Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2016, Az. I ZR 68/14

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17087

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem primären Unionsrecht


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 19. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 100.000 € festgesetzt

Gründe

1

I. Die Klägerin ist die Berufsvertretung der Apotheker im [X.]. Die Beklagte betreibt eine Apotheke in den [X.], von der aus sie Arzneimittel nach [X.] an [X.] Kunden versendet. Die Beklagte warb seit Beginn ihrer Geschäftstätigkeit im Jahr 2000 mit [X.]modellen.

2

Im November 2012 kündigte die Beklagte in [X.] und im [X.] ihren Kunden "als Aufwandsentschädigung für die Mitwirkung bei unserer Qualitätssicherung" die Zahlung einer Geldprämie von bis zu 15 € pro eingelöstem Rezept an. Nach der Behauptung der Beklagten soll dieses Prämienmodell dazu dienen, die ihr nach [X.] Recht obliegende Verpflichtung zu erfüllen, bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente von ihren Kunden Patientendaten zum Gesundheitszustand und zur Einnahme von Medikamenten zu erheben.

3

Die Klägerin hält das Anbieten und Gewähren eines als Vergütung für die Teilnahme an einem Arzneimittel-Check ausgelobten [X.] in Höhe von bis zu 15 € bei der Einlösung eines Rezepts durch gesetzlich oder privat Krankenversicherte für wettbewerbswidrig. Hierin liege eine Verletzung des auch für ausländische Versandapotheken geltenden [X.]n Arzneimittelpreisrechts, das für verschreibungspflichtige und zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen abgegebene Arzneimittel einheitliche Abgabepreise der Apotheken vorsieht. Das Versprechen dieser Prämie sei zudem heilmittelwerberechtlich unzulässig.

4

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und zur Erstattung von Abmahnkosten verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen ([X.], Urteil vom 19. Februar 2014 - 6 U 103/13, juris). Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten. Mit der angestrebten Revision will sie die Abweisung der Klage erreichen.

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des [X.] nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

6

1. Das Beschwerdeverfahren ist nicht in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in dem anhängigen, die Frage der Vereinbarkeit des [X.]n Arzneimittelpreisrechts mit dem primären [X.]srecht betreffenden Vorabentscheidungsverfahren ([X.].: C-148/15) auszusetzen.

7

a) In diesem Vorabentscheidungsverfahren, das durch eine Vorlage des [X.] ([X.], [X.], 950) veranlasst worden ist, hat der Gerichtshof der [X.] über die Fragen zu entscheiden, ob ein einheitlicher Apothekenverkaufspreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt und ob die Preisbindung gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt ist, wenn nur durch sie eine gleichmäßige und flächenmäßige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in ganz [X.], insbesondere in den ländlichen Gebieten, gewährleistet wird. Diese Fragen sind auch im Streitfall entscheidungserheblich.

8

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist eine Verfahrensaussetzung in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO - auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] - grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der [X.] zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde ([X.], Beschluss vom 24. Januar 2012 - [X.] 236/10, [X.] 2012, 405 Rn. 8; Beschluss vom 31. Mai 2012 - I ZR 28/10 Rn. 5 juris; Beschluss vom 6. Februar 2013 - [X.], Rn. 8 juris; Beschluss vom 11. April 2013 - I [X.], [X.] 2013, 633 Rn. 5). Dies gilt auch im [X.] ([X.], [X.] 2012, 405 Rn. 10). Die Entscheidung, den Rechtsstreit auszusetzen, wenn die Voraussetzungen des § 148 ZPO vorliegen, steht im Ermessen des Gerichts ([X.], Urteil vom 18. September 2014 - [X.], [X.], 1101 Rn. 17 = [X.], 1314 - Gelbe Wörterbücher).

9

c) [X.] sind im Streitfall das Interesse der Klägerin an einer zeitnahen Entscheidung und das Interesse der Beklagten, nicht aufgrund des Verstoßes gegen eine Norm, die mit dem Primärrecht der [X.] nicht vereinbar ist, zur Unterlassung verurteilt zu werden, und das Interesse, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Eine Verfahrensaussetzung bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] hat durch ein letztinstanzliches Gericht zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen es ohne die Verfahrensaussetzung zu einer Vorlage nach Art. 267 AEUV verpflichtet wäre. Das ist vorliegend nicht der Fall. Auch aus anderen Gründen sieht der Senat für eine Verfahrensaussetzung keinen Anlass.

aa) Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] hat entschieden, dass das [X.] Arzneimittelpreisrecht auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] im Wege des Versandhandels nach [X.] an Endverbraucher abgeben, und dass seine Anwendung mit dem Primärrecht der [X.] in Einklang steht ([X.], Beschluss vom 22. August 2012 - [X.] 1/10, [X.]Z 194, 354 Rn. 21 ff., 34 ff.). Er hat weiter angenommen, dass ein Verstoß gegen die [X.] im Sinne des Art. 34 AEUV nicht vorliegt. Die Arzneimittelpreisvorschriften des [X.]n Rechts sind, auch wenn sie auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der [X.] nach [X.] anwendbar sind, keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne dieser Bestimmung ([X.], [X.]Z 194, 354 Rn. 39 ff.). Die Regelung, wonach [X.]s Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach [X.] eingeführte Arzneimittel gilt, wäre auch nach Art. 36 AEUV (Art. 30 EGV) zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt ([X.], [X.]Z 194, 354 Rn. 44 ff.).

bb) Der nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] mit Wirkung vom 26. Oktober 2012 in [X.] getretenen Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.], wonach die aufgrund von § 78 Abs. 1 Satz 1 [X.] erlassene Arzneimittelpreisverordnung auch für gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a [X.] in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbrachte Arzneimittel gilt, kommt allein klarstellende Bedeutung zu ([X.], Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 79/10, [X.], 593 Rn. 16 = [X.], 692  [X.]). Die Einführung von § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] kann deshalb an der Beurteilung, dass das [X.] Arzneimittelpreisrecht mit dem primären [X.]srecht vereinbar ist, nichts ändern.

cc) Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] der [X.] nach Art. 267 AEUV in Erwägung gezogen, eine Vorlage jedoch nicht als erforderlich angesehen ([X.], [X.]Z 194, 354 Rn. 47). Es sind keine Gründe ersichtlich, die dem Senat Veranlassung geben würden, hiervon abzuweichen. Solche Gründe ergeben sich entgegen der Annahme des [X.] nicht aus dem von der Beklagten im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreiben der [X.] vom 20. November 2013 an die [X.]republik [X.].

(1) Die [X.] vertritt in diesem Schreiben die Ansicht, dass die [X.]republik [X.] mit der Einführung der Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] gegen Art. 34 AEUV verstoße, weil die Preisbindung den Marktzugang für importierte verschreibungspflichtige Arzneimittel tatsächlich wesentlich erschwere. Der Versandhandel stelle für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken den einzig möglichen Vertriebsweg dar, weil die meisten ausländische Apotheken aufgrund ihrer Rechtsform keine Filialapotheke in [X.] eröffnen dürften. Wenn sie die dadurch begründeten strukturellen Nachteile nicht durch günstigere Preise als die [X.]r Apotheken ausgleichen könnten, verlören sie ihren größten Wettbewerbsvorteil. Dieser Argumentation kann nicht zugestimmt werden.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der [X.] unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 1974 - 8/74, [X.]. 1974, 837 Rn. 5 - [X.]; Urteil vom 26. April 2012 - [X.]/10, [X.], 740 Rn. 32 - [X.]). Dagegen liegt keine solche Behinderung vor, wenn Vorschriften der Mitgliedstaaten, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten angewandt werden, solange diese Vorschriften für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gelten und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren (vgl. [X.], Urteil vom 24. November 1993 - [X.] und 268/91, [X.]. 1993, [X.] = NJW 1994, 121 Rn. 16 f. - [X.] und [X.]). Die [X.]n Vorschriften über den einheitlichen [X.] sind nach diesen Maßstäben lediglich Verkaufsmodalitäten im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 792 Rn. 20  Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft/[X.]). Sie berühren den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten der [X.] rechtlich wie tatsächlich gleichermaßen. Allerdings kann die beschränkende Wirkung einer mitgliedstaatlichen Bestimmung für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten ungünstiger sein als für inländische Erzeugnisse, wenn die Einschränkungen sich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Wirtschaftsteilnehmer stärker auswirken als auf inländische Unternehmen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2003 - [X.]/01, [X.]. 2003, [X.] = NJW 2004, 131 Rn. 71 bis 75 - [X.]/N.V. u.a.). Ausländische Versandapotheken werden durch den einheitlichen [X.] jedoch nicht stärker beschränkt als inländische Versandapotheken, die sich - ebenso wie eine inländische stationäre Apotheke - an den einheitlichen [X.] halten müssen ([X.], [X.]Z 194, 354 Rn. 40 ff.).

(2) Die [X.] vertritt in dem Schreiben vom 20. November 2013 weiter die Auffassung, die Maßnahme sei nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat nicht an.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist bei der Prüfung, ob die Mitgliedstaaten die Bestimmungen des [X.]srechts über die [X.] im Rahmen der Zuständigkeit nach Art. 168 Abs. 7 AEUV (Art. 152 Abs. 5 EGV) über die Festlegung der Gesundheitspolitik und die [X.] - wie des Apotheken und [X.] - beachtet haben, zu berücksichtigen, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und die Mitgliedstaaten zu bestimmen haben, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dies erreicht werden soll. Da sich das Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, steht den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zu (vgl. [X.], Urteile vom 19. Mai 2009 - [X.] und 172/07, [X.]. 2009, [X.] = NJW 2009, 2112 Rn. 19  Apothekerkammer u.a./Saarland). Wenn eine Ungewissheit wegen des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die menschliche Gesundheit verbleibt, brauchen die Mitgliedstaaten nicht zu warten, bis der Beweis für das Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist; vielmehr können sie Schutzmaßnahmen treffen. Außerdem können die Mitgliedstaaten diejenigen Maßnahmen ergreifen, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung einschließlich einer Gefahr für die sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung weitestgehend verringern ([X.], NJW 2009, 2112 Rn. 30 - Apothekerkammer u.a./Saarland). Der dem [X.]n Gesetzgeber zuerkannte Wertungsspielraum ist nicht dadurch überschritten, dass er verschreibungspflichtige Arzneimittel im Interesse der sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einer umfassenden - und damit auch den grenzüberschreitenden Versandhandel einbeziehenden - Preisbildung unterstellt hat, um so der Gefahr eines ruinösen Preiswettbewerbs unter Apotheken entgegenzuwirken, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu sichern und die Gefahr eines Fehl- oder Mehrgebrauchs von Medikamenten zu mindern ([X.], [X.]Z 194, 354 Rn. 45 f.; vgl. auch Begründung des [X.] eines [X.] zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BT-Drucks. 17/9341, S. 66 f.).

(3) Da nach den vorstehenden Ausführungen § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] nicht im Widerspruch zum primären [X.]srecht steht, stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Auslegung des [X.]srechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erfordern. Eine Vorlage ist nicht geboten, wenn der Lösung der Rechtsfrage eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zugrunde liegt (vgl. [X.], Urteil vom 30. September 2003 - [X.]/01, [X.]. 2003, [X.] = NJW 2003, 3539 Rn. 118 - [X.]). Die sich im Rahmen des primären [X.]srechts stellenden Fragen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung der [X.] vorliegt, sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] geklärt. Die Umsetzung dieser Entscheidungspraxis im konkreten Fall ist Aufgabe der Gerichte der Mitgliedstaaten (vgl. [X.], Urteil vom 23. März 2010 - [X.]/08 bis 238/08, [X.]. 2010, [X.] = [X.], 445 Rn. 88 und 119 - [X.]/[X.]; vgl. auch [X.], Urteil vom 23. Februar 2006 - [X.]/04, [X.]. 2006, [X.] Rn. 30, A-Punkt Schmuckhandels GmbH/[X.]; [X.], [X.]Z 194, 354 Rn. 47 - [X.]). An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] das [X.] sich zu dem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] entschlossen hat. Die Vorlageentscheidung des [X.] enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung als diejenige in der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] rechtfertigen. Die Tatsache für sich genommen, dass ein Gericht dem Gerichtshof der [X.] Fragen vorlegt, die sich auch im vorliegenden Verfahren stellen, veranlasst den Senat nicht, die Grundsätze der Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] in Zweifel zu ziehen.

2. Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, das mit dem vorstehend erwähnten Schreiben der [X.] vom 20. November 2013 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen die [X.]republik [X.] erfordere die Zulassung der Revision, jedenfalls aber eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nach § 148 ZPO.

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] dürfen die Gerichte der Mitgliedstaaten keine Entscheidung treffen, die einer Entscheidung der [X.] zuwiderlaufen, Maßnahmen eines Mitgliedstaates daraufhin zu überprüfen, ob sie eine gemäß Art. 107 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbare und deshalb verbotene staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe darstellen; dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung der [X.] nur vorläufigen Charakter hat ([X.], Urteil vom 21. November 2013 - [X.]/12, NJW 2013, 3771 Rn. 41 - [X.]/[X.]; Beschluss vom 4. April 2014 - [X.]/13  [X.] plc & Co. Luftverkehrs KG, juris). Falls die nationalen Gerichte die Ansicht vertreten könnten, dass eine Maßnahme keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, und daher ihre Durchführung nicht auszusetzen ist, obwohl die [X.] in ihrer Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens festgestellt hat, dass diese Maßnahme Beihilfeelemente aufweist, würde die praktische Wirksamkeit von Art. 108 Abs. 3 AEUV vereitelt, der anordnet, dass der betreffende Mitgliedstaat die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen darf, bevor die [X.] einen abschließenden Beschluss erlassen hat ([X.], NJW 2013, 3771 Rn. 38 - [X.]/[X.]). Wenn die in der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens vorgenommene vorläufige Bewertung des Beihilfecharakters der fraglichen Maßnahme anschließend in der endgültigen Entscheidung der [X.] bestätigt wird, hätten die nationalen Gerichte zum einen ihre Verpflichtung aus Art. 108 Abs. 3 AEUV und Art. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 nicht eingehalten, die Durchführung jeglichen Beihilfevorhabens bis zum Erlass der Entscheidung der [X.] über die Vereinbarkeit dieses Vorhabens mit dem Binnenmarkt auszusetzen ([X.], NJW 2013, 3771 Rn. 39 - [X.]/[X.]). Selbst wenn die [X.] in ihrer endgültigen Entscheidung zu dem Ergebnis kommen sollte, dass keine Beihilfeelemente vorliegen, verlangt zum anderen das Ziel der Verhütung, das dem im Vertrag über die Arbeitsweise der [X.] geschaffenen Kontrollsystem der staatlichen Beihilfen zugrunde liegt, dass die Durchführung der betreffenden Maßnahme infolge des in der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens aufgeworfenen Zweifels hinsichtlich ihres Beihilfecharakters und ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt aufgeschoben wird, bis dieser Zweifel durch die endgültige Entscheidung der [X.] beseitigt wird ([X.], NJW 2013, 3771 Rn. 40 - [X.]/[X.]). Haben die nationalen Gerichte hinsichtlich der Frage, ob die in Rede stehende Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, oder hinsichtlich der Gültigkeit oder der Auslegung der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens Zweifel, können sie zum einen die [X.] um Erläuterung bitten. Zum anderen können oder müssen sie gemäß Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV dem Gerichtshof der [X.] eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegen ([X.], NJW 2013, 3771 Rn. 44  [X.]/[X.]).

b) Diese Rechtsprechung ist auf das von der [X.] eröffnete Vorverfahren zu einem Vertragsverletzungsverfahren wegen einer ihrer Ansicht nach nicht gerechtfertigten, gemäß Art. 34 AEUV verbotenen Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels nicht übertragbar. Für verbotene Beihilfen bestimmt Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, dass der Mitgliedstaat die Beihilfemaßnahme nicht durchführen darf, bevor die [X.] einen abschließenden Beschluss erlassen hat. Hat der Mitgliedstaat die nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV gebotene Unterrichtung unterlassen und ohne entsprechenden Beschluss der [X.] Maßnahmen vorgenommen, gilt dies ebenfalls, wenn die [X.] die Maßnahme als verbotene Beihilfe gemäß Art. 107 AEUV qualifiziert und ein Verfahren in entsprechender Anwendung von Art. 108 Abs. 3 AEUV eingeleitet hat. Eine Art. 108 Abs. 3 AEUV entsprechende Regelung für das Vertragsverletzungsverfahren, durch das ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, ein nach Ansicht der [X.] vertragsverletzendes Verhalten zu unterlassen, bis die [X.] abschließend über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens entschieden hat, enthält Art. 258 AEUV dagegen nicht. Vielmehr binden Entscheidungen der [X.] im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens die nationalen Gerichte nicht (vgl. zu Art. 169 [X.] [später 226 [X.]] EuG, Beschluss vom 29. September 1997 - [X.]/97, [X.]. [X.], 1523, 1539).

c) Ob die Zulassung der Revision oder eine Aussetzung des Verfahrens veranlasst wäre, wenn die [X.] in dem Vertragsverletzungsverfahren eine begründete Stellungnahme gemäß Art. 258 Abs. 1 AEUV abgegeben oder gemäß Art. 258 Abs. 2 AEUV den Gerichtshof der [X.] angerufen hätte, bedarf keiner Entscheidung. Soweit ersichtlich, hat die [X.] das Vorverfahren zu einem Vertragsverletzungsverfahren seit dem Mahnschreiben vom 20. November 2013 nicht weiter betrieben, nachdem die [X.]republik [X.] die beanstandete Regelung mit Schreiben vom 21. Januar 2014 verteidigt hat.

3. Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Zulassung der Revision sei deshalb geboten, weil die Untersagung, einen [X.] oder eine Prämie beim Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu gewähren, eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) darstelle. Bedenken gegen die materielle Verfassungsmäßigkeit des Arzneimittelpreisrechts in dieser Hinsicht bestehen nicht. Berufsausübungsregelungen dürfen vom Gesetzgeber getroffen werden, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist (vgl. [X.], [X.]E 68, 193 [218]). Dabei steht dem Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit zu, dies gilt auch im Arzneimittelpreisrecht (vgl. [X.], [X.], 405; NJW 2000, 1781; NJW 2002, 3693; [X.]E 114, 196) und für die Vorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.], die ihre Rechtfertigung in den mit ihr verfolgten Belangen des Gemeinwohls findet.

4. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Büscher                                Koch                              Löffler

                    Schwonke                        [X.]

Meta

I ZR 68/14

27.01.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 19. Februar 2014, Az: 6 U 103/13, Urteil

Art 34 AEUV, Art 36 AEUV, § 73 Abs 1 S 1 Nr 1a AMG, § 78 Abs 1 S 1 AMG, § 78 Abs 1 S 4 AMG vom 19.10.2012, § 4 Nr 11 UWG, AMPreisV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2016, Az. I ZR 68/14 (REWIS RS 2016, 17087)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17087

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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