Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 09.04.2018, Az. 1 BvR 790/12

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2018, 11159

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

ENERGIE BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT UNTERNEHMEN VERFASSUNGSBESCHWERDE EIGENTUM ATOMKRAFT

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Rechtssatzverfassungsbeschwerde nach Klärung der verfassungsrechtlichen Lage durch Leitentscheidung des BVerfG (BVerfGE 143, 246 - "Atomausstieg") - Versagung der Auslagenerstattung bei fehlender Notwendigkeit der Beschwerdeerhebung


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

Gründe

1

Die am 4. April 2012 erhobene Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a, b und c und Art. 1 Nr. 3 des [X.] zur Änderung des [X.]es vom 31. Juli 2011 ([X.] 1704; im Folgenden: 13. [X.]), mit dem die Beschleunigung des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie beschlossen wurde.

2

Die Gesellschaftsanteile der Beschwerdeführerin zu 1) werden zu 80 % von der [X.] (seit 2016: [X.]) und zu 20 % von der [X.] gehalten. Gesellschafter der Beschwerdeführerin zu 2) sind zu 50 % die [X.] und zu 50 % die Gemeinschaftskraftwerk Weser GmbH & Co. oHG, deren Gesellschaftsanteile wiederum zu zwei Dritteln von der [X.] und im Übrigen den [X.] gehalten werden. Die [X.] war Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2821/11 ([X.] 143, 246), das sich ebenfalls gegen die hier angegriffenen Regelungen des [X.]es richtete.

3

Das [X.] hat mit Urteil vom 6. Dezember 2016 (1 BvR 2821/11, 321/12 und 1456/12, [X.] 143, 246; im Folgenden: Leitverfahren) Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a der 13. [X.] für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG erklärt, soweit das Gesetz nicht eine im Wesentlichen vollständige Verstromung der den Kernkraftwerken in Anlage 3 Spalte 2 zum [X.] zugewiesenen Elektrizitätsmengen sicherstellt und keinen angemessenen Ausgleich hierfür gewährt. Ferner hat es das [X.] zur Änderung des [X.]es auch insoweit für unvereinbar mit Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz erklärt, als es keine Regelung zum Ausgleich für Investitionen vorsieht, die im berechtigten Vertrauen auf die im [X.] zusätzlich gewährten Zusatzstrommengen vor-genommen, durch dieses aber entwertet wurden. Im Übrigen hat es die [X.] zurückgewiesen.

4

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2 [X.]). Sie ist unzulässig.

5

Die mit der Verfassungsbeschwerde angestrebte verfassungsrechtliche Überprüfung der angegriffenen Regelungen hat das [X.] in den Leitverfahren mit Urteil vom 6. Dezember 2016 ([X.] 143, 246) vorgenommen. Das [X.] hat dabei die teilweise Unvereinbarkeit der angegriffenen Regelungen mit Art. 14 Abs. 1 GG festgestellt und die [X.] im Übrigen zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat - [X.] hinsichtlich der [X.] und den damit verbundenen Vorgaben (vgl. [X.] 85, 117 <121>) - Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

6

Für eine auf denselben Gegenstand zielende verfassungsgerichtliche Entscheidung über die im Wesentlichen inhaltsgleichen [X.] besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 10. August 2017 - 1 BvR 571/16 -, Rn. 17 f.). Die beschwerdeführenden Betreibergesellschaften haben keine verfassungsrechtlichen Fragen aufgeworfen, die über die im Urteil geprüften Einwände gegen das Gesetz hinausgehen.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

8

2. Die notwendigen Auslagen sind den Beschwerdeführerinnen nicht zu erstatten.

9

Über die Auslagenerstattung ist gemäß § 34a Abs. 3 [X.] nach [X.] zu entscheiden. Hierbei kommt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht (vgl. [X.] 85, 109 <115>; 87, 394 <398>). Eine Erstattung von Auslagen kommt allerdings in Frage, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde offensichtlich war und unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage geklärt worden ist (vgl. [X.] 85, 109 <114 ff.>). Legt ein Betroffener jedoch Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz ein, obwohl für ihn erkennbar ist, dass bereits [X.] erhoben sind, die zur Überprüfung des Gesetzes durch das [X.] führen werden, so sind ihm in der Regel die notwendigen Auslagen auch dann nicht zu erstatten, wenn sich aufgrund einer Leitentscheidung des [X.]s ergibt, dass seine Verfassungsbeschwerde begründet war (vgl. [X.] 85, 117 <123, 125 f.>). Es besteht dann ein öffentliches Interesse daran, dass die Allgemeinheit nicht mit Kosten für [X.] belastet wird, die sich letztlich als unnötig erweisen (vgl. [X.] 85, 117 <123, 125>).

Nach diesen Grundsätzen scheidet die Anordnung einer Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerinnen aus. Zwar wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz mit einem zahlenmäßig begrenzten Adressatenkreis (anders insofern [X.] 85, 117). Auch hier besteht jedoch ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, nicht mit unnötigen Kosten belastet zu werden. Die Beschwerdeführerinnen mussten zudem davon ausgehen, dass die angestrebte verfassungsrechtliche Prüfung der Regelungen des [X.]es - insbesondere hinsichtlich der fehlenden gesetzlichen Ausgleichsregelungen - bereits im Leitverfahren 1 BvR 2821/11 stattfinden würde, denn der Vortrag der [X.] war im Wesentlichen gleich. Dies war ihnen aufgrund der Beteiligungsverhältnisse zwischen den Beschwerdeführerinnen beider Verfahren und der Mandatierung derselben Verfahrensbevollmächtigten auch bekannt (vgl. dazu auch [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 13. Juli 2016 - 1 BvR 1141/09 -, Rn. 9). Vor diesem Hintergrund war die Erhebung einer weiteren Verfassungsbeschwerde zur Erreichung des [X.] der Beschwerdeführerinnen nicht erforderlich. Sie war auch nicht aus Gründen anwaltlicher Vorsicht geboten, da die Interessen der Beschwerdeführerin im Leitverfahren 1 BvR 2821/11 aufgrund der Unternehmensstruktur des [X.] mit denen der Beschwerdeführerinnen im vorliegenden Verfahren gleichgelagert waren. Auch der Verweis der Beschwerdeführerinnen auf den Vorrang des [X.] rechtfertigt keine Anordnung der Auslagenerstattung. Die Beschwerdeführerinnen konnten durch bloßes Abwarten der Entscheidung im Leitverfahren 1 BvR 2821/11 die von ihnen begehrte verfassungsrechtliche, auch zu ihren Gunsten wirkende Überprüfung der angegriffenen Regelung erreichen. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Konstellation den Beschwerdeführerinnen bei fehlender Erhebung einer eigenen Verfassungsbeschwerde nunmehr der Vorrang des [X.] entgegengehalten werden könnte. Hierzu tragen die Beschwerdeführerinnen auch nichts vor.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 790/12

09.04.2018

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

§ 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 09.04.2018, Az. 1 BvR 790/12 (REWIS RS 2018, 11159)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11159

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