Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 21.12.2023, Az. I ZR 96/22

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8715

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung der Urheberrechtsrichtlinie: Anforderungen an die freien kreativen Entscheidungen des Schöpfers bei der urherberrechtlichen Prüfung der Originalität von Werken der angewandten Kunst; subjektive Sicht des Schöpfers auf den Schöpfungsprozess; objektiver Ausdruck künstlerischen Schaffens - USM Haller


Leitsatz

USM Haller

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Besteht bei Werken der angewandten Kunst zwischen dem geschmacksmusterrechtlichen und dem urheberrechtlichen Schutz ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt, dass bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freien kreativen Entscheidungen des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen Werkarten?

2. Ist bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers auf den Schöpfungsprozess abzustellen und muss er insbesondere die freien kreativen Entscheidungen bewusst treffen, damit sie als freie kreative Entscheidungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anzusehen sind?

3. Falls im Rahmen der Prüfung der Originalität maßgeblich darauf abzustellen ist, ob und inwieweit in dem Werk künstlerisches Schaffen objektiven Ausdruck gefunden hat: Können für diese Prüfung auch Umstände herangezogen werden, die nach dem für die Beurteilung der Originalität maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetreten sind, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen?

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem [X.] werden zur Auslegung von Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ([X.] L 167 vom 22. Juni 2001, [X.]) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Besteht bei Werken der angewandten Kunst zwischen dem geschmacksmusterrechtlichen und dem urheberrechtlichen Schutz ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt, dass bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freien kreativen Entscheidungen des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen Werkarten?

2. Ist bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers auf den Schöpfungsprozess abzustellen und muss er insbesondere die freien kreativen Entscheidungen bewusst treffen, damit sie als freie kreative Entscheidungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] anzusehen sind?

3. Falls im Rahmen der Prüfung der Originalität maßgeblich darauf abzustellen ist, ob und inwieweit in dem Werk künstlerisches Schaffen objektiven Ausdruck gefunden hat: Können für diese Prüfung auch Umstände herangezogen werden, die nach dem für die Beurteilung der Originalität maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetreten sind, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen?

Gründe

1

A. Die in [X.] ansässige Klägerin ist Herstellerin eines von ihr unter der Bezeichnung "[X.]" seit Jahrzehnten vertriebenen modularen Möbelsystems, bei dem hochglanzverchromte Rundrohre mittels kugelförmiger Verbindungsknoten zu einem Gestell zusammengesetzt werden. In das Gestell können verschiedenfarbige Verschlussflächen aus Metall (sogenannte Tablare) eingesetzt werden. Die so geschaffenen Korpusse können beliebig kombiniert und über- oder nebeneinander angebaut werden.

2

Das Möbelsystem weist folgende fünf Gestaltungsmerkmale auf: 1. eine beliebige Anzahl von rechtwinkligen Korpussen, die über- oder nebeneinander angebaut werden können; 2. dünne hochglanzverchromte Rohre, die an ihren Enden über [X.] zu einem tragenden Gerüst in Quaderform verbunden sind (Raumgitterstruktur); 3. geringfügig größere Außendurchmesser der kugelförmigen Verbindungsknoten als der Durchmesser der Rohre; 4. Rohre und kugelförmige Verbindungsknoten stoßen unmittelbar aneinander; 5. innenliegende, bündig abschließende metallene Trage- und Verschlussflächen an den horizontalen und vertikalen Seitenflächen der Korpusse, die die Raumgitterstruktur nicht stören oder verkleiden.

3

Nachfolgend ist beispielhaft ein Möbelstück abgebildet:

Abbildung

4

Die Beklagte zu 1 (nachfolgend nur "die Beklagte“), die bis zu ihrer Umfirmierung im Jahr 2022 unter der Bezeichnung "S.     " tätig war und deren Geschäftsführer seit dem 22. Juni 2018 der Beklagte zu 2 ist, bietet über ihren Online-Shop Ersatzteile und [X.] für das [X.] Möbelsystem an, die in der Form und überwiegend auch in der Farbe den [X.] der Klägerin entsprechen. Nachdem sich die Beklagte zunächst - von der Klägerin nicht beanstandet - auf das reine Ersatzteilgeschäft beschränkt hatte, nahm sie in den Jahren 2017/2018 eine Neugestaltung ihres Online-Shops vor, in dem sämtliche Komponenten aufgelistet werden, die für den Zusammenbau vollständiger [X.] Möbel erforderlich sind. Die Beklagte wirbt auf ihrer Internetseite auch mit Bildern von zusammengebauten Möbeln. Ihren Möbellieferungen ist eine Montageanleitung beigefügt, die den Aufbau vollständiger Möbelstücke erklärt. Sie bietet ihren Kunden einen Montageservice an, bei dem die gelieferten Einzelteile beim Kunden zu einem vollständigen Möbelstück zusammengefügt werden.

5

Die Klägerin ist der Ansicht, bei dem [X.] Möbelsystem handele es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst, jedenfalls aber um ein lauterkeitsrechtlich gegen Nachahmung geschütztes Leistungsergebnis. Sie sieht in der Neugestaltung des Online-Shops eine neue Ausrichtung des Geschäftsmodells der Beklagten, die darauf abziele, nicht mehr nur Ersatzteile für das Möbelsystem der Klägerin anzubieten, sondern ein eigenes Möbelsystem herzustellen, anzubieten und zu vertreiben, das mit ihrem Möbelsystem identisch sei. Sie meint, die Beklagte verletze dadurch das [X.] an ihrem Möbelsystem, jedenfalls sei darin eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Nachahmung zu sehen.

6

Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, den Ersatz von Abmahnkosten und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Sie stützt ihre Klageanträge - soweit für das [X.] noch von Bedeutung - in erster Linie auf [X.], hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.

7

Das [X.] hat den [X.] überwiegend aus [X.] stattgegeben. Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 2. Juni 2022 - 20 U 259/20, juris) hat die Klageanträge dagegen insoweit abgewiesen und sie lediglich zugesprochen, soweit sie auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützt sind. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision ihre urheberrechtlichen Ansprüche weiter, während die Beklagten die Abweisung der Klageanträge auch insoweit erstrebt, als diese auf Wettbewerbsrecht gestützt sind. Die Parteien beantragen jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen.

8

B. Der Erfolg der Revision der Klägerin gegen die Abweisung der vorrangig geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche hängt von der Auslegung des in Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft enthaltenen Begriffs des Werks ab. Die richtige Auslegung des [X.]srechts ist mit Blick auf das beim [X.] zum Aktenzeichen [X.]/23 anhängige Vorabentscheidungsersuchen des [X.] Berufungsgerichts für Patente und Märkte (nachfolgend "[X.]") vom 20. September 2023 zur [X.] 13496-22 nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f.] - [X.] und [X.]). Vor einer Entscheidung über die Revisionen ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof zu stellen, um diesem mit Blick auf die im Streitfall gegebenen Besonderheiten zusätzliche Argumente zur Kenntnis zu bringen (vgl. dazu [X.], [X.], 1273 [juris Rn. 43] mwN).

9

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revisionen von Bedeutung - angenommen, bei dem [X.] Möbelsystem handele es sich nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst. Es erfülle nicht die vom [X.] in seiner jüngeren Rechtsprechung gestellten Anforderungen an ein Werk, weil seine Gestaltungsmerkmale - auch nach dem von ihnen vermittelten Gesamteindruck - nicht Ausdruck freier kreativer Entscheidungen seien. Sie beruhten entweder auf dem vorbekannten Formenschatz oder seien durch technische Erwägungen oder andere äußere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach Auffassung des Gerichtshofs der [X.] der [X.]sschutz für Gebrauchsgegenstände im Verhältnis zum [X.] die Ausnahme bleiben müsse und es für das Vorliegen einer freien kreativen Entscheidung durchaus auf die subjektive Sicht des Schöpfers ankomme. Sei der Schöpfer auch nur vermeintlich durch Regeln, technische Gegebenheiten oder andere Zwänge gebunden, scheide eine kreative Entscheidung aus, die bewusst und damit frei getroffen worden sei. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass das [X.] Möbelsystem einen äußerst ästhetischen Eindruck vermittle und in zwei museale Sammlungen angewandter Kunst aufgenommen worden sei.

Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche seien aber unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes begründet. Das [X.] Möbelsystem habe wettbewerbliche Eigenart, weil seine Gestaltungsmerkmale nach ihrem Gesamteindruck auf die Klägerin als Herstellerin hinwiesen. Das Angebot der Beklagten sei unlauter, weil es die Abnehmer in vermeidbarer Weise über die betriebliche Herkunft der angebotenen Produkte täusche.

II. Die Revision der Klägerin hat Erfolg, wenn die auf eine Verletzung des [X.]s gestützten Klageanträge nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden können, bei dem [X.] Möbelsystem handele es sich nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 [X.], weil es die nach der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zu stellenden Anforderungen an ein Werk nicht erfülle.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 [X.] gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 [X.] persönliche geistige Schöpfungen sind. Bei dem in den die ausschließlichen Rechte des [X.] zur Vervielfältigung, öffentlichen Wiedergabe und Verbreitung seiner Werke betreffenden Bestimmungen der Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] enthaltenen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks handelt es sich um einen autonomen Begriff des [X.]srechts, der in der gesamten [X.] einheitlich auszulegen und anzuwenden ist ([X.], Urteil vom 13. November 2018 - [X.]/17, [X.], 73 [juris Rn. 33] = WRP 2019, 55 - [X.]; Urteil vom 12. September 2019 - C-683/17, [X.], 1185 [juris Rn. 29] = WRP 2019, 1449 - [X.]). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines [X.] darstellt ([X.], [X.], 73 [juris Rn. 36] - [X.]; [X.], 1185 [juris Rn. 29] - [X.]; [X.], Urteil vom 11. Juni 2020 - [X.]/18, [X.], 736 [juris Rn. 22] = [X.], 1006 - [X.]). Ein Gegenstand ist ein Original, wenn er die Persönlichkeit seines [X.] widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben ([X.], [X.], 1185 [juris Rn. 30 f.] - [X.]; [X.], 736 [juris Rn. 23 f.] - [X.]). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen ([X.], [X.], 73 [juris Rn. 37] - [X.]; [X.], 1185 [juris Rn. 29] - [X.]; [X.], 736 [juris Rn. 22] - [X.]).

2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das streitgegenständliche Möbelsystem einen hinreichenden Ausdruck im Sinne des zweiten Merkmals der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] darstellt. Dieses zweite Merkmal setzt einen mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand voraus, auch wenn die Ausdrucksform nicht notwendigerweise dauerhaft sein sollte ([X.], [X.], 73 [juris Rn. 40 f.] - [X.]; [X.], 1185 [juris Rn. 32 f.] - [X.]). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung auch bei einem Möbelsystem erfüllt sein könne, für das Schutz in jeder beliebigen konkreten Ausformung begehrt werde. Das [X.] System ermögliche im Sinne der Rechtssicherheit eine objektive Identifizierung, da es aus wenigen Einzelelementen bestehe, die in Modulbauweise kombiniert würden und einen wiederkehrenden charakteristischen Gesamteindruck vermittelten. Diese Beurteilung haben die Parteien mit ihren Revisionen nicht beanstandet. Ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist auch nicht ersichtlich.

3. Ob das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei das erste Merkmal eines urheberrechtlich geschützten Werks verneint hat, wonach es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln muss, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines [X.] darstellt, hängt davon ab, ob es mit Blick auf den für Werke der angewandten Kunst ebenfalls in Betracht kommenden Schutz als Geschmacksmuster oder Design zutreffend von einem Ausnahmecharakter des [X.] mit der Folge ausgegangen ist, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen [X.] (dazu [X.] 3 a). Fraglich ist außerdem, ob es bei der Prüfung der Originalität auf die subjektive Sicht des Schöpfers oder aber auf einen objektiven Maßstab ankommt (dazu [X.] 3 b). Ferner ist bislang nicht eindeutig geklärt, ob bei der Beurteilung der Originalität nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetretene Umstände herangezogen werden können, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen (dazu [X.] 3 c).

a) Zu klären ist zunächst, ob bei Werken der angewandten Kunst zwischen dem geschmacksmusterrechtlichen und dem urheberrechtlichen Schutz ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt besteht, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freien kreativen Entscheidungen des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen [X.] (Vorlagefrage 1).

aa) Das Berufungsgericht hat der Entscheidung "[X.]" des Gerichtshofs der [X.] ([X.], 1185 [juris Rn. 51 f.]) entnommen, dass der [X.]sschutz von Gebrauchsgegenständen im Vergleich zum [X.] die Ausnahme bleiben müsse, um die Zielsetzungen und die Wirksamkeit der beiden Schutzarten nicht zu beeinträchtigen.

bb) Der [X.] weist in seinem Vorlagebeschluss unter Bezugnahme auf die "[X.]"-Entscheidung ebenfalls auf das Risiko hin, die Bedeutung des weniger großzügigen Schutzes für Geschmacksmuster auszuhöhlen, wenn zu niedrige Anforderungen an die Originalität eines Gegenstands der angewandten Kunst gestellt würden ([X.], Entscheidung vom 20. September 2023 - [X.] 13496-22, Rn. 30).

cc) Der Senat versteht die "[X.]"-Entscheidung des Gerichtshofs nicht so, dass bei Gebrauchsgegenständen für den [X.]sschutz strengere Anforderungen an die Originalität zu stellen sind als bei anderen Gegenständen.

(1) Der [X.] hat in der Entscheidung "[X.]" ausgeführt, dass der Schutz von Mustern und Modellen einerseits und der urheberrechtliche Schutz andererseits grundverschiedene Ziele verfolgen und unterschiedlichen Regelungen unterliegen. Der Schutz von Mustern und Modellen erfasst Gegenstände, die zwar neu und individualisiert sind, aber dem Gebrauch dienen und für die Massenproduktion gedacht sind. Außerdem ist dieser Schutz während eines Zeitraums anwendbar, der zwar begrenzt ist, aber ausreicht, um sicherzustellen, dass die für das Entwerfen und die Produktion dieser Gegenstände erforderlichen Investitionen rentabel sind, ohne jedoch den Wettbewerb übermäßig einzuschränken. Demgegenüber ist der mit dem [X.] verbundene Schutz, der deutlich länger dauert, Gegenständen vorbehalten, die als Werke eingestuft werden können. Aus diesen Gründen darf die Gewährung urheberrechtlichen Schutzes für einen als Muster oder Modell geschützten Gegenstand nicht dazu führen, dass die Zielsetzungen und die Wirksamkeit dieser beiden Schutzarten beeinträchtigt werden. Daraus folgt, dass der Schutz von Mustern und Modellen und der mit dem [X.] verbundene Schutz nach dem [X.]srecht zwar kumulativ für ein und denselben Gegenstand gewährt werden können, diese Kumulierung jedoch nur in bestimmten Fällen infrage kommt ([X.], [X.], 1185 [juris Rn. 50 bis 52] - [X.]).

(2) Aus diesen Ausführungen des Gerichtshofs folgt nach Auffassung des Senats nicht, dass bei Gebrauchsgegenständen höhere Anforderungen an die für den urheberrechtlichen Schutz als Werk der angewandten Kunst erforderliche Originalität zu stellen sind als bei anderen [X.]. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass Modelle dann als Werke im Sinne der Richtlinie 2001/29/[X.] anzusehen sind, wenn sie die beiden - für sämtliche urheberrechtsschutzfähigen Gegenstände gleichermaßen geltenden - Voraussetzungen erfüllen, zum einen ein Original in dem Sinne zu sein, dass sie eine eigene geistige Schöpfung ihres [X.] darstellen, und zum anderen eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen ([X.], [X.], 1185 [juris Rn. 29 und 48] - [X.]; vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-683/17 vom 2. Mai 2019 Rn. 31; zum Schutzumfang vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 2011 - [X.]/10, Slg. 2011, [X.] = [X.], 166 [juris Rn. 97 f.] - Painer). Dem entsprechend geht auch der Senat davon aus, dass bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die für einen [X.]sschutz erforderliche Gestaltungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst ([X.], Urteil vom 13. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 52 [juris Rn. 26] - [X.]; Urteil vom 15. Dezember 2022 - [X.], [X.], 571 [juris Rn. 15] = WRP 2023, 591 - Vitrinenleuchte).

Die Bemerkung des Gerichtshofs, eine Kumulierung von [X.] und [X.]sschutz komme nur in bestimmten Fällen infrage, ist nach Ansicht des Senats daher nicht normativ, sondern rein deskriptiv zu verstehen. Sie bedeutet nicht, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität von Gebrauchsgegenständen aus Rechtsgründen höhere Anforderungen an die freien kreativen Entscheidungen des Schöpfers gestellt werden müssen als bei anderen Gegenständen, sondern besagt lediglich, dass der Schutz ein und desselben Gegenstands sowohl als Geschmacksmuster als auch als Werk in der Realität die Ausnahme sein wird, weil ein Gebrauchsgegenstand die Voraussetzungen des [X.] seltener erfüllen wird als die Voraussetzungen des [X.]es.

Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den [X.] bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen, ist der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maße die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die [X.]sschutz rechtfertigt ([X.], [X.], 571 [juris Rn. 15] - Vitrinenleuchte, mwN). Dabei ist zu beachten, dass für einen urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst - ebenso wie für alle anderen [X.] - insbesondere mit Blick auf die ausgesprochen lange urheberrechtliche Schutzfrist eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern ist (vgl. [X.]Z 199, 52 [juris Rn. 40] - [X.]; [X.], Urteil vom 29. April 2021 - I ZR 193/20, [X.], 1290 [juris Rn. 60] = WRP 2021, 1461 - Zugangsrecht des Architekten).

Bei der Beurteilung der Eigenart, die eine Voraussetzung des [X.]es ist (vgl. Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung [[X.]] Nr. 6/2002, Art. 3 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1 der [X.]/[X.]), ist zwar gleichfalls der Grad der Gestaltungsfreiheit - und zwar diejenige des [X.] bei der Entwicklung des Geschmacksmusters - zu berücksichtigen (Art. 6 Abs. 2 der Verordnung, Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie). [X.] setzt aber - anders als [X.]sschutz - nicht voraus, dass der Entwerfer einen Gestaltungsspielraum dazu nutzt, kreative Entscheidungen zu treffen, die seine Persönlichkeit widerspiegeln. Vielmehr genügt es, wenn es ihm gelingt, ein Geschmacksmuster zu entwerfen, dessen Gesamteindruck sich aus der Sicht des informierten Benutzers von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster hervorruft, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist (Art. 6 Abs. 1 der Verordnung, Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie).

b) Weiterhin ist klärungsbedürftig, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers beim Schöpfungsprozess abzustellen ist und er insbesondere die kreativen Entscheidungen bewusst treffen muss, damit sie als freie kreative Entscheidungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] anzusehen sind (Vorlagefrage 2).

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] sei maßgeblich auf die Erwägungen des Schöpfers bei der Schaffung des Gegenstands abzustellen. Es komme bei der Prüfung der Originalität auf die subjektive Sicht des Schöpfers an. Er müsse bewusst freie kreative Entscheidungen treffen, was ausscheide, wenn er tatsächlich oder auch nur vermeintlich durch Regeln, technische Gegebenheiten oder andere Zwänge gebunden sei. Im Streitfall seien die fünf Gestaltungsmerkmale des [X.] Möbelsystems nicht Ausdruck freier kreativer Entscheidungen. Sie beruhten auf dem vorbekannten Formenschatz oder seien durch technische Erwägungen oder andere äußere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen hätten. Das [X.] System vermittle zwar einen äußerst ästhetischen Gesamteindruck. Die Ästhetik einer Gestaltung sage aber nichts darüber aus, ob diese auf freien kreativen Entscheidungen beruhe. Hierfür finde sich in den Äußerungen der Schöpfer zum Schaffensprozess keine Grundlage. Die dem [X.] Möbelsystem vom [X.] noch zugeschriebene "Versinnbildlichung der Mobilität des modernen technischen Lebens" ([X.], [X.] 1990, 121, 123) stelle sich in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte für entsprechende Gestaltungsabsichten der Schöpfer als eine bloße ex-post-Überhöhung des Möbelsystems dar.

bb) Der [X.] will mit seiner ersten Vorlagefrage wissen, ob sich die Originalitätsprüfung auf Faktoren um den Schaffensprozess und die Erläuterungen des [X.] zu den tatsächlichen Entscheidungen, die er oder sie beim Schaffen des Gegenstands getroffen hat, zu beziehen hat oder auf Faktoren betreffend den Gegenstand als solchen und das Endergebnis des Schaffensprozesses sowie darauf, ob der Gegenstand selbst Ausdruck eines künstlerischen Wirkens ist. Der [X.] hält in seinem Vorlagebeschluss eine eher subjektive Auslegung des Merkmals der Originalität dahingehend für möglich, dass auf die tatsächlichen Entscheidungen des [X.] beim Schaffen des Gegenstands abgestellt werden könnte. Dadurch würde die Frage, ob der Gegenstand ausreichend Originalität aufweist, eher eine Beweisfrage als eine Rechtsfrage (vgl. [X.], Entscheidung vom 20. September 2023 - [X.] 13496-22 Rn. 26 bis 30, insbesondere Rn. 27). Dem stehe als andere Möglichkeit eine Auslegung gegenüber, die von dem Gegenstand selbst auszugehen habe (Rn. 31 bis 35 der Entscheidung). Unter Bezugnahme auf Entscheidungen des [X.] führt das [X.] Gericht zur Erläuterung dieses objektiven Ansatzes aus, dass das Werk selbst eine künstlerische Leistung darstellen und Ausdruck einer künstlerischen Darbietung sein müsse, was der Schöpfer darzulegen und zu beweisen habe.

cc) Nach Auffassung des Senats ist die Vorlagefrage 2 dahingehend zu beantworten, dass auch die Prüfung der Originalität für alle [X.] einheitlich objektiv und ausgehend vom konkret vorgelegten Werk zu erfolgen hat. Auf die subjektive Sicht des [X.] im Sinne einer schöpferischen Absicht oder des Bewusstseins freier kreativer Entscheidungen sollte es nicht ankommen.

(1) Es entspricht der [X.] Rechtsprechung und Literatur, dass die Beurteilung einer persönlichen geistigen Schöpfung nach § 2 Abs. 2 [X.] nicht von der subjektiven Absicht des Schöpfers ausgeht, sondern objektiv nach dem persönlichen geistigen Schöpfungsgehalt erfolgt, wie er in dem Objekt seinen Niederschlag und Ausdruck gefunden hat (vgl. [X.], Urteil vom 27. Februar 1961 - [X.], [X.] 1961, 635, 638 unter III 2 [X.] - [X.]; Urteil vom 19. November 1971 - [X.], [X.], 143 [juris Rn. 15] - Biografie Ein Spiel, mwN; [X.], [X.] 1993, 116, 117; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 2 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 2 Rn. 16 mwN; [X.] in Festschrift von [X.], 1990, [X.], 392 f.; [X.], ZUM 2020, 801, 802). Für die Beurteilung, ob eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt, sind nicht die subjektiven Vorstellungen des [X.] maßgeblich. Vielmehr kommt es darauf an, ob nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise eine Schöpfung individueller Prägung vorliegt, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass von einer "künstlerischen" Leistung gesprochen werden kann ([X.]Z 199, 52 [juris Rn. 15] - [X.]; [X.], [X.], 1290 [juris Rn. 57] - Zugangsrecht des Architekten; [X.], Urteil vom 7. April 2022 - [X.], [X.] 2022, 899 [juris Rn. 28] = WRP 2022, 729 - [X.]; [X.], [X.], 571 [juris Rn. 13] - Vitrinenleuchte; [X.]/[X.]/[X.], 40. Edition [Stand 1. August 2023] § 2 Rn. 97 f.; [X.] in Dreier/[X.], [X.], 7. Aufl., § 2 Rn. 58).

(2) Nach Ansicht des Senats stehen diese Grundsätze im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zum unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne der Richtlinie 2001/29/[X.] ([X.], [X.], 1290 [juris Rn. 58] - Zugangsrecht des Architekten; [X.] 2022, 729 [juris Rn. 29] - [X.]; [X.], 571 [juris Rn. 14] - Vitrinenleuchte).

Der Gerichtshof hat bei der Definition des Originals im Sinne einer eigenen geistigen Schöpfung nicht ausgeführt, dass dafür - wie vom Berufungsgericht seiner Prüfung zugrunde gelegt - eine "bewusst" freie kreative Entscheidung notwendig ist. Die Prüfung erfolgt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs vielmehr im Gegenteil anhand von Umständen, in denen ein möglicher Gestaltungswille des Schöpfers objektiv feststellbar zum Ausdruck kommt. So kann sich beispielsweise bei schriftlichen Berichten die Originalität aus der Auswahl, der Anordnung und der Kombination von Wörtern ergeben (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juli 2019 - [X.]/17, [X.], 934 [juris Rn. 23] = WRP 2019, 1170 - [X.], mwN). Der Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass es zusätzlich zu der Feststellung, dass der Urheber eine objektiv nicht von Zwängen bestimmte und damit freie (kreative) Entscheidung getroffen hat, der Feststellung bedarf, dass der Urheber das Bewusstsein hatte, eine in diesem Sinne freie (kreative) Entscheidung zu treffen. Auch das Bewusstsein, eine kreative Entscheidung zu treffen, kann nicht gefordert werden, weil künstlerische Leistungen auch unbewusst oder unterbewusst erbracht werden können.

Soweit der Gerichtshof in der Entscheidung "[X.]" auf die Faktoren und Erwägungen abgestellt hat, von denen sich der Schöpfer bei der Wahl der Form des Erzeugnisses hat leiten lassen ([X.], [X.], 736 [juris Rn. 35 f.] - [X.]), folgt auch daraus nach Ansicht des Senats nicht, dass die Annahme der Originalität die Feststellung einer "bewussten" kreativen Entscheidung des Schöpfers voraussetzt. Aus dem Kontext der Entscheidungsgründe des Gerichtshofs in der Sache "[X.]" ergibt sich vielmehr, dass es darauf ankommt, ob das Ergebnis des Schaffensprozesses eine künstlerische Leistung darstellt. So ist von den nationalen Gerichten festzustellen, ob der Urheber des Erzeugnisses mit der Wahl von dessen Form seine schöpferische Fähigkeit in eigenständiger Weise zum Ausdruck gebracht hat, indem er freie kreative Entscheidungen getroffen und das Erzeugnis dahin gestaltet hat, dass es seine Persönlichkeit widerspiegelt ([X.], [X.], 736 [juris Rn. 34] - [X.]). Der [X.] hat zudem den Vorschlag des Generalanwalts nicht aufgegriffen, beim [X.] über die Merkmale der Originalität und des Ausdrucks der Schöpfung hinaus weitere Faktoren zu berücksichtigen, wie etwa den Entwerferwillen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache [X.]/18 vom 6. Februar 2020 Rn. 92 f.). Stattdessen stellt der Gerichtshof für die Prüfung der Originalität entscheidend darauf ab, dass ein Gestaltungsspielraum besteht, der der Ausübung künstlerischer Freiheit Raum lässt ([X.], [X.], 736 [juris Rn. 24] - [X.]). Das Abstellen auf den Gestaltungsspielraum, der anhand objektiver Umstände, etwa des bekannten Formenschatzes oder technischer Notwendigkeiten festgestellt werden kann, dient gerade der Objektivierung des [X.]s (vgl. [X.], ZUM 2020, 801, 802). Da die Feststellung des Bewusstseins von der Ausnutzung eines Gestaltungsspielraums als innerer Vorgang schwierig ist (Tolkmitt, [X.], 383, 386), wird das nationale Gericht, das alle einschlägigen Aspekte des jeweiligen Falls zu berücksichtigen hat, wie sie bei der Ausgestaltung des Gegenstands vorlagen ([X.], [X.], 736 [juris Rn. 37] - [X.]), regelmäßig vom Gestaltungsergebnis auf den Willen des Schöpfers beim [X.] schließen müssen und dazu auch unterstützende objektive Indizien heranziehen können.

(3) Für eine objektive Auslegung spricht die Rechtssicherheit und ein Vergleich mit dem zweiten Merkmal zur Schutzbegründung ("zum Ausdruck bringen"), bei dem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedes der Rechtssicherheit schädliche subjektive Element bei der Identifizierung des geschützten Objekts auszuschließen ist ([X.], [X.], 73 [juris Rn. 41] - [X.]). Es wäre der Rechtssicherheit abträglich und würde zu unbilligen Ergebnissen führen, wenn nicht auch beim ersten Merkmal der Originalität jedes subjektive Element auszuschließen wäre.

(a) Käme es allein auf die subjektive Vorstellung des Schöpfers an, würde einerseits - wie die Annahmen des Berufungsgerichts im Streitfall zeigen - ein Schöpfer, der meint, an Regeln oder Zwänge gebunden zu sein, tatsächlich aber nicht von Regeln oder Zwängen bestimmte und damit freie kreative Entscheidungen getroffen hat, keinen [X.]sschutz erlangen, obwohl er bei objektiver Betrachtung ein schutzwürdiges Werk geschaffen hat. Ein solches Ergebnis dürfte mit dem Erfordernis des Schutzes des geistigen Eigentums nach Art. 17 Abs. 2 der [X.] unvereinbar sein. Andererseits würde ein Schöpfer, der annimmt, frei und kreativ zu schaffen, tatsächlich aber an Regeln oder Zwänge gebunden ist, für seine Gestaltung urheberrechtlichen Schutz erlangen, obwohl er bei objektiver Betrachtung kein schutzwürdiges Werk geschaffen hat. Dies würde zu dem mit den Grundlagen des Rechts des geistigen Eigentums unvereinbaren Ergebnis führen, dass jedermann sich absolute Rechte, wie die aus dem [X.] fließenden Befugnisse, nach [X.] selbst gewähren könnte (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 2 [X.] Rn. 16). Auch der [X.] befürchtet, dass eine Auslegung des Originalitätserfordernisses, die auf den Schaffensprozess und die dabei vom Urheber getroffenen Entscheidungen abstellt, zu verhältnismäßig niedrigen Anforderungen an die freien kreativen Entscheidungen führte und das Risiko mit sich brächte, dass auch Gegenstände, die es möglicherweise nicht verdienten, als Werk eingestuft zu werden, urheberrechtlichen Schutz zuerkannt bekämen ([X.], Entscheidung vom 20. September 2023 - [X.] 13496-22 Rn. 26 bis 28).

(b) Um dem Hauptziel der Richtlinie 2001/29/[X.] zu entsprechen, ein hohes Schutzniveau für das [X.] sicherzustellen ([X.], Urteil vom 29. Juli 2019 - [X.]/17, [X.], 929 [juris Rn. 30] = WRP 2019, 1156 - [X.] u.a.), sind bei der Bestimmung des unionsrechtlichen [X.]s auch die Umstände in den Blick zu nehmen, die Auswirkungen auf die wirksame prozessuale Durchsetzung der Rechte des [X.] haben. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der klagende Urheber im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung trägt. Das Erfordernis, eine bestimmte Motivation des Schöpfers nachzuweisen, könnte die Anforderungen an den [X.]chutz in unangemessener Weise erhöhen (vgl. [X.], [X.] 2022, 565 [juris Rn. 39]).

Ein auf die Vorstellung des Schöpfers abstellender Maßstab wäre mit den bei subjektiven Elementen regelmäßig auftretenden Schwierigkeiten bei der tatgerichtlichen Feststellung belastet. Hinzu kommt, dass Äußerungen des Schöpfers zu seinen Vorstellungen bei der Schaffung des in Rede stehenden Objekts oder jedenfalls Indizien für diese Vorstellungen eher die Ausnahme sein dürften. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass diese Schwierigkeiten angesichts des langen urheberrechtlichen Schutzzeitraums zusätzlich durch den Umstand erhöht werden, dass es auf den nicht selten Jahre oder - wie im Streitfall - sogar mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Zeitpunkt der Schöpfung ankommt. Diese Gesichtspunkte stehen einer unionsweit einheitlichen und rechtssicheren Handhabung der für den Schutz der [X.]e maßgeblichen Umstände durch die dazu aufgerufenen nationalen Gerichte entgegen.

Bei der vom Senat für richtig gehaltenen Auslegung des Begriffs der Originalität kommt es dagegen auf von den nationalen Gerichten einfacher feststellbare objektive Umstände an wie die Gestaltungsmerkmale oder den Gesamteindruck des Werks oder den Gestaltungsspielraum, der mit Blick auf den vorbekannten Formenschatz und die technischen Gestaltungsnotwendigkeiten zu bestimmen ist. Dazu genügt es grundsätzlich, dass der Kläger das betreffende Werk vorlegt und die konkreten Gestaltungselemente darlegt, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll. Bei Gebrauchsgegenständen, bei denen die Möglichkeiten einer künstlerisch-ästhetischen Ausformung regelmäßig eingeschränkt sind, weil sie bestimmten technischen Anforderungen genügen müssen und technisch bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen, muss überdies genau und deutlich dargelegt werden, inwieweit sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind ([X.], Urteil vom 12. Mai 2011 - [X.], [X.], 58 [juris Rn. 24 f.] - Seilzirkus, mwN; [X.], [X.], 571 [juris Rn. 21] - Vitrinenleuchte). Verteidigt sich der Beklagte demgegenüber mit dem Einwand, die Schutzfähigkeit entfalle oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekanntes Formengut zurückgegriffen habe, so ist es seine Sache, das Aussehen des älteren Werkes darzulegen und zu beweisen ([X.], Urteil vom 27. Mai 1981 - I ZR 102/79, [X.] 1981, 820 [juris Rn. 25] - [X.]I, mwN).

c) Falls im Rahmen der Prüfung der Originalität maßgeblich darauf abzustellen ist, ob und inwieweit in dem Werk künstlerisches Schaffen objektiven Ausdruck gefunden hat, stellt sich ferner die Frage, ob für diese Prüfung auch nach dem für die Beurteilung der Originalität maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetretene Umstände herangezogen werden können, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen (Vorlagefrage 3).

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Aufnahme des [X.] Möbelsystems in zwei museale Sammlungen der angewandten Kunst (Neue Sammlung, [X.], und [X.], [X.]) stehe seiner Beurteilung, das [X.] Möbelsystem sei nicht als Werk der angewandten Kunst anzusehen, nicht entgegen. Ob hierin noch ein Indiz für die Werkeigenschaft eines Gegenstands gesehen werden könne sei fraglich, weil nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in der Sache "[X.]" die Beurteilung der Werkeigenschaft unabhängig von äußeren und nach der Schaffung des Erzeugnisses aufgetretenen Faktoren zu erfolgen habe.

bb) Im [X.] [X.] sind bei der Prüfung der Werkeigenschaft einzelne Indizien heranzuziehen, die für oder gegen die Individualität eines Werkes sprechen, um ein möglichst objektives und nachvollziehbares Ergebnis zu erreichen. Als ein Indiz für die Schutzfähigkeit eines Werks ist auch die Beachtung, die das Werk in den Fachkreisen und in der übrigen Öffentlichkeit gefunden hat, mit einzubeziehen; auch die Präsentation des Werks in Kunstmuseen und Kunstausstellungen kann Aufschluss darüber geben, dass die für Kunst aufgeschlossenen Kreise darin eine dem [X.]sschutz unterliegende künstlerische Leistung sehen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 1986 - [X.], [X.] 1987, 903 [juris Rn. 31] - [X.], mwN; OLG [X.], [X.]-RR 2011, 54 [juris Rn. 43]; Dreier in Dreier/[X.] aaO § 2 Rn. 61 f. mwN; [X.]/[X.]/[X.] aaO § 2 Rn. 102; [X.], [X.], 1114, 1120; aA [X.], [X.] 2002, 181 [juris Rn. 83]).

cc) Ob diese Umstände nach der "[X.]"-Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] weiterhin als Indizien herangezogen werden können, erscheint zweifelhaft. Da die vorrangigen Ausführungen des Berufungsgerichts möglicherweise der Korrektur bedürfen, kann es auf diese von ihm offengelassene Fragestellung im weiteren Prozessverlauf noch entscheidungserheblich ankommen.

(1) Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass bei der Prüfung der Originalität vom nationalen Gericht alle einschlägigen Aspekte zu berücksichtigen sind, wie sie bei der Ausgestaltung dieses Gegenstands vorlagen, und zwar unabhängig von äußeren und nach der Schaffung des Erzeugnisses aufgetretenen Faktoren ([X.], [X.], 736 [juris Rn. 37] - [X.]).

(2) Dies könnte mit dem Berufungsgericht so zu verstehen sein, dass bei der Prüfung der Originalität allein der Schaffensprozess und die für den Schöpfer maßgeblichen Erwägungen zu berücksichtigen und alle nach der Schaffung des Erzeugnisses aufgetretenen und äußeren Umstände unbeachtlich sind. Somit käme es auf die Rezeption des Werks nicht an (so [X.], [X.] 2022, 342 [juris Rn. 280 f.]; [X.], [X.] 2022, 1023, 1027).

(3) Der Senat versteht die Ausführungen des Gerichtshofs der [X.] indessen lediglich als Klarstellung, dass es für die Prüfung, ob ein ausreichender Gestaltungsspielraum bestand und vom Schöpfer künstlerisch genutzt wurde, allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Schöpfung ankommt (vgl. auch [X.], [X.] 1961, 635, 638, unter [X.] - [X.]). Danach sind zwar insbesondere spätere Entwicklungen des Formenschatzes unbeachtlich. Nach der Schaffung des Erzeugnisses eingetretene Umstände wie etwa Einschätzungen in der Fachwelt sollten aber berücksichtigt werden können, soweit sie einen Anhaltspunkt für die Beurteilung bieten können, ob der Gegenstand zum Zeitpunkt seiner Ausgestaltung eine eigene geistige Schöpfung seines [X.] darstellte. Das ermöglicht den nationalen Gerichten, ihrer Aufgabe nachzukommen, alle einschlägigen Aspekte des Falles zu berücksichtigen, wie sie bei der Ausgestaltung des Gegenstands vorlagen ([X.], [X.], 736 [juris Rn. 37] - [X.]).

d) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die ästhetische Wirkung einer Gestaltung für sich genommen keinen [X.]sschutz begründet.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, das [X.] System vermittle zwar einen äußerst ästhetischen Gesamteindruck. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erlaube dies für sich genommen aber nicht die Feststellung, dass es sich um eine geistige Schöpfung handele, die dem Erfordernis der Originalität genüge. Die Ästhetik einer Gestaltung sage nichts darüber aus, ob diese auf freien kreativen Entscheidungen beruhe. Hierfür finde sich in den Äußerungen der Schöpfer zum Schaffensprozess keine Grundlage.

bb) Der [X.] hat, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, entschieden, dass die ästhetische Wirkung eines Modells für sich genommen nicht die Feststellung ermöglicht, ob es sich bei diesem Modell um eine geistige Schöpfung handelt, die dem Erfordernis der Originalität genügt. Ästhetische Erwägungen können jedoch Teil der schöpferischen Tätigkeit sein ([X.], [X.], 1185 [juris Rn. 54] - [X.]).

cc) Der Senat geht dementsprechend davon aus, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen [X.]sschutz (nur) begründen kann, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (vgl. [X.], [X.], 571 [juris Rn. 13] - Vitrinenleuchte, mwN). Soweit die ästhetische Wirkung der Gestaltung auf einer künstlerischen Leistung, also auf freien kreativen Entscheidungen, beruht und diese zum Ausdruck bringt, hängt es allerdings auch vom Grad des ästhetischen Gehalts ab, ob diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die [X.]sschutz rechtfertigt.

dd) Ob die Annahme des Berufungsgerichts, der durch das [X.] System vermittelte äußerst ästhetische Gesamteindruck beruhe nicht auf einer künstlerischen Leistung, weil sich in den Äußerungen der Schöpfer zum Schaffensprozess keine Grundlage für die Annahme freier kreativer Entscheidungen finde, einer rechtlichen Nachprüfung standhält, hängt unter anderem von der Antwort des Gerichtshofs auf die Vorlagefrage 2 ab, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers beim Schöpfungsprozess abzustellen ist.

e) Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich. Die Prüfung, ob das [X.] Möbelsystem als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt ist, hängt von dem zutreffenden unionsrechtlichen Maßstab ab. Sollte das Berufungsgericht zu strenge Anforderungen aufgestellt haben, müsste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung des [X.] des Möbelsystems an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Eine Abweisung der urheberrechtlichen Ansprüche aus anderen Gründen kommt im Revisionsverfahren nicht in Betracht, da mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts zu Gunsten der Klägerin zu unterstellen ist, dass sie Inhaberin sämtlicher für die Begründetheit der Klageanträge maßgeblichen Nutzungsrechte ist und die Beklagte diese Rechte verletzt hat.

Koch     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Pohl     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 96/22

21.12.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 2. Juni 2022, Az: I-20 U 259/20, Urteil

Art 2 Buchst a EGRL 29/2001, Art 3 Abs 1 EGRL 29/2001, Art 4 Abs 1 EGRL 29/2001, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 21.12.2023, Az. I ZR 96/22 (REWIS RS 2023, 8715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8715


Verfahrensgang

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Az. I ZR 96/22

Bundesgerichtshof, I ZR 96/22, 21.12.2023.


Az. 20 U 259/20

Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 259/20, 02.06.2022.


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