Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 24.10.2011, Az. 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2011, 2082

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Teilweise Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde: Anforderungen der Rechtsschutzgarantie an die Gewährung von Eilrechtsschutz gegen Bescheide nach dem ErbStG - teilweise Unzulässigkeit wegen Subsidiarität mangels Einlegung der Anhörungsrüge vor den Fachgerichten bzw mangelnder Darlegung - Vorbehalt der Annahme der Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf Garantie des gesetzlichen Richters - Mitwirkung eines abgelehnten Richters im Anhörungsrügeverfahren nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs


Tenor

Die [X.] werden hinsichtlich der unter den Ziffern [X.] 1 a, [X.], [X.], [X.] und [X.] genannten Beschlüsse nicht zur Entscheidung angenommen.

Hinsichtlich der unter den Ziffern [X.] 2 a, [X.] 3 a und [X.][X.] genannten Beschlüsse werden die [X.] insofern nicht zur Entscheidung angenommen, als die Beschwerdeführerin andere als die Verletzung des gesetzlichen Richters betreffende [X.]erhebt.

Soweit die [X.] nicht zur Entscheidung angenommen werden, erledigt sich dadurch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1

Der Beschluss ergeht als Teilentscheidung nach § 25 Abs. 3 [X.]. Die Kammer nimmt die [X.] in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang nicht zur Entscheidung an, da insoweit Annahmegründe im Sinne des § 93 a Abs. 2 [X.] nicht gegeben sind.

2

1. Abgesehen von der Rüge einer Verletzung des gesetzlichen Richters kommt den [X.] weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 [X.]). Eine Verletzung solcher Rechte durch die angegriffenen Beschlüsse des [X.] ist, soweit die [X.] zulässig sind, nicht erkennbar.

3

a) Insbesondere liegt keine Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG vor.

4

Es bedarf keiner Entscheidung, inwieweit die Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 1. April 2010 - [X.]/09 - [X.], 149, m.w.N.), die das [X.] in dem Beschluss vom 7. April 2011 über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Aussetzung der Vollziehung des [X.] zugrunde gelegt hat, in jeder Hinsicht mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist. Nach Auffassung des [X.] ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Steuerbescheid tragenden Gesetzesvorschrift begründet wird, abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles dem Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt, ohne dass es einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bedarf (im Grundsatz zustimmend vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 6. April 1988 - 1 BvR 146/88 -, juris, und Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 3. April 1992 - 2 BvR 283/92 -, juris; ablehnend [X.] in Tipke/[X.], [X.]/FGO, § 69 FGO Rn. 97, und Niedersächsisches [X.], Beschluss vom 6. Januar 2011 - 7 V 66/10 -, [X.], S. 827; kritisch auch Gräber/[X.], FGO, 7. Auflage 2010, § 69 Rn. 113 und [X.], [X.], [X.]). Hiervon ausgehend versagt der [X.] regelmäßig einstweiligen Rechtsschutz gegen Bescheide nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung des am 1. Januar 2009 in [X.] getretenen Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 2008 ([X.] - ErbStRG -, [X.]), sofern der Antrag lediglich mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit des Gesetzes begründet wird.

5

Das [X.] hat die Rechtsgrundsätze des [X.] seinem Beschluss vom 7. April 2011 vorangestellt, sie auf den konkreten Einzelfall angewandt und nach ihrer Maßgabe die von der Beschwerdeführerin beantragte Aussetzung der Vollziehung des im anhängigen Klageverfahren angefochtenen [X.] abgelehnt. Die so begründete Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes begegnet schon deshalb keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sich der Beschwerdebegründung keine substanziellen Anhaltspunkte für ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des [X.]es entnehmen lassen (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Beschlüsse des [X.] vom 13. Oktober 2010 - 9 V 2648/10 und 9 V 2566/10 -, juris). Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin trotz ihres ansonsten detailreichen Vortrags die Verwendung der liquiden Mittel aus dem Nachlass nicht hinreichend substantiiert erläutert. Sie hat nicht zu erklären vermocht, weshalb die ursprünglich im Nachlass befindlichen liquiden Mittel eine Bezahlung der Erbschaftsteuer - und sei es auch nur zu einem Teil - nicht zugelassen haben.

6

b) Soweit das [X.] der Beschwerdeführerin vor dem zu den Sicherungshypotheken ergangenen Beschluss vom 28. Juni 2011 die von ihr beantragte Akteneinsicht nicht gewährt hat, ohne im Beschluss auf das Akteneinsichtsgesuch und etwaige Gründe für dessen Versagung einzugehen, liegt nach Aktenlage zwar ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor (näher zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Akteneinsicht nach § 78 FGO [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 13. April 2010 - 1 BvR 3515/08 -, juris). Da die Beschwerdeführerin diesbezüglich jedoch eine Anhörungsrüge (vgl. zu deren Erforderlichkeit [X.]E 122, 190 <198>) gemäß § 133a FGO nicht erhoben, zumindest aber deren Erhebung nicht dargelegt hat, ist die Verfassungsbeschwerde insoweit aus Gründen der Subsidiarität insgesamt unzulässig (vgl. [X.], Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/08 -, NJW 2005, S. 3059, und vom 24. April 2008 - 1 BvR 206/08 -, juris, sowie Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 - 2 BvR 45/11 -, juris).

7

c) Von einer weiteren Begründung für die überwiegende Nichtannahme der [X.] sieht die Kammer nach [ref=[X.]-1708-4425-[X.] Abs. 1 Satz 3 [X.][/ref] ab. Mit der Teilnichtannahme der [X.] werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit gegenstandslos (vgl. § 40 Abs. 3 GO[X.]).

8

2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) rügt, bleibt die Entscheidung über die diesbezügliche Annahme der [X.] dem Senat vorbehalten. Denn zu der Frage, ob ein als befangen [X.] nach der ohne seine Mitwirkung erfolgten Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs in einem hierauf bezogenen [X.]mitwirken darf, liegen uneinheitliche Entscheidungen oberster Bundesgerichte vor (vgl. einerseits [X.], Beschluss vom 12. März 2009 - [X.]-21/08 -, juris, und andererseits [X.], Beschluss vom 15. Juni 2010 - [X.]/09 -, NJW-RR 2011, [X.]), so dass eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung der [X.] (vgl. § 93a Abs. 2 Buchst. a [X.]) insoweit ernsthaft in Betracht kommt.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11

24.10.2011

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend FG München, 6. Juli 2011, Az: 4 E 1851/11, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 25 Abs 3 BVerfGG, ErbStG, ErbStRG 2009, § 133a FGO, § 51 FGO, § 69 Abs 3 FGO, § 78 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 24.10.2011, Az. 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11 (REWIS RS 2011, 2082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2082

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

II B 168/09

1 BvR 3515/08

2 BvR 45/11

XI ZB 33/09

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