BT-Drucksache 18/3278

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2806, 18/2811, 18/2814, 18/2815, 18/2823, 18/2824, 18/2825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3278
18. Wahlperiode 25.11.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Anja Hajduk, Ekin Deligöz, Luise Amtsberg, Sven-Christian
Kindler, Dr. Tobias Lindner, Britta Haßelmann, Volker Beck (Köln), Katja Keul,
Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin
von Notz, Hans-Christian Ströbele, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Harald
Ebner, Matthias Gastel, Kai Gehring, Dieter Janecek, Maria Klein-Schmeink,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Markus Kurth, Peter Meiwald,
Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Claudia Roth (Augsburg),
Corinna Rüffer, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe, Markus Tressel, Doris Wagner, Beate
Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2806, 18/2811, 18/2814, 18/2815, 18/2823,
18/2824, 18/2825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015
(Haushaltsgesetz 2015)

hier: Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern

Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Einzelplan 15
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit

Einzelplan 16
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Einzelplan 17
Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Drucksache 18/3278 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Nach Deutschland werden sich – allein in diesem Jahr – mehr als 200.000
Asylsuchende retten. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Zugangszahlen
von Asylsuchenden – angesichts fortdauernder Krisen und Kriege (z. B. in
Syrien und dem Irak) – auch in den kommenden Jahren fortsetzen werden.

2. Wir brauchen eine kohärente Flüchtlingspolitik in Deutschland. Länder und
Kommunen stehen vor großen Herausforderungen, die mit den stark steigen-
den Flüchtlingszahlen verbunden sind und brauchen bei der Bewältigung die-
ser Herausforderungen dringend die Unterstützung des Bundes. Es ist daher
notwendig, dass sich alle föderalen Akteure in der Frage der Aufnahme und
Integration von Flüchtlingen eng abstimmen.

3. Erfreulich ist, dass sich auch die Zivilgesellschaft vielerorts und mit hohem
Engagement für das Wohl von Flüchtlingen einsetzt. Das ist ein hohes Gut,
das wir schützen und weiter fördern wollen. Sinnvoll ist daher auch, die Zivil-
gesellschaft von Beginn an eng in die Ausgestaltung einer humanitären
Flüchtlingspolitik einzubinden.

4. Die Gewährleistung einer nicht nur humanen, sondern auch kohärenten
Flüchtlingspolitik stößt in Deutschland in vielerlei Hinsicht auf Hindernisse.
Festzustellen ist etwa,
dass Asylsuchende keinen Zugang zu den Sprachförderangeboten der In-

tegrationskurse haben;
dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu wenige Mitarbeite-

rinnen und Mitarbeiter beschäftigt, um angesichts steigender Flücht-
lingszahlen – wie im schwarz-roten Koalitionsvertrag gefordert – „zügi-
ge und rechtsstaatliche Asylverfahren“ zu gewährleisten;

dass vielerorts eine unabhängige Verfahrensberatung für Asylsuchende
nicht oder nur unzureichend ermöglicht wird. Dies führt zu – aus Sicht
der Flüchtlinge, wie auch der Verwaltung gleichermaßen negativen Fol-
ge – unnötig langen Asylverfahren. Die unabhängige Asylverfahrensbe-
ratung muss nicht nur an bestehenden Standorten ausgebaut, sondern
auch auf die neu entstehenden Erstaufnahmeeinrichtungen ausgeweitet
werden;

dass für Schutzsuchende – auf Grundlage des Asylbewerberleistungsge-
setzes – nur eine medizinische Minimalversorgung vorgesehen ist (zur
Behandlung von akuten Notfällen und Schmerzzuständen). Das führt da-
zu, dass (z. B. ohne Impfungen) Krankheiten unnötig auftreten bzw. lan-
ge verschleppt werden, was nur das Leid der Menschen aber auch den
späteren medizinischen Behandlungsaufwand vergrößert;

dass die vielen – häufig ja schwer-traumatisierten – Flüchtlinge in
Deutschland nur einen völlig unzureichenden Zugang zu Therapiemög-
lichkeiten haben. So stehen den Mitarbeitenden im Durchschnitt pro
Flüchtling monatlich lediglich 2,1 Stunden zur Verfügung. In fast allen
Einrichtungen bestehen zudem lange Wartelisten. Eine Vermittlung an
niedergelassene Therapeutinnen/Therapeuten aus der gesundheitlichen
Regelversorgung ist fast unmöglich, da die Sozialämter in der Regel kei-
ne Kostenübernahme für Psychotherapien gewähren;

dass die Arbeitsverwaltung nicht darauf vorbereitet ist, dass nicht nur
mehr Flüchtlinge in Deutschland eintreffen, sondern dass diese (aufgrund
der jüngsten Änderung des Asylverfahrensgesetzes) nun auch deutlich
früher als bislang Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten und schließlich,

dass die Kommunen – zum Teil – große Probleme haben, Liegenschaften
und Gebäude für eine menschwürdige Unterbringung von Asylsuchen-
den bereitzustellen – dies betrifft insbesondere Kommunen in Haushalts-
notlage.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3278
5. Um die oben beschriebenen Herausforderungen zum bestmöglichen Nutzen

nicht nur für die Flüchtlinge selber, aber auch für unsere Gesellschaft insge-
samt zu bewältigen, ist eine nationale Kraftanstrengung erforderlich.

II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

Es wird ein Gesamtpaket zu Unterstützung von Asylsuchenden sowie zur Unter-
stützung der Kommunen bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen in
Höhe von 1 Mrd. € zusammengestellt.
Dieses Gesamtpaket ruht auf folgenden Säulen:
1. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekommt, wie in der Bereini-

gungssitzung beantragt und beschlossen, 300 Planstellen für Entscheiderinnen
und Entscheider. Hierbei handelt es sich um eine Erhöhung im Kapitel 06 33
um rund 30 Mio. Euro.

2. Mit einem weiteren Kontingent werden 20.000 Flüchtlinge aus dem Irak und
aus Syrien aufgenommen. Der Titel 684 61 im Kapitel 03 des Einzelplans 06
erhöht sich damit um 18 Mio. Euro auf 27 Mio. Euro.

3. Asylsuchenden wird der Zugang zu den Integrationskursen ermöglicht. Bezo-
gen auf die Zugangszahlen des Jahres 2014 (ca. 200.000 Asylanträge) wird
der Titel 684 12 im Kapitel 03 des Einzelplans 06 um 200 Mio. Euro erhöht.

4. Asylsuchende werden in die Migrationsberatung einbezogen: Die Migrations-
beratung für Einwanderinnen und Einwanderer (MBE) ist offiziell ein den In-
tegrationskurs ergänzendes Beratungsangebot. Die MBE sind seit Jahren un-
terfinanziert und deren Beschäftigte – selbst nach Darstellung des Bundesin-
nenministeriums – heillos überlastet. Die MBE sollen daher durch zusätzliche
Personalmittel in die Lage versetzt werden, u. a. auch den zusätzlichen Nach-
fragebedarf zu bedienen, der sich aus der Öffnung der Integrationskurse für
Asylsuchende ergeben wird. Der Titel 684 13 im Kapitel 03 des Einzelplans
06 wird um 8 Mio. Euro auf 42 Mio. Euro erhöht.

5. Ausbau der Asylverfahrensberatung: Der Zuschuss an die Wohlfahrtsverbän-
de zur Beratung und Betreuung von Asylsuchenden soll so erhöht werden,
dass zum einen mindestens 20 weitere qualifizierte Asylverfahrensberaterin-
nen und -berater eingestellt werden können, damit in allen 16 Bundesländern
mindestens eine und in den vier großen Flächenländern mit mehreren Erstauf-
nahmeeinrichtungen nochmals je eine Asylverfahrensberatungsstelle einge-
richtet werden kann. Zum anderen sollen nochmal so viele Personalstellen ge-
schaffen werden, um eine flankierende Beratung von Asylsuchenden durch
die Wohlfahrtsverbände z. B. in Fragen der Verteilung oder der Familienzu-
sammenführung zu ermöglichen. Hierdurch würden im Titel 684 05 des Kapi-
tels 10 im Einzelplan 17 Kosten in Höhe von ca. 2,0 Mio. Euro entstehen.

6. Ausbau der Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen: Es werden zusätzlich
150.000 Euro Projektförderungsmittel für „Bundesweite Arbeitsgemeinschaft
der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer“ und 3,0 Mio. Eu-
ro für eine Modellprojektförderung der Behandlungs- und Beratungszentren
für traumatisierte Flüchtlinge zur Verfügung gestellt – insbesondere für Struk-
turverbesserungen innerhalb der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtling-
en in Ostdeutschland sowie für Projekte für traumatisierte Kinder und Jugend-
liche. Dazu gehören auch Betreuungs- und Unterstützungsangebote für ehren-
amtliche Helferinnen und Helfer. Hierdurch erwachsen im Titel 684 06 des
Kapitels 02 im Einzelplan 15 Kosten in Höhe von 3,15 Mio. Euro.

7. Um allen in Deutschland lebenden Personen – unabhängig von ihrem aufent-
haltsrechtlichen Status – eine diskriminierungsfreie gesundheitliche Versor-
gung zu ermöglichen, werden die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
(AsylbLG) Leistungsberechtigten künftig gleichberechtigt in die Gesetzliche
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/3278 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Krankenversicherung (GKV) einbezogen. Dies führt auch zu einem erhebli-
chen Bürokratieabbau in Ländern und Kommunen. Durch diese Einbeziehung
der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG in die GKV entstehen dem
Bund Kosten in Höhe von rund 490 Mio. Euro. In regelmäßigen Abständen ist
zu überprüfen, ob die angesetzten Versicherungsbeiträge den durchschnittli-
chen Kosten der Betroffenen entsprechen oder angepasst werden müssen.

8. Um Asylsuchenden – die künftig nach drei Monaten einen generellen und ab
15 Monaten einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben wer-
den – eine qualifizierte Beratung durch die Jobcenter und Arbeitsagenturen zu
ermöglichen, wird der Verwaltungskostenetat der Bundesarbeitsagentur – Ti-
tel 636 13 des Kapitels 01 im Einzelplan 11 – für entsprechend notwendige
Personalaufstockungen und Schulungen um 50 Mio. Euro erhöht.

9. Das über den Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte IQ-
Förderprogramm des Bundes soll u. a. Flüchtlingen helfen, eine adäquate Er-
mittlung individueller Kompetenzen sowie eine möglichst vollständige Aner-
kennung ihrer im Herkunftsland erworbenen Studien- und Berufsabschlüsse
zu ermöglichen. Mit den steigenden Flüchtlingszahlen steigt auch hier der Be-
ratungs- und Unterstützungsbedarf. Daher wird über den Titel 684 01 des Ka-
pitels 01 im Einzelplan 11 der Bundesanteil für das IQ-Netzwerk mit zusätz-
lich 30 Mio. Euro auf rund 60 Mio. Euro erhöht.

10. Weitere 10 Mio. Euro werden über den Titel 686 13 des Kapitels 06 des im
Einzelplan 11 für flankierende Maßnahmen zur Arbeitsförderung im Rahmen
der ESF-Integrationsrichtlinie Bund/Integration von Asylbewerbern und
Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.

11. Für die Bereitstellung der Förderinstrumente nach SGB II und III für Asylsu-
chende (also für berufliche Weiter- und Fortbildungen bzw. für Nach-, An-
schluss- oder Teilqualifikationsmaßnahmen bzw. für Maßnahmen zur berufli-
chen Eingliederung (wie etwa Bewerbertrainings) oder für Maßnahmen zur
Förderung der Aufnahme einer Berufsausbildung) erhöht sich der Eingliede-
rungstitel 685 11 im Kapitel 01 im Einzelplan 11 um 50 Mio. Euro.

12. Es soll im Kapitel 06 im Einzelplan16 (Titelgruppe 01 „Förderung des Städ-
tebaus“) ein Bundesinvestitionsprogramm nach Art. 104b GG mit der beson-
deren Aufgabe der Unterbringung von Asylsuchenden in Höhe von 100 Mio.
Euro jährlich für die Dauer von fünf Jahren aufgelegt werden. Diese Mittel
sind
für eine verbesserte dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden,
Ermöglichung einer tragbaren Kofinanzierung für Kommunen in Haus-

haltsnotlage sowie
Zurverfügungstellung von Mitteln, auch für nichtinvestive, investitionsbe-

gleitende Maßnahmen mit dem Zweck einer verbesserten Teilhabe der
Flüchtlinge (z. B. für Beratung, Wohnungssuche, soziale Arbeit) einzuset-
zen.

13. Immobilien der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die zum
Zwecke der Flüchtlingsunterbringung dienen können, sollen den Ländern und
Kommunen befristet kostenfrei überlassen werden. Dies führt auf Seiten des
Bundes im Kapitel 04 im Einzelplan 60 zu Mindereinnahmen in Höhe von ca.
1,3 Mio. Euro – und zu entsprechenden Entlastungen auf Seiten der Kommu-
nen.

Berlin, den 24. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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