Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.08.2013, Az. 3 Ni 15/08 (EU)

3. Senat | REWIS RS 2013, 3371

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Gegenstand

(Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Streitwert für die Berechnung der Anwaltsgebühren bei verbundenen Nichtigkeitsklagen" – keine Streitwertfestsetzung auf einen Bruchteil des Streitwerts zum Ausgleich des höheren Kostenrisikos des Nichtigkeitsbeklagten – Nichtigkeitsbeklagter ist durch die Möglichkeit der Streitwertherabsetzung gemäß § 144 PatG nicht unzumutbar und verfassungsrechtlich unzulässig an der Rechtsverfolgung gehindert)


Leitsatz

Streitwert für die Berechnung der Anwaltsgebühren bei verbundenen Nichtigkeitsklagen

Werden mehrere gegen ein Patent gerichtete Nichtigkeitsklagen zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 147 ZPO), besteht kein Anlass, den Streitwert für die Berechnung der erstattungsfähigen Anwaltsgebühren (§ 33 Abs. 1 RVG) im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung mit einem Bruchteil des Streitwerts für die Berechnung der Gerichtskosten anzusetzen, um das im Vergleich zum Kostenrisiko jedes Klägers höhere Kostenrisiko des Beklagten auszugleichen. Durch die Möglichkeit der Streitwertherabsetzung gemäß § 144 PatG ist hinreichend sichergestellt, dass der Nichtigkeitsbeklagte nicht unzumutbar und verfassungsrechtlich unzulässig an der Rechtsverfolgung gehindert ist (so auch BGH WRP 2009, 1401 - 1402 - Druckmaschinen-Temperierungssystem III).

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 416 951

([X.] 05 951)

und das ergänzende [X.] 75 040

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], des Richters [X.] und der Richterin Dipl.-Chem. [X.] am 20. August 2013

beschlossen:

Der Antrag der Beklagten, den Gegenstandswert für die Berechnung der erstattungsfähigen Anwaltsgebühren für die [X.] auf jeweils 7,5 Millionen € festzusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Festsetzung des Streitwerts für die Vergütung der [X.]envertreter für die Nichtigkeitsklage.

2

Die Antragstellerin war Inhaberin des [X.] Patents Nummer 0 416 951 und des darauf basierenden ergänzenden Schutzzertifikats [X.] 75 040, das mit vier [X.] angegriffen worden war, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind. Der Senat hat das Streitpatent mit Urteil vom 23. Februar 2010 für nichtig erklärt und der [X.] die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die von der [X.] gegen dieses Urteil eingelegte Berufung ist zurückgenommen worden. Der Streitwert für das Nichtigkeitsklageverfahren und für das Berufungsverfahren wurden jeweils auf 30 Millionen € festgesetzt.

3

Die Beklagte begehrt eine Reduzierung des Streitwerts von 30 Mio. € für die Berechnung der erstattungsfähigen Anwaltsgebühren nach § 33 Abs. 1 [X.] für die [X.] auf jeweils ein Viertel. Dies wird damit begründet, dass ansonsten die Beklagte ein unverhältnismäßig höheres Kostenrisiko zu tragen hätte als jede der [X.], da im Falle des Unterliegens die Beklagte die Vertreterkosten sämtlicher Kläger zu tragen habe, während jede der [X.] im Falle des Unterliegens nur mit den eigenen Kosten sowie anteilig mit den außergerichtlichen Kosten der [X.] belastet werde. Auch müsse die Beklagte anders als jede der [X.] bei einem Popularklageverfahren mit einer unbestimmbaren Anzahl von Gegnern rechnen und sei damit einem völlig unabsehbaren Kostenrisiko ausgesetzt. Dies beeinträchtige und erschwere für die Beklagte die Rechtsverteidigung erheblich in einer dem Sinn und Zweck des [X.] widersprechenden, verfassungswidrigen Weise. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und das Recht auf ein faires Verfahren gem. Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG, insbesondere der Grundsatz der Waffengleichheit, geböten daher eine entsprechende Reduzierung des Gegenstandswertes für die Berechnung der erstattungsfähigen Anwaltsgebühren.

4

Die Beklagte beantragt,

5

den Gegenstandswert für die Berechnung der erstattungsfähigen Anwaltsgebühren gemäß § 33 Abs. 1 [X.] für die [X.] auf jeweils 7,5 Millionen € festzusetzen,

6

hilfsweise,

7

den Gegenstandswert für die Berechnung der erstattungsfähigen Anwaltsgebühren gemäß § 33 Abs. 1 [X.] für die [X.] für die Zeit bis zur Verbindung der [X.] zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf jeweils 30 Millionen € und für die Zeit ab Verbindung auf jeweils 7,5 Millionen € festzusetzen.

8

Die [X.] zu 3. und 4. treten dem entgegen und beantragen,

9

den Antrag der [X.] zurückzuweisen.

Sie sind der Ansicht, eine Aufteilung des Streitwerts sei unzulässig. Im vorliegenden Fall fehle es außerdem an einem sachlichen Grund, der eine unterschiedliche Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtsgebühren und die [X.] gebiete. Trotz ihrer Verbindung blieben die [X.] als jeweils selbständige Klagen bestehen, die unterschiedliche Verfahrensverläufe haben könnten und bei denen die Höhe der [X.] nicht von der zufälligen Anzahl der Klagen abhängig sein könne. Außerdem folge denknotwendig daraus, dass das Patent seinem Inhaber ein Ausschließlichkeitsrecht gegenüber jedem [X.] verleihe, dass auch jeder Dritte dagegen vorgehen könne, wobei im Regelfall der Patentinhaberin die als Kläger in Betracht kommenden [X.] bekannt sein dürften.

Die [X.] zu 1. und 2. haben sich nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.

II.

Der Antrag auf gesonderte Streitwertfestsetzung ist zwar zulässig, aber nicht begründet, weil der Gegenstandswert für das erstinstanzliche [X.] hinsichtlich der Anwaltsgebühren der Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert entspricht.

Zwar trifft es zu, dass im Falle mehrerer verbundener Klagen gegen ein Patent die Patentinhaberin im Falle ihres Unterliegens die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen hat und dass - wenn diese sich jeweils nach dem für die Gerichtskosten maßgeblichen Streitwert bemessen - die von der [X.] zu erstattende Gesamtsumme um ein Vielfaches höher ist als der Bruchteil der außergerichtlichen Kosten der [X.], den jede der [X.] im Falle ihres Unterliegens zu tragen hätte. Anders als die Beklagte meint, liegt hier jedoch kein Fall vor, in dem der Gegenstandswert gemäß § 33 Abs. 1 [X.] nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert zu berechnen ist.

1. § 23 Abs. 1 [X.] bestimmt, dass der Gegenstandswert, der der Vergütung der Anwälte zu Grunde zu legen ist, nach den für die Gerichtskosten geltenden Vorschriften zu bemessen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich der für das Patentnichtigkeitsverfahren gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 63 GKG festzusetzende Streitwert für die Gerichtsgebühren nach dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des angegriffenen Patents für die restliche Laufzeit. Er entspricht im Verfahren vor dem [X.] im Allgemeinen dem gemeinen Wert des Patents bei Erhebung der Klage, d. h. der aufgrund Eigennutzung und Lizenzen zu erwartenden Erträge zuzüglich des Betrages der bis zur Klageerhebung eventuell entstandenen Schadensersatzansprüche ([X.], 79; 1985, 511 - Stückgutverladeanlage; [X.] 1991, 190 - Unterteilungsfahne). Der Streitwert richtet sich demnach grundsätzlich nicht nach der Anzahl der Kläger und den der [X.] im Falle eines Unterliegens entstehenden Kosten.

Zwar kann der Gegenstandswert bei verschiedenen miteinander verbundenen Klagen unterschiedlich sein, wenn sich die Klageanträge unterscheiden. Dies berücksichtigt die Rechtsprechung auch im Rahmen der Festsetzung des Streitwerts nach § 23 Abs. 1 [X.] (vgl. etwa [X.] Beschluss vom [X.] [X.]; [X.] Beschluss vom [X.], jeweils veröffentlicht in juris). Soweit ersichtlich hat der [X.] oder das [X.] bei der Streitwertfestsetzung jedoch niemals die Anzahl der Kläger als maßgebliches Kriterium berücksichtigt. In der Literatur finden sich ebenfalls keine diesbezüglichen Ansätze (vgl. etwa Busse, [X.], 7. Auflage, § 54 Rn. 57 ff.; [X.], [X.], 8. Auflage, § 2 PatKostG Rn. 36 ff., 44; [X.], Patentnichtigkeitsverfahren, 4. Aufl., Rn. 447).

2. Auch der Senat sieht im vorliegenden Fall keinen Anlass, im Rahmen der Festsetzung des Streitwerts gemäß § 33 Abs. 1 [X.] das im Vergleich zu jedem der Kläger größere Kostenrisiko der [X.] zu berücksichtigen.

2.1 Die Rechtsprechung des [X.] zur Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften über die Gerichts- und Anwaltsgebühren (vgl. zusammenfassend [X.] 85, 337 - 353) geht davon aus, dass der Gesetzgeber zwar insbesondere für die Inanspruchnahme der Gerichte Gebühren erheben darf (vgl. [X.] 10, 264, 268; 80, 103, 106 f.), die Vorschriften über Gerichtsgebühren und Anwaltsgebühren aber sowohl den verfassungsrechtlichen Grundsätzen für Gebührenregelungen genügen als auch der Bedeutung des Justizgewährungsanspruchs im Rechtsstaat Rechnung tragen müssen.

Die Verknüpfung zwischen den Kosten und der Gebührenhöhe muss daher sachgerecht sein (vgl. [X.] 50, 217, 227) und die dem Einzelnen auferlegte Gebühr darf jedoch nicht außer Verhältnis zu den mit der Gebührenregelung verfolgten Zweck stehen ([X.] 50, 217, 227; 80, 103, 107; zur Verfassungsmäßigkeit von Regelungen für die Rechtsanwaltsvergütung vgl. [X.] BB 2007, 1179 ff.).

Nach diesen Maßstäben ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Höhe der Gerichtsgebühren in bürgerlich rechtlichen Streitigkeiten überwiegend an den Streit- oder Geschäftswert knüpft; denn dieser kann - im Rahmen zulässiger Pauschalierung - als Anhaltspunkt für den Wert der staatlichen Leistung angesehen werden. Ebenso ist es grundsätzlich gerechtfertigt, den Streit- oder Geschäftswert nach dem Wert des geltend gemachten prozessualen Anspruchs- und nicht nur nach dem Wert des vom einzelnen Prozessbeteiligten verfolgten wirtschaftlichen Ziels - zu bemessen (vgl. [X.] 11, 139, 143; [X.] BB 2007, 1179 ff.).

Gebühren- bzw. Vergütungsregelungen dürfen den Zugang zu den Gerichten jedoch weder tatsächlich unmöglich machen noch in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. [X.] 10, 264, 267 f.; 74, 228, 234). Die Regelungen dürfen sich deshalb nicht so auswirken, dass der Rechtsschutz von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängt (vgl. [X.] 50, 217, 231). Eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten bzw. der Rechtsverteidigung kann auch dann vorliegen, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten wirtschaftlichen Erfolg derart außer Verhältnis steht, dass die Anrufung der Gerichte nicht mehr sinnvoll erscheint.

Im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von Kostenvorschriften hält das [X.] eine umfassende Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls für erforderlich, wobei etwa die Eigenart und das Ziel des betreffenden Verfahrens, das tatsächlich wirtschaftliche Interesse der Verfahrensbeteiligten am Verfahrensausgang, der Umfang der Tätigkeit der Vertreter der Verfahrensbeteiligten und deren Entlohnung zu berücksichtigen sind (vgl. dazu [X.] 85, 337 - 353; vgl. auch [X.] BB 2007, 1179 ff.).

2.2 Der Senat sieht im vorliegenden Fall keinen Anlass, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen und den Gegenstandswert für die Berechnung der Vergütung für die Vertreter der [X.] gem. § 33 Abs. 1 [X.] niedriger anzusetzen als den Streitwert gem. § 63 GKG.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung des [X.] gibt es hier keinen Raum für eine verfassungskonforme Auslegung, weil bereits die allgemeinen kostenrechtlichen Vorschriften einen hinreichenden Schutz gewährleisten.

Abgesehen davon, dass durch die Deckelung des Streitwerts auf 30 Mio. € die Kostenbelastung nicht unbegrenzt steigen kann, sieht der Gesetzgeber für das [X.] neben der Verfahrenskostenhilfe auch eine Streitwertherabsetzung vor (§ 144 [X.], § 2 Abs. 2 Satz 5 PatKostG; vgl. dazu auch [X.], [X.], 8. Auflage, § 144 Rn. 2; Busse, [X.], 7. Aufl., § 144 Rn. 7).

§ 144 [X.], der auch im [X.] Anwendung findet, erlaubt es, die eine [X.] treffenden gerichtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten (Gebühren) nach einem Teil des vollen Streitwerts zu bemessen, wenn das zur Vermeidung einer erheblichen Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage gerechtfertigt erscheint. Diese Möglichkeit soll bereits im Vorfeld der Verfahrenskostenhilfe eingreifen und auch solchen Verfahrensbeteiligten zugutekommen, die die Voraussetzungen für die Verfahrenskostenhilfe nicht erfüllen. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des wirtschaftlich Schwächeren vor dem Kostenrisiko eines Patentprozesses mit hohem Streitwert. Der Schwächere soll den Prozess mit einem seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angepassten Streitwert führen können und so davor bewahrt werden, sein Recht gegenüber dem wirtschaftlich Stärkeren nicht ausreichend geltend machen zu können, während für den Gegner der volle Streitwert maßgebend bleibt (vgl. [X.], a. a. [X.], § 144 Rn. 7). Die Vorschrift dient darum der Waffengleichheit. Damit besteht bereits die vom [X.] geforderte Möglichkeit, der durch hohe Streitwerte bedingten Erschwerung der gerichtlichen Rechtsverfolgung Rechnung zu tragen. Eine Erweiterung dieser Möglichkeit durch die Rechtsprechung ist daher nicht erforderlich.

2.3 Die Argumente der [X.], die ein Verringerung der Streitwerte rechtfertigen sollen, greifen nach Auffassung des Senats nicht durch.

2.3.1 Es trifft zwar zu, dass ein Patentinhaber sich grundsätzlich einer unbestimmten Anzahl potentieller Kläger gegenübersieht, weil es sich bei der Nichtigkeitsklage um eine Popularklage handelt. Jedoch ist dies eine eher theoretische Überlegung, die in der Praxis wenig Bedeutung hat. In der Regel nehmen nur solche Personen die erheblichen Kosten und den meist großen Aufwand einer Nichtigkeitsklage auf sich, die ein ernsthaftes wirtschaftliches Interesse an der Vernichtung des Streitpatents haben. Dies entweder, weil gegen sie von der Patentinhaberin aus dem Streitpatent vorgegangen wird oder weil sie sich in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit durch das Streitpatent behindert fühlen. Andererseits wird der Inhaber eines wirtschaftlich bedeutsamen Patents den Markt und seine Konkurrenz beobachten und daher relativ konkret absehen können, welcher Marktteilnehmer möglicherweise eine Veranlassung hat, gegen das Schutzrecht vorzugehen. Insofern ist das mögliche Prozessrisiko in der Praxis kalkulierbar.

Die Möglichkeit dass mehrere Kläger gleichzeitig gegen das Streitpatent vorgehen und das damit verbundene Kostenrisiko, findet auch ihre sachliche Rechtfertigung. Das Patent stellt ein absolutes, d. h. gegen jedermann wirkendes Schutzrecht dar, aus dem der Inhaber gegen eine Vielzahl von (vermeintlichen) Verletzern vor den Zivilgerichten vorgehen kann. Es ist darum nur die logische Folge und ein Erfordernis der Waffengleichheit, dass auch jeder der Konkurrenten die Bestandsfähigkeit des Rechts, aus dem gegen ihn vorgegangen werden könnte oder wird, gerichtlich infrage stellen kann. Außerdem folgt auch in Zusammenhang mit möglichen Verletzungen aus der Eigenschaft des Patents als absolutes Schutzrecht ein [X.] für den Patentinhaber, das in der Anzahl und dem Umfang der (möglichen) Patentverletzungen und der [X.] begründet ist. In diesem Kostenrisiko sowohl in Bezug auf [X.] aus dem Streitpatent als auch hinsichtlich [X.] gegen das Streitpatent verwirklichen sich somit lediglich das Störpotenzial und die wirtschaftliche Bedeutung des absoluten Schutzrechts, die sich in der Anzahl der dadurch konkret Behinderten niederschlagen.

2.3.2 Es kann auch unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsaufwandes für die [X.] kein Unterschied gemacht werden, ob mehrere gegen das Streitpatent gerichteten Klagen verbunden werden oder nicht, weil - wie die Erfahrung zeigt - die einzelnen Kläger häufig verschiedene eigene Interessen und außerdem unterschiedliche Argumentationslinien verfolgen. Man kann darum nicht pauschal davon ausgehen, dass der Aufwand für den einzelnen Kläger bzw. dessen Vertreter zwangsläufig geringer ist, wenn das Streitpatent durch mehrere Klagen angegriffen wird, als bei Verfahren, in denen nur ein Kläger gegen das Streitpatent vorgeht. Auch muss zumindest die Vorbereitung der Klagen von jedem der Kläger alleine bewältigt werden, was erhebliche Parallelarbeit bedingt.

Unter diesen Gesichtspunkten wäre es unbillig, wenn die Höhe der Vergütung für die Vertreter der Kläger generell von der (zufälligen) Anzahl der Kläger abhängig gemacht und in derselben Sache nur einen Bruchteil der Höhe der Vergütung der [X.]vertreter betragen würde. Eine solche Berechnung würde das [X.] auf die Seite der Kläger und insbesondere auf deren Prozessbevollmächtigte verschieben, wofür kein sachlicher Grund ersichtlich ist. Es mag zwar sein, dass bei der Verbindung der Klagen zwischen den Vertretern der einzelnen Kläger in manchen Fällen eine gewisse Arbeitsteilung praktiziert wird. Eine leistungsgerechte Berücksichtigung solcher Gesichtspunkte würde aber eine intensive und komplizierte Bewertung der Anteile der Tätigkeit der jeweiligen Klägervertreter in jedem Einzelfall erfordern. Die Höhe und Berechnung der Vergütung sind jedoch vom Gesetzgeber in den Kosten- und Gebührenvorschriften im Interesse leichter Handhabbarkeit und ausgehend von durchschnittlichem Aufwand pauschalierend und typisierend festgelegt worden, um eine möglichst einheitliche, pragmatische Handhabung ohne meist komplizierte Beurteilung des fallspezifischen Aufwandes zu gewährleisten, die auch die Abschätzung des Kostenrisikos aller [X.]en erleichtert (vgl. dazu etwa [X.] BB 2007, 1179 ff., 1180 f., 1184).

2.4 Vorliegend handelt es sich auch nicht um einen Fall, bei dem das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten wirtschaftlichen Erfolg derart außer Verhältnis steht, dass die Anrufung der Gerichte nicht mehr sinnvoll erscheint. Nach Kenntnis des Senats hat die Beklagte mit dem unter das Streitpatent fallenden Präparat Viani in der [X.] allein im Jahr 2009 Umsätze von über … Mio. € erzielt (Schwabe/[X.], [X.], [X.]) und die Restlaufzeit des Schutzzertifikats zum Zeitpunkt der Erhebung der ersten Klage betrug etwa fünf Jahre, was bei einem sehr niedrig geschätzten Lizenzsatz zwischen 3 und 5 % zu einem (nicht „gedeckelten“) wirtschaftlichen Wert des Schutzrechts von mindestens 50 Mio. € führt. Laut Berechnung der [X.] betragen die den [X.] zu erstattenden Anwaltskosten für das hier streitgegenständliche Verfahren erster Instanz dagegen lediglich 228.760 € x 4 = 915.040 € zuzüglich Gerichtskosten. Hinzu kommen die eigenen außergerichtlichen Kosten der [X.]. Dieses Kostenrisiko ist daher nicht geeignet, einen verständigen Patentinhaber und insbesondere den sehr großen Konzern der [X.] von der Verteidigung des Streitpatents abzuhalten.

3. Nach Auffassung des Senats ist darum durch die Möglichkeit der Streitwertherabsetzung gemäß § 144 [X.] hinreichend sichergestellt, dass die Nichtigkeitsbeklagte gegebenenfalls nicht unzumutbar an der Rechtsverfolgung gehindert ist, so dass eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 33 und 21 [X.] nicht geboten ist (so auch [X.] WRP 2009, 1401 - 1402 - [X.]).

Meta

3 Ni 15/08 (EU)

20.08.2013

Bundespatentgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.08.2013, Az. 3 Ni 15/08 (EU) (REWIS RS 2013, 3371)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3371


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 83/10

Bundesgerichtshof, X ZR 83/10, 27.08.2013.


Az. 3 Ni 15/08 (EU)

Bundespatentgericht, 3 Ni 15/08 (EU), 20.08.2013.

Bundespatentgericht, 3 Ni 15/08 (EU), 19.05.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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