Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2022, Az. XI ZB 31/20

11. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 686

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Spezialgesetzliche Prospekthaftung: Vorrang vor Prospekthaftung im weiteren Sinne


Leitsatz

Zum Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung (Bestätigung von Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff.)

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden des [X.] und der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 5 wird der Musterentscheid des [X.] vom 24. Januar 2020 aufgehoben, soweit das [X.] das [X.] als unbegründet zurückgewiesen und den Vorlagebeschluss des [X.] vom 12. November 2018 hinsichtlich des [X.] für gegenstandslos erklärt hat.

Das Feststellungsziel [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Vorlagebeschluss des [X.] vom 12. November 2018, in Bezug auf das [X.] (3) (a) in der Fassung des Beschlusses des [X.] vom 5. November 2019, ist hinsichtlich des [X.] gegenstandslos.

Im Übrigen werden die Rechtsbeschwerden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des [X.] und die außergerichtlichen Kosten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin tragen der [X.] und die Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 5 wie folgt:

Musterrechtsbeschwerdeführer

50,20%

Rechtsbeschwerdeführer zu 1

14,62%

Rechtsbeschwerdeführer zu 2

13,61%

Rechtsbeschwerdeführerin zu 3     

7,83%

Rechtsbeschwerdeführer zu 4

8,26%

Rechtsbeschwerdeführer zu 5

5,48%

Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der [X.] und die Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 5 jeweils selbst.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Gerichtskosten auf bis zu 1.000.000 € festgesetzt.

Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des [X.] wird für die Prozessbevollmächtigten des [X.] sowie der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 5 auf 378.445,96 € und für die Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin auf bis zu 1.000.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem [X.] ([X.]) darüber, ob der bei der Emission des Fonds [X.]" (im Folgenden: Fonds oder [X.]) am 28. Juli 2011 aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) fehlerhaft ist und ob die [X.] hierfür aufgrund sogenannter bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können. Gegenstand des Fonds ist der Erwerb und Betrieb des Massengutschiffs    "[X.]     " (nachfolgend: Fondsschiff), bei dem es sich um einen Postpanamax-Bulker mit einer Tragfähigkeit von 92.500 tdw handelt.

2

Die [X.] zu 2 ist Initiatorin und Anbieterin des [X.]. Sie ist [X.] und [X.] der [X.] mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 50.000 €. Die [X.] zu 1 war zum Zeitpunkt der [X.] Kommanditistin der [X.] mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 25.000 €. Sie ist Vertragsreederin des Fondsschiffs.

3

Der [X.] und die Beigeladenen haben seit dem [X.] Klagen gegen die [X.] anhängig gemacht. In diesen Klageverfahren verlangen sie von den [X.] Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der [X.] nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne.

4

Das [X.] hat mit Beschluss vom 12. November 2018 dem [X.] zum Zweck der Herbeiführung eines [X.]s vorgelegt. Mit ihnen wird geltend gemacht, dass der Prospekt fehlerhaft sei, weil er die Markterwartungen für Bulker fehlerhaft und die Risiken sowie die Rentabilität der Beteiligung an dem Fonds falsch darstelle (Feststellungsziel [X.]), dass die [X.] zu 1 und 2 nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne verpflichtet gewesen seien, über die in dem Feststellungsziel [X.] genannten [X.] aufzuklären (Feststellungsziel [X.]), und dass die in dem Feststellungsziel [X.] genannten [X.] für die [X.] zu 1 und 2 bei der gebotenen sachkundigen Prüfung mit üblicher Sorgfalt erkennbar gewesen seien und die [X.] zu 1 und 2 schuldhaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gehandelt hätten (Feststellungsziel [X.]).

5

Das [X.] hat mit Beschluss vom 5. November 2019 das im Vorlagebeschluss unter [X.] (3) (a) aufgeführte Feststellungsziel entsprechend § 15 [X.] konkretisierend neu gefasst und mit [X.] vom 24. Januar 2020 das Feststellungsziel [X.] als unbegründet zurückgewiesen und den Vorlagebeschluss des [X.]s Hamburg vom 12. November 2018 hinsichtlich der [X.] und [X.] für gegenstandslos erklärt.

6

Gegen den [X.] haben der [X.] und fünf Beigeladene Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie wenden sich gegen die Zurückweisung der [X.] und verfolgen ihr Feststellungsbegehren vollumfänglich weiter.

7

Mit Beschluss des [X.] des [X.] vom 14. April 2020 ist die [X.] zu 2 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt worden.

8

Der [X.] hat das Verfahren dem [X.] wegen der Zuständigkeit des [X.]s für die Feststellung von [X.]n nach dem [X.] und der daraus folgenden Ansprüche zur Übernahme angeboten. Der [X.] hat das Verfahren daraufhin aufgrund seiner alleinigen Zuständigkeit für die spezialgesetzliche Prospekthaftung vom [X.] übernommen (siehe auch [X.], [X.] 2021, 1063, 1070 f.).

B.

9

Die zulässigen Rechtsbeschwerden des [X.] und der weiteren Rechtsbeschwerdeführer haben im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

Die Rechtsbeschwerden sind zulässig.

Sie sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerden formulieren einen ordnungsgemäßen [X.] (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und nach den "Schlußanträgen des [X.]s im Kapitalanleger-Musterverfahren zu entscheiden", lässt vorliegend im Zusammenhang mit den Ausführungen der Rechtsbeschwerdebegründung erkennen, welche Abänderungen beantragt werden (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 6. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2411 Rn. 21 und vom 15. Dezember 2020 - [X.], [X.], 133 Rn. 34 ff., jeweils mwN).

[X.]

Die Rechtsbeschwerden des [X.] und der weiteren Rechtsbeschwerdeführer haben im Ergebnis keinen Erfolg. Sie führen nur dazu, dass das Feststellungsziel [X.] und nicht das Feststellungsziel [X.] als unbegründet zurückgewiesen wird und dass der Vorlagebeschluss hinsichtlich des Feststellungsziels [X.] gegenstandslos ist.

1. Das [X.] hat zur Begründung des [X.]s - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Das Feststellungsziel [X.] sei in der Sache zurückzuweisen, weil keine [X.] vorlägen bzw. der [X.] solche nicht substantiiert dargelegt habe. Hinsichtlich der [X.] und [X.] sei der Vorlagebeschluss gegenstandslos, weil die behaupteten [X.] nicht vorlägen.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob das [X.] zu Recht davon ausgegangen ist, dass keine [X.] vorliegen. Denn die Rechtsbeschwerden haben bereits aus einem anderen Grund im Ergebnis keinen Erfolg. Das Feststellungsziel [X.] ist wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung als unbegründet zurückzuweisen. Somit ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der [X.] [X.] und [X.] gegenstandslos.

a) Durch das Feststellungsziel [X.] sollte nur eine Haftung der [X.] zu 1 und 2 nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden. Denn das Feststellungsziel [X.] hat ausschließlich eine Aufklärungspflicht der beiden [X.] nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" betreffend die im Feststellungsziel [X.] genannten [X.] zum Gegenstand. Mit dem hieran anknüpfenden Feststellungsziel [X.] soll ein schuldhaftes Handeln der beiden [X.] bezüglich der vorvertraglichen Aufklärungspflicht betreffend die im Feststellungsziel [X.] genannten [X.] festgestellt werden. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich ebenfalls, dass mit den drei [X.]n ausschließlich eine Haftung der beiden [X.] für den fehlerhaften Inhalt des Prospekts nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne festgestellt werden soll. Die [X.] und [X.] stellen ausdrücklich auf eine Prospekthaftung im weiteren Sinne ab. Im Feststellungsziel [X.] geht es um verschiedene [X.], im Feststellungsziel [X.] um die Passivlegitimation der beiden [X.] "nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne" sowie um das Vorliegen einer Pflichtverletzung und im Feststellungsziel [X.] um das Verschulden der Pflichtverletzung "nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne". Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerden sind daher deliktsrechtliche Ansprüche gegen die [X.] aus § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB nicht Gegenstand der [X.].

Das Feststellungsziel [X.] ist im Einklang mit dem Feststellungsziel [X.] so auszulegen, dass die in ihm angesprochene Pflichtverletzung nur in der Verwendung eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung bestehen kann. [X.] sind so auszulegen, dass ein prozessual zulässiges Ergebnis erreicht wird. Feststellungen zu einem Schadensersatzanspruch, der nicht an eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung anknüpft, wären im Kapitalanleger-Musterverfahren unstatthaft ([X.]sbeschluss vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 21).

b) Die begehrte Feststellung ist nicht zu treffen, weil eine Haftung der [X.] zu 2 als Gründungsgesellschafterin und der [X.] zu 1 als Gesellschafterin der [X.] zum Zeitpunkt der [X.] aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der [X.] bereits entschieden hat ([X.]sbeschluss vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 22 ff.) - vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.

Auf den am 28. Juli 2011 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g [X.] in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eröffnet.

aa) Die [X.] zu 2 ist [X.] im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF. Denn sie hat die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen (Prospekt, Seite 5). Eine Haftung der [X.] zu 2 aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB, die wie im Feststellungsziel [X.] auf die Verwendung des Prospekts gestützt wird, ist daher aufgrund des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ausgeschlossen.

bb) Gleiches gilt auch für eine Haftung der [X.] zu 1 aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB, die auf die Verwendung des Prospekts gestützt wird.

Nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g [X.] aF die Verantwortung übernommen haben, im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF). Damit sollen die Personen und Unternehmen getroffen werden, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind ([X.]sbeschluss vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 24 mwN). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF ist von einer Prospektverantwortlichkeit eines [X.] als Prospektveranlasser unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des [X.] sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospekts gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist ([X.]sbeschluss aaO).

Nach diesen Grundsätzen ist die [X.] zu 1 [X.] im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF. Die [X.] zu 1 ist zwar keine Gründungsgesellschafterin der [X.]. Sie ist aber bereits seit Dezember 2008 Kommanditistin und war damit zum Zeitpunkt der Herausgabe des Prospekts Gesellschafterin der [X.] mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 25.000 €. Ihr wirtschaftliches Eigeninteresse ist daher mit dem wirtschaftlichen Eigeninteresse einer Gründungsgesellschafterin vergleichbar, was für die Einstufung der [X.] zu 1 als [X.] ausreicht (vgl. zur [X.] [X.]sbeschluss vom 12. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2386 Rn. 24; vgl. auch [X.], [X.] 2021, 1063, 1068 f.).

cc) Die [X.] zu 1 und 2 hafteten mithin als [X.] ([X.] zu 2) bzw. als Prospektveranlasserin ([X.] zu 1) für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF. Neben dieser ist eine Haftung der [X.] unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen ([X.]sbeschluss vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 26).

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von den Rechtsbeschwerden zitierten Entscheidungen des [X.] und des I[X.] des [X.] (vgl. [X.]sbeschluss vom 27. April 2021 - [X.], [X.], 774 Rn. 7 f. in Bezug auf das Urteil des I[X.] vom 13. August 2020 [III ZR 148/19, [X.], 1862 ff.] und das Urteil des [X.] vom 19. November 2019 [II ZR 306/18, [X.], 169 ff.]).

Den nicht veröffentlichten und gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO nicht näher begründeten Beschlüssen des [X.] in den Verfahren [X.], [X.] und [X.] lässt sich nur entnehmen, dass die [X.] gegen die oberlandesgerichtlichen Entscheidungen zurückgewiesen worden sind, weil kein Revisionszulassungsgrund gegeben war. Dass in den jeweiligen Beschwerdebegründungen das Verhältnis zwischen spezialgesetzlicher Prospekthaftung und Prospekthaftung im weiteren Sinne überhaupt thematisiert worden wäre, tragen die Rechtsbeschwerden nicht vor.

Das Verfahren [X.] betraf eine mögliche Haftung eines [X.] aufgrund von - ihm über § 278 BGB zuzurechnenden - unrichtigen oder unzureichenden Angaben einer Vertriebsmitarbeiterin beim Beratungsgespräch, wobei revisionsrechtlich zu unterstellen war, dass die klagenden Anleger den Prospekt nicht zur Kenntnis genommen hatten ([X.], Urteil vom 4. Juli 2017 - [X.], [X.], 1640 Rn. 10 f.). Auch im Verfahren [X.]/17 ging es um eine derartige Konstellation, wobei dort davon auszugehen war, dass dem klagenden Anleger der Verkaufsprospekt vor Zeichnung der Beteiligung nicht vorlag ([X.], Urteil vom 8. Januar 2019 - [X.]/17, [X.], 495 Rn. 1 und 25 ff.). Der [X.] hat in seinem Beschluss vom 19. Januar 2021 ([X.], [X.], 237 Rn. 26 im [X.] an [X.]sbeschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 57) nicht in Frage gestellt, dass Gründungsgesellschafter Anlegern aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung - etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen - nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB (und gegebenenfalls § 278 BGB) haften können (vgl. [X.]sbeschluss vom 27. April 2021 - [X.], [X.], 774 Rn. 8).

In der Entscheidung des I[X.] vom 16. März 2017 ging es um die Haftung einer Treuhandkommanditistin, die nicht zu den [X.] gehörte und auch keinen eigenen Gesellschaftsanteil an der [X.] hielt ([X.], Urteil vom 16. März 2017 - [X.], [X.], 708 Rn. 2) und deren Pflichtverletzung darin bestand, unrichtige Prospektangaben nicht von sich aus richtig gestellt zu haben (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 2017, aaO Rn. 19). Es ist daher schon nicht ersichtlich, dass diese Treuhandkommanditistin zu dem Personenkreis gehörte, der nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF haften kann.

Den Entscheidungen in den Verfahren [X.], [X.] und [X.] lagen Beteiligungen an [X.]en im Jahr 2000 ([X.], Urteile vom 22. Oktober 2015 - [X.], [X.], 2238 Rn. 2 und vom 21. Juni 2016 - [X.], [X.], 1487 Rn. 1), im Oktober 2004 und im Mai 2005 ([X.], Urteil vom 9. Juli 2013 - [X.], [X.], 1597 Rn. 1) zugrunde. Die Regelungen des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28. Oktober 2004 ([X.]) zur Haftung nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] für unrichtige oder unvollständige Angaben in einem Prospekt im Sinne des § 8g [X.], auf welche sich die Entscheidung des [X.]s vom 19. Januar 2021 ([X.], [X.], 237 ff.) bezieht, traten jedoch erst am 1. Juli 2005 und somit danach in Kraft.

c) Da der Antrag zu dem Feststellungsziel [X.] in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der [X.] [X.] und [X.] gegenstandslos.

Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist ([X.]sbeschlüsse vom 22. November 2016 - [X.], [X.]Z 213, 65 Rn. 106, vom 19. September 2017 - [X.], [X.]Z 216, 37 Rn. 49, vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 61 und vom 6. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2411 Rn. 54).

Das ist hier für das Feststellungsziel [X.], das verschiedene [X.] zum Gegenstand hat, und hinsichtlich des Feststellungsziels [X.], mit dem geltend gemacht wird, die [X.] zu 1 und 2 hätten diese [X.] erkennen können und nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft gehandelt, der Fall. Der Vorlagebeschluss ist dahin auszulegen, dass die [X.] ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der [X.] unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 19. September 2017 - [X.], [X.]Z 216, 37 Rn. 54 und vom 12. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2386 Rn. 28). Im Vorlagebeschluss ist ausgeführt, dass die Parteien sämtlicher [X.] um Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne streiten würden. Das Verschulden der [X.] zu 1 und 2 soll nach dem Feststellungsziel [X.] ebenfalls nur im Hinblick auf eine Prospekthaftung im weiteren Sinne festgestellt werden. Da eine solche Haftung aus Rechtsgründen nicht gegeben ist, kommt es auf Feststellungen zu [X.]n und zum Verschulden der [X.] nicht mehr an.

Der [X.] ist weder durch den Vorlagebeschluss noch durch den [X.] an eine bestimmte Prüfungsreihenfolge der [X.] gebunden (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 22. November 2016 - [X.], [X.]Z 213, 65 Rn. 106 und vom 12. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2386 Rn. 29 ff.) und daher zu einer entsprechenden Änderung des [X.]s befugt.

I[X.]

Die Rechtsbeschwerden rügen zu Unrecht die Zuständigkeit des [X.]s.

Der [X.] Zivilsenat ist nach A. I. [X.] Zivilsenat 1.c) des [X.] des [X.] für das Geschäftsjahr 2020 ausschließlich zuständig für Rechtsstreitigkeiten über [X.] nach §§ 13, 13a [X.]. Die Zuständigkeit für spezialgesetzliche [X.] besteht seit dem Jahr 1996. Der [X.] ist damit auch zuständig, über das Konkurrenzverhältnis zwischen gesetzlicher Prospekthaftung nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF und bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung zu entscheiden. Denn ob letztere im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung anwendbar ist, ist keine Frage der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung, sondern eine Frage nach der Reichweite der Rechtsfolgen der gesetzlichen Prospekthaftung (vgl. [X.]sbeschluss vom 27. April 2021 - [X.], [X.], 774 mit zust. [X.]. [X.]; [X.], [X.] 2021, 1063, 1071; [X.], EWiR 2022, 133, 134 f.).

IV.

Die Entscheidung über die Kosten des [X.] folgt aus § 26 Abs. 1 und 3 [X.] i.V.m. §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entsprechend. Danach haben der [X.] und die Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 5 die gesamten Kosten des [X.] nach dem Grad ihrer Beteiligung zu tragen. Soweit der [X.] auf die (teilweise) Gegenstandslosigkeit des [X.] erkennt, ist damit eine den Rechtsbeschwerden günstige Entscheidung in der Sache, die eine Belastung der [X.] mit Kosten des [X.] rechtfertigte, nicht verbunden (vgl. [X.]sbeschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 76).

V.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG. Gemäß § 51a Abs. 2 GKG ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem [X.] bei der Bestimmung des Streitwerts von der Summe der in sämtlichen Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche auszugehen, soweit diese von den [X.]n des [X.] betroffen sind. Infolgedessen sind bei der Streitwertbemessung auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen zu berücksichtigen, die zwar dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klage aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 2 [X.] zurückgenommen haben (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 22. November 2016 - [X.], [X.]Z 213, 65 Rn. 117 und vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 80). Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend bis zu 1.000.000 €.

Die Festsetzung des [X.] für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b [X.]. Danach bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des [X.] ist. Für die Prozessbevollmächtigten, die mehrere Beteiligte im Rechtsbeschwerdeverfahren vertreten, ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 [X.] in Höhe der Summe der nach § 23b [X.] zu bestimmenden Streitwerte festzusetzen (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 22. November 2016 - [X.], [X.]Z 213, 65 Rn. 118 und vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 81).

Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten des [X.] und der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 5 auf 378.445,96 € und für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin auf bis zu 1.000.000 € festzusetzen.

[X.]     

      

[X.]     

      

Derstadt

      

Schild von [X.]     

      

Ettl     

      

Meta

XI ZB 31/20

15.03.2022

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 24. Januar 2020, Az: 14 Kap 9/18

§ 8g VerkaufsprospektG vom 28.10.2004, § 13 VerkaufsprospektG vom 22.12.2006, § 44 BörsG vom 16.07.2007, §§ 44ff BörsG vom 16.07.2007, § 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2022, Az. XI ZB 31/20 (REWIS RS 2022, 686)

Papier­fundstellen: WM 2022, 921 REWIS RS 2022, 686 WM 2022, 1679 REWIS RS 2022, 686

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI ZB 12/20 (Bundesgerichtshof)

Haftung bei Kapitalanlagegeschäft: Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung


XI ZB 13/20 (Bundesgerichtshof)

Spezialgesetzliche Prospekthaftung im Altfall: Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes


XI ZB 17/20 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanleger-Musterverfahren: Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung bei fehlerhafter Darstellung der Markterwartung und Rentabilität einer Fondsbeteiligung im Übergangsfall


XI ZB 21/21 (Bundesgerichtshof)


XI ZB 11/20 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanlagegeschäft: Prospektverantwortlichkeit eines Hintermanns als Prospektveranlasser


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.