Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.01.2017, Az. B 13 R 365/16 B

13. Senat | REWIS RS 2017, 17801

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - zurechenbare Verletzung der Beratungspflicht einer anderen Behörde


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 13. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das [X.] hat mit Urteil vom 13.10.2016 den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint. Die Klägerin sei zwar zumindest befristet als voll erwerbsgemindert anzusehen; sie erfülle aber die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs 2 S 1 [X.] nicht, weil in den letzten 5 Jahren vor dem Eintritt des [X.] nur 32 statt der erforderlichen 36 Monate mit Pflichtbeitragszeiten vorlägen. Die hilfsweise beantragte Beitragsnachzahlung könne nicht mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet werden. Ein [X.] der [X.] sei nicht als belegt anzusehen. Im Übrigen scheitere ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch an der nicht hinreichend belegbaren Kausalität.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim [X.] Beschwerde eingelegt und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 [X.] SGG sowie Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] SGG geltend gemacht.

3

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 27.12.2016 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil sie die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 [X.] SGG).

4

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtssicherheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl zum Ganzen [X.] Beschluss vom [X.] - [X.]-1500 § 160a [X.] mwN).

5

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das [X.] diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl [X.] [X.]-1500 § 160 [X.]). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des [X.] zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen [X.] noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei ([X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.] Rd[X.]83 mwN).

6
        

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie bezeichnet als Fragen von grundsätzlicher Bedeutung,

"ob die Verletzung der Beratungspflicht eines Sozialversicherungsträgers dem anderen Sozialversicherungsträger, dessen Leistung davon betroffen ist, zuzurechnen ist",

Und

     

"ob die Voraussetzungen der Leistungen aus dieser Sozialversicherung dann infolge des Beratungsfehlers als erfüllt angenommen werden."        

7

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin hinreichend konkrete Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG bezeichnet hat. Denn sie setzt sich insoweit nicht ansatzweise mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und damit auch nicht mit der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen auseinander. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch grundsätzlich auch aus dem fehlerhaften Verhalten anderer Behörden ergeben (vgl [X.]E 51, 89, 95 = [X.] 2200 § 381 [X.] 44; 57, 288, 290 = [X.] 1200 § 14 [X.]8; 63, 112, 115 = [X.] 1200 § 14 [X.]8; 71, 217, 218 = [X.]-1200 § 14 [X.] 8; Senatsurteil vom 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 - [X.]-1200 § 14 [X.]2 S 74; Senatsurteil vom [X.] - B 13 R 44/09 R - [X.] 4-1200 § 14 [X.]3 Rd[X.] 30). Eine dem zuständigen Leistungsträger zurechenbare Verletzung der Beratungspflicht einer anderen Behörde wird insbesondere angenommen, wenn die Zuständigkeitsbereiche beider Stellen materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft sind, die andere Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund eines bestehenden Kontaktes der aktuelle "Ansprechpartner" der Versicherten ist und sie aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen kann, dass bei der Versicherten im Hinblick auf das andere sozialrechtliche Gebiet ein dringender Beratungsbedarf in einer gewichtigen Frage besteht (vgl Senatsurteil vom 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 - [X.]-1200 § 14 [X.]2 S 75; Senatsurteil vom [X.] - B 13 R 44/09 R - [X.] 4-1200 § 14 [X.]3 Rd[X.] 31 ff). Ist die unzureichende Beratung ursächlich für ein Handeln oder Unterlassen zB rechtzeitiger Beitragsentrichtung geworden, kann die Herstellung des Zustands verlangt werden, der bestehen würde, wenn die Beratung pflichtgemäß erfolgt wäre, dh ggf auch die Zulassung der [X.] (vgl [X.]E 49, 76, 81 = [X.] 2200 § 1418 [X.] 6; 65, 266, 270 = [X.] 2400 § 2 [X.]8; Senatsurteil vom 22.10.1996 - aaO - [X.]-1200 § 14 [X.]2 S 77).

8

Allein die pauschale Behauptung der Klägerin, die aufgeworfenen Fragen seien noch nicht geklärt, reicht vor diesem Hintergrund nicht aus.

9

Darüber hinaus hat die Klägerin die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der gestellten Fragen nicht hinreichend dargelegt.

Soweit sie geltend macht, dass sie aufgrund fehlender Beratung versäumt habe, freiwillige Beiträge zu zahlen, bleibt in der Beschwerdebegründung bereits offen, warum hier statt der grundsätzlich erforderlichen Pflichtbeitragszeiten iS von § 43 Abs 2 S 1 [X.] ausnahmsweise (zB nach § 241 Abs 2 [X.]) freiwillige Beiträge zum Erhalt der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ausreichend gewesen sein sollen.

Die Klägerin trägt schließlich auch nicht vor, dass der [X.] kausal dafür gewesen sei (vgl zu diesem Erfordernis [X.]E 59, 60, 68 = [X.] 5070 § 10 [X.] 31; Senatsurteil vom 22.10.1996 - aaO - [X.]-1200 § 14 [X.]2 S 77; Senatsurteil vom [X.] - [X.] 4-2600 § 115 [X.] Rd[X.]5), dass sie einen Antrag auf Versicherungspflicht für Selbständige nach § 4 Abs 2 [X.] unterlassen hätte. Da das [X.] den Kausalzusammenhang verneint hat, wären insoweit nähere Ausführungen erforderlich gewesen.

2. Um eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 [X.] SGG genügender Weise zu bezeichnen, muss die Beschwerdebegründung ua einen Widerspruch tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des [X.] einerseits und einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] andererseits aufzeigen ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 67). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie rügt die Nichtbeachtung von Entscheidungen des [X.] zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, ohne diesen jedoch einen abweichenden abstrakten Rechtssatz des [X.] gegenüberzustellen. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz kann aber nicht mit der behaupteten Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern nur mit der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet werden.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 13 R 365/16 B

09.01.2017

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Nürnberg, 27. November 2015, Az: S 4 R 180/15, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.01.2017, Az. B 13 R 365/16 B (REWIS RS 2017, 17801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17801

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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