Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.11.2013, Az. VIII R 36/10

8. Senat | REWIS RS 2013, 1290

STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) ZINSEN EINKOMMENSTEUER

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Gegenstand

Steuerpflicht von Erstattungszinsen


Leitsatz

1. Erstattungszinsen nach § 233a AO sind steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen.

2. Die Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 verstößt --auch im Hinblick auf ihre rückwirkende Geltung-- nicht gegen Verfassungsrecht.

3. Erstattungszinsen sind keine außerordentlichen Einkünfte i.S. von § 34 EStG.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob im Streitjahr (2006) zugeflossene Erstattungszinsen (§ 233a der Abgabenordnung --[X.]--) Einnahmen aus Kapitalvermögen sind und ob für sie die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt.

2

Die miteinander verheirateten Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Rentner. Für das Streitjahr wurden sie zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Gemäß dem Einkommensteuerbescheid für 1995 entrichtete die Klägerin am 9. Juli 1997 eine Einkommensteuernachzahlung, die auf den Gewinn aus der Veräußerung ihres Kommanditanteils an der K.KG zum 31. Dezember 1995 entfiel. Im Streitjahr stellte sich der endgültige Ausfall der Kaufpreisforderung heraus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) änderte infolge eines entsprechend geänderten Grundlagenbescheides des Finanzamts H. den Einkommensteuerbescheid für 1995 unter Ansatz eines Veräußerungsgewinnes von 0 € und setzte Erstattungszinsen fest.

3

Am 8. November 2007 erging ein erstmaliger Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, bei dem Zinsen auf die Einkommensteuererstattung für 1995 in Höhe von 118.101 € für 109 Monate als Einnahmen aus Kapitalvermögen berücksichtigt wurden.

4

Die nach insoweit erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der die Kläger für die Erstattungszinsen eine ermäßigte Besteuerung nach § 32a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG begehrten, blieb ebenfalls erfolglos (Urteil des [X.] vom 29. Januar 2010  10 K 2720/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 723).

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.] ([X.]) ist dem Revisionsverfahren beigetreten.

6

Die Kläger halten die Erfassung der Erstattungszinsen als [X.] i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG für verfassungswidrig; jedenfalls müsse der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG Anwendung finden.

7

Mit dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG habe der Gesetzgeber eine Grundsatzentscheidung getroffen und auch die Erstattungszinsen [X.] zugewiesen. Der Zufluss von Zinsen nach § 233a [X.] (Erstattungszinsen) und der Abfluss derartiger Zinsen (Nachzahlungszinsen) seien wesentlich gleiche Sachverhalte. Erstattungs- und Nachzahlungszinsen würden gemäß § 233a [X.] identisch berechnet und verfolgten denselben Zweck (Hinweis auf das Urteil des [X.] --BFH-- vom 20. September 1995 [X.], [X.], 555, [X.] 1996, 53).

8

Im Ergebnis habe der Gesetzgeber mit der Ergänzung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010 --[X.] 2010-- ([X.], 1768) in dessen Satz 3 eine Norm geschaffen, die in unmittelbarem Widerspruch zu seiner eigenen, in § 12 Nr. 3 EStG verankerten Grundentscheidung stehe, bestimmte Steuern und darauf entfallende Nebenleistungen dem nicht steuerbaren Bereich zuzuweisen. Eine derartige Regelung sei nicht nur system- und damit rechtswidrig. Vielmehr liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor.

9

Darüber hinaus begegne auch die Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.] 2010 verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Aspekt des Verbots einer echten Rückwirkung.

Hinsichtlich der begehrten ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG erfüllten die Erstattungszinsen den Begriff der Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Jedenfalls sei eine analoge Anwendung der begünstigenden Vorschriften geboten wegen einer ungewollten Regelungslücke, da ein dem Regelungsgehalt von § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG vergleichbarer Sachverhalt vorliege. Zudem stellten die Erstattungszinsen eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das [X.] aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung für 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2009 dahingehend zu ändern, dass Erstattungszinsen nach § 233a [X.] in Höhe von 118.101 € nicht mehr als Einnahmen erfasst werden, hilfsweise, die Erstattungszinsen in Höhe von 118.101 € nach § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern.

Das [X.] beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

Zu Recht hat das [X.] die streitbefangenen [X.]rstattungszinsen als [X.]innahmen aus Kapitalvermögen der [X.]inkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr zugrunde gelegt.

1. [X.]rstattungszinsen i.S. von § 233a [X.] gehören zu den [X.]inkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Sätze 1 und 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010) und unterliegen als solche der [X.]inkommensteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.]StG). Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 gilt für alle Fälle, in denen die Steuer im Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch nicht bestandskräftig festgesetzt war (§ 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010), mithin auch im Streitfall.

a) Dem steht die Regelung in § 12 Nr. 3 [X.]StG nicht entgegen. Dort heißt es, dass Steuern vom [X.]inkommen weder bei den einzelnen [X.]inkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der [X.]inkünfte abgezogen werden dürfen und dies auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen gilt. Die Auffassung des erkennenden [X.]s in seinem Urteil vom 15. Juni 2010 VIII R 33/07 ([X.], 109, [X.], 503), die Vorschrift weise über ihren Wortlaut hinaus auch Steuererstattungen und daran anknüpfende [X.]rstattungszinsen dem nichtsteuerbaren Bereich zu, kann der [X.]ntscheidung des Streitfalls angesichts der durch das [X.] 2010 getroffenen Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG nicht mehr zugrunde gelegt werden.

Mit der ausdrücklichen Normierung der [X.]rstattungszinsen als Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010) hat der Gesetzgeber seinen Willen, diese der Besteuerung zu unterwerfen, klar zum Ausdruck gebracht. Dazu bedurfte es keiner Änderung des § 12 [X.]StG. [X.]s ist dem Gesetzgeber überlassen, an welcher Stelle des Gesetzes er das von ihm nicht geteilte Rechtsverständnis der Rechtsprechung zur Nichtsteuerbarkeit der [X.]rstattungszinsen korrigiert, ob --wie geschehen-- durch eine (positive) Regelung auf der [X.]innahmenseite oder durch eine (negative) Regelung im Rahmen der Vorschrift über die Nichtabzugsfähigkeit von Ausgaben (§ 12 [X.]StG). Die positive Regelung auf der [X.]innahmenseite ist systematisch näherliegend. Auch im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber insoweit bei der Gesetzesänderung durch das [X.] 2010 zurecht auf der [X.]innahmenseite angesetzt hat ([X.], [X.] Steuer-Zeitung [X.], 436, unter [X.] und 2.; [X.], [X.] --[X.]-- 2012, 673, 677; [X.], [X.] --H[X.]-- 2012, 636, unter 3.; [X.], [X.][X.] 2011, 649, 651 f.). Der gegenteiligen Auffassung (Panzer/ [X.], [X.]s Steuerrecht --DStR-- 2011, 741, 742; vgl. auch Beschluss des [X.] Münster vom 27. Oktober 2011  2 V 913/11 [X.], [X.][X.] 2012, 118), wonach der gesetzgeberische Wille angesichts eines ansonsten unveränderten [X.] keinen hinreichenden Ausdruck gefunden habe, ist nicht zu folgen. Da § 12 Nr. 3 [X.]StG nach Wortlaut und systematischer Stellung den Abzug von Ausgaben regelt und die [X.]rstattungszinsen nicht anspricht, war zur gesetzgeberischen Korrektur der Rechtsprechung keine Änderung auch dieser Norm geboten.

b) Der aus dem klaren Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 erkennbare Gesetzeszweck wird durch die [X.]ntstehungsgeschichte bestätigt. So heißt es im Bericht des Finanzausschusses zum [X.]ntwurf eines [X.] 2010 (BTDrucks 17/3549, S. 17), dass [X.]rstattungszinsen steuerbar sind und die gesetzliche Klarstellung notwendig sei, "da der [X.] ([X.]) mit seinem Urteil vom 15. Juni 2010, [X.]. VIII R 33/07, seine Rechtsprechung zur Steuerpflicht von [X.]rstattungszinsen teilweise geändert hat und nunmehr ausführt, dass gesetzliche Zinsen, die das Finanzamt auf Grund von [X.]inkommensteuererstattungen an den Steuerpflichtigen zahlt (sog. [X.]rstattungszinsen), nicht (mehr) der [X.]inkommensteuer unterliegen."

Damit bleibt für eine Behandlung der [X.]rstattungszinsen nach § 233a [X.] als nicht steuerbar kein Raum mehr. Bei Auslegung des Gesetzes ist die gesetzgeberische [X.]ntscheidung zu respektieren und der im Gesetz angelegte "Wille des Gesetzgebers ... möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen" (Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2011  1 BvR 918/10, [X.] 128, 193).

2. Die verfassungsrechtlichen [X.]inwendungen der Kläger greifen nicht durch.

a) Die Anordnung der Besteuerung der [X.]rstattungszinsen als [X.]innahmen aus Kapitalvermögen durch den Gesetzgeber verstößt im Vergleich zur Nichtabziehbarkeit der Nachzahlungszinsen weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG noch das daraus folgende, an den Gesetzgeber gerichtete verfassungsrechtliche Gebot, einmal getroffene (steuerliche) Belastungsentscheidungen folgerichtig auszugestalten (Folgerichtigkeitsgebot).

[X.]s fehlt schon an einer Ungleichbehandlung i.S. des Art. 3 GG. § 233a [X.] regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Dem [X.]ntstehen von [X.] einerseits und [X.]rstattungsansprüchen andererseits liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, nämlich in einem Fall zu geringe Vorleistungen auf die entstandene Steuerschuld, im anderen Fall eine Überzahlung. Diese unterschiedlichen Sachverhalte sind allenfalls insoweit abstrakt vergleichbar, als sie beide Zahlungsansprüche im [X.] begründen und sich --mit unterschiedlichen [X.] auf die Liquidität des Steuerpflichtigen auswirken. In ihrer wirtschaftlichen Auswirkung und ihrer steuerrechtlich maßgeblichen Veranlassung sind sie hingegen nicht vergleichbar (vgl. [X.]-Beschluss vom 15. Februar 2012 I B 97/11, [X.][X.] 236, 458, [X.], 697; [X.], [X.] 2012, 673, 679). Nachzahlungszinsen sind durch § 12 Nr. 3 [X.]StG der Sphäre der steuerrechtlich unbeachtlichen [X.]inkünfteverwendung zugewiesen. Die Verwendung von [X.]inkommen ist [X.] grundsätzlich irrelevant, soweit es sich nicht um [X.]rwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) handelt oder die steuerliche Abzugsmöglichkeit (insbesondere als Sonderausgabe oder außergewöhnliche Belastung, §§ 10 ff., 33 f. [X.]StG) ausdrücklich gesetzlich geregelt ist.

Die gesetzliche Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 führt mithin nicht zu einer gleichheitssatzwidrigen Ungleichbehandlung wesentlich gleichartiger Sachverhalte. Damit fehlt im Streitfall die Voraussetzung der Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots. [X.]s besteht keine Korrespondenz zwischen der Behandlung des [X.] in § 12 Nr. 3 [X.]StG (Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen) und des [X.] in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 (vgl. [X.], [X.] 2012, 673, 679; [X.], [X.], 436, unter 4.).

Zutreffend wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass die Zuweisung der Nachzahlungszinsen in den nichtsteuerbaren Bereich (auch) der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen dient, die eine private Steuerschuld kreditfinanziert tilgen müssen und die dafür entstehenden Schuldzinsen unter keinem Gesichtspunkt steuerlich abziehen können (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 17/3549, S. 18; [X.], [X.] 2012, 673, 680; [X.], [X.], 436, unter 4.).

Zwar wird das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 [X.]StG in Teilen des Schrifttums für verfassungswidrig gehalten (s. [X.]/[X.], Institut Finanzen und Steuern e.V., [X.], 2013, S. 88 ff., unter Hinweis auf [X.], Betriebs-Berater 2002, 1456). Indes könnte die --unterstellte, vom [X.] allerdings in seiner [X.]ntscheidung vom 2. September 2008 VIII R 2/07 ([X.][X.] 223, 15, [X.], 25) bereits verneinte-- Verfassungswidrigkeit nicht zugleich die Verfassungswidrigkeit des [X.] in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 begründen.

b) Die Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

aa) § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 ist nach § 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 "in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist". Damit ist das Gesetz rückwirkend auch auf den Streitfall anwendbar.

bb) [X.] (§ 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010) führt nach Auffassung einiger Finanzgerichte und Stimmen in der Literatur zu einer unzulässigen echten Rückwirkung. Zumindest werden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung angemeldet (vgl. Beschlüsse des [X.] Düsseldorf vom 5. September 2011  1 V 2325/11 A([X.]), [X.][X.] 2012, 120, 122; des [X.] Münster in [X.][X.] 2012, 118, 119; des Schleswig-Holsteinischen [X.] vom 27. Januar 2012  1 V 226/11, [X.][X.] 2012, 619, 621; Panzer/[X.], DStR 2011, 741, 743 f.; [X.], [X.] 2011, 173, 175). Auch der [X.] hat deswegen in einer Reihe von Fällen aufgrund summarischer Prüfung zunächst die Vollziehung von Steuerfestsetzungen ausgesetzt (Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 VIII B 190/11, [X.][X.] 236, 158, [X.], 243; vom 22. Dezember 2011 VIII B 146/11, [X.]/NV 2012, 575; vom 9. Januar 2012 VIII B 95/11, [X.]/NV 2012, 575).

cc) Indes erweist sich die in § 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 angeordnete Rückwirkung nach abschließender Prüfung im Revisionsverfahren nicht als verfassungsrechtlich unzulässig. Auch wenn man abweichend von den Gesetzesmaterialien in der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 keine "Klarstellung" sieht, sondern davon ausgeht, dass die Anwendungsvorschrift eine echte Rückwirkung für bereits abgeschlossene [X.]rhebungszeiträume bedeutet, hält die Vorschrift verfassungsrechtlicher Nachprüfung stand. Zwar sind Gesetze mit echter Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, im Hinblick auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen grundsätzlich unzulässig (vgl. [X.]-Beschluss vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, [X.] 97, 67, 78; [X.] vom 23. November 1999  1 [X.], [X.] 101, 239, 263; Nichtannahmebeschluss des [X.] vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, H[X.] 2009, 187). Jedoch sind in der Rechtsprechung des [X.] Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist. So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. [X.] in [X.] 101, 239, 263; Nichtannahmebeschluss des [X.] in H[X.] 2009, 187).

dd) So liegt der Streitfall. Mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010, die [X.]rstattungszinsen dem steuerbaren Bereich zuweist, hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zum [X.]rgehen des [X.]-Urteils in [X.], 109, [X.], 503 der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. [X.]-Urteile vom 18. Februar 1975 VIII R 104/70, [X.][X.] 115, 216, [X.] 1975, 568; vom 8. April 1986 VIII R 260/82, [X.][X.] 146, 408, [X.] 1986, 557; vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, [X.][X.] 175, 439, [X.] 1995, 121; vom 8. November 2005 VIII R 105/03, [X.]/NV 2006, 527, m.w.N.; [X.]-Beschlüsse vom 14. April 1992 VIII B 114/91, [X.]/NV 1993, 165; vom 30. Juni 2009 VIII B 8/09, [X.]/NV 2009, 1977) und der Praxis der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2000 IV C 1 -S 2252- 231/00, [X.], 1508; weitere Nachweise im [X.]-Urteil in [X.]/NV 2006, 527) entsprach (vgl. Nichtannahmebeschluss des [X.] in H[X.] 2009, 187). Die Behauptung der Kläger, der [X.] habe seine langjährige Rechtsprechung seit Inkrafttreten des [X.] 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 --BGBl I 1999, 402-- (mit dem der Sonderausgabenabzug für Nachzahlungszinsen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 [X.]StG gestrichen worden war) nicht mehr bestätigt, trifft nicht zu, wie sich den [X.]ntscheidungen des [X.]s in [X.]/NV 2006, 527 und [X.]/NV 2009, 1977 entnehmen lässt.

ee) Vor der Rechtsprechungsänderung durch das [X.]surteil in [X.], 109, [X.], 503 konnte deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger auf die Nichtsteuerbarkeit der [X.]rstattungszinsen entstehen, zumal der Zufluss der streitbefangenen [X.]rstattungszinsen bei den Klägern bereits mehrere Jahre zurücklag.

[X.]in Vertrauenstatbestand hätte sich deshalb allenfalls ab der [X.] des die Rechtsprechung ändernden [X.]surteils in [X.], 109, [X.], 503 entwickeln können. Jedenfalls fehlt es angesichts der Vorgeschichte sowie des relativ kurzen Zeitraums zwischen der [X.] dieses Urteils (am 8. September 2010) und dem Inkrafttreten des [X.] 2010 (am 14. Dezember 2010) an der Schutzwürdigkeit eines Vertrauens in den Fortbestand der Rechtsprechungsänderung, zumal in diese Zwischenzeit keine schutzwürdigen Vermögensdispositionen der Kläger fielen.

3. [X.]ntgegen der Auffassung der Kläger sind die [X.]rstattungszinsen keine außerordentlichen [X.]inkünfte [X.] 34 Abs. 1 und 2 [X.]StG.

a) Die Leistung von [X.]rstattungszinsen erfüllt nicht den Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a [X.]StG ([X.]rsatz für entgangene oder entgehende [X.]innahmen), da sie unabhängig davon erbracht wird, ob dem Steuerpflichtigen [X.]innahmen entgangen sind oder entgehen. Die Rechtslage ist insoweit nicht anders als bei Prozess- oder Verzugszinsen (vgl. dazu [X.]-Urteil in [X.][X.] 175, 439, [X.] 1995, 121, m.w.N.). § 233a [X.] regelt in einer praktikablen, typisierenden Weise einen finanziellen Ausgleich in Fällen, in denen die nicht zeitnah erfolgte Festsetzung (hier:) der [X.]inkommensteuer zu einem Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter Steuer einerseits und Lohnsteuerabzugsbeträgen, anzurechnender Körperschaftsteuer und festgesetzten Vorauszahlungen andererseits führt (§ 233a Abs. 3 [X.]). Die Typisierung hat zur Folge, dass es auf die tatsächlichen Umstände nicht ankommt. [X.]s bleibt unerheblich, ob der Steuerpflichtige als Zinsgläubiger den [X.]rstattungsbetrag bei früherer [X.]rlangung rentierlich angelegt hätte, ob er dies gegebenenfalls zu einem höheren oder nur zu einem niedrigeren Zins hätte tun können oder ob er etwa --wie von den Klägern im Streitfall geltend gemacht-- vor der späteren Steuererstattung zur zwischenzeitlichen Begleichung eines letztlich nicht bestehenden Steueranspruchs eine bestehende rentierliche Geldanlage auflösen musste.

Die typisierende Norm des § 233a [X.] trifft für die in ihrem Abs. 1 aufgeführten Zinsen eine abschließende Regelung. Auch in Bezug auf geltend gemachte Besonderheiten des [X.]inzelfalles verbleibt insoweit keine Regelungslücke. Der den Kapitaleinkünften zugewiesene Zinsanspruch (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010) trägt seinen Rechtsgrund allein in § 233a [X.], was einen Rückgriff auf andere Rechtsgründe weder erfordert noch ermöglicht.

b) Der [X.] folgt nicht der Auffassung der Kläger, die [X.]rstattungszinsen stellten eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. von § 34 Abs. 2 Nr. 4 [X.]StG dar.

aa) Der Wortsinn der Vorschrift schließt dies aus. Die Zinszahlung "vergütet" keine "Tätigkeit", sondern eine durch Verwaltungsakt bestimmte zwangsweise Kapitalüberlassung (s. auch Urteil des [X.] Düsseldorf vom 16. April 2009  11 K 1764/08 F, [X.][X.] 2009, 1568), infolge derer die Zinsen ohne weiteres Zutun des betroffenen Steuerpflichtigen kraft Gesetzes als Ausgleich für die Vorenthaltung der [X.]rstattungsleistung entstehen (vgl. [X.]-Urteil vom 13. November 2007 VIII R 36/05, [X.][X.] 220, 35, [X.] 2008, 292).

bb) Dass Zinsen nicht unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 [X.]StG fallen, folgt aus der Normsystematik.

(1) Als außerordentliche [X.]inkünfte kommen nach Abs. 2 der Vorschrift nur die dort enumerativ aufgeführten in Betracht. Dazu gehören gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 [X.]StG Zinsen i.S. des § 24 Nr. 3 [X.]StG, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden. Aus der ausdrücklichen Aufführung dieser bestimmten Zinsen im Katalog des § 34 Abs. 2 [X.]StG folgt im Umkehrschluss, dass andere Zinsen generell nicht von dieser Vorschrift erfasst werden sollen. Dies gilt auch deshalb, weil die in § 34 Abs. 2 Nr. 3 [X.]StG aufgeführten Zinsen nur unter einer zeitlichen Voraussetzung privilegiert werden, die strikter ist als die der mehrjährigen Tätigkeit.

(2) Die steuerliche Privilegierung der in § 34 [X.]StG aufgeführten [X.]inkünfte setzt außerdem ihre Qualifizierung als "außerordentlich" voraus (§ 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]StG sowie amtliche Überschrift). So hat der [X.] von jeher geurteilt, dass es sich bei den Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten um einmalige und für die jeweilige [X.]inkunftsart ungewöhnliche [X.]inkünfte handeln müsse, die zudem das zusammengeballte [X.]rgebnis mehrerer Jahre darstellten (vgl. [X.]-Urteile vom 17. Februar 1993 I R 119/91, [X.]/NV 1993, 593; vom 21. November 1980 VI R 179/78, [X.][X.] 132, 60, [X.] 1981, 214; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 34 [X.]StG Rz 60). Auch in einer neueren [X.]ntscheidung hat er die Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit bei üblichem Anfall im Rahmen einer freiberuflichen Praxis nicht unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 [X.]StG subsumiert ([X.]-Urteil vom 30. Januar 2013 III R 84/11, [X.][X.] 240, 156). Die Finanzverwaltung knüpft die [X.]rstreckung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 [X.]StG auf andere [X.]inkunftsarten als die nach § 19 [X.]StG an die einschränkende Voraussetzung, dass eine Zusammenballung von [X.]inkünften eingetreten ist, die nicht dem vertragsgemäßen oder dem typischen Ablauf entspricht (R 34.4 Abs. 1 der [X.]inkommensteuerrichtlinien --[X.]StR--). Der [X.] hält diese [X.]inschränkung nach dem Gesetzeszweck für grundsätzlich zutreffend. Gegen eine [X.]rstreckung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 [X.]StG auf die [X.]rstattungszinsen spricht deshalb auch, dass ihre Festsetzung für einen längeren, periodenübergreifenden Zeitraum und der daran anknüpfende Zufluss in einem Betrag keineswegs untypisch sind. Denn Fälle, in denen die Karenzzeiten des § 233a [X.] überschritten werden und damit der [X.] erst beginnt, sind häufig zugleich solche, in denen der [X.] länger andauert, etwa infolge von Rechtsbehelfsverfahren, länger währenden Außenprüfungen oder spät erteilten Grundlagenbescheiden.

cc) Allerdings sprechen sich Stimmen in der Literatur für eine Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 [X.]StG auch auf Kapitaleinkünfte aus (vgl. [X.] in Kirchhof, [X.]StG, 12. Aufl., § 34 Rz 27; [X.]/[X.], [X.]StG, 32. Aufl., § 34 Rz 38 f.). Dieser Ansicht ist aus den voranstehenden Gründen jedenfalls für Zinsen i.S. des § 233a [X.] nicht zu folgen.

Meta

VIII R 36/10

12.11.2013

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 29. Januar 2010, Az: 10 K 2720/09, Urteil

§ 12 Nr 3 EStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 7 S 3 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 34 Abs 1 EStG 2002, § 34 Abs 2 Nr 2 EStG 2002, § 34 Abs 2 Nr 3 EStG 2002, § 34 Abs 2 Nr 4 EStG 2002, § 52a Abs 8 S 2 EStG 2009 vom 08.12.2010, Art 3 Abs 1 GG, EStG VZ 2006, R 34.4 Abs 1 EStR 2005, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.11.2013, Az. VIII R 36/10 (REWIS RS 2013, 1290)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1290

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 482/14

VIII B 95/11

VIII B 190/11

VIII B 146/11

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