Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.01.2012, Az. VIII B 95/11

8. Senat | REWIS RS 2012, 10344

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Gegenstand

Aussetzung der Vollziehung, Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen


Leitsatz

1. NV: Es bestehen ernstliche Zweifel, ob im Veranlagungszeitraum 2009 zugeflossene Erstattungszinsen nach § 233a AO als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG zu erfassen sind .

2. NV: Gegen die durch das Jahressteuergesetz 2010 eingefügte Neufassung des Gesetzes, die gemäß § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG in allen Fällen anzuwenden ist, in denen die Steuer - wie hier - noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, werden sowohl einfachrechtliche als auch verfassungsrechtliche Bedenken erhoben .

3. NV: Die abschließende Beurteilung dieser Frage muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben .

Gründe

1

Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) statthafte Beschwerde der Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist begründet.

2

Sie führt zur Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen [X.]inkommensteuerbescheids in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang.

3

a) [X.]emäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist der Fall, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen [X.]ründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 16. Juni 2004 [X.], [X.], 284, [X.], 882; vom 14. Februar 2006 [X.], [X.], 285, [X.], 523, m.w.N.).

4

b) Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung kann sich der [X.] nicht der Auffassung des Finanzgerichts ([X.]) anschließen, das derartige ernstliche Zweifel verneint hat. Die Frage, ob im Veranlagungszeitraum 2009 zugeflossene [X.]rstattungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung als [X.]innahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 des [X.]inkommensteuergesetzes 2010 ([X.]St[X.]) zu erfassen sind, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. [X.]egen die durch das Jahressteuergesetz ([X.]) 2010 eingefügte Neufassung des [X.]esetzes, die gemäß § 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]St[X.] in allen Fällen anzuwenden ist, in denen die Steuer --wie hier-- noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, werden in Rechtsprechung und Literatur sowohl einfachrechtliche als auch verfassungsrechtliche Bedenken, z.B. wegen eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot, erhoben (vgl. [X.] Düsseldorf, Beschluss vom 5. September 2011  1 V 2325/11 A([X.]), [X.] 2011, 775; [X.] Münster, Beschluss vom 27. Oktober 2011  2 V 913/11 [X.], [X.], 2966; ähnlich Zimmermann, [X.]rfassung der [X.]rstattungszinsen als Kapitaleinkünfte, [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte --[X.][X.]-- 2011, 651; [X.]/[X.], Und (noch) kein [X.]nde - die Steuerpflicht von [X.]rstattungszinsen - Zweifel am [X.], Buchführung, Bilanz und Kostenrechnung 2011, 270; kritisch auch [X.], Die [X.]rgänzung des [X.]ntstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 [X.]St[X.] - Herrscht nun endlich Klarheit?, [X.] --[X.]-- 2011, 545). Demgegenüber wird die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung und die Rechtmäßigkeit von deren [X.]rstreckung auf noch "offene Altfälle" von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums bejaht (so der in [X.][X.] 2011, 1687 veröffentlichte angefochtene Beschluss, außerdem [X.] Münster, Urteil vom 16. Dezember 2010  5 K 3626/03 [X.], [X.][X.] 2011, 649; [X.] Düsseldorf, Urteil vom 17. Mai 2011  6 K 703/08 K,[X.], juris; [X.], Keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung der [X.]ntstrickungsregelung des [X.] 2010, [X.] 2011, 706; unklar Stöcker, Steuerpflicht von [X.]rstattungszinsen - Abzug von Nachzahlungszinsen, Der [X.] 2011, 80).

5

c) Der [X.] hat über diese Fragen noch nicht entschieden. Die [X.]sentscheidung vom 15. Juni 2010 [X.] ([X.][X.] 230, 109, [X.], 503) trifft hierzu keine Aussage und die beim [X.] anhängigen einschlägigen Verfahren [X.] (Vorinstanz [X.] Münster in [X.][X.] 2011, 649) und [X.] (Vorinstanz [X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 2010 10 K 2720/09, [X.][X.] 2010, 723) sind noch offen.

6

Insgesamt gesehen bedürfen diese umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht endgültig geklärten Fragen weiterer eingehender Prüfung. Ihre abschließende Beurteilung muss jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Meta

VIII B 95/11

09.01.2012

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 1. Juni 2011, Az: 2 V 35/11, Beschluss

§ 20 Abs 1 Nr 7 S 3 EStG 2009, § 233a AO, § 69 FGO, § 52a Abs 8 S 2 EStG 2009, JStG 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.01.2012, Az. VIII B 95/11 (REWIS RS 2012, 10344)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10344

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VIII R 1/11

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