Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.12.2011, Az. VIII B 146/11

8. Senat | REWIS RS 2011, 72

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Gegenstand

AdV: Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen


Leitsatz

1. NV: Es bestehen ernstliche Zweifel, ob im Veranlagungszeitraum 2008 zugeflossene Erstattungszinsen nach § 233a AO als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG zu erfassen sind.

2. NV: Gegen die durch das Jahressteuergesetz 2010 eingefügte Neufassung des Gesetzes, die gemäß § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG in allen Fällen anzuwenden ist, in denen die Steuer - wie hier - noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, werden sowohl einfachrechtliche als auch verfassungsrechtliche Bedenken erhoben.

3. NV: Die abschließende Beurteilung dieser Frage muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Gründe

1

Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) statthafte Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Finanzamt) ist unbegründet. Zu Recht hat das Finanzgericht ([X.]) den Antragstellern und Beschwerdegegnern wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des [X.]inkommensteuerbescheides 2008 vom 18. Mai 2011 Aussetzung der Vollziehung bewilligt.

2

a) [X.]rnstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen [X.]ründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 16. Juni 2004 [X.], [X.], 284, [X.], 882; vom 14. Februar 2006 [X.], [X.], 285, [X.], 523, m.w.N.).

3

b) Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise hat die Vorinstanz derartige ernstliche Zweifel zutreffend bejaht. Die Frage, ob im Veranlagungszeitraum 2008 zugeflossene [X.]rstattungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung ([X.]) als [X.]innahmen aus Kapitalvermögen entsprechend § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]St[X.]) 2010 zu erfassen sind, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. [X.]egen die durch das Jahressteuergesetz ([X.]) 2010 eingefügte Neufassung des [X.]esetzes, die gemäß § 52a Abs. 8 Satz 2 [X.]St[X.] in allen Fällen anzuwenden ist, in denen die Steuer --wie hier-- noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, werden sowohl einfachrechtliche als auch verfassungsrechtliche Bedenken, z.B. Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, erhoben (vgl. [X.] Düsseldorf, Beschluss vom 5. September 2011  1 V 2325/11 A([X.]) [X.] 2011, 775; [X.] Münster, Beschluss vom 27. Oktober 2011  2 V 913/11 [X.], [X.], 2966; ähnlich Zimmermann, [X.]rfassung der [X.]rstattungszinsen als Kapitaleinkünfte, [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte --[X.][X.]-- 2011, 651; [X.]/[X.], Und (noch) kein [X.]nde - die Steuerpflicht von [X.]rstattungszinsen - Zweifel am [X.], Buchführung, Bilanz und Kostenrechnung 2011, 270; kritisch auch [X.], Die [X.]rgänzung des [X.]ntstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 [X.]St[X.] - Herrscht nun endlich Klarheit?, [X.] --[X.]-- 2011, 545). Demgegenüber wird die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung und die Rechtmäßigkeit von deren [X.]rstreckung auf noch "offene Altfälle" von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums bejaht (vgl. Schleswig-Holsteinisches [X.], Beschluss vom 1. Juni 2011  [X.], [X.][X.] 2011, 1687; [X.] Münster, Urteil vom 16. Dezember 2010  5 K 3626/03 [X.], [X.][X.] 2011, 649; [X.] Düsseldorf, Urteil vom 17. Mai 2011  6 K 703/08 K,[X.], juris; [X.], Keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung der [X.]ntstrickungsregelungen des [X.] 2010, [X.] 2011, 706; unklar Stöcker, Steuerpflicht von [X.]rstattungszinsen - Abzug von Nachzahlungszinsen, Der [X.]-Steuerberater 2010, 80).

4

c) Der [X.] hat über diese Fragen noch nicht entschieden. Die Senatsentscheidung vom 15. Juni 2010 [X.] ([X.][X.] 230, 109, [X.], 503) trifft zu dieser Problematik keine Aussage und die zu der hier aufgeworfenen Frage beim [X.] anhängigen Verfahren VIII R 1/11 (Vorinstanz [X.] Münster in [X.][X.] 2011, 649) und [X.] (Vorinstanz [X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 21. September 2010  10 K 2720/09, [X.][X.] 2010, 723) sind noch offen.

5

Insgesamt gesehen bedürfen diese umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht endgültig geklärten Fragen weiterer eingehender Prüfung. Ihre abschließende Beurteilung muss jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Meta

VIII B 146/11

22.12.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 5. September 2011, Az: 1 V 2325/11 A(E), Beschluss

§ 20 Abs 1 Nr 7 S 3 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 233a AO, § 69 Abs 2 FGO, § 52a Abs 8 S 2 EStG 2009 vom 08.12.2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.12.2011, Az. VIII B 146/11 (REWIS RS 2011, 72)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 72

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(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 12.11.2013 VIII R 36/10 -- Steuerpflicht von Erstattungszinsen)


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VIII R 1/11

VIII R 36/10

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