungen entschieden, dass [X.]n, die nach der drucktechnischen Gestaltung eines Formulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt sind, dass sie von dem [X.]partner des Verwenders nicht vermutet werden, nach § 305c Abs. 1 [X.] nicht [X.]bestandteil werden ([X.], NJW-RR 2008, 1450; [X.], [X.] 2011, 1173 mit Anmerkung [X.], [X.] 14/2011 [X.]; zu "versteckten" [X.]n siehe auch [X.], NJW-RR 2002, 915; [X.], [X.] 2009, 391; [X.], NJW-RR 2012, 424).

3. Dem steht das Urteil des [X.] vom 22. Februar 2005 ([X.], NJW-RR 2005, 1082 unter 4) nicht entgegen. Darauf beruft sich auch die Revision nicht. Das vorgenannte Urteil beruht auf besonderen tatrichterlichen Feststellungen (so auch Scharen in: Festschrift [X.], 2004, S. 861 ff.). In dem vorgenannten Fall hatte bereits das Berufungsgericht die [X.] nicht als überraschend angesehen, weil der durchschnittliche [X.] nicht damit rechne, den [X.] in ein Online-Firmenverzeichnis kostenlos zu erhalten. Gegen diese im Rahmen des § 286 ZPO mögliche Wertung hatte die Revision des Kunden nichts vorgebracht ([X.], Urteil vom 22. Februar 2005 - [X.], aaO).

4. Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht [X.]bestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 [X.] im Übrigen wirksam und sein Inhalt richtet sich gemäß § 306 Abs. 2 [X.] nach den gesetzlichen Vorschriften. Zutreffend und unangegriffen geht das Berufungsgericht insoweit davon aus, dass die Herstellung des Werkes den Umständen nach nicht nur gegen eine Vergütung zu erwarten war (§ 632 Abs. 1 [X.]), so dass ein Werklohnanspruch auch auf dieser Grundlage nicht besteht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                                                [X.]                                                Eick

                           Kosziol                                                              [X.]

Meta

VII ZR 262/11

26.07.2012

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bochum, 15. November 2011, Az: 11 S 100/11

§ 305c Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.07.2012, Az. VII ZR 262/11 (REWIS RS 2012, 4228)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4228

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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