Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.08.2016, Az. B 13 R 154/16 B

13. Senat | REWIS RS 2016, 6452

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Gegenstand

Darlegung der Entscheidungserheblichkeit eines gerügten Gleichheitsverstoßes in einer Nichtzulassungsbeschwerde


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. April 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das [X.] hat im Urteil vom [X.] einen Anspruch der Klägerin auf Erziehungsrente nach § 47 [X.] verneint.

2

Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem [X.] die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend.

3

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 19.7.2016 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat weder eine grundsätzliche Bedeutung ordnungsgemäß dargelegt noch einen Verfahrensmangel formgerecht bezeichnet.

4

1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache ist nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 160 Abs 2 [X.] 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

Hierfür ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl [X.]-1500 § 160 [X.] RdNr 19; [X.] Rd[X.]; [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] ff; [X.] RdNr 4 - jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich ([X.] [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] f; [X.] RdNr 4 f; [X.] Rd[X.] ff).

6

Das Vorbringen der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die Frage,

        

"ob § 47 Abs. 1 [X.] mit Art. 6 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, insoweit Art. 47 Abs. 1 [X.] die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der [X.] und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt, andererseits einer geschiedenen [X.] im Fall des Todes des vormaligen Ehepartners und der [X.] einen Anspruch auf eine Erziehungsrente gibt, sofern sie ein Kind versorgt, das nicht unbedingt ein gemeinsames Kind sein muss."

7

Diese Frage sei weiterhin klärungsbedürftig, nachdem das [X.] eine diesbezügliche Vorlage des [X.] nach Art 100 Abs 1 GG (Beschluss vom [X.]/09 - Juris) für unzulässig erachtet habe ([X.] Beschluss vom 2.5.2012 - 1 BvL 20/09 - [X.]E 131, 1).

8

Es kann hier offenbleiben, ob die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der Frage hinreichend dargestellt hat (zu den Anforderungen vgl [X.] vom 5.12.2012 - B 1 KR 14/12 B - NZS 2013, 318 Rd[X.] mwN). Es fehlen jedenfalls auch hinreichende Darlegungen zur Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren. Insoweit behauptet die Klägerin lediglich, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge von der genannten Frage ab, da eine andere Anspruchsgrundlage als § 47 [X.], auf die sie ihr Begehren stützen könne, nicht vorhanden sei. Der [X.] vermag jedoch aufgrund der lediglich rudimentären Angaben der Klägerin zum maßgeblichen Sachverhalt nicht zu beurteilen, ob die aufgeworfene Frage zur Vereinbarkeit des § 47 [X.] mit höherrangigem Recht im vorliegenden Fall überhaupt entscheidungserheblich sein kann.

9

Der Beschwerdebegründung kann nur entnommen werden, dass die Klägerin und der Vater des gemeinsamen Kindes nicht geheiratet hätten, sie daher nicht "Witwe" iS von § 46 [X.] sei. Aufgrund dieser Angaben kann lediglich vermutet werden, dass der Vater eines gemeinsamen Kindes zu irgendeinem Zeitpunkt verstorben ist. Unklar bleibt jedoch, ob die Klägerin und der Kindsvater jemals in einer intakten (nichtehelichen) Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben bzw ob der Kindsvater möglicherweise schon vor der Geburt des Kindes verstorben ist (zur Bedeutung dieser Umstände für die verfassungsrechtliche Beurteilung vgl [X.] Beschluss vom 2.5.2012 - 1 BvL 20/09 - [X.]E 131, 1, 17 f, 20). Ebenso wenig lässt der Vortrag der Klägerin erkennen, wie alt das gemeinsame Kind ist und ob sie dieses Kind erzieht (vgl § 47 Abs 1 [X.] iVm § 46 Abs 2 S 1 Nr 1, S 3 [X.]). Weiterhin ist nicht mitgeteilt, ob die Klägerin überhaupt die für eine Erziehungsrente erforderliche allgemeine Wartezeit erfüllt (vgl § 47 Abs 1 Nr 4 [X.]) und ob sie (anspruchsausschließend) zwischenzeitlich geheiratet hat (vgl § 47 Abs 1 [X.] [X.]). Somit ist nicht ersichtlich, weshalb es für die Entscheidung des Rechtsstreits gerade auf die von der Klägerin problematisierte verfassungsrechtliche Frage ankommen soll.

Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit einer behaupteten Ungleichbehandlung - insbesondere eines gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses - nicht lediglich die abstrakte, theoretisch ohnehin kaum jemals auszuschließende Möglichkeit, dass der Gesetzgeber bei Bejahung eines Gleichheitsverstoßes im Rahmen einer Neuregelung möglicherweise eine auch die Klägerin begünstigende Rechtslage schaffen werde. Vielmehr verlangt auch das [X.] zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit eines gerügten Gleichheitsverstoßes, dass aufgezeigt wird, inwiefern eine "mehr als nur theoretische und daher offen zu haltende" Chance besteht, durch den Gesetzgeber eine gerade auch für den betreffenden Kläger günstige Regelung zu erreichen ([X.] Beschluss vom 17.4.2008 - 2 BvL 4/05 - [X.]E 121, 108, 116; s auch [X.] Beschluss vom 8.5.2012 - 1 BvR 1082/03 - [X.]E 131, 66, 87 f). Zwar ist im Bereich des Steuerrechts von der Entscheidungserheblichkeit einer (angeblich gleichheitswidrig begünstigenden) Vorschrift zur Steuerverschonung für die streitige Steuerfestsetzung auszugehen, solange der Gesetzgeber nicht aus Rechtsgründen oder aus offenkundigen tatsächlichen Gründen gehindert ist, auch eine für den jeweiligen Kläger günstige Regelung zu schaffen ([X.] Beschluss vom 17.4.2008, aaO; [X.] Beschluss vom [X.] ua - [X.]K 17, 438, 441). Im Bereich der sozialrechtlichen Leistungsansprüche erfordert jedoch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (§ 31 SGB I) für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit eines geltend gemachten Gleichheitsverstoßes, dass aufgezeigt wird, inwiefern - abgesehen von den als gleichheitswidrig gerügten Merkmalen - alle sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen der begehrten Leistung erfüllt sind. Nur dann kann eine realistische - und nicht bloß theoretische - Chance bejaht werden, dass eine zur Beseitigung eines Gleichheitsverstoßes ggf vorzunehmende Änderung des Gesetzes auch zu einem für den konkreten Kläger günstigen Ergebnis führen kann (s hierzu auch [X.] Urteil vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 219 - insoweit in [X.]-4200 § 20 [X.] nicht abgedruckt). Das veranschaulicht vorliegend beispielhaft das im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zentrale Erfordernis der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (§ 34 Abs 1 iVm § 47 Abs 1 Nr 4 [X.]). Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber auf diese Voraussetzung verzichtete, wenn er den Anwendungsbereich des Anspruchs auf Erziehungsrente nach § 47 [X.] auf die Erziehung von Kindern nicht miteinander verheirateter Partner erweitern wollte.

2. Die Klägerin hat auch einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160 Abs 2 [X.] 160a Abs 2 S 3 SGG).

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten [X.] begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl [X.]-1500 § 160a [X.] RdNr 4; [X.]1 RdNr 4 - jeweils mwN; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], Rd[X.]02 ff).

Das Vorbringen der Klägerin wird auch diesen Erfordernissen nicht gerecht. Sie rügt, das [X.] habe die Gründe der Entscheidung des [X.] ([X.] R 4487/12 - NZFam 2015, 93) in weiten Teilen wörtlich übernommen, ohne sich mit ihren Argumenten im vorliegenden Verfahren - insbesondere dem Hinweis, dass die Erziehungsrente eine Rente aus eigenem Recht und deshalb unabhängig von einem Rentenanspruch des verstorbenen Elternteils sei - inhaltlich auseinanderzusetzen. Damit macht sie sinngemäß eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) geltend, weil das [X.] ihr Vorbringen nicht in Erwägung gezogen habe. Die Beschwerdebegründung gibt jedoch keinen Sachverhalt wieder, aus dem sich - seine Richtigkeit unterstellt - eine Gehörsverletzung in schlüssiger Weise ergibt. Es fehlt nämlich die Darstellung, mit welchen Argumenten sich die Entscheidungsgründe des [X.]s (wenn auch ggf unter Übernahme von Erwägungen aus dem Urteil des [X.]) auseinandergesetzt haben. Allein die Behauptung der Klägerin, eine Befassung mit dem von ihr bezeichneten Argument sei nicht erfolgt, versetzt den [X.] nicht in die Lage zu beurteilen, ob die Erwägensrüge berechtigt sein könnte. Hierzu bedarf es jedenfalls auch der vollständigen Wiedergabe der im [X.] tatsächlich angeführten Erwägungen (vgl [X.] vom 19.11.2012 - [X.] R 209/12 B - Juris RdNr 8). Zudem wird aus dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich, weshalb das genannte Argument zu ihrem zentralen Vorbringen im Berufungsverfahren gehörte, mit dem sich das [X.] zur Wahrung des rechtlichen Gehörs unbedingt hätte auseinandersetzen müssen, obgleich das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, in den Gründen seiner Entscheidung jegliches Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl [X.] Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - Juris RdNr 14 f).

Im Übrigen sei lediglich ergänzend darauf hingewiesen, dass sich der gesamte zweite Absatz auf [X.] des [X.]s mit dem auch im Tatbestand der Entscheidung wiedergegebenen Argument (dort [X.] unten) befasst, dass die Erziehungsrente keine Rente aus abgeleitetem Recht, sondern eine Leistung aus eigener Versicherung sei.

Von einer weiteren Begründung sieht der [X.] ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Meta

B 13 R 154/16 B

23.08.2016

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Halle (Saale), 9. März 2015, Az: S 4 R 644/13, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, § 31 SGB 1, § 47 SGB 6, Art 3 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.08.2016, Az. B 13 R 154/16 B (REWIS RS 2016, 6452)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6452

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

1 BvR 1890/15

1 BvL 20/09

2 BvL 4/05

1 BvL 1/09

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