Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2012, Az. VII ZB 25/12

7. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3421

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Vergeblicher Versuch der Übermittlung des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist per Telefax


Leitsatz

Von einem Prozessbevollmächtigten, dem es trotz zahlreicher Anwählversuche nicht gelingt, einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung am letzten Tag dieser Frist per Telefax an eine vom Berufungsgericht genannte Telefaxnummer zu übermitteln, kann verlangt werden, dass er über den Internetauftritt des Berufungsgerichts eine etwa vorhandene weitere Telefaxnummer des Berufungsgerichts ermittelt und den Verlängerungsantrag an diese Telefaxnummer übermittelt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 18. April 2012 wird auf seine Kosten verworfen.

[X.]: 31.551,60 €

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] vom Beklagten restlichen Werklohn.

2

Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 28. November 2011 abgewiesen. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des [X.] am 6. Dezember 2011 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2012, eingegangen am selben Tag per Telefax, haben die Prozessbevollmächtigten des [X.] Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2012, per Telefax eingegangen am 7. Februar 2012, haben die Prozessbevollmächtigten des [X.] beantragt, die am 6. Februar 2012 ablaufende Berufungsbegründungsfrist wegen Arbeitsüberlastung um einen Monat zu verlängern. Nach Hinweis des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom selben Tage auf die Verfristung der Berufungsbegründung wegen des erst nach Fristablauf eingegangenen [X.] haben die Prozessbevollmächtigten des [X.] mit Schriftsatz vom 17. Februar 2012 mitgeteilt, eine fristgerechte Übermittlung des [X.] sei nicht möglich gewesen. Nach Hinweis des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom 20. Februar 2012 haben die Prozessbevollmächtigten des [X.] mit am 6. März 2012 eingegangenem Schriftsatz die Berufung begründet und mitgeteilt, der Schriftsatz vom 17. Februar 2012 solle als Wiedereinsetzungsgesuch behandelt werden. Eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten M. vom 6. März 2012 war beigefügt. Nach weiterem Hinweis seitens des Berufungsgerichts ist eine eidesstattliche Versicherung von Rechtsanwalt S. nachgereicht worden, der am 6. Februar 2012 ebenfalls mit dem Versuch der Übermittlung des [X.] befasst war.

3

Der Kläger hat seinen Wiedereinsetzungsantrag wie folgt begründet:

4

Am 6. Februar 2012 sei von der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten in [X.] aus 17-mal erfolglos versucht worden, das Fristverlängerungsgesuch an die Telefaxnummer des Berufungsgerichts zu übersenden. Hierbei sei der erste Versuch um 16.23 Uhr, der letzte Versuch um 20.07 Uhr gestartet worden. In der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten M. ist festgehalten, sie habe um 16.23 Uhr, 16.31 Uhr, 16.38 Uhr, 16.51 Uhr, 16.58 Uhr und 17.00 Uhr versucht, das angefertigte Fristverlängerungsgesuch per Telefax zu übermitteln. Als Antwort sei bei allen sechs [X.] als Ergebnis "# 0018 besetzt/keine Antwort" gekommen. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 6. März 2012 trägt Rechtsanwalt S. vor, er habe um 17.08 Uhr, um 17.17 Uhr, um 17.31 Uhr, um 17.39 Uhr, um 17.48 Uhr, um 18.06 Uhr, um 18.35 Uhr, um 18.51 Uhr, um 19.06 Uhr, um 19.42 Uhr und letztmals um 20.07 Uhr per Telefax versucht, das Fristverlängerungsgesuch zu übersenden. Hierbei seien elf [X.] mit dem Ergebnis "# 0018 besetzt/keine Antwort" gekommen. Andere Telefaxe, die davor oder danach von dem benutzten [X.] versandt worden seien, seien problemlos durchgegangen.

5

Mit Beschluss vom 18. April 2012 hat das Berufungsgericht den Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung abgelehnt und die Berufung des [X.] als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der am 6. Februar 2012 die Sache bearbeitende Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt S. habe die Frist zur Begründung der Berufung mangels fristgerechten Stellens eines Verlängerungsantrags schuldhaft versäumt, was sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] habe nach Scheitern der [X.] von dem Faxgerät des Kanzleisitzes in [X.] nicht die naheliegende und ihm zumutbare Möglichkeit wahrgenommen, entweder einen am Sitz des Berufungsgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der fristwahrenden Einreichung des Antrags zu beauftragen oder selbst durch Nutzung eines anderen Faxgeräts, insbesondere aus der Kanzlei in S., die Übermittlung des Antrags auf Fristverlängerung noch am 6. Februar 2012 sicherzustellen. Alternativ dazu hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] auch aus einer allgemein zugänglichen Quelle - nämlich der Startseite des Internetauftritts des Berufungsgerichts - eine weitere Telefaxnummer in Erfahrung bringen und den Verlängerungsantrag an dieses Empfangsgerät versenden können.

6

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.]. Er macht geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Der Beschluss des Berufungsgerichts beruhe auf einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts des [X.] auf wirkungsvollen Rechtsschutz.

II.

7

[X.] ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen ([X.], Beschluss vom 14. Januar 2010 - [X.], juris Rn. 5 m.w.[X.]), sind nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des [X.] nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt auch nicht den Anspruch des [X.] auf wirkungsvollen Rechtsschutz.

8

1. [X.] war gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger sie entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet hat. Dem Antrag auf Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung konnte nicht stattgegeben werden, weil dieser Antrag erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des [X.] mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.] die Frist zur Begründung der Berufung mangels fristgerechten Stellens eines Verlängerungsantrags schuldhaft versäumt hat.

9

a) Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine [X.] ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der [X.] zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die [X.] muss die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft machen (§ 236 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offen-bleibt, dass die Fristversäumung von der [X.] bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war ([X.], Beschluss vom 6. April 2011 - [X.] 701/10, NJW 2011, 1972 Rn. 8 m.w.[X.]). So liegt der Fall hier.

b) Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt insbesondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts ([X.], NJW 2001, 3473; [X.], Beschluss vom 21. Juli 2011 - [X.], juris Rn. 2 m.w.[X.]). Aber auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind dem gewählten [X.] immanent, weil ein Telefax nur über sie zum Empfangsgerät gelangt. Auch bei einer Leitungsstörung versagt daher die von der Justiz angebotene Zugangseinrichtung. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten [X.]s, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der [X.] das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis zum Ablauf der Frist zu rechnen ist ([X.], NJW 2001, 3473, 3474 m.w.[X.]). Die Gerichte dürfen die Anforderungen an die dem Prozessbevollmächtigten obliegende Sorgfalt nicht überspannen. Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Fax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlungen infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er - unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen - innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstellt ([X.], [X.], 1636 m.w.[X.]). Von einem Prozessbevollmächtigten kann allerdings verlangt werden, dass er eine Beschwerde per Fax beim Beschwerdegericht einlegt, wenn es ihm nicht gelingt, eine entsprechende Verbindung zum Prozessgericht herzustellen; dies ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden (vgl. [X.], [X.], 1636; vgl. auch [X.], Beschluss vom 21. Juli 2011 - [X.], juris Rn. 2 ff.).

c) Im Streitfall wird der angefochtene Beschluss jedenfalls durch die alternative Begründung des Berufungsgerichts getragen, wonach der Prozessbevollmächtigte des [X.] aus einer allgemein zugänglichen Quelle - nämlich der Startseite des Internetauftritts des Berufungsgerichts - eine weitere Telefaxnummer in Erfahrung bringen und den Verlängerungsantrag an dieses Empfangsgerät hätte versenden können. Dies gilt auch dann, wenn zugunsten des [X.] angenommen wird, dass die Mitteilung des Berufungsgerichts bezüglich des Eingangs der vom Kläger eingelegten Berufung die Telefaxnummer enthielt, die der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt S. am 6. Februar 2012 gewählt hat, und wenn ferner angenommen wird, dass die missglückte Telefaxübermittlung im Zeitraum 16.23 Uhr bis 20.07 Uhr an diese Nummer auf einen in der [X.] liegenden Umstand zurückzuführen ist. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde werden damit keine überzogenen Anforderungen an die anwaltlichen Sorgfaltspflichten gestellt (vgl. [X.], [X.], 1636; vgl. auch [X.], Beschluss vom 21. Juli 2011 - [X.], juris Rn. 2 ff.). Es wird nicht verlangt, dass der Prozessbevollmächtigte auf ein anderes [X.] ausweicht, sondern lediglich, dass er mit geringfügigem Aufwand ermittelt, ob eine weitere Telefaxnummer beim Berufungsgericht existiert und sodann diese Nummer anwählt.

d) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde des Weiteren geltend, es würde ohnehin wegen der vom Berufungsgericht als Störungsursache angenommenen Inkompatibilität zwischen dem [X.] am Kanzleisitz in [X.] und dem [X.] des Berufungsgerichts an einer Kausalität zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung und der Fristversäumung fehlen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Übermittlung des [X.] an die weitere Telefaxnummer noch im Laufe des 6. Februar 2012 gelungen wäre. Bei dieser Sachlage ist die Ursächlichkeit zwischen der schuldhaften Sorgfaltspflichtverletzung und der Fristversäumung nicht ausgeräumt, weshalb Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Oktober 2000 - [X.], NJW 2001, 76, 77 m.w.[X.]; PG/Milger, ZPO, 4. Aufl., § 233 Rn. 23 zur beim Antragsteller liegenden Beweislast für die Nichtursächlichkeit eines Fehlers).

2. Nach allem kann dahinstehen, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch deshalb zu versagen ist, weil der Prozessbevollmächtigte des [X.] nach 20.07 Uhr am 6. Februar 2012 jedenfalls weitere Versuche hätte unternehmen müssen, den Fristverlängerungsantrag an die bislang gewählte Telefaxnummer zu senden (vgl. [X.], NJW 2007, 2838).

3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                             Safari Chabestari                             Eick

                    Kosziol                                          Kartzke

Meta

VII ZB 25/12

05.09.2012

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Zweibrücken, 18. April 2012, Az: 4 U 3/12

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2012, Az. VII ZB 25/12 (REWIS RS 2012, 3421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3421

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