Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2022, Az. XI ZB 21/21

11. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7630

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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden des [X.] und der Rechtsbeschwerdeführer wird der Musterentscheid des 13. Zivilsenats des [X.] vom 27. August 2021 aufgehoben, soweit das [X.] die - sich auf [X.] beziehenden - [X.] 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 als unbegründet zurückgewiesen hat.

Der Vorlagebeschluss der 19. Zivilkammer des [X.] vom 13. Mai 2019 ist hinsichtlich der - sich auf [X.] beziehenden - [X.] 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos.

Im Übrigen werden die Rechtsbeschwerden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des [X.] und die außergerichtlichen Kosten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der beigetretenen [X.] zu 2 und 3 tragen der [X.] und die Rechtsbeschwerdeführer wie folgt:

Musterrechtsbeschwerdeführer

23,3%

Rechtsbeschwerdeführerin zu 1        

7,0%

Rechtsbeschwerdeführer zu 2

11,6%

Rechtsbeschwerdeführer zu 3

11,6%

Rechtsbeschwerdeführer zu 4

11,6%

Rechtsbeschwerdeführer zu 5

11,6%

Rechtsbeschwerdeführer zu 6

23,3%

Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der [X.] und die Rechtsbeschwerdeführer jeweils selbst.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Gerichtskosten auf bis zu 1.700.000 € festgesetzt.

Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des [X.] wird für die Prozessbevollmächtigten des [X.] sowie der Rechtsbeschwerdeführer auf bis zu 230.000 € und für die Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der beigetretenen [X.] auf bis zu 1.700.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem [X.] ([X.]) darüber, ob der am 21. Dezember 2007 aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) zur Beteiligung an der [X.]            " (im Folgenden: Fonds oder [X.]) fehlerhaft ist und ob die [X.] hierfür aufgrund sogenannter bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können. Gegenstand des Fonds ist der Erwerb und Betrieb des [X.]           " (nachfolgend: Fondsschiff), bei dem es sich um ein Containerschiff mit einer Containerkapazität von 2.122 TEU ([X.] bzw. 20-Fuß-Standard-Container) handelt.

2

Die drei [X.] waren Gründungsgesellschafterinnen der [X.]. Die [X.] zu 1 war zudem [X.] und übernahm die Finanzierungsvermittlung, Projektierung, Planung und Koordination sowie Managementleistungen. Die [X.] zu 2 war [X.]. Die [X.] zu 3 war für die Bauaufsicht und die Bereederung des Schiffes verantwortlich.

3

Die [X.] und die Beigeladenen verlangen von den [X.] Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der [X.] nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne.

4

Das [X.] hat mit Beschluss vom 13. Mai 2019 dem [X.] zum Zweck der Herbeiführung eines [X.]s vorgelegt. Mit den [X.] 1 bis 22 werden [X.] geltend gemacht. Daneben wird die Feststellung begehrt, dass die [X.] "als Gründungsgesellschafter aufgrund der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB verantwortlich sind" (im Folgenden: Haftungsfeststellungsziel 1), dass sie aufgrund der festgestellten [X.]haftigkeit nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft ihre vertraglichen Aufklärungspflichten verletzt haben (im Folgenden: Haftungsfeststellungsziel 2) und dass sie verpflichtet waren, über die festgestellten unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Punkte im streitgegenständlichen Prospekt aufzuklären und deshalb wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflichten haften (im Folgenden: Haftungsfeststellungsziel 3).

5

Das [X.] hat durch [X.] vom 27. August 2021 alle Feststellungsanträge zurückgewiesen.

6

Gegen den [X.] haben sieben Beigeladene Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie verfolgen die [X.] 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 sowie die [X.] weiter.

7

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2021 den Beigeladenen zu 1 zum [X.] und die [X.] zu 1 zur [X.] bestimmt. Die [X.] zu 2 und 3 sind dem Rechtsbeschwerdeverfahren innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 1 [X.] auf Seiten der [X.] beigetreten.

B.

8

Die zulässigen Rechtsbeschwerden des [X.]s und der weiteren Rechtsbeschwerdeführer haben im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

9

Die Rechtsbeschwerden sind zulässig. Sie sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und formulieren einen ordnungsgemäßen [X.] (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

[X.]

Die Rechtsbeschwerden des [X.]s und der weiteren Rechtsbeschwerdeführer haben im Ergebnis keinen Erfolg. Sie führen nur dazu, dass der Vorlagebeschluss hinsichtlich der [X.] 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos ist.

1. Das [X.] hat zur Begründung des [X.]s - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Die [X.] zu 1 sei [X.] im Sinne von § 13 [X.], § 44 [X.], da sie auf Seite 3 des streitgegenständlichen Prospekts als Anbieterin des [X.] ausdrücklich die Verantwortung für den Inhalt dieses Prospekts übernommen habe. Auch die [X.] zu 2 sei [X.], da sie Gründungsgesellschafterin mit einem Kapital von 25.000 € sei, den Vertrieb übernommen sowie eine Platzierungsgarantie abgegeben habe. Hierfür erhalte sie nach dem Gesellschaftsvertrag eine Vergütung, wodurch sie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse an dem Erfolg des [X.] gehabt habe. Bezogen auf diese [X.] werde die Prospekthaftung im weiteren Sinne durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung verdrängt.

Anders stelle sich die Sachlage hinsichtlich der [X.] zu 3 dar. Deren Stellung als Gründungsgesellschafterin führe allein nicht dazu, sie als [X.]in anzusehen. Die [X.] zu 3 könne somit zwar im Sinne der Prospekthaftung im weiteren Sinne für [X.] verantwortlich sein. Allerdings lägen die geltend gemachten [X.] nicht vor.

2. Die Rechtsbeschwerden haben im Ergebnis keinen Erfolg. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die [X.] 1 bis 3 in Bezug auf die [X.] zu 1 und 2 wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung als unbegründet zurückzuweisen sind. Insoweit ist auszusprechen, dass der Vorlagebeschluss hinsichtlich der sich auf die [X.] beziehenden [X.] 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos ist. Soweit das [X.] die geltend gemachten [X.] geprüft hat, weil es eine Prospektverantwortlichkeit der [X.] zu 3 verneint hat, kann dahingestellt bleiben, ob es zu Recht davon ausgegangen ist, dass keine [X.] vorliegen. Denn die [X.] zu 3 ist aufgrund ihrer Stellung als Gründungsgesellschafterin ebenfalls [X.]in, so dass die [X.] 1 bis 3 auch insoweit als unbegründet zurückzuweisen sind und der Vorlagebeschluss hinsichtlich der sich auf die [X.] beziehenden [X.] 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos ist.

a) Durch die [X.] sollte nur eine Haftung der [X.] nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der [X.], in denen zur Begründung der Haftung auf die "[X.]haftigkeit" abgestellt wird. Zudem wird im Vorlagebeschluss ausgeführt, dass sich die [X.] zur Aufklärung über die Kapitalanlage des Prospekts bedienten, welcher die Grundlage des [X.] gebildet habe.

b) Die begehrte Feststellung ist nicht zu treffen, weil eine Haftung der [X.] als Gründungsgesellschafterinnen aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der Senat in gefestigter Rechtsprechung entscheidet (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 22 ff., vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1679 Rn. 7 f. [X.] in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, [X.], 1908 und vom 26. Juli 2022 - [X.], [X.], 2137 Rn. 50 ff. [X.]) - vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.

Auf den am 21. Dezember 2007 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g [X.] in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eröffnet.

Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] zu 1 [X.] im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist, weil sie die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen hat. Ebenfalls zutreffend hat das [X.] die [X.] zu 2 als [X.]in im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] angesehen. [X.] hat das [X.] allerdings angenommen, dass die Stellung als Gründungsgesellschafterin allein eine Prospektverantwortlichkeit der [X.] zu 3 nicht begründen kann. Das [X.] hat insoweit die Entscheidung des Senats vom 19. Januar 2021 ([X.], [X.], 237 Rn. 22 ff.) missverstanden. Die Stellung als Gründungsgesellschafter reicht aus, um [X.] im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu sein (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2386 Rn. 24, vom 26. April 2022 - [X.], [X.], 1277 Rn. 39 und vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, [X.], 1908).

Die [X.] hafteten mithin als [X.] ([X.] zu 1) bzw. wegen ihrer Eigenschaft als Gründungsgesellschafterinnen als [X.]innen (alle [X.]) für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.]. Neben dieser ist eine Haftung der [X.] unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen.

c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von den Rechtsbeschwerden zitierten Entscheidungen des [X.] und des I[X.] Zivilsenats des [X.]. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Senatsbeschlüssen vom 15. März 2022 ([X.], [X.], 921 Rn. 25 ff.), vom 26. April 2022 ([X.], [X.], 1169 Rn. 22 ff.) und vom 19. Juli 2022 ([X.], [X.], 1684 Rn. 23 ff.) verwiesen. Die Rechtsbeschwerden rügen zudem zu Unrecht die Zuständigkeit des Senats (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 19. Juli 2022, aaO Rn. 33 f.).

d) Da der Antrag zu den [X.]n in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der sich auf die [X.] beziehenden [X.] 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2022 - [X.], [X.], 921 Rn. 30 ff. [X.]).

I[X.]

Die Entscheidung über die Kosten des [X.] folgt aus § 26 Abs. 1 und 3 [X.] i.V.m. §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entsprechend. Danach haben der [X.] und die Rechtsbeschwerdeführer die gesamten Kosten des [X.] nach dem Grad ihrer Beteiligung zu tragen. Soweit der Senat auf die (teilweise) Gegenstandslosigkeit des [X.] erkennt, ist damit eine den Rechtsbeschwerden günstige Entscheidung in der Sache, die eine Belastung der [X.] mit Kosten des [X.] rechtfertigte, nicht verbunden (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.], 100 Rn. 76).

IV.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG. Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend bis zu 1.700.000 €.

Die Festsetzung des [X.] für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b [X.]. Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten des [X.]s und der Rechtsbeschwerdeführer auf bis zu 230.000 € und für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der [X.] und der beigetretenen [X.] auf bis zu 1.700.000 € festzusetzen.

Ellenberger     

  

Matthias     

  

Menges

  

Dauber     

  

Ettl     

  

Meta

XI ZB 21/21

08.11.2022

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 17. Dezember 2021, Az: XI ZB 21/21, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2022, Az. XI ZB 21/21 (REWIS RS 2022, 7630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7630

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