Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.08.2012, Az. 3 StR 132/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4105

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Totschlags: Anforderungen an die Strafzumessungserwägungen im Urteil; Gewicht der Milderungsgründe bei zweifacher Milderung des Regelstrafrahmens


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2011 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

Das [X.] hat einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 1 StGB angenommen und diesen Sonderstrafrahmen nochmals gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Dies ist frei von [X.] zum Nachteil des Angeklagten. Entgegen der Ansicht der Revision und des [X.] lässt aber auch die Strafzumessung im engeren Sinne im Ergebnis einen durchgreifenden, den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler nicht erkennen. Das [X.] hat insoweit zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft, als Erstverbüßer und nicht [X.] sprechender Ausländer besonders strafempfindlich sei und dass er sich bereits mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft befinde. [X.] habe sich zudem ausgewirkt, dass er sich geständig eingelassen habe und durch die Tat auch selbst körperlich und psychisch verletzt worden sei. Das [X.] hat "besondere Umstände, die sich zu seinen Lasten ausgewirkt hätten, nicht festgestellt". Dass es dennoch innerhalb des von ihm zugrunde gelegten Strafrahmens von drei Monaten bis sieben Jahre und sechs Monaten Freiheitsstrafe eine solche von fünf Jahren zugemessen hat, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

3

1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, so dass das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 20 ff.; [X.], 6. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 [X.]); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. [X.], Urteil vom 23. November 1994 - 3 [X.], [X.] Nr. 42 zu § 267 [X.] mwN; [X.], [X.], 55. Aufl., § 267 Rn. 18).

4

2. Nach diesen Maßstäben ist ein revisionsrechtlich bedeutsamer Fehler der Strafbemessung hier nicht ersichtlich.

5

a) Zunächst ist mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu besorgen, dass das [X.] innerhalb des nach zweifacher Milderung gewählten Strafrahmens ausschließlich für den Angeklagten sprechende Gesichtspunkte erwogen und gleichwohl eine im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelte Strafe verhängt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 2003 - 2 StR 463/02, [X.]R StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23). Vielmehr hat das [X.] auch gegen den Angeklagten sprechende Umstände festgestellt, diese aber ersichtlich lediglich nicht als bestimmend im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 [X.] angesehen und daher in den schriftlichen Urteilsgründen bei der Strafzumessung nicht angeführt. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung, es habe besondere Umstände zu seinen Lasten nicht feststellen können. Hinzuweisen ist etwa auf folgende Gesichtspunkte, die im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB gegen den Angeklagten sprechen: So nahm das Opfer den Angeklagten unmittelbar nach dessen Einreise aus [X.] in seine Wohnung auf, gewährte ihm mehrere Wochen lang Unterkunft und führte mit ihm eine Liebesbeziehung. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Opfer stach der Angeklagte mehrfach auf dieses ein, brachte ihm dabei (mindestens) drei Stichverletzungen in den Hals bei und fügte dem nunmehr am Boden Liegenden mit einem [X.] fünfzehn Kopfverletzungen zu, die zu trümmerartigen Brüchen des Hirnschädels und zum Tode führten. Diese besonderen Tatmodalitäten zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, begegnet hier keinen rechtlichen Bedenken, da auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich ist, so dass für eine strafschärfende Verwertung der Handlungsintensität Raum bleibt, wenn auch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 29. Juni 2000 - 1 StR 223/00, [X.], 615, 616).

6

b) Danach besteht entgegen der Ansicht des [X.] kein Widerspruch zwischen der verhängten Freiheitsstrafe und der tatrichterlichen Bewertung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Namentlich kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass [X.] gänzlich fehlten (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 2003 - 2 StR 463/02, [X.]R StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23) oder diese dem [X.] bei der Strafzumessung völlig aus dem Blick geraten wären. Deshalb liegt auch eine rechtsfehlerhafte Lücke in der Begründung der Strafbemessung nicht vor. Die vom [X.] für seine gegenteilige Ansicht herangezogene Entscheidung des [X.] ([X.], Beschluss vom 17. Juli 2009 - 5 [X.], [X.], 336) hatte die Verhängung einer Strafe zum Gegenstand, die innerhalb des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB als "eine beträchtliche Übersetzung der erheblichen Mindeststrafe" unbegründet geblieben war. Hier ist dagegen die Strafe einem Strafrahmen entnommen, der sich infolge zweifacher Milderung des Regelstrafrahmens ergeben hatte. In diesen Fällen kann das Gewicht, das den [X.] zukommt, schon durch die Anwendung des [X.] so weit relativiert sein, dass es innerhalb dieses Strafrahmens kaum noch mildernde Wirkung zu entfalten vermag und die gegen den Täter sprechenden Umstände, insbesondere die Schwere der Tat, eine Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens rechtfertigen (vgl. [X.], Urteil vom 21. April 1987 - 1 [X.], [X.]St 34, 355, 359 ff.).

[X.]     

Hubert     

     Schäfer

[X.]     

Ri'in [X.] Dr. Spaniol befindet sich
im Urlaub und ist daher gehindert
zu unterschreiben.

[X.]

Meta

3 StR 132/12

02.08.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stade, 22. Dezember 2011, Az: 10a Ks 7/11

§ 21 Abs 1 StGB, § 46 Abs 2 S 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 213 Alt 1 StGB, § 267 Abs 3 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.08.2012, Az. 3 StR 132/12 (REWIS RS 2012, 4105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4105

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