Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.04.2015, Az. VIII R 30/13

8. Senat | REWIS RS 2015, 12664

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Gegenstand

Rechtmäßigkeit der Besteuerung von Erstattungszinsen bei gleichzeitiger Irrelevanz von Nachzahlungszinsen


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. März 2013  6 K 69/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Streitjahr 2004 zugeflossenen Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer unterliegen.

2

Der Kläger war bis 31. Dezember 1999 mit einer Unterbeteiligung an einem Kommanditanteil an einer Firma beteiligt. Aufgrund einer Außenprüfung wurden ihm höhere Gewinne aus dieser Beteiligung zugerechnet, so dass mit Bescheiden vom 4. November 2004 seine Einkommensteuer für die [X.] und 1997 sowie Nachzahlungszinsen in Höhe von insgesamt 4.912 € (3.120 € für 1996 und 1.792 € für 1997) höher festgesetzt und zum 8. Dezember 2004 fällig gestellt wurden. Für die Jahre 1998 bis 2002 wurde die Einkommensteuer mit Bescheiden vom 4. und 8. November 2004 herabgesetzt; zugleich wurden Erstattungszinsen um insgesamt 11.649 € (825 € für 1998, 1.033 € für 1999, 4.573 € für 2000, 4.005 € für 2001 und 1.213 € für 2002) höher festgesetzt.

3

Mit Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 20. Juni 2006 erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die erklärten Einnahmen des [X.] aus Kapitalvermögen um im Streitjahr vereinnahmte Erstattungszinsen von 11.319 € gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die vom Kläger entrichteten und beim [X.] am 4. Januar 2005 eingegangenen Nachzahlungszinsen von 4.912 € blieben dabei unberücksichtigt. Auf dieser Grundlage ergab sich für das Streitjahr ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 20.485 € sowie nach Berücksichtigung eines entsprechenden Verlustvortrags eine Einkommensteuerfestsetzung von 0 €.

4

Mit Bescheid vom selben Tag über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 stellte das [X.] den verbleibenden Verlustvortrag --gemindert um den für 2004 in Abzug gebrachten Verlust von 20.485 €-- auf 30.852 € fest.

5

Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2004 legte der Kläger Einspruch mit der Begründung ein, die für frühere Jahre in 2004 fällig gestellten und in 2005 gezahlten Nachzahlungszinsen seien nicht berücksichtigt worden. Er beantragte zunächst, die als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzten Erstattungszinsen in 2004 um die in 2005 gezahlten Nachzahlungszinsen zu mindern.

6

Das [X.] wertete den Rechtsbehelf als Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 und wies ihn als unbegründet zurück.

7

Mit seiner dagegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die Erstattungszinsen unterlägen beim Empfänger nicht der Besteuerung soweit sie auf nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbare Steuern entfielen.

8

Nachdem das Finanzgericht ([X.]) das Klageverfahren wegen des Revisionsverfahrens VIII R 33/07 zum Ruhen gebracht und nach Ergehen des Urteils in jenem Verfahren am 15. Juni 2010 das Verfahren wieder aufgenommen hatte, trug der Kläger mit Blick auf die zwischenzeitlich durch das Jahressteuergesetz 2010 ([X.] 2010) vom 8. Dezember 2010 ([X.], 1768, [X.], 1394) geregelte --und für alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen geltende-- Ergänzung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG um die Regelung in Satz 3 zur Steuerbarkeit von Erstattungszinsen i.S. des § 233a der Abgabenordnung ([X.]) vor, die steuerliche Irrelevanz von Nachzahlungszinsen bei gleichzeitiger Steuerbarkeit von Erstattungszinsen führe zu einer Ungleichbehandlung verschiedener Arten der Vollverzinsung.

9

Nach § 233a [X.] bestehe eine Kongruenz zwischen den wechselseitigen Verpflichtungen von [X.] und [X.], die von dem Gedanken getragen werde, dass gegenseitige [X.] abgeschöpft werden sollten. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des [X.] 2010 führe zu willkürlichen Ergebnissen.

Wäre das Verfahren unmittelbar nach Verkündung des Urteils des [X.] ([X.]) vom 15. Juni 2010 VIII R 33/07 ([X.]E 230, 109, [X.], 503) wiederaufgenommen worden, hätte es vermutlich vor Erlass des [X.] 2010 im Sinne des [X.] rechtskräftig abgeschlossen werden können. Die Regelung des [X.] 2010 hätte den Kläger dann nicht mehr getroffen.

Mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2013, 1234 veröffentlichten Urteil vom 22. März 2013  6 K 69/11 wies das [X.] die Klage als unbegründet ab und ließ die Revision zu.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Zu Unrecht habe der [X.] in seinen Urteilen vom 12. November 2013 VIII R 36/10 ([X.]E 243, 506, [X.], 168) und vom 24. Juni 2014 VIII R 29/12 ([X.]E 246, 306, [X.], 998) die Verfassungsmäßigkeit der Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch das [X.] 2010 und damit die Steuerbarkeit von Erstattungszinsen unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien und den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bejaht.

Schließlich sei das rückwirkende Inkrafttreten der Gesetzesänderung nach § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.] 2010 eindeutig verfassungswidrig. Entgegen der Ansicht des [X.] müsse man nach Abschaffung des [X.] von Nachzahlungszinsen durch das [X.] --StEntlG 1999/2000/2002-- vom 24. März 1999 ([X.], 402) nicht von einer weiterhin eindeutigen Rechtslage dahingehend ausgehen, dass Erstattungszinsen steuerpflichtig seien.

Deshalb greife auch die Argumentation des [X.] zu kurz, ein schutzwürdiges Vertrauen in die Nichtsteuerbarkeit von Erstattungszinsen habe durch das Urteil in [X.]E 230, 109, [X.], 503 nicht entstehen können.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben sowie den Bescheid vom 20. Juni 2006 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2008 dahingehend zu ändern, dass aufgrund des Einkommens im Veranlagungsjahr 2004 von dem zum 31. Dezember 2003 bestehenden Verlustvortrag ein Betrag von 9.166 € (bisher: 20.485 €) abgezogen wird.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

Zu Recht hat das [X.] die Klage gegen die [X.]rfassung der vom Kläger im Streitjahr 2004 vereinnahmten [X.]rstattungszinsen als steuerbare [X.]innahmen i.S. des --nach Maßgabe des im Zeitpunkt der gerichtlichen [X.]ntscheidung geltenden und deshalb im Streitfall anzuwendenden-- § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 abgewiesen. Dem Begehren auf Feststellung eines höheren verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2004 kann nicht entsprochen werden.

1. Nach der inzwischen ständigen [X.]-Rechtsprechung sind [X.]rstattungszinsen nach § 233a [X.] als steuerpflichtige [X.]innahmen im Rahmen der [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 auch in noch nicht bestandskräftig veranlagten Besteuerungszeiträumen vor 2010 zu erfassen, da die Vorschrift weder einschränkend auszulegen ist noch gegen das Grundgesetz verstößt ([X.]-Urteile in [X.], 506, [X.], 168; vom 12. November 2013 VIII R 1/11, [X.], 830; vom 10. April 2014 III R 20/13, [X.], 530; [X.] vom 9. Oktober 2014 I R 34/13, [X.], 167).

Diese vom Kläger für rechtsfehlerhaft gehaltene Rechtsprechung hat der [X.] mit seiner Grundsatzentscheidung in [X.], 506, [X.], 168 wie folgt begründet:

"Mit der ausdrücklichen Normierung der [X.]rstattungszinsen als Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010) hat der Gesetzgeber seinen Willen, diese der Besteuerung zu unterwerfen, klar zum Ausdruck gebracht. Dazu bedurfte es keiner Änderung des § 12 [X.]StG. [X.]s ist dem Gesetzgeber überlassen, an welcher Stelle des Gesetzes er das von ihm nicht geteilte Rechtsverständnis der Rechtsprechung zur Nichtsteuerbarkeit der [X.]rstattungszinsen korrigiert, ob --wie geschehen-- durch eine (positive) Regelung auf der [X.]innahmenseite oder durch eine (negative) Regelung im Rahmen der Vorschrift über die Nichtabzugsfähigkeit von Ausgaben (§ 12 [X.]StG). Die positive Regelung auf der [X.]innahmenseite ist systematisch näherliegend. Auch im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber insoweit bei der Gesetzesänderung durch das [X.] 2010 zu Recht auf der [X.]innahmenseite angesetzt hat ([X.], [X.] 2012, 436, unter [X.] und 2.; [X.], [X.] --[X.]-- 2012, 673, 677; [X.], [X.] --H[X.]-- 2012, 636, unter 3.; [X.], [X.][X.] 2011, 649, 651 f.). Der gegenteiligen Auffassung (Panzer/[X.], [X.] --DStR-- 2011, 741, 742; vgl. auch Beschluss des [X.] Münster vom 27. Oktober 2011  2 V 913/11 [X.], [X.][X.] 2012, 118), wonach der gesetzgeberische Wille angesichts eines ansonsten unveränderten [X.] keinen hinreichenden Ausdruck gefunden habe, ist nicht zu folgen. Da § 12 Nr. 3 [X.]StG nach Wortlaut und systematischer Stellung den Abzug von Ausgaben regelt und die [X.]rstattungszinsen nicht anspricht, war zur gesetzgeberischen Korrektur der Rechtsprechung keine Änderung auch dieser Norm geboten.

a) Der aus dem klaren Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 erkennbare Gesetzeszweck wird durch die [X.]ntstehungsgeschichte bestätigt. So heißt es im Bericht des Finanzausschusses zum [X.]ntwurf eines [X.] 2010 (BTDrucks 17/3549, S. 17), dass [X.]rstattungszinsen steuerbar sind und die gesetzliche Klarstellung notwendig sei, "da der [X.] ([X.]) mit seinem Urteil vom 15. Juni 2010, [X.]. VIII R 33/07, seine Rechtsprechung zur Steuerpflicht von [X.]rstattungszinsen teilweise geändert hat und nunmehr ausführt, dass gesetzliche Zinsen, die das Finanzamt auf Grund von [X.]inkommensteuererstattungen an den Steuerpflichtigen zahlt (sog. [X.]rstattungszinsen), nicht (mehr) der [X.]inkommensteuer unterliegen".

Damit bleibt für eine Behandlung der [X.]rstattungszinsen nach § 233a [X.] als nicht steuerbar kein Raum mehr. Bei Auslegung des Gesetzes ist die gesetzgeberische [X.]ntscheidung zu respektieren und der im Gesetz angelegte "Wille des Gesetzgebers (...) möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen" (Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2011  1 BvR 918/10, [X.] 128, 193).

2. Die verfassungsrechtlichen [X.]inwendungen des [X.] greifen nicht durch.

a) Die Anordnung der Besteuerung der [X.]rstattungszinsen als [X.]innahmen aus Kapitalvermögen durch den Gesetzgeber verstößt im Vergleich zur Nichtabziehbarkeit der Nachzahlungszinsen weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) noch das daraus folgende, an den Gesetzgeber gerichtete verfassungsrechtliche Gebot, einmal getroffene (steuerliche) Belastungsentscheidungen folgerichtig auszugestalten (Folgerichtigkeitsgebot).

[X.]s fehlt schon an einer sachwidrigen Ungleichbehandlung i.S. des Art. 3 GG. § 233a [X.] regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Dem [X.]ntstehen von [X.] einerseits und [X.]rstattungsansprüchen andererseits liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, nämlich in einem Fall zu geringe Vorleistungen auf die entstandene Steuerschuld, im anderen Fall eine Überzahlung. Diese unterschiedlichen Sachverhalte sind allenfalls insoweit abstrakt vergleichbar, als sie beide Zahlungsansprüche im [X.] begründen und sich --mit unterschiedlichen [X.] auf die Liquidität des Steuerpflichtigen auswirken. In ihrer wirtschaftlichen Auswirkung und ihrer steuerrechtlich maßgeblichen Veranlassung sind sie hingegen nicht vergleichbar (vgl. [X.] vom 15. Februar 2012 I B 97/11, [X.][X.] 236, 458, [X.], 697; [X.], [X.] 2012, 673, 679). Nachzahlungszinsen sind durch § 12 Nr. 3 [X.]StG der Sphäre der steuerrechtlich unbeachtlichen [X.]inkünfteverwendung zugewiesen. Die Verwendung von [X.]inkommen ist [X.] grundsätzlich irrelevant, soweit es sich nicht um [X.]rwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) handelt oder die steuerliche Abzugsmöglichkeit (insbesondere als Sonderausgabe oder außergewöhnliche Belastung, §§ 10 ff., 33 f. [X.]StG) ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. [X.]s besteht keine Korrespondenz zwischen der Behandlung des [X.] in § 12 Nr. 3 [X.]StG (Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen) und des [X.] in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 (vgl. [X.], [X.] 2012, 673, 679; [X.], [X.] [X.], 436, unter 4.).

Zutreffend wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass die Zuweisung der Nachzahlungszinsen in den nichtsteuerbaren Bereich (auch) der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen dient, die eine private Steuerschuld kreditfinanziert tilgen müssen und die dafür entstehenden Schuldzinsen unter keinem Gesichtspunkt steuerlich abziehen können (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 17/3549, S. 18; [X.], [X.] 2012, 673, 680; [X.], [X.], 436, unter 4.).

Die gesetzliche Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 führt mithin nicht zu einer gleichheitssatzwidrigen Ungleichbehandlung wesentlich gleichartiger Sachverhalte. Damit fehlt im Streitfall die Voraussetzung der Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots.

Zwar wird das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 [X.]StG in Teilen des Schrifttums für verfassungswidrig gehalten (s. [X.]/[X.], Institut Finanzen und Steuern e.V., [X.], 2013, S. 88 ff., unter Hinweis auf [X.], Betriebs-Berater 2002, 1456). Indes könnte die --vom Kläger unterstellte, vom Senat allerdings in seiner [X.]ntscheidung vom 2. September 2008 VIII R 2/07 ([X.][X.] 223, 15, [X.], 25) bereits verneinte-- Verfassungswidrigkeit nicht zugleich die Verfassungswidrigkeit des [X.] in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 begründen.

b) Die Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

aa) § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 ist nach § 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 "in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist". Damit ist das Gesetz rückwirkend auch auf den Streitfall anwendbar.

bb) [X.] (§ 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010) führt nach Auffassung einiger Finanzgerichte und Stimmen in der Literatur zu einer unzulässigen echten Rückwirkung. Zumindest werden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung angemeldet (vgl. Beschlüsse des [X.] Düsseldorf vom 5. September 2011  1 V 2325/11 A([X.]), [X.][X.] 2012, 120, 122; des [X.] Münster in [X.][X.] 2012, 118, 119; des Schleswig-Holsteinischen [X.] vom 27. Januar 2012  1 V 226/11, [X.][X.] 2012, 619, 621; Panzer/[X.], DStR 2011, 741, 743 f.; [X.], [X.] 2011, 173, 175). Auch der Senat hat deswegen in einer Reihe von Fällen aufgrund summarischer Prüfung zunächst die Vollziehung von Steuerfestsetzungen ausgesetzt (Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 VIII B 190/11, [X.][X.] 236, 158, [X.], 243; vom 22. Dezember 2011 VIII B 146/11, [X.]/NV 2012, 575; vom 9. Januar 2012 VIII B 95/11, [X.]/NV 2012, 575).

cc) Indes erweist sich die in § 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 angeordnete Rückwirkung nach abschließender Prüfung im Revisionsverfahren nicht als verfassungsrechtlich unzulässig. Auch wenn man abweichend von den Gesetzesmaterialien in der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010 keine "Klarstellung" sieht, sondern davon ausgeht, dass die Anwendungsvorschrift eine echte Rückwirkung für bereits abgeschlossene [X.]rhebungszeiträume bedeutet, hält die Vorschrift verfassungsrechtlicher Nachprüfung stand. Zwar sind Gesetze mit echter Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, im Hinblick auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen grundsätzlich unzulässig (vgl. [X.]-Beschluss vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, [X.] 97, 67, 78; [X.] vom 23. November 1999  1 [X.], [X.] 101, 239, 263; Nichtannahmebeschluss des [X.] vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, H[X.] 2009, 187). Jedoch sind in der Rechtsprechung des [X.] Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist. So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. [X.] in [X.] 101, 239, 263; Nichtannahmebeschluss des [X.] in H[X.] 2009, 187).

[X.]) So liegt der Streitfall. Mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 2010, die [X.]rstattungszinsen dem steuerbaren Bereich zuweist, hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zum [X.]rgehen des [X.]-Urteils in [X.][X.] 230, 109, [X.], 503 der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. [X.]-Urteile vom 18. Februar 1975 VIII R 104/70, [X.][X.] 115, 216, [X.] 1975, 568; vom 8. April 1986 VIII R 260/82, [X.][X.] 146, 408, [X.] 1986, 557; vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, [X.][X.] 175, 439, [X.] 1995, 121; vom 8. November 2005 VIII R 105/03, [X.]/NV 2006, 527, m.w.N.; [X.]-Beschlüsse vom 14. April 1992 VIII B 114/91, [X.]/NV 1993, 165; vom 30. Juni 2009 VIII B 8/09, [X.]/NV 2009, 1977) und der Praxis der Finanzverwaltung (Schreiben des [X.] vom 5. Oktober 2000 IV C 1 -S 2252- 231/00, [X.], 1508; weitere Nachweise im [X.]-Urteil in [X.]/NV 2006, 527) entsprach (vgl. Nichtannahmebeschluss des [X.] in H[X.] 2009, 187). Die Behauptung des [X.], der [X.] habe seine langjährige Rechtsprechung seit Inkrafttreten des St[X.]ntlG 1999/2000/2002 (mit dem der Sonderausgabenabzug für Nachzahlungszinsen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 [X.]StG gestrichen worden war) nicht mehr bestätigt, trifft nicht zu, wie sich den [X.]ntscheidungen des Senats in [X.]/NV 2006, 527 und [X.]/NV 2009, 1977 entnehmen lässt.

ee) Vor der Rechtsprechungsänderung durch das Senatsurteil in [X.][X.] 230, 109, [X.], 503 konnte deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen des [X.] auf die Nichtsteuerbarkeit der [X.]rstattungszinsen entstehen, zumal der Zufluss der streitbefangenen [X.]rstattungszinsen bei dem Kläger bereits mehrere Jahre zurücklag.

[X.]in Vertrauenstatbestand hätte sich deshalb allenfalls ab der [X.] des die Rechtsprechung ändernden Senatsurteils in [X.][X.] 230, 109, [X.], 503 entwickeln können. Jedenfalls fehlt es angesichts der Vorgeschichte sowie des relativ kurzen Zeitraums zwischen der [X.] dieses Urteils (am 8. September 2010) und dem Inkrafttreten des [X.] 2010 (am 14. Dezember 2010) an der Schutzwürdigkeit eines Vertrauens in den Fortbestand der Rechtsprechungsänderung, zumal in diese Zwischenzeit keine schutzwürdigen Vermögensdispositionen des [X.] fielen."

In [X.]rgänzung dieser Ausführungen hat der [X.] mit Urteil in [X.][X.] 246, 306, [X.], 998 ausgeführt, dass diese Rechtsprechung auch im [X.]inklang mit dem danach ergangenen [X.]-Beschluss vom 17. Dezember 2013  1 BvL 5/08 ([X.], 255, [X.] 2014, 359) steht. Nach dieser [X.]ntscheidung findet das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. [X.]s gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Dementsprechend hat das [X.] auf frühere Rechtsprechung verwiesen, mit der es das Vertrauen in ein geändertes Verständnis der alten Rechtslage, das durch eine Rechtsprechungsänderung in Abweichung von der bis dahin in Rechtspraxis und Rechtsprechung gefestigten Rechtsauffassung herbeigeführt worden war, als von vornherein nicht gerechtfertigt angesehen hat ([X.]-Beschluss vom 21. Juli 2010  1 BvR 2530/05, [X.] 126, 369). Ferner hat das [X.] zur Änderung einer gefestigten Rechtspraxis durch das [X.] festgestellt, dass sich "ein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen" in ein Verständnis der Rechtslage im Sinne des [X.]s "unter den gegebenen Umständen" nicht habe entwickeln können ([X.]-Beschluss vom 2. Mai 2012  2 BvL 5/10, [X.] 131, 20).

[X.]ntgegen der Auffassung des [X.] und des von ihm in Bezug genommenen Schrifttums (vgl. [X.]/[X.], [X.], 257) ist es von Verfassungs wegen auch aus der Sicht des [X.] in seinem Beschluss in H[X.] 2014, 359 (insbesondere in Rz 80) nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Aufgabe einer früheren langjährigen Rechtsprechung durch ein [X.] --wie im Streitfall durch die [X.]ntscheidung in [X.][X.] 230, 109, [X.], 503-- zum Anlass nimmt, den Grundsätzen dieser früheren Rechtsprechung durch Änderung des Gesetzes fortgeltende Wirkung zu verschaffen (insoweit auch zustimmend Kirchhof, [X.], 719).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 30/13

15.04.2015

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 22. März 2013, Az: 6 K 69/11, Urteil

§ 233a AO, § 20 Abs 1 Nr 7 S 3 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 52a Abs 8 S 2 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 12 Nr 3 EStG 2002, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.04.2015, Az. VIII R 30/13 (REWIS RS 2015, 12664)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12664

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2 BvR 482/14

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