Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.09.2012, Az. VII ZB 25/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3436

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 25/12

vom

5.
September 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 85 Abs. 2, § 233 Gd
Von einem Prozessbevollmächtigten, dem es trotz zahlreicher [X.] nicht gelingt, einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung am letzten Tag dieser Frist per Telefax an eine vom Berufungsgericht genannte [X.] zu übermitteln, kann verlangt werden, dass er über den Internetauftritt des Berufungsgerichts eine etwa vorhandene weitere Telefaxnummer des Berufungsge-richts ermittelt und den Verlängerungsantrag an diese Telefaxnummer übermittelt.

[X.], Beschluss vom 5. September 2012 -
VII ZB 25/12 -
Pfälzisches [X.]

[X.]

LG [X.]

(Pfalz)

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
5.
September 2012
durch [X.]
Dr.
[X.], die Richterin [X.] und die Richter Dr.
Eick, Kosziol und Dr.
Kartzke
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 4.
Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts
[X.] vom 18.
April
2012 wird auf seine Kosten verworfen.
[X.]: 31.551,60

Gründe:
I.
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G.
GmbH vom Beklagten restlichen Werklohn.
Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 28.
November
2011
abge-wiesen. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des [X.] am 6.
De-zember
2011 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 5.
Januar
2012, eingegan-gen am selben Tag per Telefax, haben die Prozessbevollmächtigten des [X.] Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 6.
Februar
2012, per Telefax ein-gegangen am 7.
Februar
2012, haben die Prozessbevollmächtigten des [X.] beantragt, die am 6.
Februar
2012 ablaufende Berufungsbegründungsfrist we-gen Arbeitsüberlastung um einen Monat zu verlängern. Nach Hinweis des [X.] des Berufungsgerichts vom selben Tage auf die Verfristung der Beru-1
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fungsbegründung wegen des erst nach Fristablauf eingegangenen [X.] haben die Prozessbevollmächtigten des [X.] mit Schriftsatz vom 17.
Februar
2012 mitgeteilt, eine fristgerechte Übermittlung des [X.] sei nicht möglich gewesen. Nach Hinweis des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom 20.
Februar
2012 haben die Prozessbevollmächtig-ten des [X.] mit am 6.
März
2012 eingegangenem Schriftsatz die Berufung begründet und mitgeteilt, der Schriftsatz vom 17.
Februar
2012 solle als Wie-dereinsetzungsgesuch behandelt werden.
Eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten
M. vom 6.
März
2012
war beigefügt. Nach wei-terem Hinweis seitens des Berufungsgerichts ist eine eidesstattliche Versiche-rung von Rechtsanwalt
S. nachgereicht worden, der am 6.
Februar
2012 eben-falls mit dem Versuch der Übermittlung des [X.] befasst
war.
Der Kläger hat seinen Wiedereinsetzungsantrag wie folgt begründet:
Am 6.
Februar
2012 sei von der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten in [X.] aus 17-mal erfolglos versucht worden, das Fristverlängerungsgesuch an die Telefaxnummer des Berufungsgerichts zu übersenden. Hierbei sei der erste Versuch um 16.23
Uhr, der letzte Versuch um 20.07
Uhr gestartet worden. In der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten
M. ist festgehalten, sie habe um 16.23
Uhr, 16.31
Uhr, 16.38
Uhr, 16.51
Uhr, 16.58
Uhr und 17.00
Uhr versucht, das angefertigte Fristverlängerungsgesuch per Telefax zu übermitteln. Als Antwort sei bei allen sechs [X.] als Ergebnis "#
0018 besetzt/keine Antwort" gekommen. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 6.
März
2012 trägt Rechtsanwalt
S. vor, er habe um 17.08
Uhr, um 17.17
Uhr, um 17.31
Uhr, um 17.39
Uhr, um 17.48
Uhr, um 18.06
Uhr, um 18.35
Uhr, um 18.51
Uhr, um 19.06
Uhr, um 19.42
Uhr und letztmals um 20.07
Uhr per Telefax versucht, das Fristverlängerungsgesuch zu übersenden. Hierbei seien elf Fax-3
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-
4
-
berichte mit dem Ergebnis "#
0018 besetzt/keine Antwort" gekommen. Andere Telefaxe, die davor oder danach von dem benutzten [X.] versandt worden seien, seien problemlos durchgegangen.
Mit Beschluss vom 18.
April
2012 hat das Berufungsgericht den Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung abgelehnt und die Berufung des [X.] als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im [X.] ausgeführt, der am 6.
Februar
2012 die Sache bearbeitende Pro-zessbevollmächtigte Rechtsanwalt S. habe die Frist zur Begründung der Beru-fung mangels fristgerechten Stellens eines [X.] schuldhaft versäumt, was sich der Kläger nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen müsse. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] habe
nach Scheitern der [X.] in [X.] nicht die [X.] und ihm zumutbare Möglichkeit wahrgenommen, entweder einen am Sitz des Berufungsgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der fristwahrenden Einrei-chung des Antrags zu beauftragen oder selbst durch Nutzung eines anderen Faxgeräts, insbesondere aus der Kanzlei in S., die Übermittlung des Antrags auf Fristverlängerung noch am 6.
Februar
2012 sicherzustellen.
Alternativ dazu hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] auch aus einer allgemein zu-gänglichen Quelle -
nämlich der Startseite des Internetauftritts des Berufungs-gerichts
-
eine weitere Telefaxnummer in Erfahrung bringen und den [X.] an dieses Empfangsgerät versenden können.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.]. Er macht geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung zuzulassen. Der Beschluss des Berufungsgerichts beruhe auf einer [X.] des [X.] auf wirkungsvollen Rechts-schutz.
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5
-
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
522 Abs.
1 Satz
4 i.V.m. §
238 Abs.
2 Satz
1, §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO).
Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Voraussetzungen
des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen ([X.], Beschluss vom 14.
Januar
2010 -
I
ZB
97/08, juris Rn.
5 m.w.[X.]), sind nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des [X.] nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt auch nicht den Anspruch des [X.] auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
1. Die Berufung war gemäß §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger sie entgegen §
520 Abs.
2 ZPO nicht rechtzeitig [X.] hat. Dem Antrag auf Verlängerung der Frist für die Begründung der [X.] konnte nicht stattgegeben werden, weil dieser Antrag erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des [X.] mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.] die Frist zur Begründung der Berufung mangels fristgerechten Stellens
eines [X.] schuldhaft versäumt hat.
a) Nach §
233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ge-währen, wenn eine [X.] ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungs-begründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der [X.] zuzurechnen (§
85 Abs.
2 ZPO). Die [X.] muss die die Wieder-einsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft machen (§
236 Abs.
2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn
nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offen-
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-
bleibt, dass die Fristversäumung von der [X.] bzw. ihrem [X.] verschuldet war ([X.], Beschluss vom 6.
April
2011 -
XII
ZB
701/10,
NJW 2011, 1972 Rn.
8 m.w.[X.]). So liegt der Fall hier.
b) Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen die aus den technischen Ge-gebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Ri-siken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt insbe-sondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts ([X.], NJW 2001, 3473; [X.], Beschluss vom 21.
Juli
2011 -
IX
ZB
218/10, juris Rn.
2 m.w.[X.]). Aber auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind dem gewählten [X.] immanent, weil ein Telefax nur über sie zum Empfangsgerät gelangt. Auch bei
einer Leitungsstörung versagt daher die von der Justiz angebotene Zugangseinrichtung. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten [X.]s, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der [X.] das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem [X.] bis zum Ablauf der Frist zu rechnen ist ([X.], NJW 2001, 3473, 3474 m.w.[X.]). Die Gerichte
dürfen die Anforderungen an die dem [X.] obliegende Sorgfalt nicht überspannen. Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, ei-nen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Fax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlungen infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er -
unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengun-gen
-
innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicher-stellt ([X.], [X.], 1636 m.w.[X.]). Von einem Prozessbevollmächtigten kann allerdings verlangt werden, dass er eine Beschwerde per Fax beim [X.]
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7
-
schwerdegericht einlegt, wenn es ihm nicht gelingt, eine entsprechende Verbin-dung zum Prozessgericht herzustellen; dies ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden (vgl. [X.], [X.], 1636; vgl. auch [X.], Beschluss vom 21.
Juli
2011 -
IX
ZB
218/10, juris Rn.
2
ff.).
c) Im Streitfall wird der angefochtene Beschluss jedenfalls durch die [X.] Begründung des Berufungsgerichts getragen, wonach der Prozessbe-vollmächtigte des [X.] aus einer allgemein zugänglichen Quelle -
nämlich der Startseite des Internetauftritts des Berufungsgerichts
-
eine weitere [X.] in Erfahrung bringen und den Verlängerungsantrag an dieses [X.] hätte versenden können. Dies gilt auch dann, wenn zugunsten des [X.] angenommen wird, dass die Mitteilung des Berufungsgerichts bezüg-lich
des Eingangs der vom Kläger eingelegten Berufung die Telefaxnummer enthielt, die der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt S. am 6.
Februar
2012 gewählt hat, und wenn ferner angenommen wird, dass die missglückte Tele-faxübermittlung im Zeitraum 16.23
Uhr bis
20.07
Uhr an diese Nummer auf ei-nen in der [X.] liegenden Umstand zurückzuführen ist. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde werden damit keine überzogenen Anforde-rungen an die anwaltlichen Sorgfaltspflichten gestellt (vgl. [X.], [X.], 1636; vgl. auch [X.], Beschluss vom 21.
Juli
2011 -
IX
ZB
218/10, juris Rn.
2
ff.). Es wird nicht verlangt, dass der Prozessbevollmächtigte auf ein ande-res [X.] ausweicht, sondern lediglich, dass er mit geringfügi-gem Aufwand ermittelt, ob eine weitere Telefaxnummer beim Berufungsgericht existiert und sodann diese Nummer anwählt.
d) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde des Weiteren geltend, es würde ohnehin wegen der vom Berufungsgericht als Störungsursache ange-nommenen Inkompatibilität
zwischen dem [X.] am Kanzleisitz in [X.] und dem [X.] des Berufungsgerichts an einer Kausalität zwischen der 11
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Sorgfaltspflichtverletzung und der Fristversäumung fehlen. Es ist nicht [X.], dass eine Übermittlung des [X.] an die weitere Telefaxnummer noch im Laufe des 6.
Februar
2012 gelungen wäre. Bei dieser Sachlage ist die Ursächlichkeit zwischen der schuldhaften
Sorgfaltspflichtverlet-zung und der Fristversäumung nicht ausgeräumt, weshalb Wiederein-
setzung nicht gewährt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Ok-tober
2000 -
IV
ZB
17/00, NJW 2001, 76, 77
m.w.[X.]; PG/Milger, ZPO, 4.
Aufl.,
§
233 Rn.
23 zur beim Antragsteller liegenden Beweislast für die Nichtursäch-lichkeit eines Fehlers).
2. Nach allem kann dahinstehen, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch deshalb zu versagen ist, weil der Prozessbevollmächtige des [X.] nach 20.07 Uhr am 6. Februar 2012 jedenfalls weitere Versuche hätte un-ternehmen
müssen, den Fristverlängerungsantrag an die bislang
gewählte [X.] zu senden (vgl. [X.], NJW 2007, 2838).
13
-
9
-
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

[X.]
[X.]
Eick

Kosziol

Kartzke
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 28.11.2011 -
4 O 47/10 -

[X.] [X.], Entscheidung vom 18.04.2012 -
4 U 3/12 -

14

Meta

VII ZB 25/12

05.09.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.09.2012, Az. VII ZB 25/12 (REWIS RS 2012, 3436)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3436

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZB 43/16 (Bundesgerichtshof)


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VII ZB 25/12

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