Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.12.2020, Az. 2 B 63/20

2. Senat | REWIS RS 2020, 4326

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Gegenstand

Gehörsverstoß durch vorzeitige Entscheidung vor Ablauf der Äußerungsfrist; Beurteilung für abgeordneten Richter


Leitsatz

1. Der Gesetzgeber ist nach dem sog. Wesentlichkeitsgrundsatz verpflichtet, die wesentlichen Vorgaben betreffend den Inhalt und das Verfahren zur Erstellung dienstlicher Beurteilungen selbst zu regeln. Hieran gemessen erscheinen die derzeitigen Regelungen des § 19 BrbgBG und des § 9 Abs. 1 bis 3 BrbgRiG, die dies Verwaltungsvorschriften überlassen, defizitär.

2. Eine verfrühte Entscheidung vor Ablauf der Äußerungsfrist gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO begründet einen Gehörsverstoß i.S.v. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO und absoluten Revisionsgrund i.S.v. § 138 Nr. 3 VwGO.

Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 9. Juni 2020 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde des [X.] hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der angefochtene [X.]eschluss aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Die Voraussetzungen der Verfahrensrüge des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen vor. Die Entscheidung über die [X.]erufung der [X.]eklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des [X.] durch [X.]eschluss nach § 130a VwGO vor dem Ablauf der den [X.]eteiligten vom [X.]erufungsgericht gesetzten Äußerungsfrist verletzt den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör.

2

Insoweit ist zunächst im Hinblick auf Ausführungen der [X.]eklagten klarzustellen, dass das Recht eines [X.] zur Regelung der dienstlichen [X.]eurteilung seiner [X.] revisibel ist (§ 71 DRiG, § 191 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.]eamtStG und § 127 Nr. 2 [X.] in entsprechender Anwendung; vgl. [X.], Urteil vom 22. September 2016 - 2 [X.] 29.15 - [X.] 245 [X.][X.]esR Nr. 10 Rn. 9 zur [X.]besoldung).

3

1. Der Kläger steht als [X.] am Sozialgericht im Dienst des [X.] [X.]randenburg. In den Jahren 2014 und 2015 war der Kläger als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das [X.] abgeordnet. Unter dem 6. Januar 2016 erteilte der Präsident des [X.]s dem Kläger eine dienstliche [X.]eurteilung nach Maßgabe der [X.] des [X.]s vom 18. Dezember 2008. Der Kläger beanstandete die ihm eröffnete dienstliche [X.]eurteilung und legte gegen diese Widerspruch ein, den der Präsident des [X.]s zurückwies. In dem vor dem Verwaltungsgericht geführten Klageverfahren hob der Präsident des [X.]s aufgrund eines Hinweises des [X.] die dienstliche [X.]eurteilung vom 6. Januar 2016 samt den ergangenen [X.]escheiden auf und eröffnete dem Kläger nach Anhörung die dienstliche [X.]eurteilung vom 2. August 2017. Der Kläger bezog diese [X.]eurteilung in das Klageverfahren ein. Das Verwaltungsgericht hat die [X.]eklagte verurteilt, die dienstliche [X.]eurteilung vom 2. August 2017 aufzuheben und den Kläger für den [X.]eurteilungszeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 unter [X.]eachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur [X.]egründung hat das Verwaltungsgericht darauf verwiesen, dass die [X.] der drei Senatsvorsitzenden des [X.]s nicht der dortigen [X.] entsprächen, weil sie Aspekte offenließen. Dieser teilweise [X.] erstrecke sich auf die Gesamtbeurteilung durch den Präsidenten des [X.]s.

4

Nach Zulassung der [X.]erufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Verfügung vom 23. April 2020 die [X.]eteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung durch [X.]eschluss nach § 130a VwGO angehört. Dabei hat das [X.]erufungsgericht auf seine Rechtsauffassung hingewiesen, bei der angegriffenen dienstlichen [X.]eurteilung handele es sich um einen bloßen schriftlichen [X.]eurteilungsbeitrag zu einer vom [X.] zu erteilenden dienstlichen [X.]eurteilung, sodass die Klage nach § 44a VwGO unzulässig sein könnte. Mit [X.]eschluss vom 9. Juni 2020 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des [X.], soweit die [X.]erufung zugelassen worden ist, geändert und die Klage abgewiesen. Zur [X.]egründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage des [X.] sei nach § 44a Satz 1 VwGO unzulässig. Ein [X.]eurteilungsbeitrag im Vorfeld einer dienstlichen [X.]eurteilung sei eine vorbereitende Maßnahme. Die [X.]eurteilung durch den Präsidenten des [X.]s sei keine dienstliche [X.]eurteilung, sondern lediglich ein solcher [X.]eurteilungsbeitrag. Nicht der Präsident des [X.]s, sondern das [X.] als Dienstherr des [X.] regele die Erstellung von dienstlichen [X.]eurteilungen des [X.]. Die Verwaltungsvorschriften für die Erstellung von dienstlichen [X.]eurteilungen für [X.] sähen keine dienstlichen [X.]eurteilungen durch die Leiter von [X.]ehörden oder Gerichten vor, wenn der [X.] des [X.] an eine Dienststelle außerhalb des Geltungsbereichs der [X.] abgeordnet werde. Dementsprechend handele es sich bei der [X.]eurteilung durch den Präsidenten des [X.]s lediglich um einen [X.]eurteilungsbeitrag für eine durch einen [X.]ediensteten des [X.] [X.]randenburg zu erstellende dienstliche [X.]eurteilung des [X.].

5

2. Die erhobene Rüge der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist unzulässig.

6

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] oder des [X.] aufgestellten, ebensolchen die Entscheidung des [X.] oder des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.] oder das [X.] in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. Januar 1995 - 6 [X.] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

7

Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerdebegründung des [X.] weder in [X.]ezug auf die Rechtsprechung des [X.] (a) noch im Hinblick auf die Rechtsprechung des [X.] (b).

8

a) Das Urteil des [X.] vom 27. November 2014 - 2 A 10.13 - ([X.]E 150, 359) befasst sich nicht mit der Rechtmäßigkeit einer dienstlichen [X.]eurteilung eines [X.]eamten, der zu einem anderen Dienstherrn abgeordnet worden ist. Gegenstand dieses Urteils ist vielmehr die Rechtmäßigkeit einer Regelbeurteilung einer [X.]undesbeamtin, die während des maßgeblichen [X.] durchgängig beim [X.] beschäftigt war.

9

Im vorstehenden Sinne unzureichend ist die [X.]eschwerdebegründung auch im Hinblick auf das Urteil des [X.] vom 4. Mai 1972 - 2 [X.] 13.71 - ([X.]E 40, 104). Zum einen geht das [X.] in der von der [X.]eschwerde herangezogenen Passage lediglich davon aus, dass der [X.]eamte oder [X.] durch die Abordnung in der Regel einen neuen weiteren unmittelbaren Dienstvorgesetzten erhält. Zum anderen befasst sich der angegriffene [X.]eschluss nicht mit der Frage, ob der Präsident des [X.]s infolge der Abordnung des [X.] an das [X.] weiterer unmittelbarer Dienstvorgesetzter des [X.] geworden ist. Sachlich unrichtig sind die Erwägungen der [X.]eschwerdebegründung hinsichtlich der Annahme, der Präsident des [X.]s sei weiterer Dienstherr des [X.] gewesen. Alleiniger Dienstherr des [X.] war auch während der Zeit der Abordnung das [X.].

Im Übrigen beschränkt sich die Argumentation zur - angeblichen - Abweichung des angegriffenen [X.]eschlusses von der Rechtsprechung des [X.] zum [X.]eurteilungsrecht des Dienstherrn in der Art eines zulassungsfreien oder bereits zugelassenen Rechtsmittels darauf geltend zu machen, das Oberverwaltungsgericht hätte die dienstliche [X.]eurteilung durch den Präsidenten des [X.]s nicht zu einem bloßen [X.]eurteilungsbeitrag herabstufen dürfen. Die Rüge der inhaltlichen Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung erfüllt nicht die Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz.

Auch im Hinblick auf den [X.]eschluss des [X.] für das [X.] vom 21. Oktober 2019 - 2 M[X.] 3/19 - (NVwZ-RR 2020, 496) wird keine Divergenz (§ 127 Nr. 1 [X.]) dargelegt. Denn die Erwägungen des [X.] in diesem [X.]eschluss zum Erfordernis einer Anlassbeurteilung beziehen sich auf die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen [X.]n für [X.] des [X.] Schleswig-Holstein.

b) Auch in [X.]ezug auf die Rechtsprechung des [X.] zu Art. 19 Abs. 4 GG wird keine rechtssatzmäßige Abweichung dargelegt, sondern lediglich geltend gemacht, die Entscheidung des [X.] genüge nicht den Vorgaben des [X.] zu dem für die Fachgerichte geltenden Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes.

3. a) [X.]egründet ist die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), der [X.]eschluss vom 9. Juni 2020 verletze das rechtliche Gehör des [X.].

Auch für das [X.]erufungsverfahren ist die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung der gesetzliche Regelfall (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 VwGO). Diesem [X.] liegt die Vorstellung zugrunde, dass die gerichtliche Entscheidung grundsätzlich das Ergebnis eines diskursiven Prozesses zwischen Gericht und den [X.]eteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein soll. Davon geht auch § 104 Abs. 1 VwGO aus, der dem Vorsitzenden des Gerichts die Pflicht auferlegt, in der mündlichen Verhandlung die Streitsache mit den [X.]eteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern. Das [X.] erfüllt zudem den Zweck, die [X.] der gerichtlichen Entscheidung zu fördern ([X.], Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 [X.] 13.09 - [X.]E 138, 289 Rn. 23). Dies gilt umso mehr, je größer die tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Streitsache sind. Mit dem Grad der Schwierigkeiten wächst das Gewicht der Gründe, die gegen eine Anwendung des § 130a VwGO sprechen ([X.], Urteil vom 30. Juni 2004 - 6 [X.] 28.03 - [X.]E 121, 211 <214>; [X.]eschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 2 [X.] - [X.] 2012, 20 <21>, vom 3. Dezember 2012 - 2 [X.] 32.12 - Rn. 5 und vom 20. Mai 2015 - 2 [X.] 4.15 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 86 Rn. 5).

Aufgrund dieses Ausnahme-Regelverhältnisses sind an die Anhörung nach § 130a Satz 2 und § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO strenge Anforderungen zu stellen. Denn das damit eingeleitete Verfahren ermöglicht es dem [X.]erufungsgericht, ohne die auch für das [X.]erufungsverfahren regelmäßig vorgesehene mündliche Verhandlung zu entscheiden. Wird die Anhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt, so stellt dies einen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) mit der Folge dar, dass die Entscheidung gemäß § 138 Nr. 3 VwGO stets als auf der Verletzung von [X.]undesrecht beruhend anzusehen ist ([X.], [X.]eschlüsse vom 17. November 1994 - 1 [X.] 42.94 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 11 S. 1, vom 4. Dezember 1998 - 2 [X.] 152.97 - juris Rn. 3 und vom 22. April 1999 - 9 [X.] 1037.98 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 38 Rn. 5 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben hat das [X.]erufungsgericht durch den angegriffenen [X.]eschluss vom 9. Juni 2020 das Recht des [X.] auf rechtliches Gehör verletzt, weil die Anhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Das [X.] des [X.] nach § 130a VwGO stammt vom 23. April 2020. Den [X.]eteiligten ist in diesem Schreiben Gelegenheit zur Äußerung innerhalb von drei Wochen eingeräumt worden. Dieses [X.] ist dem Kläger - gegen [X.] - erst am 29. Mai 2020 zugestellt worden; das Empfangsbekenntnis des Vertreters der [X.]eklagten trägt das Datum 25. Mai 2020. Dieses Datum des Zugangs beim Vertreter der [X.]eklagten ergibt sich auch aus dessen Schriftsatz vom 25. Mai 2020 ([X.]). Ausgehend von der Zustellung beim Kläger hätte das [X.]erufungsgericht nicht vor dem 19. Juni 2020 entscheiden dürfen. Der angegriffene [X.]eschluss nach § 130a VwGO ist aber bereits am 9. Juni 2020 gefasst worden.

Die im Vermerk des Vorsitzenden des [X.]erufungssenats vom 26. Juni 2020 ([X.]) - und auch im angegriffenen [X.]eschluss ([X.]A S. 4 unten) - zum Ausdruck kommende Überlegung, der Kläger habe mit Schreiben vom 4. Juni 2020 auf das [X.] vom 23. April 2020 reagiert und weiterhin nicht angekündigt, einen Rechtsanwalt heranziehen zu wollen, der erhebliche Erklärungen hätte abgeben dürfen, führt insoweit nicht weiter. Zwar trifft es zu, dass sich der vor dem Oberverwaltungsgericht nach § 67 VwGO nicht postulationsfähige Kläger im Schriftsatz vom 4. Juni 2020 wiederum persönlich an das [X.]erufungsgericht gewandt hat. Auch hat er nicht ausdrücklich angekündigt, sich im [X.]erufungsverfahren entsprechend den Hinweisen des [X.] doch noch von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Das persönliche Schreiben des [X.] durfte das Oberverwaltungsgericht aber nicht dahingehend werten, dieser wolle und werde sich im [X.]erufungsverfahren nicht weiter äußern. Denn der Kläger hat ausdrücklich um Verlängerung der im [X.] vom 23. April 2020 gesetzten Frist gebeten. Danach war das [X.]erufungsgericht nicht von der Verpflichtung entbunden, den Ablauf der von ihm selbst nach § 130a Satz 2 und § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gesetzten Äußerungsfrist abzuwarten. § 130a VwGO, der es dem [X.]erufungsgericht ausnahmsweise ermöglicht, auch ohne Zustimmung der [X.]eteiligten ohne mündliche Verhandlung über das Rechtsmittel zu entscheiden, setzt unabdingbar voraus, dass das Gericht die von ihm ordnungsgemäß gesetzte Äußerungsfrist auch beachtet. Die Daten, an denen den [X.]eteiligten das [X.] vom 23. April 2020 jeweils zugestellt worden ist, waren dem Oberverwaltungsgericht ausweislich der Gerichtsakte bei der Abfassung des angegriffenen [X.]eschlusses vom 9. Juni 2020 bekannt.

b) Hinsichtlich der weiteren geltend gemachten Verfahrensrügen sieht der Senat von einer [X.]egründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

4. Für das erneute [X.]erufungsverfahren weist der Senat auf das Folgende hin:

a) [X.]ei Auswahlentscheidungen nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG kommt Regelbeurteilungen entscheidende [X.]edeutung zu. Denn der Vergleich der [X.]ewerber im Rahmen der Auswahl hat vor allem anhand dienstlicher [X.]eurteilungen zu erfolgen (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 20. April 2004 - 1 [X.]vR 838/01 u.a. - [X.]VerfGE 110, 304 <332> und vom 16. Dezember 2015 - 2 [X.]vR 1958/13 - [X.]VerfGE 141, 56 Rn. 58). Dabei sind vor allem zeitnahe, d.h. aktuelle dienstliche [X.]eurteilungen heranzuziehen ([X.]VerfG, [X.] vom 9. August 2016 - 2 [X.]vR 1287/16 - NVwZ 2017, 46 Rn. 78 f). Die Eignung von dienstlichen [X.]eurteilungen als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Sie müssen eine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung vermitteln ([X.]VerfG, [X.] vom 29. Juli 2003 - 2 [X.]vR 311/03 - [X.]VerfGK 1, 292 <296 f.> und vom 7. März 2013 - 2 [X.]vR 2582/12 - NVwZ 2013, 1603 Rn. 21).

Die für die Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG wesentlichen Regelungen muss der Gesetzgeber selbst treffen und darf sie nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 21. April 2015 - 2 [X.]vR 1322, 1989/12 - [X.]VerfGE 139, 19 Rn. 52). Hat der Vergleich der [X.]ewerber im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GG regelmäßig vor allem anhand dienstlicher [X.]eurteilungen zu erfolgen, müssen die wesentlichen Vorgaben für die Erstellung dieser [X.]eurteilungen vom Gesetzgeber bestimmt werden ([X.], Urteil vom 17. September 2020 - 2 [X.] 2.20 - Rn. 15 f.).

In Art. 54 ff. des Leistungslaufbahngesetzes vom 5. August 2010 (GV[X.]l. [X.], 571) hat der [X.] Gesetzgeber die wesentlichen Vorgaben für die Erstellung von dienstlichen [X.]eurteilungen bestimmt. Demgegenüber hat der Gesetzgeber des [X.] [X.]randenburg für den [X.]ereich der [X.]eamten auf jegliche eigene Regelung verzichtet und die Gestaltung von dienstlichen [X.]eurteilungen - unzureichend - allein der Exekutive in Gestalt von Verwaltungsvorschriften überlassen. Denn § 19 [X.]rbg[X.]G vom 3. April 2009, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. Juni 2019 (GV[X.]l. I/19), benennt als Gegenstand der dienstlichen [X.]eurteilung Eignung, [X.]efähigung und fachliche Leistung der [X.]eamten und bestimmt lediglich noch, dass das Nähere Verwaltungsvorschriften regeln.

Auch die im [X.] für die dienstlichen [X.]eurteilungen von [X.]n maßgebliche Vorschrift erscheint defizitär. § 9 Abs. 3 [X.]rbgRiG, auf den auch das [X.]erufungsgericht maßgeblich abgestellt hat ([X.]), überlässt die Regelung der dienstlichen [X.]eurteilung von [X.]n in Gestalt einer [X.]lankettermächtigung der obersten Dienstbehörde in Form von [X.]n, d.h. bloßen, dem [X.] nicht genügenden Verwaltungsvorschriften. Das [X.]gesetz des [X.] [X.]randenburg vom 12. Juli 2011 (GV[X.]l. I/11 Nr. 18) selbst bestimmt in § 9 Abs. 1 und 2 unmittelbar nur wenige inhaltliche Vorgaben. Es regelt lediglich die Arten der [X.]eurteilungen, den Vorrang der Regelbeurteilung und den Anspruch des betroffenen [X.]s auf [X.]eteiligung des [X.]rats und der Schwerbehindertenvertretung an der [X.]esprechung der dienstlichen [X.]eurteilung.

b) Entsprechend ihrer rechtlichen Herleitung sind Verwaltungsvorschriften nicht wie Rechtsvorschriften aus sich heraus, sondern als Willenserklärung der anordnenden Stelle unter [X.]erücksichtigung der tatsächlichen Handhabung auszulegen ([X.], Urteile vom 2. Februar 1995 - 2 [X.] 19.94 - [X.] 237.6 § 75 NdsL[X.]G Nr. 3 S. 2 f., vom 2. März 1995 - 2 [X.] 17.94 - [X.] 240 § 17 Nr. 7 S. 8, vom 17. Januar 1996 - 11 [X.] 5.95 - [X.] 451.55 Subventionsrecht Nr. 101 S. 14 und vom 10. April 1997 - 2 [X.] 38.95 - [X.] 236.1 § 3 SG Nr. 16 S. 34). Da Verwaltungsvorschriften zur Disposition des Vorschriftengebers stehen, ist bei der Auslegung die tatsächliche Verwaltungspraxis jedenfalls insoweit heranzuziehen, wie sie vom Urheber der Verwaltungsvorschriften gebilligt oder doch geduldet wurde oder wird ([X.], Urteil vom 7. Mai 1981 - 2 [X.] 5.79 - [X.] 232 § 25 [X.][X.]G Nr. 1 S. 3 f.). Dementsprechend ist jeweils zu erforschen, in welchem Sinne die betreffende [X.]ehörde die von ihr herausgegebenen Richtlinien in einem maßgebenden Punkt verstanden wissen wollte und tatsächlich verstanden und angewandt hat ([X.], Urteile vom 10. April 1997 - 2 [X.] 38.95 - [X.] 236.1 § 3 SG Nr. 16 S. 34, vom 21. September 2006 - 2 [X.] 5.06 - [X.] 240 § 40 [X.][X.]esG Nr. 38 Rn. 19 und vom 17. September 2020 - 2 [X.] 2.20 - Rn. 19).

Das [X.]erufungsgericht hat zur [X.]ewertung der vom Präsidenten des [X.]s erstellten streitgegenständlichen [X.]eurteilung des [X.] vom 2. August 2017 maßgeblich auf § 5 der [X.] Verfügung der Ministerin der Justiz und der [X.] des [X.] [X.]randenburg "Dienstliche [X.]eurteilung der [X.]innen und [X.], Staatsanwältinnen und Staatsanwälte" vom 20. Juni 2005 (JM[X.]l. Sondernummer I S. 4), zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 29. August 2011 (JM[X.]l. [X.]) abgehoben. Selbst wenn diese Verwaltungsvorschrift nach den Ausführungen unter a) beachtlich sein sollte, dürften die Gerichte diese nicht wie eine Rechtsvorschrift aus sich heraus auslegen. Vielmehr müsste bei den zuständigen Stellen des [X.] [X.]randenburg ermittelt werden, in welchem Sinne die Verwaltungsvorschrift im Hinblick auf [X.]ewertungen der Leistungen im Rahmen einer - nicht seltenen - Abordnung von [X.]n des [X.] an das [X.] oder an einen obersten Gerichtshof des [X.]undes i.S.v. Art. 95 Abs. 1 GG durch die Präsidenten dieser Gerichte tatsächlich verstanden worden ist.

c) Das [X.]erufungsgericht wird sich auch mit der Frage befassen müssen, welchem [X.] im [X.] an die Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht die [X.]erichterstattung im [X.]erufungsverfahren obliegt. Maßgeblich sind hierfür die [X.]estimmungen des zum Zeitpunkt des Eingangs des Verfahrens beim Oberverwaltungsgericht maßgeblichen [X.] des 4. Senats über die Zuständigkeit im Falle einer Zurückverweisung.

Jedenfalls verstieß der Wechsel des [X.]erichterstatters aufgrund des [X.]eschlusses des [X.] des 4. Senats des [X.] für das Geschäftsjahr 2020 vom 19. Dezember 2019 gegen das Gebot des gesetzlichen [X.]s.

Unter II. dieses [X.] ist mit Wirkung vom 1. Januar 2020 - schlicht - bestimmt, dass die "Verfahren OVG 4 [X.] 1. 19, OVG 4 [X.] 6.19, OVG 4 [X.] 8.19 und OVG 4 [X.] 10.19 in das Dezernat des [X.]E I" - [X.]E I ist der Senatsvorsitzende - übergehen. [X.]is zu dieser Umverteilung war [X.]erichterstatterin des [X.]erufungsverfahrens OVG 4 [X.] 8.19 die im Geschäftsverteilungsplan als "[X.]E II" bezeichnete [X.]in [X.] Ausweislich der beim 4. Senat des [X.] eingeholten Stellungnahme sind die nach II. des [X.]eschlusses vom 19. Dezember 2019 auf den [X.]E I übergegangenen Verfahren nicht nach einem vorab festgelegten und abstrakten Kriterium bestimmt worden. Diese Vorgehensweise des [X.]erufungsgerichts genügt nicht den Anforderungen des Gebots des gesetzlichen [X.]s nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ([X.], Urteil vom 16. Juni 2020 - 2 [X.] 2.19 - NJW 2020, 3333 Rn. 8 ff.).

Meta

2 B 63/20

21.12.2020

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 9. Juni 2020, Az: OVG 4 B 8.19, Beschluss

§ 19 BG BB, § 127 Nr 2 BRRG, § 127 Nr 1 BRRG, § 63 Abs 3 S 2 BeamtStG, § 71 DRiG, Art 103 Abs 1 GG, Art 33 Abs 2 GG, Art 95 Abs 1 GG, § 9 Abs 1 RiG BB, § 9 Abs 2 RiG BB, § 9 Abs 3 RiG BB, § 108 Abs 2 VwGO, § 125 Abs 2 S 3 VwGO, § 130a VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 133 Abs 6 VwGO, § 133 Abs 3 VwGO, § 138 Nr 3 VwGO, § 191 Abs 2 VwGO, § 44a S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.12.2020, Az. 2 B 63/20 (REWIS RS 2020, 4326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4326

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