Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.06.2016, Az. VI ZR 476/15

6. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 9624

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Gegenstand

Schadensersatz nach Verkehrsunfall: Wirksamkeit einer Formularklausel zur Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten im Vertrag über die Erstellung eines Schadensgutachtens


Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 29. Juli 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die über eine Inkassoerlaubnis nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verfügt, begehrt von dem beklagten Haftpflichtver[X.]herer aus abgetretenem Recht Ersatz restlicher Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall. Als Einzugsstelle unter anderem für [X.] finanziert sie in Rechnung gestellte Sachverständigenkosten abzüglich einer vereinbarten Gebühr vor. Im Gegenzug werden ihr aus dem Unfallereignis entstandene Forderungen der Unfallgeschädigten abgetreten.

2

Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit. Der Geschädigte beauftragte das Kfz-Sachverständigenbüro A. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Schadenshöhe. Zu diesem Zweck unterzeichnete er einen formularmäßigen "Gutachtenauftrag". Das Formular enthält unter der Überschrift "Abtretung und Zahlungsanweisung" folgende Klausel:

"Zur Sicherung des [X.] in der o.g. Angelegenheit trete ich meine Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtver[X.]herer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des [X.] einschließlich der Mehrwertsteuer des Sachverständigen gemäß Rechnung für die Erstellung des Beweis[X.]herungsgutachtens ab an die

D. (= Klägerin)

nachfolgend: "[X.]" genannt -

Zugleich weise ich hiermit die Anspruchsgegner unwiderruflich an, den Forderungsbetrag aus der Rechnung des Sachverständigen unmittelbar durch Zahlung an die [X.] zu begleichen. Die Abtretung erfolgt in der Reihenfolge: Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfallentschädigung, Nebenkosten, Reparaturkosten. Dabei wird eine nachfolgende Position nur abgetreten, wenn die zuvor genannte Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken. Sollte die Abtretung der Ansprüche den tatsächlichen Honoraranspruch übersteigen, erfolgt die Abtretung dergestalt, dass hin[X.]htlich der zuletzt abgetretenen [X.] ein erstrangiger Teilbetrag in Höhe des restlichen [X.] abgetreten wird. [X.] ist berechtigt, diese Abtretung den [X.] gegenüber offen zu legen und die erfüllungshalber abgetretenen Ansprüche gegenüber den [X.] im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Sachverständigen oder der [X.] aus dem Sachverständigenvertrag gegen [X.] nicht berührt. Diese können die Ansprüche nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung bei der gegnerischen Ver[X.]herung oder dem Schädiger zu jederzeit gegen [X.] geltend machen. Im Gegenzug verzichten das Sachverständigen ([X.]) und die [X.] dann jedoch Zug um Zug gegen die Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den [X.]. Über die Vergütungsansprüche des Sachverständigen im Zusammenhang mit der im vorliegenden Schadensanfall entfalteten Tätigkeit darf ich keine Vergleiche abschließen."

3

Dieses Abtretungsformular wird in vergleichbarer Form in einer Vielzahl von Fällen auch von anderen Kunden der Klägerin im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Klägerin verwendet.

4

Der Sachverständige berechnete dem Geschädigten für das Gutachten unter dem 22. Mai 2014 ein Honorar in Höhe von 654,81 €. Die Rechnung enthält den Hinweis, dass der Sachverständige die Ansprüche aus der [X.] an die Klägerin abgetreten hat. Die Beklagte zahlte darauf an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 592,03 €, eine weitergehende Zahlung lehnte sie ab. Der Restbetrag von 62,78 € nebst Zinsen ist Gegenstand der Klage.

5

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen - vom Amtsgericht zugelassene - Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung der geltend gemachten weiteren Sachverständigenkosten habe, da es ihr an der erforderlichen Aktivlegitimation fehle. Unter Berufung auf das Senatsurteil vom 7. Juni 2011 ([X.], [X.], 1008 ff.) führt es aus, die dem Anspruch zugrundeliegende Abtretungsvereinbarung sei nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar und daher unwirksam. Aus der Abtretungsvereinbarung müsse sich zweifelsfrei entnehmen lassen, ob eine konkrete Forderung von der Abtretung erfasst werde. Die Abtretung einer Forderungsmehrheit werde diesen Anforderungen nicht gerecht, wenn nicht erkennbar sei, auf welche (Teil-)Forderung sich die Abtretung beziehe. Es sei deshalb unzulässig, von der Gesamtsumme der Forderungen aus und im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall nur einen summenmäßig bestimmten Teil abzutreten. Dies sei hier geschehen. Von der Abtretung umfasst seien nach der offenen Formulierung des unter dem Abschnitt "Abtretung und Zahlungsanweisung" der Abtretungserklärung angeführten Satzes 1 [X.] sämtliche Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs. Die Abtretungserklärung betreffe damit eine Vielzahl von Forderungen und nicht lediglich unselbständige Positionen eines einheitlichen Anspruchs. In dem nachfolgenden Satz 3 werde zwar in Umsetzung der Rechtsprechung des [X.] hinsichtlich eines Teils aller denkbaren Schadenspositionen eine Rangfolge aufgestellt. Der Umfang der nach Satz 1 abgetretenen Ansprüche werde indes nicht auf diese Positionen beschränkt. Die Abtretung erfasse auch danach noch eine Mehrzahl selbständiger Forderungen, und zwar auch solche, die über die in Satz 3 konkret benannten Forderungen hinausgingen, etwa Schmerzensgeldansprüche, Verdienstausfall, [X.] etc.. Hinsichtlich dieser fehle es an einer ausreichenden Aufschlüsselung der Höhe und der Reihenfolge nach. Die Abtretungsvereinbarung könne auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass von Satz 1 der Erklärung lediglich die in Satz 3 genannten Schadenspositionen umfasst seien. Es handle sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die ausgehend von den [X.] eines [X.] objektiv und einheitlich so auszulegen seien, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten [X.] verstanden werde. Danach würden von der Abtretung [X.] sämtliche Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer umfasst. Zudem sei die Abtretung auch wegen Verstoßes gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] geregelte Transparenzgebot unwirksam. Die Abtretungserklärung lasse aufgrund der Widersprüche in Satz 1 und Satz 3 jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit und damit möglichst klar und präzise erkennen, ob nunmehr alle Ansprüche abgetreten seien oder aber eben nur die in Satz 3 aufgelisteten.

II.

7

Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

8

Es kann dahinstehen, ob die Aktivlegitimation der Klägerin mit den Erwägungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Bestimmtheit der Abtretung der Schadensersatzansprüche verneint werden kann. Die fragliche Abtretungsklausel ist gemäß § 305c Abs. 1 [X.] wegen ihres überraschenden Charakters bereits nicht Vertragsbestandteil geworden.

9

1. Zutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass auf die unstreitig formularmäßige Klausel zur Abtretung von Schadensersatzforderungen des Geschädigten an die Klägerin die Regelungen zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff. [X.] anwendbar sind. Der Geltungsanspruch des Gesetzes erstreckt sich auch auf vorformulierte Verträge mit Verfügungscharakter (herrschende Meinung, vgl. nur [X.], Urteil vom 20. März 1985 - [X.], [X.]Z 94, 105, 112; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2013, § 305 Rn. 13; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht, 12. Aufl., § 305 Rn. 15).

2. Eine Regelung in [X.] hat einen überraschenden Inhalt i.S.v. § 305c Abs. 1 [X.], wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. [X.], Urteile vom 28. Mai 2014 - [X.], [X.], 966 Rn. 19; vom 18. Mai 1995 - [X.], [X.]Z 130, 19, 25; vom 1. Oktober 2014 - [X.], [X.], 757 Rn. 14; vom 9. Dezember 2009 - [X.], [X.]Z 183, 299 Rn. 12; vom 11. Dezember 2003 - [X.], [X.], 278, 280; vom 26. Juli 2012 - [X.], [X.], 1247 Rn. 10; vom 30. Juni 1995 - [X.], [X.]Z 130, 150, 154). Das Wesensmerkmal überraschender Klauseln liegt in dem ihnen innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt ([X.], Urteil vom 30. September 2009 - [X.], [X.], 1622 Rn. 13; vom 18. Februar 2009 - [X.], [X.], 623 Rn. 18; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 305c Rn. 8 mwN). Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an ([X.], Urteile vom 1. Oktober 2014 - [X.], [X.], 757 Rn. 14; vom 26. Juli 2012 - [X.], [X.], 1147 Rn. 10). Beurteilungsmaßstab sind also die Kenntnisse und Erfahrungen des typischerweise an Rechtsgeschäften dieser Art beteiligten Personenkreises (vgl. [X.]/[X.], aaO Rn. 10 mwN).

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Klausel überraschend. Der rechtlich nicht vorgebildete durchschnittliche Auftraggeber eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall braucht mit einer Abtretungsvereinbarung dieser Art nicht zu rechnen.

a) Unterstellt man zu Gunsten der Revision die ausreichende Bestimmtheit der Klausel, die der Senat selbst auslegen kann, kommt der Klausel - soweit für die Revision von Bedeutung - nach dem äußeren Erscheinungsbild im Wesentlichen folgender Regelungsgehalt zu: Der Geschädigte tritt zur Sicherung des [X.] von seinen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall die Ansprüche auf Ersatz der Position Sachverständigenkosten und weiter die auf Ersatz von Wertminderung, Nutzungsausfall, Nebenkosten und Reparaturkosten in dieser Reihenfolge und in Höhe des [X.] zuzüglich im Vertrag definierter Fremdkosten und Mehrwertsteuer an die Klägerin ab. Der Anspruch auf Ersatz einer nachfolgenden Position wird nur abgetreten, wenn der Anspruch auf Ersatz der zuvor genannten Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken.

b) Eine so weitgehende Sicherung des [X.] weicht deutlich von den Erwartungen des Vertragspartners ab und braucht von ihm bei der Beauftragung des Schadensgutachtens auch nicht in Betracht gezogen zu werden.

aa) Zwar mag es nicht ungewöhnlich und auch nicht überraschend sein, dass ein Geschädigter zur Sicherung des vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruchs im Rahmen des Auftrages zur Erstellung des Gutachtens seinen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen oder auf dessen Vorschlag an eine Einzugsstelle abtritt (vgl. zur Abtretung von Mietwagenkosten Senatsurteil vom 31. Januar 2012 - [X.], [X.]Z 192, 270 ff.; vgl. zur Abtretung der Sachverständigenkosten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes vom 30. November 2006, BT-Drucks. 16/3655 [X.]). Dies liegt zunächst im Interesse des Sachverständigen, dessen Honorarforderung vorab von der Einzugsstelle befriedigt wird, der er einen in der Regel zahlungsfähigen Schuldner, den Haftpflichtversicherer des Schädigers, anträgt. Die Abtretung entspricht regelmäßig auch dem Interesse des durchschnittlichen geschädigten Auftraggebers, der unter Beschränkung des eigenen Aufwandes möglichst schnell einen Ausgleich vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer erhalten will. Eröffnet sich ihm die Möglichkeit einer Stundung der Honorarforderung des Sachverständigen oder deren Erfüllung ohne eigene finanzielle Vorlage und eigenes Zutun, ist er bereit, seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an eine Einzugsstelle abzutreten, damit diese der Sache nach die Honorarforderung des Sachverständigen geltend machen kann.

bb) Der durchschnittliche Geschädigte rechnet aber nicht damit, dass - wie noch zu zeigen ist - durch die Abtretung eine Risikoverlagerung zu seinen Lasten im Hinblick auf die Geltendmachung des [X.] erfolgt und die Durchsetzung seiner weiteren, nicht die Sachverständigenkosten betreffenden Schadensersatzforderungen verkürzt werden könnte.

Die Abtretung erfolgt in Höhe des [X.] zuzüglich Fremdkosten und Mehrwertsteuer gemäß dem - im selben Formular dem Sachverständigen erteilten - "Gutachtenauftrag". Der auf diesen Vertrag gestützte Honoraranspruch kann, muss aber nicht stets gem. § 249 [X.] ersatzfähig sein. Für die Erstattungsfähigkeit nach § 249 [X.] kommt es u.a. auf die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten in der geltend gemachten Höhe an. Zwar gehören die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 [X.] auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. nur Senatsurteil vom 22. Juli 2014 - [X.], [X.], 1141 Rn. 9). Aber auch bei dem Grunde nach unstreitiger vollständiger Haftung des Schädigers richtet sich die Schadensersatzforderung nur auf den gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 [X.] zur Herstellung objektiv erforderlichen Geldbetrag und nicht etwa auf Ausgleich der dem Geschädigten vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Beträge. Der Geschädigte kann nämlich vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 [X.] als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen (vgl. Senatsurteile vom 26. April 2016 - [X.], juris Rn. 13; vom 22. Juli 2014 - [X.] aaO Rn. 14, 15 mwN). Dieser Betrag kann geringer sein als das vereinbarte Honorar. In der Praxis beanstandet die [X.] auch in zahlreichen gerichtlichen Verfahren das in Rechnung gestellte [X.] unter Berufung auf die fehlende Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 [X.]. In einem solchen Fall könnte der Haftpflichtversicherer des Schädigers aber geneigt sein, die Berechtigung der Honorarforderung des Sachverständigen nicht - notfalls gerichtlich - zu klären, sondern stattdessen den für überschießend erachteten Teil des geltend gemachten [X.] mit den weiteren, dem Sachverständigen abgetretenen Ansprüchen auf Ersatz von Wertminderung, Nutzungsausfall etc. zu verrechnen. Dies führte dazu, dass der Geschädigte - hält er die Honorarforderung aus welchen Gründen auch immer für nicht gerechtfertigt - gegen den Sachverständigen vorgehen muss, während er ohne die in der Klausel enthaltene Abtretung eine Inanspruchnahme durch den Sachverständigen abwarten und diesem seine Einwendungen entgegenhalten könnte. Hinzu treten die durch die Klauselfassung geschaffenen Unsicherheiten, ob und in welcher Höhe noch Schadensersatzansprüche gegen den Haftpflichtversicherer bestehen.

cc) Diese Folgen der Abtretungsklausel weichen von den Erwartungen des durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Geschädigten deutlich ab. Der Geschädigte ist - für den Sachverständigen erkennbar - an einer möglichst schnellen, unkomplizierten und risikolosen Abwicklung des Schadensfalles interessiert. Wenn, wie hier, die volle Haftung des Unfallgegners dem Grunde nach unstreitig ist, geht der an der Erstellung eines Sachverständigengutachtens interessierte Geschädigte erkennbar davon aus, dass ihm die Sachverständigenkosten von der gegnerischen Haftpflichtversicherung erstattet werden. In dieser Erwartung wird er darin bestärkt, dass der Sachverständige ihm die Einziehung der Schadensersatzforderung bei der gegnerischen Versicherung durch eine Einzugsstelle anbietet. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten ([X.], Urteil vom 25. März 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1101 Rn. 14). Vor diesem Hintergrund stellt sich das Angebot des Sachverständigen, unter Einschaltung einer Einzugsstelle mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung abzurechnen, aus Sicht des Geschädigten als eine Regelung zur vereinfachten Abwicklung dar, die der Sachverständige für ihn übernimmt. Diese Erwartung wird nicht nur nicht erfüllt, sondern die rechtliche Position und wirtschaftliche Situation des Geschädigten zugunsten der Interessen des Sachverständigen geschwächt.

4. Darin liegt zugleich eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.], denn die Klausel lässt die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für den durchschnittlichen geschädigten Auftraggeber wie dargelegt nicht in ausreichendem Maße erkennen.

[X.]                     von [X.]

             Oehler                       [X.]

Meta

VI ZR 476/15

21.06.2016

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bonn, 29. Juli 2015, Az: 5 S 23/15

§ 249 Abs 2 S 1 BGB, § 305c Abs 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.06.2016, Az. VI ZR 476/15 (REWIS RS 2016, 9624)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9624

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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