Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.05.2013, Az. 1 BvR 821/13

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2013, 6090

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zu den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie (Art 19 Abs 4 GG) an die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im finanzgerichtlichen Verfahren - keine Bindung der obersten Bundesgerichte an Zweifel eines Instanzgerichts bzgl der Verfassungsmäßigkeit einer einschlägigen Norm, auch wenn diese im Wege eines Normenkontrollantrags (Art 100 Abs 1 GG) geäußert wurden - hier: Zweifel des FG Hamburg bzgl der Verfassungsmäßigkeit des § 8 Nr 1 GewStG verpflichten BFH nicht zur Aussetzung der Vollziehung gem § 69 Abs 2 S 2 FGO


Gründe

1

Die [X.]beschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da hierfür kein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 [X.]G vorliegt (vgl. [X.] 90, 22 <24 ff.>).

2

1. Eine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist nicht erkennbar.

3

Die aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für den effektiven Rechtsschutz in finanzgerichtlichen Eilverfahren abzuleitenden [X.]sind rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. etwa [X.] Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 22. September 2009 - 1 BvR 1305/09 -, [X.], S. 2146 und der [X.] des Zweiten Senats vom 11. Oktober 2010 - 2 BvR 1710/10 -, [X.], [X.]). Hiervon ausgehend liegt keine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch die angegriffenen Beschlüsse des [X.]s vor.

4

a) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, dass der [X.] ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von ihr angefochtenen Gewerbesteuermessbescheids 2009 verfassungsrechtlich zwingend hätte bejahen müssen, bestehen keine Anhaltspunkte für eine Begründetheit der [X.]beschwerde.

5

Der [X.] war von [X.] wegen nicht gezwungen, allein mit Rücksicht auf die im Vorlagebeschluss vom 29. Februar 2012 - 1 K 138/10 - ([X.], [X.]) dargelegte Überzeugung des Finanzgerichts H. im Eilverfahren ebenfalls von der möglichen [X.]widrigkeit des § 8 Nr. 1 Buchstabe a, d und [X.] auszugehen und deshalb ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheids zu bejahen. Auch verschiedene, dem [X.] zustimmende Publikationen und eine im Hinblick auf diesen Vorlagebeschluss erfolgte Verfahrensaussetzung durch einen anderen Senat des [X.]s (vgl. den Beschluss des [X.] vom 1. August 2012 zur Aussetzung des Revisionsverfahrens [X.]/11, [X.], S. 1826) ändern hieran nichts.

6

Das aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes begründet jedenfalls für ein oberstes Bundesgericht, wie hier den [X.], keine Bindung an instanzgerichtliche Überzeugungen von der [X.]widrigkeit einer Norm dergestalt, dass es mit Rücksicht auf eine solche Überzeugung, selbst wenn sie durch einen Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG geäußert ist, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines auf diese Norm gestützten Bescheids im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ausgehen müsste. Der [X.] war in dem angegriffenen Beschluss vom 16. Oktober 2012 daher durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gehindert, die gegen die [X.]mäßigkeit der im Ausgangsverfahren erheblichen Hinzurechnungsvorschriften nach § 8 Nr. 1 GewStG durch das [X.] und zusätzlich durch die Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände einer sachlichen Prüfung zu unterziehen und unter Bezugnahme auf die bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu der Würdigung zu gelangen, dass der Vorlagebeschluss wegen offenkundiger Unbegründetheit erfolglos bleiben würde und ernstliche Zweifel an der [X.]mäßigkeit der in Rede stehenden Hinzurechnungsvorschriften offensichtlich fehlten.

7

b) Vor diesem Hintergrund ist es von [X.] wegen auch nicht zu beanstanden, dass der [X.] - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht mehr auf die Streitfrage eingegangen ist, ob und unter welchen Voraussetzungen trotz ernstlicher Zweifel an der [X.]mäßigkeit einer entscheidungserheblichen Norm von der Gewährung der Vollziehungsaussetzung abgesehen werden kann (vgl. die Nachweise im angegriffenen Beschluss unter [X.]). Infolgedessen bedarf es auch im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob und inwieweit das in der Vorinstanz angewendete Kriterium des qualifizierten Aussetzungsinteresses in jeder Hinsicht mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist (vgl. den mit der [X.]beschwerde nicht angegriffenen Beschluss des Finanzgerichts K. vom 4. Juli 2012 - 13 V 1292/12 -, [X.], [X.]; vgl. ferner [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11 -, NJW 2012, [X.]).

8

c) Soweit die Beschwerdeführerin sich auf das Vorliegen einer unbilligen Härte beruft, hat sie im Ausgangsverfahren nach Aktenlage nicht hinreichend vorgetragen. Die dem [X.] folgende, darauf gestützte Begründung des [X.]s ist verfassungsrechtlich insoweit nicht zu beanstanden.

9

2. Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Der Beschluss des [X.]s vom 16. Oktober 2012 ist keine verfassungsrechtlich zu beanstandende Überraschungsentscheidung. Selbst wenn man insoweit eine Gehörsverletzung unterstellt, wäre sie im Übrigen durch den zweiten, die Anhörungsrüge betreffenden Beschluss vom 30. Januar 2013 geheilt worden.

3. Mit der Nichtannahme der [X.]beschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. § 40 Abs. 3 GO[X.]), ohne dass noch auf Fragen der Darlegung und des Vorliegens eines Anordnungsgrunds eingegangen werden müsste.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 821/13

06.05.2013

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BFH, 30. Januar 2013, Az: I S 16/12, Beschluss

Art 19 Abs 4 S 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 8 Nr 1 Buchst a GewStG, § 8 Nr 1 Buchst d GewStG, § 8 Nr 1 Buchst e GewStG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.05.2013, Az. 1 BvR 821/13 (REWIS RS 2013, 6090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6090

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I B 128/12 (Bundesfinanzhof)

(Keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 …


I B 125/12 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschluss vom 16.10.2012 I B 128/12 - Keine ernstlichen Zweifel an …


1 BvL 8/12 (Bundesverfassungsgericht)

Unzulässige Richtervorlage zur Vereinbarkeit der Gewerbebesteuerung unter Hinzurechnung von Schuld-, Miet- und Pachtzinsen gem § …


7 V 1056/15 (FG München)

Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungsvorschriften des § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG


1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde: Anforderungen der Rechtsschutzgarantie an die Gewährung von Eilrechtsschutz gegen Bescheide nach …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.