Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2017, Az. 2 BvR 787/16

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2017, 16222

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Erstreckung der Preisbindung für Arzneimittel auf im Ausland ansässige Versandapotheken (§ 78 Abs 1 S 4 AMG ) - Verletzung der Berufsfreiheit eines niederländischen Versandapothekenbetreibers durch Rüge einer Verletzung der unionsrechtlichen Notifizierungspflicht nicht substantiiert dargelegt - zudem keine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des [X.], mit dem dieser ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen hat. Sie rügt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 [X.] und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.].

2

Die Beschwerdeführerin ist eine in den [X.] ansässige Apotheke, die Medikamente auf Bestellung über Fernkommunikationsmittel (Post, Telefon, [X.]) per Kurierdienst an die Kunden übermittelt. Bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel gewährte sie [X.] Kunden sogenannte Boni. Die Beschwerdeführerin machte sich insoweit zunutze, dass sie in den [X.] nur Höchstpreise zu beachten hat, wohingegen sich der Abgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in [X.] nach der Arzneimittelpreisverordnung richtet (vgl. § 78 Abs. 1 [X.]).

3

1. Die Apothekenkammer Nordrhein klagte gegen die Beschwerdeführerin auf Unterlassung der Werbung mit beziehungsweise der Gewährung von Boni. Mit Urteil vom 6. Juni 2013 verurteilte das [X.] die Beschwerdeführerin, es zu unterlassen, gegenüber Endverbrauchern mit Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel zu werben oder solche Boni zu gewähren. Der Unterlassungsanspruch folge aus § 3, § 4 Nr. 11, § 8 UWG, § 78 Abs. 1 [X.], § 1, § 3 AMPreisV.

4

2. Die Berufung der Beschwerdeführerin wies das [X.] mit Beschluss vom 19. Februar 2014 zurück. Die Beschwerdeführerin habe mit der beanstandeten Auslobung und Gewährung der Boni den als Marktverhaltensregeln (§ 4 Nr. 11 UWG) anzusehenden Bestimmungen des [X.] Arzneimittelpreisrechts zuwidergehandelt. Die Revision ließ das [X.] nicht zu.

5

3. Die Beschwerdeführerin legte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Sie wies darauf hin, dass die [X.] durch Mahnschreiben vom 20. November 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die [X.]republik [X.] mit Blick auf die Erstreckung der Geltung [X.] Preisbindungsvorschriften auf EU-Apotheken eröffnet habe, weshalb die Voraussetzungen gemäß Art. 267 Abs. 3 [X.] zur Vorlage an den [X.] gegeben seien. Außerdem beantragte sie im Hinblick auf ein Vorabentscheidungsersuchen des [X.] über die Vereinbarkeit des [X.] Arzneimittelpreisrechts mit [X.]srecht (C-148/15) gemäß § 148 ZPO, das Verfahren auszusetzen.

6

Mit Beschluss vom 27. Januar 2016 wies der [X.] die Beschwerde zurück. Die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderten eine Entscheidung des [X.] nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

7

a) Das Beschwerdeverfahren sei nicht in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in dem anhängigen, die Frage der Vereinbarkeit des [X.] Arzneimittelpreisrechts mit dem primären [X.]srecht betreffenden Vorabentscheidungsverfahren (C-148/15) auszusetzen. Eine Verfahrensaussetzung habe zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen vorlägen, unter denen das Gericht ohne die Verfahrensaussetzung zu einer Vorlage nach Art. 267 [X.] verpflichtet wäre. Das sei vorliegend nicht der Fall. Auch aus anderen Gründen sehe der Senat für eine Verfahrensaussetzung keinen Anlass.

8

aa) Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] habe entschieden, dass das [X.] Arzneimittelpreisrecht auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelte, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] im Wege des Versandhandels nach [X.] an den Endverbraucher abgäben, und dass seine Anwendung mit dem Primärrecht der [X.] in Einklang stehe ([X.], 354 Rn. 21 ff., 34 ff.).

9

bb) Gründe, nach Art. 267 [X.] den [X.] anzurufen, ergäben sich nicht aus dem Schreiben der [X.] vom 20. November 2013 an die [X.]republik [X.].

(1) Die [X.] vertrete in diesem Schreiben die Ansicht, dass die [X.]republik [X.] mit der Einführung der Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] gegen Art. 34 [X.] verstoße, weil die Preisbindung den Marktzugang für importierte verschreibungspflichtige Arzneimittel tatsächlich wesentlich erschwere. Dieser Argumentation könne nicht zugestimmt werden. Die [X.] Vorschriften über den einheitlichen [X.] seien lediglich Verkaufsmodalitäten, die den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten der [X.] rechtlich wie tatsächlich gleichermaßen berührten. Ausländische Versandapotheken würden durch den einheitlichen [X.] nicht stärker beschränkt als inländische Versandapotheken, die sich - ebenso wie eine inländische stationäre Apotheke - an den einheitlichen [X.] halten müssten.

(2) Die [X.] vertrete in dem Schreiben vom 20. November 2013 weiter die Auffassung, die Maßnahme sei nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes gemäß Art. 36 [X.] gerechtfertigt. Dieser Beurteilung schließe sich der Senat nicht an.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] sei bei der Prüfung, ob die Mitgliedstaaten die Bestimmungen des [X.]srechts über die [X.] im Rahmen der Zuständigkeit nach Art. 168 Abs. 7 [X.] über die Festlegung der Gesundheitspolitik und die [X.] beachtet hätten, zu berücksichtigen, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnähmen und die Mitgliedstaaten zu bestimmen hätten, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollten und wie dies erreicht werden solle. Da sich das Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden könne, stehe den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zu. Wenn eine Ungewissheit wegen des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die menschliche Gesundheit verbleibe, brauchten die Mitgliedstaaten nicht zu warten, bis der Beweis für das Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht sei; vielmehr könnten sie Schutzmaßnahmen treffen. Außerdem könnten die Mitgliedstaaten diejenigen Maßnahmen ergreifen, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung einschließlich einer Gefahr für die sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung verringerten. Der dem [X.] Gesetzgeber zuerkannte Wertungsspielraum sei nicht dadurch überschritten, dass er verschreibungspflichtige Arzneimittel im Interesse der sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einer umfassenden - und damit auch den grenzüberschreitenden Versandhandel einbeziehenden - Preisbildung unterstellt habe, um so der Gefahr eines ruinösen [X.] unter Apotheken entgegenzuwirken, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu sichern und die Gefahr eines Fehl- oder Mehrgebrauchs von Medikamenten zu mindern.

cc) Da nach den vorstehenden Ausführungen § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] nicht im Widerspruch zum primären [X.]srecht stehe, stellten sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Auslegung des [X.]srechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 [X.] erforderten. Die sich im Rahmen des primären [X.]srechts stellenden Fragen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung der [X.] vorliege, seien durch die Rechtsprechung der Gerichtshofs der [X.] geklärt.

b) Die Beschwerde mache ohne Erfolg geltend, das mit Schreiben der [X.] vom 20. November 2013 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen die [X.]republik [X.] erfordere die Zulassung der Revision, jedenfalls aber eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nach § 148 ZPO.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] dürften die Gerichte der Mitgliedstaaten keine Entscheidung treffen, die einer Entscheidung der [X.] [X.], Maßnahmen eines Mitgliedstaates daraufhin zu überprüfen, ob sie eine gemäß Art. 107 [X.] mit dem Binnenmarkt unvereinbare und deshalb verbotene staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe darstellten.

bb) Diese Rechtsprechung sei auf das von der [X.] eröffnete Vorverfahren zu einem Vertragsverletzungsverfahren wegen einer ihrer Ansicht nach nicht gerechtfertigten, gemäß Art. 34 [X.] verbotenen Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels nicht übertragbar. Für verbotene Beihilfen bestimme Art. 108 Abs. 3 Satz 3 [X.], dass der Mitgliedstaat die Beihilfemaßnahme nicht durchführen dürfe, bevor die [X.] einen abschließenden Beschluss erlassen habe. Habe der Mitgliedstaat die nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 [X.] gebotene Unterrichtung unterlassen und ohne entsprechenden Beschluss der [X.] Maßnahmen vorgenommen, gelte dies ebenfalls, wenn die [X.] die Maßnahme als verbotene Beihilfe gemäß Art. 107 [X.] qualifiziere und ein Verfahren in entsprechender Anwendung von Art. 108 Abs. 3 [X.] eingeleitet habe. Eine Art. 108 Abs. 3 [X.] entsprechende Regelung für das Vertragsverletzungsverfahren, durch das ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, ein nach Ansicht der [X.] vertragsverletzendes Verfahren zu unterlassen, bis die [X.] abschließend über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens entschieden habe, enthalte Art. 258 [X.] dagegen nicht. Vielmehr bänden Entscheidungen der [X.] im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens die nationalen Gerichte nicht.

cc) Ob die Zulassung der Revision oder eine Aussetzung des Verfahrens veranlasst wäre, wenn die [X.] in dem Vertragsverletzungsverfahren eine begründete Stellungnahme gemäß Art. 258 Abs. 1 [X.] abgegeben oder gemäß Art. 258 Abs. 2 [X.] den [X.] angerufen hätte, bedürfe keiner Entscheidung. Soweit ersichtlich, habe die [X.] das Vorverfahren zu einem Vertragsverletzungsverfahren seit dem Mahnschreiben vom 20. November 2013 nicht weiter betrieben, nachdem die [X.]republik [X.] die beanstandete Regelung mit Schreiben vom 21. Januar 2014 verteidigt habe.

c) Die Beschwerde mache ohne Erfolg geltend, die Zulassung der Revision sei deshalb geboten, weil die Untersagung, einen [X.] oder eine Prämie beim Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu gewähren, eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 [X.]) darstelle.

1. Die Beschwerdeführerin rügt einen Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde und Nichtvorlage zum [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.], Art. 267 Abs. 3 [X.]). Ob die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch § 78 [X.] in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung auf Versandapotheken, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] hätten und verschreibungspflichtige Arzneimittel an Endverbraucher in [X.] lieferten, anwendbar sei, sei derzeit Gegenstand des durch das [X.] eingeleiteten [X.] C-148/15 beim [X.], Gegenstand eines Vorverfahrens zu einem Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 258 [X.] gegen [X.] und zweier Beschwerden und einer seitens des [X.] für zulässig erachteten Verbraucherpetition. Der [X.] habe verkannt, dass die Erstreckung der Preisbindung auf [X.] offensichtlich gegen die [X.] verstoße. Er hätte durch Sachstandsanfragen an die [X.] oder den [X.] feststellen können, dass die [X.] im Hinblick auf das Vertragsverletzungsverfahren die Entscheidung des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren C-148/15 abwarte und der Gerichtshof in seiner Ladung den Verfahrensbeteiligten den Hinweis erteilt habe, ihre mündlichen Ausführungen auf eine vermeintliche Rechtfertigung gemäß Art. 36 [X.] zu beschränken, was nahelege, dass der Gerichtshof davon ausgehe, dass die Preisbindung jedenfalls einen Eingriff in die [X.] darstelle.

a) Die Erstreckung der Preisbindung auf [X.] sei eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 34 [X.]. [X.] würden gegenüber inländischen Apotheken benachteiligt. Die Möglichkeit, von der Preisbindung abzuweichen, stelle für [X.] die einzig wirksame Absatzförderungsmaßnahme dar, sich gegenüber inländischen Apotheken abzuheben. [X.] träfen gegenüber inländischen Apotheken eine Reihe von Nachteilen (z.B. erhöhte Lagerkosten und längere Lieferzeiten).

b) Die Erstreckung der Preisbindung sei nicht gemäß Art. 36 [X.] gerechtfertigt.

aa) Ob es der Erstreckung der Preisbindung auf [X.] aus Gründen des Gesundheitsschutzes bedürfe, sei zweifelhaft. Die Preisbindung sei zur Gewährleistung der Arzneimittelversorgung in der [X.]republik ungeeignet. Die bloße Behauptung von Gefahren reiche nicht aus. Die [X.]republik habe bisher keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass ohne Preisbindung eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung bestehe. In der [X.]republik bestehe eine vorbildliche Versorgungssituation. Ferner fördere die Ausschaltung des [X.] nicht die bedarfsgerechte Verteilung der Apotheken. Dass Preisvorteile, die [X.] gewährten, zu einem ruinösen Preiswettbewerb führten, sei auch in Ansehung des geringen Umsatzes des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unwahrscheinlich. [X.] Grund für einen vermeintlichen Apothekenrückgang sei die demografische Entwicklung.

bb) Die Preisbindung sei nicht verhältnismäßig. Es existierten Alternativen zur Preisbindung. Eine flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung wäre am ehesten durch [X.] zu gewährleisten. Dies würde zugleich zu einer qualitativen Verbesserung der Versorgungssituation führen. Ferner entspreche die [X.] dem Ziel eines offeneren homogenen Binnenmarktes. [X.] trügen dazu bei, die Arzneimittelversorgung zu sichern und die Versorgungssituation zu verbessern. Einer Arzneimittelunterversorgung sei durch Notstandsregelungen vorgebeugt.

cc) Eine Erstreckung der Preisbindung auf [X.] sei auch nicht aus anderen Gründen des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Insbesondere sei nicht ersichtlich und nicht von der [X.]republik nachgewiesen, dass [X.] zu einer Gefahr eines Arzneimittelfehl- oder Mehrgebrauchs führe.

c) Der [X.] verkenne, dass er das Verfahren in entsprechender Anwendung der Art. 107 ff. [X.] bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] im Verfahren C-148/15 aussetzen müsse. Außerdem habe die [X.] gegen die [X.]republik wegen der Geltung [X.] Arzneimittelpreisrechts für die Beschwerdeführerin ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet. Auch aus diesem Grund bestehe eine Pflicht des nationalen Gerichts zur Aussetzung des Verfahrens. Dies habe der [X.] grob verkannt.

2. Darüber hinaus rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 [X.]). Der [X.] verkenne, dass die Zulassung der Revision, jedenfalls aber die Aussetzung des Verfahrens auch unter diesem Aspekt geboten gewesen wäre. Die territoriale Ausweitung des [X.] Preisrechts treffe die Beschwerdeführerin unmittelbar und imperativ. § 78 Abs. 1 [X.] in der geänderten Fassung sei zwar eine Rechtsnorm mit berufsregelnder Tendenz im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Diese Norm sei jedoch in formeller Hinsicht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar (Art. 70 ff., Art. 76 ff. [X.]), weil der Gesetzgeber vorrangiges [X.]srecht nicht beachtet habe. Die [X.]republik sei aufgrund der Richtlinie 89/105/EWG (Transformationsrichtlinie) und aufgrund von Art. 116 f. [X.] verpflichtet gewesen, die Änderung des § 78 [X.] bei der [X.] zu notifizieren. Darüber hinaus sei § 78 [X.] materiell verfassungswidrig, weil er gegen die [X.] (Art. 28 ff. [X.]) verstoße.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen für eine notwendige Annahme liegen nicht vor (§ 93a Abs. 2 BVerf[X.]); die Annahme ist auch im Übrigen nicht angezeigt. Unabhängig davon, ob die Verfassungsbeschwerde angesichts ihrer weitgehend fehlenden verfassungsrechtlichen Substanz den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerf[X.] genügt, hat sie jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerf[X.]). Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des [X.]verfassungsgerichts geklärt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerf[X.] genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerf[X.]), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>; 108, 129 <136>).

1. Die Beschwerdeführerin hat eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 [X.] nicht substantiiert dargelegt (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerf[X.]). Dabei kann dahinstehen, ob sich die Beschwerdeführerin als ausländische juristische Person mit Sitz in der [X.] auf das Bürgerrecht des Art. 12 Abs. 1 [X.] berufen kann oder ob das bei inländischen juristischen Personen über Art. 12 Abs. 1 [X.] gewährleistete Schutzniveau über das subsidiär anwendbare allgemeine Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 1 [X.] sicherzustellen ist (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 4. November 2015 - 2 BvR 282/13, 2 BvQ 56/12 -, juris, Rn. 10 ff.).

a) Eine substantiierte Begründung erfordert, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte hinreichend deutlich aufzeigt (vgl. [X.] 6, 132 <134>; 89, 155 <171>; 108, 370 <386 f.>). [X.] er eine Grundrechtsverletzung in einer Fallgestaltung, zu der einschlägige Rechtsprechung des [X.]verfassungsgerichts vorliegt, muss er sich mit dieser auseinandersetzen, um in seinem Fall die Möglichkeit eines Grundrechtsverstoßes ausreichend darzutun (vgl. [X.] 101, 331 <346>; 130, 76 <110>).

b) In der Beschwerdeschrift findet eine nähere Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Einschränkung der Grundrechte nicht statt. Zwar können die Grundrechte nur durch solche Normen eingeschränkt werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind (vgl. nur [X.] 6, 32 <37 ff.>; 96, 10 <21>; 121, 317 <369>; 130, 131 <142>). Insofern sind auch die Regelungen der Art. 70 ff. und Art. 76 ff. [X.] zu beachten. Die von der Beschwerdeführerin behaupteten Verletzungen einer Notifizierungspflicht gegenüber der [X.] und der [X.] nach Art. 34 [X.] gründen sich dagegen nicht auf Verfassungsrecht und hätten - da dem [X.]srecht kein Geltungsvorrang vor nationalem Recht zukommt - nicht die Nichtigkeit des § 78 Abs. 1 [X.] zur Folge. Selbst wenn man derartige Verstöße unterstellte, bliebe die Norm ein den Grundrechtsvorbehalt ausfüllendes Gesetz (vgl. [X.] 31, 145 <174 f.>; 82, 159 <191>; 110, 141 <154 f.>; 115, 276 <299 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 4. November 2015 - 2 BvR 282/13, 2 BvQ 56/12 -, juris, Rn. 15 f., 18 ff.; Beschluss vom 31. März 2016 - 2 BvR 929/14 -, juris, Rn. 23).

Auch auf die Vereinbarkeit der [X.] mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die hierzu bestehende reichhaltige Rechtsprechung (vgl. nur [X.] 17, 232 <238 ff.>; 53, 96 <98>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. Dezember 1990 - 1 BvR 1418/90, 1 BvR 1442/90 -, juris; Beschluss der [X.] des [X.] vom 19. September 2002 - 1 BvR 1385/01 -, juris) geht die Verfassungsbeschwerde nicht ein.

2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Der [X.] hat - worauf es allein ankommt - das Vorliegen der Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO jedenfalls nicht willkürlich verneint.

a) Kommt ein Gericht der gesetzlich vorgesehenen Pflicht zur Zulassung eines Rechtsmittels nicht nach, so verstößt dies gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.], wenn die Entscheidung insoweit sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. [X.] 42, 237 <241>; 67, 90 <94 f.>; 87, 282 <284 f.>; 101, 331 <359 f.>; entsprechend zu Art. 19 Abs. 4 [X.]: [X.] 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>); dies gilt auch für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts selbst, mit der es eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels - hier der Revision - zurückweist. Hingegen genügt nicht bereits die einfachrechtlich fehlerhafte Handhabung der maßgeblichen Zulassungsvorschriften (vgl. [X.] 67, 90 <95>; 87, 282 <284 f.>; 101, 331 <359 f.>).

aa) Nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Stellt sich eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des [X.]srechts, ist bereits mit der sich voraussichtlich in einem künftigen Revisionsverfahren ergebenden Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens an den [X.] (Art. 267 Abs. 3 [X.]) auch der Zulassungsgrund der "grundsätzlichen Bedeutung" im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gegeben (vgl. [X.] 82, 159 <196>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14 -, juris, Rn. 13 m.w.N.).

bb) Die Entscheidung des [X.], die Revision nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, und die ihr zugrunde liegende Annahme, dass sich eine entscheidungserhebliche, einen Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bildende Frage des [X.]srechts nicht stelle, sind an den vom [X.]verfassungsgericht für die Handhabung des Art. 267 Abs. 3 [X.] herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäben (zuletzt [X.] 129, 78 <105 ff.>; 135, 155 <231 f. Rn. 179 ff.>) zu messen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14 -, juris, Rn. 14 m.w.N.).

Das [X.]verfassungsgericht überprüft danach nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 [X.] bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Die Vorlagepflicht wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), oder in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des [X.] zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des [X.]srechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung, vgl. [X.] 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <231 f. Rn. 179 ff.> m.w.N.).

b) Nach diesem Maßstab hat der [X.] Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht verletzt.

aa) Das gilt zum einen, soweit er davon abgesehen hat, das Beschwerdeverfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in dem anhängigen, die Frage der Vereinbarkeit des [X.] Arzneimittelpreisrechts mit dem primären [X.]srecht betreffenden Vorabentscheidungsverfahren (C-148/15) auszusetzen. Der [X.] hat seine Vorlagepflicht weder verkannt, noch ist er bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zu entscheidungserheblichen Fragen abgewichen, ohne vorzulegen. Vielmehr ging er von einer klaren Rechtslage aus. Insoweit hat er das Vorliegen eines "acte [X.]" jedenfalls nicht willkürlich bejaht. Der [X.] hat sich mit der unionalen Rechtslage intensiv auseinandergesetzt. Er ist insoweit dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 22. August 2012 gefolgt, der die Anwendbarkeit der [X.] Vorschriften über den [X.] für den grenzüberschreitenden Versandhandel bejaht hat (vgl. [X.], 354 <364 ff. Rn. 34 ff.>). In methodisch nicht zu beanstandender Weise und unter ausführlicher Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] hat der [X.] detailliert dargelegt, warum die Auffassung der [X.] im Schreiben an die [X.]republik [X.] vom 20. November 2013 nicht zu überzeugen vermag. Dass die Annahme eines "acte [X.]" jedenfalls nicht willkürlich war, wird auch dadurch unterstrichen, dass es in der Literatur keine nennenswerten Gegenstimmen zum Beschluss des Gemeinsamen Senats gab (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 31. März 2016 - 2 BvR 929/14 -, juris, Rn. 29).

Vor diesem Hintergrund gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum bei der Auslegung von Art. 267 [X.] in unvertretbarer Weise - willkürlich - überschritten hätte. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die [X.] des Gerichtshofs mit Urteil vom 19. Oktober 2016 in der Rechtssache C-148/15 die unionsrechtliche Beurteilung der Beschwerdeführerin nunmehr bestätigt hat, weil dieses Urteil nach den hier angegriffenen Entscheidungen ergangen ist.

bb) Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass der [X.] § 543 Abs. 2 ZPO insofern objektiv willkürlich gehandhabt hätte, als er die Ansicht vertreten hat, das von der [X.] eingeleitete Vorverfahren zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die [X.]republik [X.] erfordere weder die Zulassung der Revision noch eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nach § 148 ZPO, weil die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zu der beihilferechtlichen Regelung des Art. 108 Abs. 3 [X.] auf die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 [X.] jedenfalls im damaligen Stadium nicht übertragbar gewesen sei.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 787/16

02.02.2017

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 27. Januar 2016, Az: I ZR 67/14, Beschluss

Art 12 Abs 1 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 34 AEUV, Art 36 AEUV, Art 267 Abs 3 AEUV, § 73 Abs 1 S 1 Nr 1a AMG 1976, § 78 Abs 1 S 4 AMG 1976, AMPreisV, § 543 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2017, Az. 2 BvR 787/16 (REWIS RS 2017, 16222)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16222


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 787/16

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 787/16, 02.02.2017.


Az. I ZR 67/14

Bundesgerichtshof, I ZR 67/14, 27.01.2016.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 BvR 929/14 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Zur Geltung des deutschen Arzneimittelpreisrechts auch für importierte Medikamente - Keine Vorlagepflicht an den …


I ZR 68/14 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem primären Unionsrecht


I ZR 67/14 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem primären Unionsrecht


I ZR 68/14 (Bundesgerichtshof)


I ZR 67/14 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.